Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 16.06.1986, Az.: 19 UF 210/85

Anspruch auf Zugewinnausgleich; Berücksichtigung eines abgeschlossenen Erbvertrages beim Zugewinn; Einbeziehung von Grundbesitz im Zugewinnausgleichverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.06.1986
Aktenzeichen
19 UF 210/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1986, 15967
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1986:0616.19UF210.85.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Syke - 03.10.1985 - AZ: 4 F 318/82

Verfahrensgegenstand

Zugewinnausgleich

In dem Rechtsstreit
hat der 19. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Syke vom 3. Oktober 1985 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Entscheidungsformel zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt wird:

Die Klage wird insoweit abgewiesen, als die Parteien den Rechtsstreit nicht für in der Hauptsache erledigt erklärt haben.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

1

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.

2

II.

Die zulässige Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Klage auf Zugewinnausgleich hat in der Sache keinen Erfolg. Auch unter Berücksichtigung des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug ändert sich im Ergebnis nichts daran, daß ein Zugewinn der Beklagten nicht vorhanden ist und ein Ausgleichsanspruch demgemäß nicht besteht.

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Das Amtsgericht ist aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen ... mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Grundbesitz der Beklagten mit der Hofstelle einen landwirtschaftlichen Betrieb bildet, der im Zugewinnausgleichsverfahren nach dem Ertragswert zu berücksichtigen ist (§ 1376 Abs. 4 BGB). Es handelt sich um eindeutig landwirtschaftliche Grundflächen und um einen Hofkomplex, dessen Gebäude zum Betrieb der Landwirtschaft errichtet und dazu nach wie vor geeignet sind. Was der Kläger demgegenüber zu dem angeblich schlechten Zustand der Gebäude vorträgt, ist unsubstantiiert und nicht geeignet, die gegenteiligen Feststellungen des Sachverständigen ... zu erschüttern.

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Der Umstand, daß die Grundflächen verpachtet sind, könnte zwar nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Oktober 1984 (NJW 85, 1329, 1330) der Anwendung des § 1376 Abs. 4 BGB entgegenstehen. Dies ist jedoch nur unter zwei weiteren vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen der Fall: Das landwirtschaftliche Vermögen müßte im wesentlichen nur noch aus dem verpachteten Grund und Boden bestehen. Außerdem müßte bei realistischer Betrachtungsweise kein Anhaltspunkt dafür gegeben sein, daß der Eigentümer oder seine Abkömmlinge den Hof in Zukunft wieder bewirtschaften könnten.

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Hier fehlt es bereits am ersten dieser zusätzlichen Erfordernisse. Außer dem verpachteten Grund und Boden ist nach den Feststellungen des Sachverständigen eine funktionsfähige Hofstelle mit allen erforderlichen Wirtschaftsgebäuden vorhanden.

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Auch in persönlicher Hinsicht bestehen hier Anhaltspunkte für die Möglichkeit, daß ein zur Familie gehörender wirtschaftsfähiger Hoferbe die Bewirtschaftung des Anwesens wieder übernimmt. Es handelt sich um den Stiefbruder der Beklagten, Herrn ..., der vom Vater der Beklagten als Nacherbe für den Fall eingesetzt ist, daß die Beklagte ohne Anerben verstirbt. Gegen die Gültigkeit des von der Beklagten in Abschrift vorgelegten Testamentes ihres Vaters vom 9. September 1952 (Bl. 233 d.A.) trägt der Kläger nichts vor. Es kann deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, daß es sich bei der Wiedereintragung des früher gelöschten Hofvermerks und des Herrn ... als Nacherben im Grundbuch nur um eine scheidungstaktische Manipulation der Beklagten handelt. Die frühere auf Antrag der Beklagten erfolgte Löschung des Hofvermerks stand im Zusammenhang mit dem Erbvertrag, den die Parteien am 27. Juli 1977 geschlossen hatten (Ablichtung Bl. 200 bis 202 d.A.). Darin hatten sich die Parteien gegenseitig uneingeschränkt zu Erben eingesetzt und unter § 1 weiter bestimmt, daß die Hofstelle nicht mehr als Hof im Sinne der Höfeordnung gelten solle und die Beklagte hierzu eine entsprechende Erklärung abgegeben habe. Es mag hier dahinstehen, ob es sich bei diesem Erbvertrag und dessen geplanter Durchführung um eine Manipulation zum Nachteil des Herrn ... gehandelt hat, die im Widerspruch zum Testament des Vaters der Beklagten stand. Jedenfalls kann man der Beklagten keinen Vorwurf daraus machen, daß sie sich anläßlich des Scheiterns der Ehe von diesem Erbvertrag gelöst hat - ihre Befugnis dazu ergibt sich aus §§ 2279 Abs. 2, 2077 BGB -, um die dem Testament ihres Vaters entsprechende Rechtslage wiederherzustellen.

