Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 20.12.2022, Az.: 2 A 269/19
Anhörung; nachträgliche Befristung; Nebenbestimmung; Unternehmerfreiheit; bekannter Versender; Widerruf; Zulassung; Nachträgliche Befristung der Zulassung als bekannter Versender von Luftfracht und Widerrufsvorbehalt hinsichtlich der Zulassungsfrist
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 20.12.2022
- Aktenzeichen
- 2 A 269/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 52231
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2022:1220.2A269.19.00
Rechtsgrundlagen
- EUGrdRCh Art. 16
- EUGrdRCh Art. 52 Abs. 1
- EUV 2015/1998 Nr. 6.4.1.2
- EUV 2015/1998 Nr. 6.4.1.4
- EUV 2015/1998 Nr. 6.4.1.5
- LuftSiG § 9a Abs. 2 S. 2
- LuftSiG § 9a Abs. 2 S. 3
- LuftSiG § 9a Abs. 4
- VwVfG § 28 Abs. 2 Nr. 4
- VwVfG § 36 Abs. 1
- VwVfG § 45 Abs. 1 Nr. 3
- VwVfG § 49
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Das Luftfahrt-Bundesamt darf die Zulassung als bekannter Versender auch nachträglich befristen, die Befristung also auch noch dann vornehmen, wenn die unbefristete Zulassung bereits bestandskräftig ist (Ergänzung zur Parallelentscheidung der Kammer vom 20.12.2022 - 2 A 290/19 -).
- 2.
Ein Widerrufsvorbehalt, den das Luftfahrt-Bundesamt hinsichtlich der Befristung der Zulassung als bekannter Versender verfügt, ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die nachträgliche Befristung ihrer Zulassung als bekannter Versender für ihre Betriebsstandorte in A-Stadt, F., G. und H. sowie gegen einen vom Luftfahrt-Bundesamt verfügten Widerrufsvorbehalt.
Die Klägerin ist die Hauptgesellschaft des I. -Konzerns, der seinen Hauptsitz in A-Stadt (Landkreis K.) hat. Neben der Betriebsstätte in A-Stadt hat sie weitere Produktionsstandorte im Bundesgebiet, unter anderem in G. und H.. Nach den Angaben der Klägerin beschäftigt I. weltweit mehr als 12.000 Mitarbeiter, über 90 % der I. -Produkte werden ins Ausland verkauft, wobei die außereuropäischen Märkte den größten Anteil am Konzernumsatz haben. Für ihre Produktionsstandorte A-Stadt, G., H. und J. ist die Klägerin als bekannter Versender für Luftfracht zugelassen.
Mit Bescheid vom 28. Januar 2013 erteilte das Luftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: LBA oder Bundesamt) der Klägerin erstmalig die Zulassung als bekannter Versender für die Betriebsstätte A-Stadt. Im Tenor des Bescheides heißt es außerdem, die Validierung der Betriebsstätte sei in regelmäßigen Abständen von nicht mehr als fünf Jahren zu wiederholen (Ziffer 2); die Zulassung werde unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt (Ziffer 3). Im Rahmen der Begründung führte das LBA unter anderem aus, der Bescheid über die Zulassung ergehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs gemäß § 36 Abs. 1 VwVfG; das LBA sei aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 185/2010 verpflichtet, der Klägerin den Status eines bekannten Versenders zu entziehen, wenn Zweifel bestünden, ob ihre Betriebsstätte die Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen noch erfülle. Unter der Überschrift "Hinweise" führte das LBA im Bescheid aus, ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung sei spätestens sechs Monate vor Ablauf der Zulassung beim LBA in schriftlicher Form einzureichen. Mit Bescheid vom 29. Juni 2015 stellte das LBA nach einer Vor-Ort-Überprüfung fest, dass der Betriebsstandort die Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen weiterhin erfüllt.
Mit Bescheid vom 29. Juni 2015 erteilte das LBA der Klägerin die Zulassung als bekannter Versender auch für den Betriebsstandort F.. Weitere Bestimmungen enthält der Bescheid nicht. Mit Änderungsbescheid vom 4. Juli 2017 verfügte das LBA, Grundlage für die Zulassung sei insoweit nunmehr das Sicherheitsprogramm in der Fassung vom 29. Juni 2017. Unter der Überschrift "Hinweise" führte das LBA aus, die Zulassung sei auch an die genannte Revision des Sicherheitsprogramms gebunden.
Auch für die Betriebsstandorte G. und H. erteilte das LBA der Klägerin mit Bescheiden vom 29. Juni 2015 (G.) bzw. 6. Juli 2015 (H.) die Zulassung als bekannter Versender. Der Bescheid für den Standort H. enthält unter Verweis auf einen beigefügten Mängelbericht die Formulierung, die Zulassung stehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs, solange die Validierungsvoraussetzungen nicht vollständig nachgewiesen seien.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2017 (Aktenzeichen S461-2M.50501.00767-ff), zugestellt am 21. Dezember 2017, verfügte das LBA unter Ziffer 1 bis 4, die Zulassungsbescheide für die Betriebsstandorte der Klägerin in A-Stadt (in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 29. Juni 2015), F. (in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 4. Juli 2017), G. und H. würden insofern abgeändert, als die Zulassungen nunmehr befristet würden, und zwar bis zum 22. Juni 2020 für den Standort A-Stadt, bis zum 23. Juni 2020 für den Standort F., bis zum 24. Juni 2020 für den Standort G. und bis zum 29. Juni 2020 für den Standort H.. Außerdem verfügte das LBA unter Ziffer 5 des Bescheides, dieser ergehe unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs. Zur Begründung führte das LBA im Wesentlichen aus, Rechtsgrundlage für die Befristung sei § 9a Abs. 2 Satz 2 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) i.V.m. Ziffer 6.4.1.4 des Anhangs der DVO (EU) 2015/1998. Der Bescheid ergehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs, weil so sichergestellt werde, dass das LBA zeitnah auf neue luftsicherheitsrechtliche Gegebenheiten und Anforderungen reagieren könne. Nebenbestimmungen aus früheren Bescheiden blieben von diesem Bescheid unberührt.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2018, das am darauf folgenden Tag beim LBA einging, legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2017 ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Bescheid sei schon wegen fehlender Anhörung rechtswidrig. Die Befristung verstoße gegen Unionsrecht. Auch für den Widerrufsvorbehalt gebe es keine Rechtsgrundlage, ihm stünden darüber hinaus die bestandskräftigen Bescheide entgegen.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 27. April 2018 außerdem beim LBA, die Ziffer 3 des Bescheides vom 28. Januar 2013 (Widerrufsvorbehalt zur Zulassung) aufzuheben. Darüber hat das LBA bislang nicht entschieden.
Mit Bescheid vom 28. August 2019 wies das LBA den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2017 zurück und führte aus: Die Befristung sei keine strengere Maßnahme nach Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 und verstoße auch sonst nicht gegen Unionsrecht. Die Befristung von Zulassungen diene insbesondere der Funktionsfähigkeit der sicheren Lieferkette und somit dem Schutz der Luftsicherheit. Gemessen an dem gesetzgeberischen Ziel sei die Befristung für die Klägerin auch zumutbar. Die Einführung einer Beschränkung der Zulassung orientiere sich an Nr. 6.8.1.4 des Anhangs der DVO (EU) 2015/1998 und ziele insoweit auf eine Angleichung des deutschen Rechts an die EU-Vorschriften ab. Der Widerrufsvorbehalt beruhe auf den Regelungen in § 36 VwVfG. Ein Widerruf komme insbesondere bei einer veränderten Risikobewertung der Luftsicherheitslage in Betracht.
