Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.03.2003, Az.: 14 WF 60/03

Voraussetzungen für die Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde gegen einen unanfechtbaren Verweisungsbeschluss; Möglichkeit des Erlasses eines Verweisungsbeschlusses ohne erforderlichen Antrag; Verweisung einer Sorgerechtssache unter Missachtung des Doppelwohnsitzes des Kindes und der Befassung des verweisenden Gerichts mit dem Scheidungsverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
20.03.2003
Aktenzeichen
14 WF 60/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 42419
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2003:0320.14WF60.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Oldenburg - 21.02.2003 - AZ: 6 F 2011/03 (UG)

Fundstelle

  • FamRZ 2003, 1853 (Volltext mit red. LS)

In der Familiensache
...
hat der 14.Zivilsenat - 5.Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 20.März 2003
durch
die unterzeichnenden Richter
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 21.02.2003 wird der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Oldenburg vom 05.02.2003 aufgehoben.

Gründe

1

Das Amtsgericht - Familiengericht - Oldenburg hat sich im Verfahren zum Umgangsrecht betreffend das gemeinsame Kind der Parteien S.M. durch den angefochtenen Verweisungsbeschluß für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht - Familiengericht - Pirmasens verwiesen. Die gegen die Verweisung gerichtete Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und in der Sache auch begründet, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben war.

2

Der angegriffene Verweisungsbeschluß ist zwar nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbar. Jedoch rechtfertigt der Sachverhalt hier ausnahmsweise eine nach der herrschenden Rechtsprechung mögliche außerordentliche Beschwerde. Diese ist nur zulässig im Fall einer Verletzung des rechtlichen Gehörs - was hier nicht anzunehmen ist - oder bei einer willkürlich erscheinenden Verweisung, der jede rechtliche Grundlage fehlt (so Prütting in MünchKomm - ZPO, 2.Aufl., § 281, Rz40 f; Musielak - Foerste, ZPO-Komm., 3.Aufl., § 281 Rz 11 m.w.N.; vgl. auch Stein-Jonas-Leipold, ZPO-Komm., 21.Aufl., § 281 Rz 30 f). Die Voraussetzungen einer willkürlichen Verweisung sind nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall gegeben.

3

Der Umstand, dass der Verweisungsbeschluß ohne den grundsätzlich erforderlichen Antrag des Antragstellers (§ 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO) rechtsfehlerhaft erging, rechtfertigt allein zwar noch nicht die Annahme, dass die Entscheidung derart willkürlich ergangen ist, dass ihr ausnahmsweise die grundsätzlich gegebene Unanfechtbarkeit und die Bindungswirkung zu versagen wären. Denn nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Stein-Jonas-Leipold, wie vor, § 281 Rz 30a mit ausführlichen Hinweisen auf die Rechtsprechung) führt selbst eine Verweisung ohne Antrag nicht zwingend zur Annahme einer willkürlichen Entscheidung (so Musielak - Foerste, wie vor, § 281 Rz 17 mwHinweisen). Gleiches gilt - für sich genommen - auch für den Fall des Übergehens der eigenen Zuständigkeit (auch dazu Musielak - Foerste, wie vor, § 281 Rz 17 mwH).

4

Indessen rechtfertigen die Gesamtumstände in ihrem Zusammenwirken es hier, eine willkürlich erscheinende und deshalb ausnahmsweise anfechtbare Verweisungsentscheidung anzunehmen. Denn das Amtsgericht Oldenburg war wegen des Doppelwohnsitzes des Kindes infolge des gemeinsamen Sorgerechts der getrennt lebenden Eltern - auch - zuständig, und dem Antragsteller stand demgemäß ein Wahlrecht zu, welches der beiden Wohnsitzgerichte der Eltern er anrufen wollte. Dieses Wahlrecht hat er ausdrücklich ausgeübt mit der bereits aus der Antragsschrift erkennbar gewordenen sachgerechten Erwägung, das Amtsgericht Oldenburg sei "aufgrund der Kenntnis der Umstände im Scheidungsverfahren" vorzuziehen. Tatsächlich hat sich auch die Antragsgegnerin mit ihrer eigenen Antragstellung in diesem Verfahren rügelos beim Amtsgericht Oldenburg eingelassen. Beim Amtsgericht sind zudem neben dem abgeschlossenen Scheidungsverbundverfahren zusätzlich weitere Verfahren der Parteien zum Sorgerecht und zum Unterhalt anhängig und noch nicht abgeschlossen. Dem gerichtlichen Hinweis auf die beabsichtigte Verweisung an das Amtsgericht Pirmasens hat der Antragsteller zudem ausdrücklich widersprochen unter Hinweis auf die zugleich vorgelegte Entscheidung des OLG Naumburg FamRZ 2000, 545 [OLG Naumburg 18.03.1999 - 3 AR 5/99]. Diese Entscheidung hatte zwar eine sachlich als unrichtig bewertete Verweisung im Ergebnis gebilligt, weil das Amtsgericht den auch im dortigen Fall von beiden Elternteilen abgeleiteten Doppelwohnsitz des Kindes "übersehen" hatte und deshalb keine Willkür angenommen. Im vorliegenden Fall hatte das Amtsgericht Oldenburg aber - insoweit abweichend von dem entschiedenen Fall des OLG Naumburg - aufgrund des ausdrücklichen Vortrags des Antragstellers besonderen Anlass, sich mit dem Doppelwohnsitz des Kindes und dem daraus abzuleitenden Wahlrecht des Antragstellers auseinanderzusetzen. Dieses Unterlassen kann nicht einem "Übersehen" der örtlichen Zuständigkeit gleich erachtet werden, so dass die Entscheidung insgesamt willkürlich erscheint. Im Übrigen trägt auch die einzige Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht, die häuslichen Verhältnisse "am Wohnsitz des Kindes" könnten sachgerecht besser in Pirmasens aufgeklärt werden. Auch die häuslichen Verhältnisse am weiteren Wohnsitz des Kindes bei der Kindesmutter in Oldenburg sind gleichwertig einzubeziehen.