Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 18.09.1986, Az.: 5 T 448/86

Untersagung einer konkurrierenden Altkleidersammlung; Erwerb einer absolut geschützten Rechtsposition durch die Ankündigung einer Altkleidersammlung; Sammelrecht als Aneignungsrecht

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
18.09.1986
Aktenzeichen
5 T 448/86
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1986, 20541
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:1986:0918.5T448.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Holzminden - 30.07.1986 - AZ: 2 C 316/86

Fundstellen

  • NJW 1987, 333-334 (Volltext mit red. LS)
  • NJW-RR 1987, 374 (red. Leitsatz)
  • VersR 1987, 365 (amtl. Leitsatz)

In dem Rechtsstreit
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim
auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten vom 21. August 1986
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Holzminden vom 30. Juli 1986
in der Sitzung vom 18. September 1986
beschlossen:

Tenor:

Der an gefochtene Beschluß wird geändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Kosten des Verfügungsverfahrens werden dem Verfügungskläger auferlegt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verfügungskläger.

Beschwerdewert: 1.000 bis 1.100,-- DM.

Gründe

1

Der Verfügungskläger führt u.a. Sammlungen von Altkleidern durch. Er hatte angekündigt, am 23. und 24.Mai 1986 im Landkreis Holzminden zu sammeln. Er hatte dafür Plastiksäcke an Haushalte verteilt und in Begleitzetteln die Bevölkerung aufgefordert, zu den angegebenen Terminen Altkleider in den verteilten Plastiksäcken zur Abholung am Straßenrand bereitzustellen. Außerdem waren Plakate ausgehängt, auf denen auf diese Sammlung hingewiesen wurde. Der Verfügungsbeklagte hat danach, nämlich am 12. Mai 1986 im selben Sammelbereich Handzettel verteilen lassen und darin Bereitstellung von Altkleidern für den 15. Mai 1986 gebeten. Der Verfügungskläger vertritt die Ansicht, daß bei den Spendern der Eindruck hervorgerufen werden sollte, daß es sieh auch bei der Sammlung am 15. Mai 1986 um eine zeitliche vorgezogene Sammlung des Verfügungsklägers handele.

2

Der Verfügungskläger hat beantragt, im Wiege der einstweiligen Verfügung dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, die auf den 15. Mai 1986 angesetzte Altkleidersammlung durchzuführen und die Altkleider einzusammeln, eine weitere Sammlung zwischen dem 15. und dem 24. Mai durchzuführen und hilfsweise die bereits eingesammelten Altkleider an den Verfügungskläger herauszugeben. Das Amtsgericht Holzminden hat antragsgemäß die einstweilige Verfügung erlassen. Hiergegen richtet sich der Widerspruch des. Verfügungsbeklagten, der zur Begründung vorgetragen hat: Der Verfügungskläger habe kein Monopol für die Durchführung solcher Altkleidersammlungen zu charitativen Zwecken. Er selbst habe im vorliegenden Fall für die Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung des Landes Niedersachsen eV die Sammlung durchgeführt, um den Erlös dieser Arbeitsgemeinschaft - also auch einem caritativen Zweck - zukommen zu lassen. Bereits aus den von ihm verteilten Handzetteln sei zu ersehen, daß es sich um eine andere Sammlung als die des Verfügungsklägers gehandelt habe. Es sei, da in Niedersachsen kein Sammlungsgesetz bestehen, nicht verboten, im zeitlichen Vorfeld einer angekündigten Sammlung andere Sammlungen durchzuführen.

3

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

4

Im Termin am 16. Juli 1986 haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht die Kosten des Rechtsstreits dem Verfügungsbeklagten auferlegt. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.

5

Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten, der im wesentlichen sein früheres Vorbringen wiederholt und darauf hinweist, daß dem Verfügungskläger kein Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB und auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 825 BGB zustehe, da der Verfügungsklägerin weder grundsätzlich noch aufgrund der von ihr getroffenen Vorbereitungen ein Monopol zur Durchführung von Sammlungen in der Zeit bis zu dem von ihm gewählten Sammeltermin zustehe.

6

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 91 a ZPO zulässig; sie mußte auch in der Sache Erfolg haben.