Am 27. September 2019 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht im Wesentlichen geltend:
Der vom LBA verfügte Widerrufsvorbehalt und die Befristung seien unionsrechtswidrig. Der Widerrufsvorbehalt sei nicht mit den Regelungen in Abschnitt 6.4.1 des Anhangs der DVO (EU) 2015/1998 vereinbar. Aus Nr. 6.4.1.5 des Anhangs ergebe sich, dass die Zulassung ausschließlich aus den dort genannten Gründen wieder aufgehoben werden könne. Das Unionsluftsicherheitsrecht habe die Zulassung des bekannten Versenders damit als eine allein an die fortwährende Rechtseinhaltung geknüpfte, bei Erfüllung dieser Voraussetzung jedoch in ihrem Fortbestand gesicherte Genehmigung ausgestaltet. Dies biete für den bekannten Versender Rechts- und Bestandssicherheit und "belohne" damit seine Mühe und seinen Aufwand zur Aufrechterhaltung der Luftsicherheit. Mit dieser Ausgestaltung habe der Unionsgesetzgeber die nötige praktische Konkordanz zwischen dem Grundrecht der Unternehmerfreiheit und den Anforderungen der Luftsicherheit hergestellt. Durch den Widerrufsvorbehalt drohe der Widerruf der Zulassung selbst dann, wenn der bekannte Versender die Anforderungen der VO (EG) Nr. 300/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen erfülle. Auch nach § 9a LuftSiG sei ein Widerrufsvorbehalt unzulässig. Die Regelung erlaube nach Eintritt der Bestandskraft einer Zulassung nur Auflagen, aber keine sonstigen Nebenbestimmungen. Im Übrigen seien die Zulassungsbescheide bestandskräftig. Die Voraussetzungen für eine Änderung der Bescheide nach § 49 VwVfG lägen nicht vor. Zudem habe sich das LBA nicht auf diese Vorschrift berufen und damit das ihm danach eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt. Es handele sich auch nicht um eine strengere Maßnahme im Sinne des Art. 6 der VO (EG) Nr. 300/2008. Auch die Befristung stehe im Widerspruch zu den unionsrechtlichen Regeln. Die Zulässigkeit einer Befristung der Zulassung ergebe sich auch nicht aus der Regelung über die Validierung in Nr. 6.4.1.4 des Anhangs der VO (EU) 2015/1998. Der Wortlaut spreche ausdrücklich nicht von einer erneuten Zulassung (approval); danach bedürfe es auch keines Antrags des bekannten Versenders, sondern die Prüfung sei von Amts wegen vorzunehmen, wie sich aus der Formulierung in der Passivform ("wird") ergebe. Auch Nr. 6.4.1.5 der Verordnung bekräftige, dass der bekannte Versender auf den Fortbestand der Zulassung vertrauen könne, solange er die Anforderungen des Unionsrechts einhalte. Mit der Befristung entfalle die Zulassung dagegen bei Ablauf der Frist auch dann, wenn der bekannte Versender alles richtig gemacht habe. Die Befristung diene auch nicht dem Schutz der Luftsicherheit. Mit dem Ablauf der Befristung und dem Wegfall der Zulassung verliere die sichere Lieferkette ein sicheres Kettenglied. Dies sei nichts anderes als die Zerstörung der sicheren Lieferkette. Die sichere Lieferkette verliere eine Stelle, die sich um die Luftsicherheit kümmere und ihr verpflichtet sei; dies schwäche die Abwehrkräfte gegen Angriffe auf die Luftfracht. Es treffe auch nicht zu, dass die Befristung dem längerfristigen Bestand etwaiger Mängel und Verstößen gegen luftsicherheitsrechtliche Vorschriften vorbeuge. Nach Unionsrecht gehöre die regelmäßige Überprüfung in Abständen von nicht mehr als fünf Jahren zu den Amtspflichten des LBA, das sich der Erledigung nicht entziehen dürfe. Dies helfe, Mängeln und Verstößen vorzubeugen. Seine Amtspflichten müsse das LBA eigenständig erfüllen durch Führen eines Terminkalenders und rechtzeitige Wiedervorlagen. Die Ausführungen des LBA in den Bescheiden ließen nur den Schluss zu, dass die Behörde eine ausreichende Verhältnismäßigkeitsprüfung und Prüfung von Grundrechtseingriffen nicht unternommen habe. Soweit eine Ermessensausübung gefordert sei, habe das LBA das Ermessen auch nicht richtig ausgeübt. Das Ermessen sei wegen der unmittelbar anwendbaren und vorrangigen Regelungen des Unionsrechts auf Null reduziert. Die Zulassung als bekannter Versender für Luftfracht sei ein für ihren Unternehmenserfolg im globalen Wettbewerb erheblicher Umstand. Die Befristung der Zulassung sei nichts anderes als überflüssige Bürokratie, die der Wirtschaft und der Verwaltung schade. Dies habe die Situation während der Pandemie gezeigt. Das LBA habe seinerzeit Außentermine abgesagt mit der Folge, dass keine Zulassungen mehr für bekannte Versender hätten erteilt werden können, weil dafür die Vor-Ort-Prüfung der Betriebsstätte notwendig sei. Unternehmen, die bereits eine Zulassung gehabt hätten, hätten diese von einem Tag auf den anderen verloren, wenn die Zulassung aufgrund der Befristung abgelaufen und eine neue Zulassung nicht erteilt worden wäre. Als "Lösung" habe das LBA verkündet, dass bestehende Zulassungen für sechs Monate verlängert werden könnten, ohne dass es einer Vor-Ort-Prüfung bedürfe. Dies sei das Eingeständnis, dass die Befristung verzichtbar sei und sich gerade Krisenlagen ohne Befristung besser bewältigen ließen. Die Befristung und der Genehmigungsvorbehalt seien mit technischem und finanziellem Aufwand verbunden und stellten daher einen Eingriff in die durch Art. 16 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union garantierte Unternehmerfreiheit dar, der gesetzlich nicht vorgesehen und damit nicht gerechtfertigt sei. Außerdem sei die gebotene Anhörung vor Erlass des Bescheides unterblieben. Dies führe für sich gesehen bereits zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen belastenden Regelungen.
Die Klägerin hat zunächst beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2017 aufzuheben.
Während des gerichtlichen Verfahrens hat das LBA die angegriffenen Bescheide geändert:
Für den Standort A-Stadt hat das LBA mit Bescheid vom 2. Juni 2020 unter Abänderung des Bescheides von 2013 in der Gestalt des Bescheides vom 18. Dezember 2017 die Befristung bis zum 21. September 2020 verlängert; mit einem Bescheid vom 14. September 2020 hat das Bundesamt unter Abänderung des Bescheids von 2013 in der Gestalt des Bescheides vom 2. Juni 2020 die Befristung bis zum 13. September 2025 verlängert.
Für den Standort F. hat das Bundesamt mit Bescheid vom 2. Juni 2020 unter Abänderung des Bescheides von 2015 in der Gestalt des Bescheides vom 18. Dezember 2017 die Befristung bis zum 22. September 2020 und mit einem weiteren Bescheid vom 16. September 2020 unter Abänderung des Bescheids von 2015 die Befristung bis zum 15. September 2025 verlängert.
Für den Standort G. hat das LBA mit Bescheid vom 2. Juni 2020 unter Abänderung des Bescheides von 2015 in der Gestalt des Bescheides vom 18. Dezember 2017 die Befristung bis zum 23. September 2020 und mit einem weiteren Bescheid vom 15. September 2020 unter Abänderung des Bescheids von 2015 die Befristung bis zum 14. September 2025 verlängert.
Für den Standort H. hat das Bundesamt mit Bescheid vom 24. Juni 2020 unter Abänderung des Bescheides von 2015 in der Gestalt des Bescheides vom 18. Dezember 2017 die Befristung bis zum 23. September 2025 verlängert.
Alle neuen Bescheide enthalten die Verfügung, dass der jeweilige Bescheid unter dem Vorbehalt des jederzeitigen teilweisen oder vollständigen Widerrufs ergeht.
