Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 28.08.2020, Az.: 11 U 65/19

Reichweite der Pflichten eines Nachlassgerichts zur Erbenermittlung; Einholung eines Wertgutachtens durch den Fiskus im Rahmen der Nachlassabwicklung keine hoheitliche Tätigkeit gegenüber dem wahren Erben

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
28.08.2020
Aktenzeichen
11 U 65/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 47230
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2020:0828.11U65.19.00

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Braunschweig - 23.07.2020 - AZ: 11 U 65/19
LG Braunschweig - 09.04.2019 - AZ: 7 O 749/17

Fundstellen

  • ErbR 2021, 250-253
  • FamRZ 2021, 1581
  • MDR 2021, 104-105
  • NotBZ 2021, 226
  • ZEV 2021, 167-170

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ob das Nachlassgericht seinen Pflichten zur Erbenermittlung hinreichend nachgekommen ist, beurteilt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Eine generelle Verpflichtung zur Einschaltung eines professionellen Erbenermittlers oder Anfrage bei allen Standesämtern, in deren Einzugsbereich sich der Erblasser während seines Lebens für einige Zeit aufgehalten hat, besteht nicht.

  2. 2.

    Die Einholung eines Wertgutachtens durch den Fiskus im Rahmen der Nachlassabwicklung stellt keine hoheitliche Tätigkeit gegenüber dem wahren Erben dar.

  3. 3.

    Zwischen dem wahren Erben und dem Land als Erbschaftsbesitzer besteht kein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis. Land haftet ggf. als Erbschaftsbesitzer gegenüber dem wahren Erben.

  4. 4.

    Durch die Feststellung, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, wird dem wahren Erben nicht das Eigentum an einem in den Nachlass fallenden Grundstück entzogen.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09.04.2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist des Rechtsmittels der Berufung verlustig, soweit er die von ihm eingelegte Berufung hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 6.793,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.02.2015 zurückgenommen hat.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09.04.2019 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf eine Wertstufe bis 125.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Wegen des Sachverhalts und der in der Berufungsinstanz gestellten Anträge wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darstellung im Hinweisbeschluss des Senats vom 23.07.2020 (Bl. 330 ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 23.07.2020 verwiesen.

1. a.) Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 07.08.2020 Bedenken gegen eine Entscheidung im Beschlusswege gem. § 522 Abs. 2 ZPO geäußert hat, weil das Gericht seine Entscheidung u. a. auf eine neue Tatsachengrundlage stütze, kann dem nicht gefolgt werden.

Nach Maßgabe von §§ 529, 531 ZPO zulässiges neues Vorbringen ist auch dann zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO entscheiden will (vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.2016 - V ZR 258/15 - NJW 2017, 736). Eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss ist insofern zulässig, wenn die Berufung auch unter Berücksichtigung nach §§ 529, 531 ZPO zulässigen neuen Vorbringens offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.2016, a. a. O.).

Hier hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 23.07.2020 dargelegt, warum die Berufung des Klägers auch unter Berücksichtigung seines neuen Vorbringens keine Aussicht auf Erfolg hat. Die von dem Kläger vorgetragenen neuen Tatsachen hindern eine Entscheidung gem. § 522 Abs. 2 ZPO daher nicht.

b.) Auch Art. 6 EMRK steht dem nicht entgegen.

Selbst wenn das Berufungsgericht für Tatsachen- und Rechtsfragen zuständig ist, begründet Art. 6 EMRK nicht immer ein Recht auf eine öffentliche Verhandlung (vgl. EGMR, Entscheidung vom 02.02.2006 - 5398/03, BeckRS 2008, 06633). Das Absehen von einer Verhandlung in der zweiten und dritten Instanz kann aufgrund der Besonderheiten des betreffenden Verfahrens gerechtfertigt sein (vgl. EGMR, Entscheidung vom 02.02.2006, a. a. O.). So kann sich die Durchführung einer Verhandlung erübrigen, wenn das Verfahren keine Tatsachen- oder Rechtsfragen - wie im vorliegenden Fall - aufwirft, die auf der Grundlage der Verfahrensakten und der Parteienschriftsätze nicht angemessen entschieden werden können (vgl. EGMR, Entscheidung vom 02.02.2006, a. a. O.).

c.) Auch die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers werden nicht geteilt.

Art. 103 Abs. 1 GG begründet keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung; es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.06.2014 - 2 BvR 792/11 -, juris Rn. 8). Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht dazu, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch, auch ihrer (Rechts-)Auffassung zu folgen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10.02.2020 - 2 BvR 336/19 -, juris Rn. 9 m. w. N.).

