Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 20.06.1986, Az.: 5 T 267/86

Rechtmäßigkeit einer kummulativen Festsetzung einer Vergleichsgebühr und einer Tätigkeitsgebühr

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
20.06.1986
Aktenzeichen
5 T 267/86
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1986, 18970
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:1986:0620.5T267.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
Amtsgericht ... - 28.04.1986 - AZ: 7 II 66/85

Fundstelle

  • NJW 1986, 2324 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreitverfahren
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim
auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten vom 9.5.1986 gegen den Beschluss des Amtsgerichts ... vom 28.4.1986
am 20. Juni 1986
beschlossen:

Tenor:

Die angefochtene Kostenfestsetzung vom 27.2.1986 wird teilweise dahin geändert, daß zu Gunsten des Rechtsanwalts ... in ... folgende Kosten festzusetzen sind:

Gebühr gem. § 132 Abs. 2 BRAGO80,- DM
Gebühr gem. § 132 Abs. 3 BRAGO100,- DM
Kostenpauschale27,- DM
Zwischensumme:207,- DM
14 % Umsatzsteuer28,98 DM
Summe:235,98 DM.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 104,88 DM.

Gründe

1

Der Beschwerdeführer ist in einer Beratungshilfeangelegenheit tätig geworden, die durch Vergleich beendet worden ist. Mit Antrag vom 25.2.1986 hat er neben der Vergleichsgebühr nach § 132 Abs. 3 BRAGO in Höhe von 100,- DM Festsetzung der Tätigkeitsgebühr nach § 132 Abs. 2 BRAGO in Höhe von weiteren 80,- DM nebst darauf entfallender Kostenpauschale und Umsatzsteuer beantragt, Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Amtsgericht hat die Festsetzung der Gebühr nach § 132 Abs. 2 BRAGO abgelehnt. Die Erinnerung des Beschwerdeführers hat der Richter beim Amtsgericht durch Beschluss vom 28.4.1986 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde. Mit dieser vertritt der betroffene Rechtsanwalt die Auffassung, die Gebühren nach § 132 Abs. 2 und Abs. 3 BRAGO konnten auch kumulativ nebeneinander entstehen; ihm stünde deshalb auch die. Tätigkeitsgebühr nach Abs. 2 der genannten Vorschrift zu. Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Hildesheim ist zu der Beschwerde gehört worden.

2

Die Beschwerde ist nach § 128 Abs. 4 BRAGO i.V.m. § 133 Satz 1 BRAGO zulässig. Insbesondere ist die Beschwerde fristgerecht eingelegt und der Beschwerdewert von mehr als 100,- DM erreicht. Beiläufig sei, darauf hingewiesen, daß es sich nicht um eine - unzulässige - "weitere" Beschwerde nach § 128 Abs. 4 Satz 3 BRAGO handelt. Vielmehr ist das nunmehr vom Beschwerdeführer eingelegte Rechtsmittel die Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts über die Erinnerung gegen die Festsetzung nach § 128 Abs. 3 BRAGO.

3

Die Beschwerde ist begründet. Dem Beschwerdeführer steht neuen der Vergleichsgebühr nach § 132 Abs. 3 BRAGO auch die Tätigkeitsgebühr nach § 132 Abs. 2 BRAGO zu. Das Gericht tritt insoweit der nunmehr ganz überwiegenden (vgl. Riedel/Sußbauer/Chemnitz, BRAGO, 5. Aufl. Rdn. 25 zu § 132 m zahlreichen Nachweisen) Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, die auch vom Bezirksrevisor beim hiesigen Landgericht geteilt wird, bei.

4

Maßgebend hierfür sind folgende Überlegungen:

5

Aus dem Wortlaut des § 132 BRAGO ergibt sich keine eindeutige Stützung der Auffassung, die das Verhältnis zwischen den hier in Rede stehenden Vorschriften als alternativ ansieht.

6

Dagegen spricht die Systematik des § 132 BRAGO deutlich dafür, die Gebühren nach Abs. 2 und 3 als kumulativ nebeneinander entstehungsfähig anzusehen. Denn § 132 BRAGO ist deutlich erkennbar dem Gebührensystem für den Wahlenwalt (§§ 30; 118; 23 BRAGO) nachgebildet. Auch die Vergleichsgebühr des § 132 Abs. 3 BRAGO ist danach ebenso wie die des § 123 BRAGO eine "weitere" Gebühr.

7

Diese Einschätzung wird durch die teleologische Auslegung der Vorschrift gestützt: Zweck der Vergleichsgebühr ist es, für den Anwalt einen Anreiz zur vergleichsweisen Erledigung einer Rechtsangelegenheit zu schaffen. Dem wird nur durch einen deutlichen Bonus zu der ohnehin entstehenden Tätigkeitsgebühr Rechnung, getragen. Dementsprechend sieht § 23 BRAGO beim Wahlanwalt für den Fall eines Vergleichsschlusses eine weitere volle Gebühr vor. Dieser Anreiz zur vergleichsweisen Erledigung kann in Beratungshilfeangelegenheiten nur dadurch geschaffen werden, daß die Gebühr nach § 132 Abs. 3 BRAGO neben der des § 132 Abs. 2 BRAGO entstehen kann. Daß eine bloße Erhöhung der Tätigkeitsgebühr um 20,- DM für den Fall eines Vergleichs, von der der angefochtene Beschluss ausgeht, diesen Zweck materiellen Anreizes angesichts der ohnehin zurückhaltend bemessenen Beratungshilfegebühren nicht erfüllen kann, dürfte offensichtlich sein.

8

Schließlich sei auch auf die vom Beschwerdeführer zutreffend dargelegte Entstehungsgeschichte der Vorschrift hingewiesen, die die hier vertretene Auffassung ebenfalls stützt.

9

Die Kastenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 5 BRAGO.

10

Die Höhe des Beschwerdewertes war nach der versagten Gebühr von 80,- DM nebst Kastenpauschale und Umsatzsteueranteil zu bestimmen.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 104,88 DM.