Die Klägerin hat gegen die Befristungen und Widerrufsvorbehalte in allen neuen Bescheiden Widerspruch eingelegt. Über diese Widersprüche hat das LBA noch nicht entschieden.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
- 1.
festzustellen, dass die mit Ziffern 1 bis 4 des Bescheides der Beklagten vom 18. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2019 geregelten Befristungen rechtswidrig waren, und
- 2.
festzustellen, dass der unter Ziffer 5 des Bescheides der Beklagten vom 18. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2019 verfügte Widerrufsvorbehalt rechtswidrig war.
Sie trägt dazu vor, die Klage sei jetzt als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Ihr Feststellungsinteresse ergebe sich aufgrund der mit Sicherheit gegebenen Wiederholungsgefahr.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und macht Folgendes geltend:
Eine vorherige Anhörung der Klägerin sei gem. § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG entbehrlich gewesen und jedenfalls nachgeholt worden. Der bestandkräftige Zulassungsbescheid für den Betriebsstandort A-Stadt vom 28. Januar 2013 stehe der Befristung ebenso wenig entgegen wie der Bescheid vom 29. Juni 2015. Die nachträgliche Befristung bereits bestehender Zulassungen bekannter Versender sei rechtmäßig und erforderlich gewesen, um dem Gebot der effektiven Umsetzung von EU-Recht (sog. effet utile) gerecht zu werden. Bei § 9a Abs. 2 Satz 2 LuftSiG handele es sich um eine verordnungskonforme Rechtsgrundlage, die zur Befristung der Zulassung ermächtige und verpflichte. Weder die VO (EG) Nr. 300/2008 noch ihre Durchführungsbestimmungen normierten eine unbefristete Zulassung der bekannten Versender. Entsprechend sähen auch andere Staaten eine Befristung vor, so z.B. die Schweiz, das Vereinigte Königreich, Spanien und Frankreich. Auch die Europäische Kommission gehe nicht von einer zeitlich unbefristeten Zulassung bekannter Versender aus. Dies zeige sich bereits daran, dass die Unionsdatenbank zur Sicherung der Lieferkette ein Ablaufdatum vorsehe, das jeder Mitgliedstaat in Bezug auf den jeweiligen zugelassenen Betriebsstandort eines bekannten Versenders in dieser Datenbank zu vermerken habe. Zur Einführung der Unionsdatenbank zur Sicherheit der Lieferkette sei den Mitgliedstaaten von der Europäischen Kommission eine Präsentation zur Verfügung gestellt worden. Auch darin werde dargelegt, dass jeder Datenbankeintrag zu einem Betriebsstandort eines bekannten Versenders ein Ablaufdatum enthalte. Im Fall des Ablaufs blieben danach die Details zu den abgelaufenen Genehmigungen verfügbar, der abgelaufene Status werde aber angezeigt. Die Präsentation enthalte ausdrücklich den Hinweis, dass der Ablauf der Eintragung eines bekannten Versenders in der EU-Datenbank automatisch nach Ablauf von fünf Jahren erfolge. Im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2/COVID-19-Pandemie habe sich erneut bestätigt, dass die Europäische Kommission von einer befristeten Zulassung bekannter Versender ausgehe. So habe die Kommission eine Übersicht im Hinblick auf unionsrechtliche Anforderungen erstellt, die die Adressaten in der Pandemie möglicherweise nicht erfüllen könnten. In dieser Übersicht seien auch die Zulassungen bekannter Versender aufgeführt, wobei die Kommission unter Bezugnahme auf die Regelungen in Nr. 6.4.1 und insbesondere 6.4.1.4 des Anhangs der DVO von einer erneuten Genehmigung ("re-approval") spreche. Die Europäische Kommission habe nach der VO die Aufgabe, detaillierte Maßnahmen zur Durchführung der gemeinsamen Grundstandards und allgemeinen Maßnahmen festzulegen, wozu auch Verfahren für die Zulassung bekannter Versender gehörten. Die Verpflichtung der Beklagten, in Abständen von nicht mehr als fünf Jahren eine Validierung vorzunehmen, widerspreche ebenfalls nicht der Verordnungskonformität. Diese Validierung könne auch als Bestandteil des Zulassungsverfahren erfolgen. Auch dies werde durch die genannte Präsentation der Kommission bestätigt, die eine Warn-E-Mail an den bekannten Versender drei Monate vor Ablauf des Eintragungsdatums vorsehe. Auch die Regelung, die die Entziehung der Zulassung vorsehe, wenn der bekannte Versender die Anforderungen nicht mehr erfülle, stehe der Befristung nicht entgegen. Die Regelung betreffe insbesondere solche Fälle, in denen aufgrund erheblicher und/oder wiederholter Verstöße gegen luftsicherheitsrechtliche Vorgaben eine Gefährdung der Luftsicherheit angenommen werden müsse. Der zeitliche Ablauf einer Zulassung stelle aber gerade keinen Entzug dar. Dass der Verordnungsgeber keine unbefristete Zulassung gewollt habe, zeige sich auch am Wortlaut der Nr. 6.4.1.7 des Anhangs der DVO. Nur dies entspreche auch dem System der VO (EG) Nr. 300/2008. Danach würden Zulassungen, Zertifizierungen u.Ä. grundsätzlich zeitlich befristet erteilt. Da die im LuftSiG für die Zulassung vorgesehene Befristung der in der Verordnung geregelten Frist entspreche, handele es sich nicht um eine strengere Maßnahme im Sinne des Art. 6 VO (EG) Nr. 300/2008. Wenn die Befristung der Zulassung aber nicht vereinbar wäre mit den Regelungen der DVO (EU) 2015/1998, bliebe es den Mitgliedsaaten unbenommen, die Befristung der Zulassung als "strengere Maßnahme" zu erlassen und von den bestehenden europäischen Regelungen abzuweichen. So sei beispielsweise das Vereinigte Königreich verfahren, das eine auf zwölf Monate befristete Zulassung als bekannter Versender vorsehe. Die befristete Zulassung beeinträchtige nicht die Funktionsfähigkeit der sicheren Lieferkette. Ohne den Status als bekannter Versender ergäbe sich für das Unternehmen die Verpflichtung, die eigene Luftfracht von einem reglementierten Beauftragten kontrollieren zu lassen. Ein Absinken des Sicherheitsniveaus wäre daher keinesfalls gegeben. Der Zulassungsbescheid von 2013 enthalte einen rechtmäßigen Widerrufsvorbehalt, der unanfechtbar geworden sei. Der Widerrufsvorbehalt sei auch erforderlich gewesen, weil die europarechtlichen Vorgaben bezüglich der Akteure der sicheren Lieferkette zum Zeitpunkt der Zulassung nicht im LuftSiG integriert gewesen seien. Für die Betriebsstandorte H., F. und G. lägen in den Zulassungsbescheiden zwar keine oder nur eingeschränkte Widerrufsvorbehalte vor. Durch die Begrenzung der Gültigkeit von Zulassungen bekannter Versender nach § 9a Abs. 2 Satz 2 LuftSiG werde auf diese bestehenden Zulassungen aber eingewirkt. Die darin liegende "unechte Rückwirkung" bzw. "tatbestandliche Rückanknüpfung" sei verfassungsrechtlich zulässig. Selbst wenn der Widerrufsvorbehalt nicht auf die Regelung in § 9a LuftSiG gestützt werden könnte, sei er gemäß § 36 VwVfG rechtmäßig. Er stelle sicher, dass die Luftsicherheitsbehörde zeitnah auf neue luftsicherheitsrechtliche Gegebenheiten und Anforderungen reagieren könne. Hierbei kämen neben einer veränderten europäischen Rechtslage insbesondere strengere Maßnahmen in Betracht, die die Bundesrepublik nach der VO (EG) Nr. 300/2008 anwenden könne. Ihr müsse es möglich sein, auf eine veränderte Risikobewertung der Luftsicherheit entsprechend reagieren zu können.