Eine Entscheidung im Beschlusswege gem. § 522 Abs. 2 ZPO entsprechend den gesetzlichen Vorgaben - wie im vorliegenden Fall - ist daher zulässig. Der Senat hat sich in seinem Hinweisbeschluss ausführlich mit den Argumenten der Klägerseite auseinandergesetzt, diese aber nicht für überzeugend erachtet.

Auch eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren kann nicht festgestellt werden.

Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben worden ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09.12.2015 - 1 BvR 2449/14 -, juris Rn. 4).

Beides ist hier nicht der Fall. Der anwaltlich vertretene Kläger hatte Gelegenheit, im Rahmen der Berufungsbegründung und der nachfolgenden Schriftsätze seine Argumente ausführlich darzulegen, mit denen sich der Senat auch eingehend beschäftigt und den Kläger darauf hingewiesen hat, aus welchen Gründen seine Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat. Auch hierzu ist dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, von der der Kläger auch Gebrauch gemacht hat. Eine mündliche Verhandlung war zur weiteren Sachverhaltsaufklärung daher nicht erforderlich.

d.) Entgegen der von dem Kläger vertretenen Ansicht, war es im Rahmen der Erbenermittlung durch das Nachlassgericht auch nicht zwingend geboten, eine Anfrage an das Heirats-, Sterbe- und Geburtsregister der Standesämter S., F. am M. und D. zu richten.

Wie und über welchen Zeitraum das Nachlassgericht ermittelt, beurteilt dies vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Heinemann, in: Beck/OGK, BGB, § 1964, Rn. 39). § 1964 BGB schreibt dem Nachlassgericht nicht vor, dass es stets Anfragen an alle Standesämter zu richten hat, in deren Einzugsbereich sich der Erblasser während seines Lebens für einige Zeit aufgehalten hat.

Hier durfte das Nachlassgericht nach den Umständen des konkreten Einzelfalls davon auszugehen, dass der Erblasser keine weiteren Erben neben den von dem Nachlassgericht bereits ermittelten Angehörigen hatte. Der Erblasser selbst hat angegeben, neben einer vorverstorbenen Tochter keine weiteren Abkömmlinge zu besitzen. Auch die Anfragen bei den bekannten Angehörigen haben keine Hinweise auf den Kläger erbracht.

e.) Im vorliegenden Fall musste das Nachlassgericht angesichts der Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls auch nicht davon ausgehen, dass die Einschaltung eines professionellen Erbenermittlers Hinweise auf einen weiteren Erben bringen würde und war insofern auch nicht verpflichtet, einen solchen einzuschalten. Es wird insofern auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 23.07.2020 verwiesen.

Dem stehen auch nicht die von dem Kläger angeführten Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte entgegen.

Das Oberlandesgericht Bremen (Beschluss vom 02.04.1998 - 1 W 99/97 -, juris) und das Oberlandesgericht Frankfurt (Beschluss vom 03.12.1999 - 20 W 445/97-, juris) haben sich lediglich mit der Frage befasst, ob der vom Nachlassgericht zum Nachlasspfleger bestellte Erbenermittler Personenstandsurkunden anfordern kann. Das Oberlandesgericht Schleswig hat entschieden, dass der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter des von ihm zu ermittelnden Erben einen Erbensucher ermächtigen kann (Beschluss vom 14.02.2005 - 2 W 202/04 -, juris Rn. 12). Eine Verpflichtung hierzu ist der Entscheidung nicht zu entnehmen.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf bejaht zwar die Möglichkeit der Einschaltung eines Erbenermittlers, betont aber, dass der Nachlasspfleger "Herr des Verfahrens" bleiben muss und der Nachlasspfleger erst dann einen Erbenermittler einschalten darf, wenn er zuvor alle erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung selbst vorgenommen hatte und diese erfolglos geblieben waren (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.03.2014 - I-3 Wx 192/13 -, juris Rn. 13). Die Einschaltung eines Erbenermittlers könne nach Lage des Falles geboten sein, wenn der Nachlasspfleger nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfüge und sonst seinen Aufgaben nicht gerecht werden könne (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.03.2014, a. a. O.).

Im vorliegenden Fall sind jedoch eine Reihe von Erben ermittelt worden, die die Erbschaft jedoch ausgeschlagen haben, während es keinen einzigen Hinweis auf den Kläger als weiteren Erben gegeben hat, sondern der Erblasser das Vorhandensein weiterer Abkömmlinge selbst ausdrücklich verneint hat. In einem solchen Fall müssen weder das Gericht noch der Nachlasspfleger weitere Ermittlungen unter Einschaltung eines professionellen Erbenermittlers quasi "ins Blaue hinein" durchführen, sondern dürfen davon ausgehen, dass alle Erben des Erblassers die Erbschaft ausgeschlagen haben.