7

Nach § 91 a ZPO entscheidet das Gericht nach Erledigung der Hauptsache über die Kosten nach billigem Ermessen. Es entsprach billigem Ermessen, im vorliegenden Fall die Kosten des Rechtsstreits der Verfügungsklägerin aufzuerlegen, da sie voraussichtlich - wenn das erledigende Ereignis nicht eingetreten wäre - mit ihrer Klage keinen Erfolg gehabt hätte. Ein Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 BGB bestand nicht. Die Kammer vermag sich nicht der Ansicht des Landgerichts Essen (Az.: 19 O 789/85) anzuschließen, daß hier ein Eingriff in ein absolut geschütztes Rechtsgut der Verfügungsklägerin, nämlich das Recht auf caritative Sammeltätigkeit, vorliegt, Insoweit handelt es sich nicht um ein "sonstiges Recht" des § 823 BGB. Hierunter fällt keineswegs jedes rechtlich geschützte Interesse; vielmehr ist unter " sontiges Recht " im Hinblick auf die Nennung hinter "Eigentum" nur ein Recht zu verstehen, das denselben rechtlichen Charakter wie das Eigentum hat und das ebenso wie Leben, Gesundheit und Freiheit von jedermann zu beachten ist. Hierzu gehören dingliche Rechte, Besitz, Namensrecht, Immaterialgüterrechte, Aneignungsrechte, Familienrechte, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das Recht am Arbeitsplatz, die allgemeine Handlungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht (vgl. Palandt, BGB, Anm. 6 zu § 823 unter Hinweis auf die herrschende Rechtsprechung). Das Sammelrecht Fällt nicht unter diese absoluten Rechte. Es stellt sich insbesondere nicht als ein Aneignungsrecht dar, da diese auf Jagd, Fischerei und Wassergebrauch beschränkt sind, also nur auf die körperliche Inbesitznahme herrenloser Sachen beschränkt ist. Bei Altkleidersammlungen ist es jedoch so, daß Spender durch das Herausstellen von Sammelstücken diese nicht bedingungslos derelinquieren, sondern sich eigenen Gewahrsam an Sachen vorbehalten, bis. derjenige, dem sie die Sachen zukommen lassen wollen, die Sachen seinerseits in Gewahrsam nimmt.

8

Zu überzeugen vermag auch nicht die Argumentation der Verfügungsklägerin, daß durch die Ankündigung einer Sammlung eine absolut geschützte Rechtsposition erworben wird, die es Mitbewerbern verbietet, während der Zeit bis zur Durchführung der Sammlung selber Sammlungen durchzuführen. Solche Konkurrenzverbote mögen im Einzelfall im Bereich geschäftlicher Tätigkeit denkbar sein; dies begegnet aber bereits in dem Bereich schon erheblichen Bedenken, da z. B. die Durchführung von Sonderverkäufen, die ein Geschäft ankündigt, wohl kaum eine Konkurrenzfirma daran hindern dürfte, gleichzeitig einen Sonderverkauf ähnlicher Waren zu ähnlichen Bedingungen durchzuführen. Noch weniger gilt dieser Grundsatz aber im Bereich caritativer Sammlungen, da hier Gesichtspunkte des unlauteren Wettbewerbs nach § 1 UWG keine Anwendung finden.

9

Der Anspruch der Verfügungsklägerin kann auch nicht als Schadensersatzanspruch nach §826 BGB geltend gemacht werden. Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Schadensersatz verpflichtet. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt lediglich dann vor, wenn ein Handeln gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Ob dies der Fall ist, ist nicht ein für alle Mal feststehend, sondern dem Wandel der Zeiten und Anschauungen unterworfen. Es kann dahingestellt bleiben, ob in der Vergangenheit, als Altkleidersammlungen zu caritativen Zwecken noch eine große Ausnahme darstellten, ein solches Verfahren, wie es der Verfügungsbeklagte angewandt hat, als unseriös oder gar unsittlich empfunden worden wäre. In der Vergangenheit ist die Anzahl der Altkleidersammlungen, die zu caritativen oder kommerziellen Zwecken durchgeführt werden, so sprunghaft gestiegen, daß eine Überschneidung der Ankündigungen und Durchführungen der Sammlungen nichts Ungewöhnliches mehr ist und deshalb auch nicht allgemein als sittenwidrig empfunden wird. Hinzu kommt, daß anderenfalls ein Veranstalter von caritativen Sammlungen es in der Hand hätte, durch Ankündigung einer Sammlung in größerem Abstand die Durchführung von Sammlungen anderer Veranstalter zu blockieren und sich damit zumindest vorübergehend ein Monopol für die geplanten Veranstaltungen zu sichern. Soweit nicht - wie in manchen Bundesländern - ausdrücklich gesetzliche Vorschriften für das Verfahren der Ankündigung und Durchführung von Sammlungen und die dabei zu beachtenden Konkurrenzverbote bestehen, kann jedenfalls in Niedersachsen, wo entsprechende Gesetze fehlen, nicht davon ausgegangen werden, d aß die Durchführung einer Sammlung eines Mitbewerbers im Zeitraum zwischen Ankündigung und Durchführung als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB anzusehen ist.

10

Demgemäß hätte der Antrag der Verfügungsklägerin zurückgewiesen werden müssen. Nach Erledigung der Hauptsache waren daher die Kosten des Rechtsstreits ihr aufzuerlegen.

11

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 91 ZPO.