Die Klägerin betreibt ihre Betriebsstätte in F. inzwischen nicht mehr.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen nimmt das Gericht auf die Sitzungsniederschrift und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig (I.) und zum Teil begründet (II.).
I. Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Antrags zu 1. als auch im Hinblick auf den Antrag zu 2. als sog. Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Eine Fortsetzungsfeststellungsklage in unmittelbarer Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist nur statthaft, wenn sich der mit der Anfechtungsklage angegriffene Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt hat. Dies ist hier der Fall gewesen. Gegen die mit dem Bescheid vom 18. Dezember 2017 verfügten Befristungen der Zulassungsbescheide und gegen den mit dem Bescheid verfügten Widerrufsvorbehalt war ursprünglich die Anfechtungsklage gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2000 - 11 C 2.00 -, BVerwGE 112, 221 = juris Rn. 25; Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl., § 42 Rn. 22; zu nachträglich beigefügten Nebenbestimmungen s. auch U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl., § 36 Rn. 38). Eine solche Anfechtungsklage hatte die Klägerin auch erhoben. Die Befristungen haben sich inzwischen - nach Erhebung der Klage - durch Zeitablauf erledigt (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG). Auch der mit dem Bescheid vom 18. Dezember 2017 verfügte Widerrufsvorbehalt hat sich nach Klageerhebung erledigt. Zwar ist die Erledigung insoweit nicht durch die nachfolgenden Bescheide herbeigeführt worden, die ebenfalls Widerrufsvorbehalte enthalten. Denn in diesen Bescheiden heißt es ausdrücklich, Nebenbestimmungen aus vorhergehenden Bescheiden blieben unberührt. Auch der angegriffene Widerrufsvorbehalt hat sich aber durch Zeitablauf erledigt. Der Vorbehalt lautet wörtlich: "Der Bescheid ergeht unter dem Vorbehalt des jederzeitigen teilweisen oder vollständigen Widerrufs." Damit bezieht sich der Widerrufsvorbehalt nur auf die in dem Bescheid vom 18. Dezember 2017 getroffene Regelung, also die in dem Bescheid verfügte Änderung der dort angeführten Zulassungsbescheide in der Gestalt der jeweiligen vorherigen Änderungsbescheide. Die mit dem angegriffenen Bescheid herbeigeführte Änderung besteht darin, dass die Zulassung als bekannter Versender nunmehr (nachträglich) befristet wurde. Die in dem Bescheid bestimmten Fristen sind inzwischen abgelaufen und durch neue Bescheide des LBA verlängert worden. Der angegriffene Widerrufsvorbehalt geht daher jetzt ins Leere.
Das für eine Fortsetzungsfeststellungklage erforderliche besondere Feststellungsinteresse ist gegeben. Im Verhältnis der Beteiligten besteht Wiederholungsgefahr. Ein besonderes Feststellungsinteresse in der Form der Wiederholungsgefahr setzt eine hinreichend konkrete Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Maßnahme zu erwarten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl., § 113 Rn. 141 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Das LBA hat die nachträgliche Befristung der Zulassung in den nachfolgenden Bescheiden weiter verlängert und für sich auch in den Folgebescheiden das Recht in Anspruch genommen, einen Widerrufsvorbehalt zu verfügen. Das Interesse der Klägerin ist auch in vollem Umfang schutzwürdig, obwohl die Frage, inwieweit die Zulassung als bekannter Versender befristet werden darf, auch Gegenstand des Parallelverfahrens (Aktenzeichen: 2 A 290/19) ist und dort geklärt werden kann. Das vorliegende Verfahren unterscheidet sich vom Parallelverfahren darin, dass die angegriffene Befristung hier nachträglich verfügt worden ist, also im Hinblick auf bestandskräftige Zulassungen, und die rechtliche Beurteilung damit jedenfalls auch von weiteren Rechtsfragen abhängt. Insbesondere stellt sich hier auch die Frage, inwieweit der bestandskräftige Zulassungsbescheid der Befristung entgegensteht (vgl. dazu z.B. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl., § 36 Rn. 21a ff.).
Die Kammer sieht davon ab, die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie die im Bescheid vom 18. Dezember 2017 getroffenen Regelungen hinsichtlich des Standorts F. betrifft, den die Klägerin inzwischen aufgegeben hat. Einheitlicher Streitgegenstand der erhobenen Fortsetzungsfeststellungklage ist die Rechtmäßigkeit von Nebenbestimmungen, die das LBA mit dem Bescheid verfügt hat. Dass sich diese Nebenbestimmungen hinsichtlich eines der Betriebsstandorte erledigt haben, ändert daran nichts.
Rechtliche Bedenken bestehen gegen die Umstellung der Klageanträge nicht. Mit der Umstellung hat die Klägerin die Klageanträge beschränkt. Dies ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 173 Satz 1 VwGO zulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl., § 113 Rn. 121 und § 91 Rn. 6).
Der mit Bescheid vom 28. Januar 2013 verfügte Widerrufsvorbehalt ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
II. Die Klage ist teilweise nicht begründet. Das LBA hat die angegriffenen Nebenbestimmungen formell rechtmäßig verfügt (1.). Materiell rechtmäßig ist nur die nachträgliche Befristung (2.).
1. Das LBA hat die nachträgliche Befristung und den Widerrufsvorbehalt formell rechtmäßig verfügt.
Entgegen der Auffassung des LBA hätte die Klägerin vor dem Erlass des Ausgangsbescheids angehört werden müssen. Eine Anhörung ist grundsätzlich vor dem Erlass jedes Verwaltungsakts durchzuführen, der in die Rechte des Betroffenen eingreift (vgl. § 28 Abs. 1 VwVfG). Umstritten ist zwar, ob eine Anhörung damit auch in den Fällen erforderlich wird, in denen mit dem Verwaltungsakt lediglich eine von dem Betroffenen beantragte Begünstigung abgelehnt wird (vgl. z.B. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl., § 28 Rn. 26 ff.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Das LBA hat einen begünstigenden Verwaltungsakt - die Zulassung - mit belastenden Nebenbestimmungen - der nachträglichen Befristung und dem Widerrufsvorbehalt - beschränkt. Dieser Eingriff in die Rechte des Betroffenen löst die Anhörungspflicht aus (im Ergebnis ebenso Ramsauer, a.a.O., Rn. 25; Kallerhoff/Mayen in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl., § 28 Rn. 30).
Das LBA kann sich auch nicht erfolgreich auf die Regelung in § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG berufen, nach der von der Anhörung abgesehen werden kann, wenn die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will. Mit der Vorschrift soll den Schwierigkeiten und Problemen begegnet werden, die in Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten entstehen. Für das Erfordernis der "größeren Zahl" müsste die Zahl der zu erlassenden Verwaltungsakte zudem so groß sein, dass sich für die Behörde bei einer Einzelanwendung erhebliche praktische Schwierigkeiten ergeben würden (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 28 Rn. 66 u. 68). Schon deswegen ist die Regelung hier nicht anwendbar. Jedenfalls aber steht die Berufung auf die Vorschrift im eingeschränkten Ermessen der Behörde: Voraussetzung für die Anwendung ist, dass die infrage stehenden Verwaltungsakte Sachverhalte betreffen, die erfahrungsgemäß nicht kontrovers sind und bei denen dem rechtlichen Gehör keine besondere Bedeutung zukäme (Ramsauer, a.a.O., Rn. 69). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
Der Verfahrensfehler ist aber gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG rechtlich unbeachtlich, weil die erforderliche Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden ist. Die Heilung eines Anhörungsmangels nach dieser Regelung setzt voraus, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird (BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 - 3 C 16/11 -, BVerwGE 142, 205 = juris Rn. 18). Dies ist hier der Fall gewesen. Das LBA hat seinen Bescheid vom 18. Dezember 2017 mit Gründen und einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und die mit dem Widerspruch der Klägerin geltend gemachten Einwände im Widerspruchsbescheid zur Kenntnis genommen und gewürdigt, ohne von neuen Tatsachen ausgegangen zu sein (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17.08.1982 - 1 C 22/81 -, BVerwGE 66, 111 = juris Rn. 17 ff.; Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 26). Aus den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, auf die die Klägerin Bezug genommen hat, ergibt sich nichts anderes (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.2012, a.a.O. - im zugrunde liegenden Fall war kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden - und Urteil vom 20.12.2013 - 7 B 18.13 -, juris - keine Ausführungen zu § 45 VwVfG -).