Soweit der Kläger geltend macht, dass die gegenwärtigen Methode der Erbenermittlung erhebliche Anreize für opportunistisches Verhalten beim Nachlassgericht und Nachlasspfleger schaffen würde, die das dem Erben angefallene Vermögen schmälerten oder gar den Erwerb vereiteln könnten, ist darauf hinzuweisen, dass dem Senat nicht bekannt ist, dass die Nachlassgerichte Erben stets nur nach einer bestimmten Methode ermitteln und gerade auch die Einschaltung von professionellen Erbenermittlern mit Kosten verbunden ist, die dem Nachlass zur Last fallen.

Der Kläger kann sich auch nicht auf den Beweis des ersten Anscheins dergestalt berufen, dass die unterbliebene Anfrage beim Standesamt D. und die Hinweise des Erbenermittlungsbüros M. auf gesetzliche Erben dafür sprechen würden, dass der zuständige Amtsträger nicht unter Zuhilfenahme der ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel sorgfältig ermittelt habe.

Durch den Beweis des ersten Anscheins wird die dem Geschädigten grundsätzlich obliegende Beweisführung der Ursächlichkeit eines bestimmten Lebenssachverhalts für den eingetretenen Schaden erleichtert (vgl. BGH, Beschluss vom 29.08.2018 - VII ZR 105/14 -, juris Rn 25). Er greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist (vgl. BGH, Beschluss vom 29.08.2018, a. a. O.). Im Wege des Anscheinsbeweises kann auch von einem bestimmten eingetretenen Erfolg auf die Ursache geschlossen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29.08.2018, a. a. O..). Dieser Schluss setzt einen typischen Geschehensablauf voraus, was allerdings nur bedeutet, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29.08.2018, a. a. O.).

Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um die Feststellung eines Kausalzusammenhangs, sondern zunächst der Pflichtverletzung selbst. Alleine die Tatsache, dass bei einer Anfrage beim Standesamt D. sich u. U. Hinweise auf den Kläger ergeben hätten, lässt nicht den Schluss zu, dass das Nachlassgericht zu einer solchen Anfrage bei pflichtgemäßer Ausübung seines Ermessen verpflichtet gewesen ist. Maßstab hierfür ist nicht eine Betrachtung ex post, sondern eine Betrachtung ex ante (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.1993 - III ZR 107/92 -, juris Rn. 16). Hiernach hatte das Nachlassgericht aber keinen Anlass bei dem vorgenannten Standesamt nachzufragen, weil es davon ausgehen musste, alle in Betracht kommenden Erben bereits ermittelt zu haben. Hinsichtlich der angeblichen Hinweise des Erbenermittlungsbüros M. ist bereits unklar, um welche Hinweise es sich handelte und worauf diese beruhten, so dass nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger hierdurch hätte ermittelt werden können. Das Nachlassgericht war insofern mangels hinreichender Tatsachengrundlage nicht gehalten, weitere Ermittlungen anzustellen. Es wird auf die Ausführungen in dem Hinweisbeschluss des Senates verwiesen. Der Beweis des ersten Anscheins greift insofern nicht ein.

Auch aus der von dem Kläger angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06.12.2018 (Az.: IX ZR 176/16, vorgelegt als Anlage BGH 1) ergibt sich nichts Anderes. Ihr lag bereits ein anderer Sachverhalt zugrunde. Der Bundesgerichtshof hatte in dieser Entscheidung über die Verletzung von Aufklärungs- und Belehrungspflichten durch einen Steuerberater gegenüber seinem Mandanten im Zusammenhang mit der Zeichnung von Kapitalanlagen zu entscheiden. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sich in Fällen der Rechts- und Steuerberaterhaftung Beweiserleichterungen für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden zu Gunsten des Mandanten nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises bestimmen.

Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, sondern es fehlt bereits an einer Pflichtverletzung.

Soweit der Kläger offenbar von der Annahme eines "Überschuldungstatbestandes" durch den Senat ausgeht, hat der Senat einen solchen seinen Erwägungen nicht zugrunde gelegt, sondern darauf hingewiesen, dass nicht feststellbar ist, dass das Nachlassgericht im Hinblick auf eine angebliche Überschuldung von ansonsten gebotenen Ermittlungen abgesehen hat.

f.) Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, dass § 142 ZPO die Amtsaufklärung erlaube und das Landgericht insofern gehalten wäre, die Nachlassakten zur weiteren Aufklärung beizuziehen.