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Die Tatsache, daß es sich bei dem in Betracht kommenden künftigen Bewirtschafter des Hofes nicht um einen Abkömmling der Beklagten, sondern um ihren als Nacherben eingesetzten Stiefbruder handelt, kann nicht den Ausschlag für eine andere Beurteilung geben. Das Bundesverfassungsgericht spricht zwar im genannten Urteil nur von Abkömmlingen des Eigentümers. Diese sind jedoch erkennbar nur als der regelmäßig in Betracht kommende Beispielsfall dafür genannt, daß ein landwirtschaftlicher Betrieb in der Familie gehalten und möglicherweise wieder in eigene Bewirtschaftung genommen werden kann. Dafür, daß mit der Erwähnung der Abkömmlinge andere Familienmitglieder hätten ausgeschlossen werden sollen, ergeben die Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsgerichts keinen Anhaltspunkt. Daß es sich bei dem in Betracht kommenden Hoferben nicht um einen Abkömmling der jetzigen Eigentümerin, sondern um einen anderen Verwandten, nämlich um einen weiteren Abkömmling des Erblassers handelt, der von diesem bereits zum Nacherben eingesetzt ist, kann für die Frage, ob ein im Sinne des § 1376 Abs. 4 BGB schutzwürdiger landwirtschaftlicher Betrieb vorliegt, keinen Unterschied ausmachen. Das ist so unzweifelhaft, daß die vom Kläger angeregte Zulassung der Revision zu diesem Punkt nicht in Betracht kommt. Sie scheidet im übrigen auch schon deshalb aus, weil die Entscheidung des Rechtsstreits von dieser Frage nicht abhängt. Denn wie bereits oben dargelegt, fehlt bereits die erste Voraussetzung zur Verneinung eines landwirtschaftlichen Betriebes, die darin besteht, daß das landwirtschaftliche Vermögen im wesentlichen nur noch aus dem verpachteten Grund und Boden besteht.

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Eine andere Beurteilung kann hier auch nicht auf eine vom Kläger angeführte und in Ablichtung vorgelegte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. November 1968 (III ZR 142/66 - Ablichtung Bl. 237 bis 241 d.A.) gestützt werden. Dort hat der Bundesgerichtshof zwar dem Grundbesitz die Eigenschaft eines "Landgutes" im Sinne von § 2312 BGB abgesprochen, weil von der Hofstelle seit 4 Jahren keine Landwirtschaft mehr betrieben und die verschiedenen verpachteten Grundstücke nicht mehr zu einer Wirtschaftseinheit zusammengefaßt gewesen seien. Weiter hat er jedoch darauf abgestellt, daß dies nicht nur ein vorübergehender Zustand gewesen sei, da an eine Fortführung auch durch die Erbin nicht gedacht gewesen oder sie nicht möglich gewesen sei. In diesem entscheidenden Punkt verhält es sich im vorliegenden Fall anders. Mit der Wiederaufnahme der einheitlichen Bewirtschaftung und der Fortführung des Betriebes durch einen zur Familie gehörenden Hoferben ist, wie bereits dargelegt, durchaus zu rechnen.

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Die Bedenken, die der Kläger zur Höhe des vom Sachverständigen ... errechneten Ertragswertes erhebt, greifen nicht durch. Weder die von ihm angeführte Höhe der Pachteinnahmen noch die hypothetische Erwägung, ob ein Bewirtschafter des Hofes neben Ackerwirtschaft auch Viehhaltung betreiben würde, berühren die Höhe des nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Wertes. Dieser Wert richtet sich nicht danach, ob im Einzelfall dieses konkreten Hofes ein besonders hoher Pachtzins erzielt wird oder ob sich ein Bewirtschafter für Ackerbau, Viehhaltung oder beides entschieden hätte. Vielmehr geht es, wie der Sachverständige einleuchtend dargelegt hat, darum, unabhängig von individuellen Besonderheiten des jeweiligen Bewirtschafters die Ertragsfähigkeit des Betriebes anhand statistischer Durchschnittswerte aller vergleichbaren Betriebe zu ermitteln. Das hat der Sachverständige in einleuchtender Weise getan, ohne daß eine der Parteien diese Berechnung in substantiierter Weise angegriffen hätte.

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Bleibt es demnach für den Hof bei dem Ertragswert von 384.000 DM für das Anfangsvermögen und von 431.000 DM für das Endvermögen der Beklagten, so kann das übrige Vorbringen des Klägers als richtig unterstellt werden, ohne daß sich ein Zugewinn der Beklagten ergibt.

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Folgt man dem Kläger darin, daß das Häuslingshaus - abweichend vom Gutachten des Sachverständigen - mit einem Anfangswert von 30.000 DM und einem Endwert von 100.000 DM zu berücksichtigen sei, so ergibt sich ein gesamtes Anfangsvermögen der Beklagten von 414.000 DM und ein Endvermögen von 531.000 DM.

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Zum Ausgleich der Geldentwertung ist jedoch das Anfangsvermögen entsprechend der Änderung des Lebenshaltungskostenindexes hochzurechnen. Legt man dabei die vom Kläger selbst angewandten Indexzahlen von 71,1 für Mai 1970 und 106,6 für August 1978 zugrunde, so ergibt sich ein Anfangsvermögen von 620.709 DM. Dieses liegt um mehr als 90.000 DM über dem oben genannten Endvermögen von 531.000 DM. Selbst wenn man dem Endvermögen der Beklagten noch weitere 30.000 DM wegen beiseite geschafften Geldes hinzurechnen wollte, ergäbe sich gleichwohl kein Zugewinn der Beklagten.

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Ein Zugewinnausgleichsanspuch des Klägers besteht damit nicht, ohne daß es darauf ankommt, ob er selbst einen Zugewinn erzielt hat.

14

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen. Dabei war - ohne daß dies eine Änderung in der Sache bedeutet - die Entscheidungsformel dahin klarzustellen, daß sich die Abweisung der Klage nur auf den Teil bezieht, hinsichtlich dessen die Parteien das Verfahren nicht schon vorher in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Auch soweit die Parteien den Rechtsstreit im ersten Rechtszug teilweise für erledigt erklärt haben, muß es gemäß § 91 a ZPO bei der Kostenbelastung des Klägers bleiben. Dies entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes billigem Ermessen, weil ein Zugewinnausgleichsanspruch des Klägers, wie bereits dargelegt, insgesamt nicht besteht.

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Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils war gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO auszusprechen.