2. Materiell-rechtlich sind die streitgegenständlichen Entscheidungen des Bundesamts teilweise zu beanstanden. Die nachträgliche Befristung der Zulassungen ist rechtmäßig gewesen (a.). Der Widerrufsvorbehalt dagegen ist nicht mit Unionsrecht vereinbar gewesen (b.).
a) Die Befristung der Zulassungen (Klageantrag zu 1.) ist rechtmäßig gewesen. Das LBA darf die Zulassung als bekannter Versender auf fünf Jahre befristen (aa.). Diese Befristung darf das Bundesamt auch noch nachträglich vornehmen (bb.).
aa) Das Bundesamt darf die Zulassung als bekannter Versender befristen. Rechtsgrundlage für die Befristung sind die Regelungen in § 9a Abs. 2 Satz 2 und 3 LuftSiG und Nr. 6.4.1.4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Nr. 6.4.1.2 des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1998 der Kommission vom 5. November 2015 (ABl. L 299 S. 1, in der hier maßgeblichen, bei Erlass des Widerspruchsbescheids geltenden Fassung zuletzt geändert durch DVO (EU) 2019/413 der Kommission vom 14.03.2019, ABl. L 73 S. 98 - im Folgenden: DVO bzw. Anhang der DVO -). Die Befristung verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten. Die von der Klägerin dargelegten Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere rechtliche Bewertung. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist die Kammer wegen der Einzelheiten der Begründung auf das im Parallelverfahren der Klägerin ergangene Urteil vom 20. Dezember 2022 (2 A 290/19, unter II.2.a bis i).
bb) Das LBA durfte die bereits verfügten Zulassungen auch nachträglich befristen.
Wird die Befristung nicht zusammen mit der Zulassung - dem Haupt-Verwaltungsakt - bekannt gegeben, sondern wie hier nachträglich verfügt, stellt dies einen Eingriff in die Bestandskraft der Zulassung dar. Rechtlich handelt es sich um die Teil-Aufhebung der zunächst insoweit nebenbestimmungsfreien Zulassung, die mit einem teilweisen Neuerlass dieses Verwaltungsakts mit zum Teil anderem Inhalt - nämlich der Einschränkung durch eine Befristung - verbunden ist (vgl. U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl., § 36 Rn. 36 u. 38; Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl., § 36 Rn. 21d). Soweit Nebenbestimmungen nachträglich hinzugefügt werden sollen, die wie die Befristung Nachteile für den Betroffenen haben, bedarf es daher einer Ermächtigungsgrundlage. Diese kann sich aus dem Haupt-Verwaltungsakt selbst ergeben, einer speziellen gesetzlichen Regelung oder den Regelungen in den §§ 48 f. VwVfG, die auch im Fall des sog. indirekten Vollzugs von Unionsrecht - also beim Vollzug durch die Organe der Mitgliedstaaten - jedenfalls grundsätzlich neben den europarechtlichen Bestimmungen anwendbar sind (vgl. dazu allgem. U. Stelkens, a.a.O., § 36 Rn. 38 ff.; zu den §§ 48 f. VwVfG s. im Einzelnen Ramsauer, a.a.O., § 48 Rn. 7a ff. u. § 49 Rn. 4a ff.; im Ergebnis ebenso jedenfalls für § 48 VwVfG ausdrücklich auch Giemulla in: Giemulla/van Schyndel, LuftSiG, Stand März 2021, § 9a Rn. 58). § 36 VwVfG sieht dagegen die nachträgliche Befristung nicht vor und reicht als Ermächtigungsgrundlage für eine solche Regelung daher nicht aus (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 36 Rn. 21a; U. Stelkens, a.a.O., § 36 Rn. 39 u. 41).
Die Kammer lässt offen, ob sich die Ermächtigung zur nachträglichen Befristung der Zulassung für den Standort A-Stadt schon aus dem mit Bescheid vom 28. Januar 2013 verfügten bestandskräftigen Widerrufsvorbehalt ergeben hat. Für alle Betriebsstandorte ist das LBA jedenfalls aufgrund einer speziellen Ermächtigungsgrundlage zur nachträglichen Befristung der Zulassungen berechtigt gewesen.
Die spezielle Ermächtigung zur nachträglichen Befristung ergibt sich zwar nicht aus dem Luftsicherheitsgesetz: Dieses Gesetz gestattet ausdrücklich nur nachträgliche Auflagen zur Zulassung (s. § 9a Abs. 2 Satz 4 LuftSiG); die Vorschrift, nach der die Zulassung mit Nebenbestimmungen versehen werden kann (§ 9a Abs. 2 Satz 3 LuftSiG), ermächtigt schon nach Wortlaut und Systematik der Regelungen nicht zur nachträglichen Beifügung von Nebenbestimmungen. Eine spezielle fachrechtliche Ermächtigung zur nachträglichen Befristung von Zulassungen als bekannter Versender enthalten aber die unionsrechtlichen Regelungen in Nr. 6.4.1.4 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Nr. 6.4.1.2 des Anhangs der DVO, die nach Art. 3 Abs. 3 der DVO in jedem Mitgliedstaat unmittelbar gelten (s. auch Art. 288 Abs. 2 AEUV). Diese Vorschriften berechtigen die Luftsicherheitsbehörde nicht nur zur Befristung der Zulassung (s. oben). Sie sind außerdem dahin auszulegen, dass sie auch dazu ermächtigen, bestandskräftige Zulassungen, also insbesondere auch vor dem Inkrafttreten der DVO und des § 9a Abs. 2 LuftSiG ergangene unbefristete Zulassungen - wie hier - nachträglich zu befristen.
Dies ergibt sich schon aus dem Zweck der Regelungen und dem Auslegungsgrundsatz der vollen Wirksamkeit von Unionsrecht (effet utile). Nach dem Grundsatz des effet utile ist Unionsrecht dahin auszulegen, dass sein Zweck nach Möglichkeit erreicht wird, dass es einen praktischen Nutzen hat, dass sich seine Nutzwirkung entfalten kann. Er kann auch dahin verstanden werden, dass derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben ist, bei der sich die Wirkung der Norm am stärksten entfaltet und ihr praktischer Nutzen am größten ist. Außerdem ist danach eine Norm so zu interpretieren, dass sie nicht völlig sinnlos ist (vgl. zu allem Möllers, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl., § 5 Rn. 109 u. 112 m.w.N. zur Rspr. des EuGH).