Zwar dient diese Vorschrift nicht unmittelbar Beweiszwecken, sondern primär der materiellen Prozessleitung, mit deren Hilfe sich das Gericht möglichst frühzeitig einen umfassenden Überblick über den Prozessstoff verschaffen bzw. das Parteivorbringen richtig verstehen können soll. Das Gericht darf dabei einer Urkunde jedoch nichts entnehmen, was von den Parteien im Prozess nicht vorgetragen worden ist, denn § 142 ZPO ermöglicht keine Amtsaufklärung (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2014 - XI ZR 264/13 -, juris Rn. 28 m. zahlreichen weiteren Nachweisen). Das Gericht darf mit seiner Anordnung deshalb keinesfalls die Grenzen des Parteivortrages überschreiten (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2014, a. a. O.). Die Bedeutung einer konkret zu bezeichnenden Urkunde für die begehrte Entscheidung muss sich vielmehr aus dem schlüssigen Parteivortrag ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2014, a. a. O.).

Hier fehlt es jedoch bereits an einer schlüssigen Darlegung einer Amtspflichtverletzung des Nachlassgerichts.

g.) Soweit der Kläger weiterhin die Ansicht vertritt, dass das beklagte Land bei Einholung des Gutachtens hoheitlich tätig geworden sei, kann dem nicht gefolgt werden. Es wird insofern auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 23.07.2020 Bezug genommen.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der von dem Kläger zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 05.05.2011 (Az.: 31 Wx 164/11 -, juris). Dieser Entscheidung lag bereits ein anderer Sachverhalt dergestalt zugrunde, dass eine Nachlassgläubigerin von dem Nachlassgericht die Durchführung eines Feststellungsverfahrens gem. § 1964 BGB begehrte. Das Oberlandesgericht hat insofern keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Staat nach Feststellung seines gesetzlichen Erbrechts im Rahmen der Verwertung des Nachlasses gegenüber dem wahren Erben hoheitlich tätig wird oder nicht. Vielmehr hat auch das Oberlandesgericht ausgeführt, dass das Erbrecht des Staates wahres Erbrecht im privatrechtlichen Sinne und nicht nur Ausdruck eines hoheitlichen Aneignungsrechts sei. Soweit das Oberlandesgericht ausführt, dass der Sinn und Zweck des § 1936 BGB u. a. in der Ordnungsfunktion des Staates liege, nämlich in dem Bestreben herrenlose Nachlässe zu verhindern und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung zu gewährleisten, und der Staat bei der Abwicklung des Nachlasses de facto polizeiliche Aufgaben erfülle, führt diese Ordnungsfunktion nicht dazu, dass das Erbrecht des Staates und die damit verbundene Nachlassabwicklung zum hoheitlichen Aneignungsrecht und dessen Ausübung wird. Vielmehr hat das Erbrecht den Charakter eines wirklichen privaten Erbrechts, so dass der Staat wie andere Erbschaftsbesitzer gegenüber dem wahren Erben haftet (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2015 - IV ZR 438/14 -, juris Rn. 9).

h.) Der Kläger kann sich auch nicht auf die Verletzung der Niedersächsischen Landeshaushaltsordnung berufen. Denn §§ 63 ff. der Niedersächsischen Landeshaushaltsordnung dienen allein der Ausführung des Haushaltsplans und der Sicherung des Vermögens des Landes. Der Umstand, dass die Bewertung des streitgegenständlichen Grundstücks sich für den Kläger möglicherweise nachteilig ausgewirkt hat, reicht nicht aus, um von einer drittschützenden Wirkung dieser Vorschriften des Innenrechts auszugehen. Insofern wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 23.07.2020 Bezug genommen.

Der Verweis auf die Verpflichtung zur Erbenermittlung von Amts wegen ist unbehelflich, weil die Einholung des Wertgutachtens nicht Teil der Erbenermittlung, sondern der Nachlassabwicklung ist, die keinen hoheitlichen Charakter trägt.

i.) Soweit der Kläger auf seiner Rechtsauffassung im Hinblick auf die Annahme eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses beharrt, wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 23.07.2020 verwiesen. Der Staat als Erbschaftsbesitzer haftet gem. §§ 2018 ff. BGB wie andere Erbschaftsbesitzer auch, soweit sein Erbrecht tatsächlich nicht besteht.

j.) Der Kläger kann auch keinen Anspruch aus einem enteignungsgleichen und enteignenden Eingriff geltend machen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das beklagte Land durch die Veräußerung des Grundstücks nicht hoheitlich tätig geworden. Es wird auf den Hinweisbeschluss und die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

2. Soweit der Kläger die Berufung mit Schriftsatz vom 02.07.2019 teilweise in Höhe von 6.793,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.02.2015 zurückgenommen hat, war er gem. § 516 Abs. 3 ZPO dieses Rechtsmittels für verlustig zu erklären.

3. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 13.11.2019 die Klage erweitert hat, verliert diese entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung (vgl. BGH, Urteil vom 03.11.2016 - III ZR 84/15 -, juris Rn. 14).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren war gem. §§ 47, 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO auf eine Wertstufe bis 125.000,- EUR festzusetzen.