Die Regelung über die Befristung der Zulassung nach Nr. 6.4.1.4 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Nr. 6.4.1.2 des Anhangs der DVO soll die effektive Überwachung der bekannten Versender gewährleisten und damit sicherstellen, dass diese fortlaufend die strengen Anforderungen erfüllen, die das Unionsrecht an sie stellt. Dies soll die "sichere Lieferkette" garantieren, mit der verhindert werden soll, dass sich in Fracht- und Postsendungen, die in ein Luftfahrzeug zu verladen sind, Sprengsätze oder andere verbotene Gegenstände befinden, die für einen Terrorakt oder einen anderen Angriff auf den Luftverkehr verwendet werden können (zu allem s. das im Parallelverfahren ergangene Urteil der Kammer vom 20.12.2022 - 2 A 290/19 -, unter II.2.c). Das angestrebte Schutzziel wäre aber nicht hinreichend effektiv zu erreichen, wenn nur die nach dem Inkrafttreten der DVO bzw. des § 9a LuftSiG erteilten Zulassungen befristet werden könnten, alle zunächst unbefristet verfügten Zulassungen als bekannter Versender aber weiterhin uneingeschränkt gültig wären. Die dadurch entstehenden Überwachungs- und Sicherheitslücken wären mit dem strengen Sicherheitsregime, das durch die DVO eingeführt wurde, nicht vereinbar. Unter dem Gesichtspunkt der "Sicherheit durch Überwachung" wäre eine Differenzierung zwischen bekannten Versendern mit Zulassung nach altem Recht und solchen mit Zulassung nach neuem Recht auch nicht gerechtfertigt: Gefahren können durch jeden bekannten Versender entstehen, der nicht effektiv überwacht wird. Wäre die Befristungsregelung für Versender mit Zulassungen nach altem Recht nicht anwendbar, würde sie daher weitgehend sinnlos werden, weil sie einen sicherheitsrelevanten Teil der Zulassungen nicht erfassen würde.
Ob die nachträglich verfügte Befristung eines begünstigenden Verwaltungsakts nicht durch Vertrauensschutz eingeschränkt ist, wenn sie wie hier fachrechtlich vorgesehen ist (vgl. für das deutsche Recht U. Stelkens, a.a.O., § 36 Rn. 40 m.w.N.), kann die Kammer offenlassen. Selbst wenn hier die rechtlichen Grundsätze zur Anwendung kommen, die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip für die Rückwirkung von Gesetzen ergeben, sind diese jedenfalls nicht verletzt. Mit der nachträglichen Befristung wird in die Tätigkeit des zugelassenen bekannten Versenders und damit in einen Lebenssachverhalt eingegriffen, der in der Vergangenheit begonnen hat, im Zeitpunkt der nachträglichen Befristung aber noch nicht abgeschlossen war. Damit liegt jedenfalls keine sog. echte Rückwirkung vor, die grundsätzlich unzulässig ist, sondern allenfalls eine "unechte Rückwirkung", die grundsätzlich zulässig ist, aber eine Abwägung zwischen den Vertrauensschutzinteressen des Betroffenen und dem Änderungsinteresse des Normgebers verlangt (vgl. zu allem z.B. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl., Art. 20 Rn. 96 ff.). Diese Abwägung ergibt hier, dass das Änderungsinteresse - das Interesse an der nachträglichen Befristung "alter" Zulassungen als bekannter Versender - das Vertrauensschutzinteresse der betroffenen Versender überwiegt.
Die Änderung dient der effektiven Überwachung bekannter Versender und damit letztlich der Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus, um Terrorakte oder sonstige Angriffe auf den Luftverkehr zu verhindern und damit den Gefahren wirksam begegnen zu können, die bei der Verladung nicht hinreichend sicherer Fracht- und Postsendungen in ein Luftfahrzeug für eine Vielzahl von Menschen entstehen können (s. dazu im Einzelnen das im Parallelverfahren ergangene Urteil der Kammer vom 20.12.2022 - 2 A 290/19 -, unter II.2.c). Angesichts der erheblichen Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs, die drohen, wenn bekannte Versender nach der Erstzulassung nicht mehr die strengen Zulassungskriterien erfüllen, müssen die betroffenen Unternehmen die mit der nachträglichen Befristung verbundenen Nachteile hinnehmen. Hinzu kommt, dass Versender gerade im Bereich des Luftsicherheitsrechts wegen der dort regelmäßig erforderlich werdenden Neubewertung der Risikolage und der damit einhergehenden Anpassung sicherheitsrelevanter Bestimmungen nicht darauf vertrauen dürfen, dass einmal bestehende, für ihre Zulassung zu beachtende Sicherheitsregeln sich künftig nicht ändern werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es die Unternehmen nicht unzumutbar belastet, wenn sie nach Ablauf der (nachträglich) befristeten Zulassung einen Neuantrag stellen müssen (s. das im Parallelverfahren ergangene Urteil der Kammer vom 20.12.2022 - 2 A 290/19 -, unter II.2.h). Am Abwägungsergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass die unionsrechtliche Vorgängerregelung der DVO bereits eine wortgleiche Vorschrift über die in regelmäßigen Abständen von nicht mehr als fünf Jahren zu wiederholende Validierung bekannter Versender enthielt und diese Verordnung bereits galt, als das LBA die hier vorliegenden Erstzulassungen verfügt hat (s. Nr. 6.4.1.4 Abs.1 Satz 1 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 185/2010 der Kommission vom 04.03.2010 und Art. 4 Abs. 2 dieser Verordnung). Selbst wenn das LBA daraus seinerzeit zu Unrecht hergeleitet haben sollte, dass die Zulassung nicht befristet werden darf, könnte die Klägerin daraus ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine weiterhin unbefristete Zulassung wegen des überragenden öffentlichen Interesses an einer effektiven Überwachung der bekannten Versender und damit der effektiven Abwehr von Gefahren, die für Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen durch Terrorakte oder andere Angriffe auf den Luftverkehr ausgehen, nicht herleiten.
Die dargelegten Maßstäbe entsprechen auch den europarechtlichen Vorgaben zur Berücksichtigung des Vertrauensschutzes bei rückwirkenden Rechtsakten. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss der Vertrauensschutz zurücktreten, wenn das angestrebte Ziel dies verlangt und das berechtigte Vertrauen des Betroffenen gebührend beachtet ist (vgl. Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl., Einleitung vor Art. 1 Rn. 43). Diese Voraussetzungen sind hier aus den dargelegten Gründen erfüllt.
Da eine spezielle fachrechtliche Ermächtigung für die nachträgliche Befristung der Zulassungen vorgelegen hat, braucht die Kammer nicht zu entscheiden, ob das LBA auf der Grundlage der §§ 48 f. VwVfG zur nachträglichen Befristung berechtigt war und inwieweit diese Regelungen hier - im Bereich des Vollzugs von Unionsrecht - anzuwenden sind.
Ein Ermessensfehler des LBA, durch den die Klägerin in eigenen Rechten verletzt ist, ist nicht ersichtlich (vgl. § 114 Satz 1 VwGO, § 40 VwVfG). Die Entscheidung, ob die Zulassung als bekannter Versender (nachträglich) zu befristen ist, liegt nicht im Ermessen des Bundesamts. Die DVO, insbesondere die Regelung in Nr. 6.4.1.4 des Anhangs, sieht dafür keinen Spielraum vor. Die (nachträgliche) Befristung ist damit unionsrechtlich vorgeschrieben. Das dem LBA nach § 9a Abs. 2 Satz 3 LuftSiG grundsätzlich für die Verfügung von Nebenbestimmungen zur Zulassung eingeräumte Ermessen ist für die (nachträgliche) Befristung unionsrechtlich auf Null reduziert. Im Ermessen der Behörde liegt in diesem Fall lediglich noch die Entscheidung, für welchen Zeitraum die Zulassung in dem von der DVO vorgegebenen zeitlichen Rahmen zu befristen ist. Diese Entscheidung ist im vorliegenden Fall rechtlich nicht zu beanstanden. Das LBA hat die Fristen entsprechend dem Schutzweck der unionsrechtlichen Vorschriften über die sichere Lieferkette und der Regelung in § 9a Abs. 2 Satz 2 LuftSiG gemessen vom Zeitpunkt der Zulassung an nachträglich auf etwa fünf Jahre festgesetzt, seine Entscheidung bewegt sich also jedenfalls an der Grenze der rechtlich vorgesehenen Höchstdauer. Höherrangiges Recht hat das Bundesamt damit nicht verletzt (s. oben).
b) Der unter Ziffer 5 des Bescheides vom 18. Dezember 2017 verfügte Widerrufsvorbehalt ist rechtswidrig gewesen.
Der streitgegenständliche Widerrufsvorbehalt ist dahin auszulegen, dass er sich lediglich auf die mit Bescheid vom 18. Dezember 2017 verfügten nachträglichen Befristungen der Zulassung als bekannter Versender bezieht (s. oben, I.). Zu prüfen hat die Kammer also nicht, ob die Zulassung als bekannter Versender generell mit einem Widerrufsvorbehalt versehen werden darf. Der Anwendungsbereich des streitgegenständlichen Widerrufsvorbehalts ist damit beschränkt gewesen. Da er nach der Begründung des Bescheids dazu dienen sollte, auf "neue luftsicherheitsrechtliche Gegebenheiten und Anforderungen" zu reagieren, und Zulassungen als bekannter Versender zu befristen sind (s. oben), sollte der Widerrufsvorbehalt nicht die Möglichkeit eröffnen, die Befristungen vollständig zu beseitigen. Als praktischer Anwendungsbereich blieb damit nur die (nachträgliche) Verkürzung der Befristungen.
Als Ermächtigungsgrundlage für den Widerrufsvorbehalt kann sich das LBA nicht auf die allgemeine Regelung in § 36 VwVfG berufen. Diese Vorschrift stellt für Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, auf die - wie für die Zulassung als bekannter Versender - bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein Anspruch besteht, schon keine eigenständige Rechtsgrundlage dar (vgl. § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG und dazu Schröder in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 36 VwVfG Rn. 89). Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen zur Zulassung als bekannter Versender und zu den insoweit verfügten Nebenbestimmungen ist im Luftsicherheitsgesetz und in der DVO speziell geregelt. Die Auslegung ergibt, dass diese Regelungen abschließend sind und allgemeine Regelungen zu Nebenbestimmungen damit jedenfalls auch verdrängen (vgl. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl., § 36 Rn. 7 und 6). Die luftsicherheitsrechtlichen Regelungen ermächtigen das LBA jedoch nicht zu dem verfügten Widerrufsvorbehalt.
Die Regelung in § 9a Abs. 2 Satz 2 LuftSiG, nach der die Zulassung für längstens fünf Jahre gültig ist, scheidet als Ermächtigungsgrundlage aus. Sie ermöglicht schon nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut keinen Widerrufsvorbehalt. Eine dahin gehende Anwendung würde die Grenze des möglichen Wortsinns und damit auch die Grenzen der Auslegung überschreiten (vgl. Möllers, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl., § 4 Rn. 36 ff.).
In § 9a Abs. 2 Satz 3 lässt das Luftsicherheitsgesetz Nebenbestimmungen zur Zulassung grundsätzlich zu, ohne nach der Art der Nebenbestimmung zu differenzieren. Die Vorschrift erwähnt zwar nicht ausdrücklich die Befugnis, einen Widerrufsvorbehalt im Hinblick auf eine andere Nebenbestimmung - hier die Befristung - zu verfügen. Auch ein solcher Widerrufsvorbehalt ist aber eine "Nebenbestimmung" im Sinne der Vorschrift, weil er die Zulassung einschränkt, indem er es ermöglicht, die Befristung der Zulassung zu verkürzen (s. oben). Allerdings sind Nebenbestimmungen nach der Regelung nicht zwingend zu verfügen. Das LBA "kann" der Zulassung Nebenbestimmungen beifügen, die Befugnis steht also im Ermessen der Behörde. Dieses Ermessen hat das Bundesamt unter Beachtung insbesondere auch der unionsrechtlichen Vorgaben auszuüben. Ist eine Nebenbestimmung nicht mit den unionsrechtlichen Regelungen vereinbar, darf das LBA sie auch nach § 9a Abs. 2 Satz 3 LuftSiG nicht verfügen. Das Gleiche gilt, wenn die Nebenbestimmung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, der nicht nur Bestandteil des Unionsrechts, sondern auch des nationalen Rechts ist. Das Ermessen ist in diesen Fällen auf Null reduziert, das LBA darf die Zulassung nicht mit der Nebenbestimmung versehen. So ist es hier. Die unionsrechtlichen Vorschriften schließen einen Widerrufsvorbehalt im Hinblick auf die Befristung von Zulassungen als bekannter Versender aus. Der Widerrufsvorbehalt ist außerdem jedenfalls unverhältnismäßig.
Der streitgegenständliche Widerrufsvorbehalt ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Aus den Regelungen in Nr. 6.4.1.4 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Nr. 6.4.1.2. des Anhangs der DVO ergibt sich, dass die Zulassung zu befristen ist (s. oben). Diese Vorschriften können nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht dahin ausgelegt werden, dass die zuständige Behörde darüber hinaus dazu ermächtigt werden sollte, einen Widerrufsvorbehalt im Hinblick auf die Befristung von Zulassungen zu verfügen. Einer solchen Auslegung steht der mögliche Wortsinn der dort verwendeten Begriffe entgegen. Auch die Verordnung (EG) Nr. 300/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 (ABl. L 97 S. 72, zuletzt geändert durch VO (EU) Nr. 18/2010 der Kommission vom 08.01.2010, ABl. L 7, S. 3 - im Folgenden: VO (EG) Nr. 300/2008 -) und andere Durchführungsbestimmungen sehen keinen Widerrufsvorbehalt vor. Die Auslegung unter Berücksichtigung des Zwecks der unionsrechtlichen Regelungen und die grundrechtskonforme Interpretation dieser Regelungen ergeben vielmehr, dass ein solcher Widerrufsvorbehalt unionsrechtlich ausgeschlossen ist, weil er für die Gefahrenabwehr, die mit diesen Regelungen sichergestellt werden soll, nicht benötigt wird.
Nach dem Zweck der unionsrechtlichen Regelungen zur sicheren Lieferkette ist ein Widerrufsvorbehalt, wie er hier Streitgegenstand ist, entbehrlich. Er räumt dem Bundesamt im Vergleich mit den anderen nach Unionsrecht zulässigen Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Lieferkette keinen Vorteil ein. Das Unionsrecht sieht als Nebenbestimmung ausdrücklich die Befristung der Zulassung vor. Diese Nebenbestimmung ist nach dem Zweck der Regelungen, die eine effektive Abwehr von Terrorakten und anderen unrechtmäßigen Eingriffen in den Luftverkehr gewährleisten wollen, zur effektiven Überwachung der bekannten Versender geboten (s. das im Parallelverfahren ergangene Urteil der Kammer vom 22.12.2022 - 2 A 290/19 -, unter II.2.c und h). Einen zusätzlichen Beitrag dazu kann ein Widerrufsvorbehalt nicht leisten. Auch im Übrigen lässt sich damit die Frachtsicherheit nicht erhöhen. Der in Ziffer 5 des Bescheides vom 18. Dezember 2017 verfügte Widerrufsvorbehalt bezieht sich nur auf die Verlängerung der Befristung (s. oben). Die luftsicherheitsrechtlichen Bestimmungen geben dem LBA aber genügend Alternativen an die Hand, um hinreichend flexibel und effektiv trotz einer noch gültigen Zulassung auf sicherheitsrelevante Änderungen reagieren zu können. Hat die Luftsicherheitsbehörde Zweifel, ob der bekannte Versender die Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 und ihrer Durchführungsbestimmungen noch erfüllt, untersagt sie diesem die Abwicklung von sicherer Luftfracht bzw. Luftpost, bis diese Anforderungen wieder zweifelsfrei erfüllt werden (s. § 9a Abs. 4 Satz 1 LuftSiG und Nr. 6.4.1.5 Abs. 1 des Anhangs der DVO (EU) 2015/1998). Dies erfordert keine lückenlose Aufklärung des Sachverhalts durch das LBA. Denn die Untersagung dient als Sofortmaßnahme gerade dem Zweck, der Luftsicherheitsbehörde ausreichend Gelegenheit zu geben, weitere Ermittlungen anzustellen (vgl. VG Braunschweig, Beschluss vom 11.01.2022 - 2 B 266/21 -, juris Rn. 33). Als weitere Sofortmaßnahme sieht die DVO beispielsweise vor, dass das LBA dann, wenn der Versender die erforderlichen Sicherheitskontrollen nicht durchführt, den reglementierten Beauftragten auf diesen Umstand hinweist und damit die diesem obliegende Pflicht zur Sicherheitskontrolle aktiviert (vgl. Nr. 6.4.2.1 Abs. 2 i.V.m. Nr. 6.3.2.3 des Anhangs).
Die aufgezeigten Handlungsalternativen ermöglichen es insbesondere auch in den Konstellationen, auf die das LBA zur Begründung des Widerrufsvorbehalts verwiesen hat, effektiver auf sicherheitsrelevante Änderungen zu reagieren. Nach den Ausführungen im Bescheid vom 18. Dezember 2017 ist der Widerrufsvorbehalt verfügt worden, um "zeitnah auf neue luftsicherheitsrechtliche Gegebenheiten und Anforderungen reagieren" zu können; insbesondere bei Vorschriftenänderungen sei der Widerrufsvorbehalt erforderlich, um die luftsicherheitsrechtlichen Vorgaben weiterhin zu erfüllen. In den aufgezeigten Fällen gewährleisten die vorhandenen Regelungen der DVO dem LBA aber eine einfachere und damit schnellere Reaktion. Insbesondere reichen nach Nr. 6.4.1.5 des Anhangs Zweifel, ob die unionsrechtlichen Sicherheitsanforderungen erfüllt sind, schon zum Entzug der Zulassung aus (zu den Einzelheiten s. oben). Darunter fällt auch die Konstellation, dass der Versender die sicherheitsrechtlichen Anforderungen aufgrund geänderter Vorschriften nicht mehr erfüllt. Der verfügte Widerrufsvorbehalt dagegen ermöglicht lediglich die Verkürzung der Zulassungsfrist, wobei das LBA die volle Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der betroffene Versender den Anforderungen des Luftsicherheitsrechts nicht mehr entspricht.
Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht des Bundesamtes kann auch nicht argumentiert werden, wenn die Zulassung befristet werden dürfe, müsse erst recht auch der streitgegenständliche Widerrufsvorbehalt möglich sein. Dagegen spricht schon, dass die beiden Nebenbestimmungen verschiedene Zielrichtungen haben. Die Befristung soll die effektive Überwachung der bekannten Versender gewährleisten, indem die Feststellung von Sicherheitsdefiziten erleichtert wird. Mit dem Widerrufsvorbehalt will das LBA dagegen zeitnah auf festgestellte Defizite reagieren können. Die Befristung ist nach dem Zweck der Regelungen über die sichere Lieferkette geboten (s. oben). Den Widerrufsvorbehalt dagegen benötigt das LBA als Reaktionsmöglichkeit nicht, weil ihm dafür effektivere und einfachere Maßnahmen zur Verfügung stehen.
Da spezielle fachrechtliche Regelungen vorliegen, die vor allem den Entzug der Zulassung und damit eine faktische Verkürzung der Zulassungsdauer ermöglichen, braucht die Kammer nicht zu entscheiden, ob das LBA außerdem nach nationalem Recht zur Verkürzung der Zulassungsfrist in der Form eines (Teil-)Widerrufs gemäß § 49 VwVfG berechtigt ist. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass ein solcher Widerruf möglich und erforderlich ist, würde das LBA dafür einen Widerrufsvorbehalt nicht benötigen. Ist die Verkürzung der Befristung unionsrechtlich geboten, weil die luftsicherheitsrechtlichen Anforderungen, insbesondere sicherheitsrelevante Änderungen der Vorschriften eine solche Reaktion der Luftsicherheitsbehörde verlangen, dürfte die Behörde im Rahmen des indirekten Vollzugs von Unionsrecht - wie hier - bei Fehlen einer speziellen fachrechtlichen Ermächtigung nicht auf den Widerruf verzichten. Sie ist vielmehr nach Art. 4 Abs. 3 EUV zur effektiven Durchsetzung des Unionsrechts verpflichtet (vgl. Kahl in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., EU-Vertrag (Lissabon) Art. 4 Rn. 126 ff.; Ramsauer, a.a.O., § 49 Rn. 4a). Insbesondere könnte sich der betroffene Versender demgegenüber nicht erfolgreich auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen. Dies wäre unabhängig davon, ob das LBA die Befristung unter Widerrufsvorbehalt verfügt hat (vgl. auch Ramsauer, a.a.O., § 49 Rn. 4b).
Würden die unionsrechtlichen Vorschriften dahin ausgelegt, dass sie einen Widerrufsvorbehalt nicht ausschließen, wäre zudem das Grundrecht der Versender auf unternehmerische Freiheit nach Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) verletzt, das die freie Berufsausübung der Unternehmer schützt. Bei dem streitgegenständlichen Widerrufsvorbehalt handelt es sich um eine belastende Nebenbestimmung, die die Möglichkeit erleichtern soll, die zu einer Einschränkung der Zulassung führende Befristung zu verkürzen und die Zulassung damit weiter zu beschränken. Die Maßnahme bezweckt insoweit einen Nachteil für die unternehmerischen Aktivitäten der Klägerin und stellt sich damit als Eingriff in ihr Grundrecht nach Art. 16 GRC dar (vgl. Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl., Art. 16 Rn. 13). Dieser Eingriff ist unionsrechtlich nicht gerechtfertigt. Der streitgegenständliche Widerrufsvorbehalt ist nicht erforderlich, weil er aus den dargelegten Gründen über das zur Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus notwendige Maß hinausgeht (vgl. allgem. Jarass, a.a.O., Art. 52 Rn. 40; ders. in: Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl., Art. 20 Rn. 119, jeweils m.w.N.). Er verstößt damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GRC). Daher ist der Widerrufsvorbehalt auch mit nationalem Recht nicht vereinbar.
Auch als "strengere Maßnahme" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 300/2008 kann der Widerrufsvorbehalt nicht angesehen werden. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten strengere Maßnahmen als die in Art. 4 der Verordnung genannten gemeinsamen Grundstandards anwenden; sie handeln dabei auf der Grundlage einer Risikobewertung und in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht, die Maßnahmen müssen relevant, objektiv, nichtdiskriminierend und dem jeweiligen Risiko angemessen sein. Danach müssen solche Maßnahmen jedenfalls auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Diese Anforderung erfüllt der Widerrufsvorbehalt nicht.
3. Die Kammer sieht davon ab, die unionsrechtlichen Fragen dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen, weil sie sich hinreichend klar durch die Auslegung der europarechtlichen Vorschriften beantworten lassen. Eine Pflicht zur Vorlage besteht nicht. Zur Vorlage sind nur solche Gerichte verpflichtet, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angegriffen werden können (Art. 267 Abs. 3 AEUV). Alle übrigen Gerichte der Mitgliedstaaten sind grundsätzlich nur zur Vorlage berechtigt, nicht aber verpflichtet (Art. 267 Abs. 2 AEUV). Einer der anerkannten Ausnahmefälle liegt hier nicht vor. Insbesondere lässt die Kammer mit der vorliegenden Entscheidung keine Vorschrift des Unionsrechts oder eine sonstige Handlung eines Unionsorgans außer Anwendung (vgl. dazu Wegener in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 267 AEUV Rn. 29 f.). Dementsprechend kann die Klägerin eine Vorlage lediglich anregen, nicht aber erzwingen (vgl. Wegener, a.a.O., Rn. 22).