Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 16.11.1998, Az.: SS 319/98
Begehungsform der Steuerhinterziehung; Unversteuerte Einfuhr von Branntwein bei Kenntnis der Zollfahndung; Entziehung von Ouzo im Steueraussetzungsverfahren; Inbesitznahme von Waren durch einen Nichtberechtigten; Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 16.11.1998
- Aktenzeichen
- SS 319/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1998, 28967
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1998:1116.SS319.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 136 Abs. 1 BranntwMonG
- § 141 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG
- § 144 Abs. 1 BranntwMonG
- § 144 Abs. 4 BranntwMonG
- § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO
Fundstellen
- DStZ 1999, 188-190 (Volltext mit amtl. LS)
- wistra 1999, 151-152
Amtlicher Leitsatz
Zur Begehungsform der Steuerhinterziehung bei der unversteuerten Einfuhr von Branntwein bei Kenntnis der Zollfahndung.
Gründe
Nach § 136 Abs. 1 BranntwMonG entsteht die Branntweinsteuer dadurch, dass das Erzeugnis aus einem behördlich zugelassenen Steuerlager entfernt wird. Entsprechende Vorschriften gelten in den anderen Staaten der EG. Um den Warenverkehr zwischen Steuerlagerinhabern in der EG zu vereinfachen, dürfen nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG Erzeugnisse unter Steueraussetzung im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren von Inhabern von Steuerlagern und berechtigten Empfängern im Steuergebiet aus Steuerlagern in anderen Mitgliedsstaaten bezogen werden. Wäre das Geschäft korrekt zwischen den Firmen T. in Griechenland und H. in Deutschland abgewickelt worden, so wäre die Branntweinsteuer weder bei der Entnahme aus dem Steuerlager der Fa. T. in Griechenland, noch bei der Durchfuhr durch Italien und Österreich, noch bei der Einfuhr nach Deutschland, sondern erstmals bei der Entnahme aus dem Steuerlager der Fa. H. entstanden. Dorthin ist der Ouzo jedoch nie gelangt. Er ist vielmehr während der Beförderung von den Angeklagten dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts war dies allerdings nicht erst am 6. Februar 1997 in Bad Zwischenahn der Fall. Zwar hat der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt erstmals den unmittelbaren Besitz an der Ware erlangt. Der griechische Fahrer hatte den Ouzo beim Zugriff der Zollfahndung bereits abgeliefert. Dadurch, dass der Fahrer die Frachtpapiere übergeben und den LKW mit geöffneter Ladeklappe an die Hallenrampe gefahren hatte, hat er den unmittelbaren Besitz am Transportgut mit Einwilligung des Empfängers aufgegeben und alles von ihm aus erforderliche getan, um diesen in den Stand zu setzen, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben. dass der Angeklagte noch ein Verbindungsstück zur Überbrückung des Höhenunterschieds zwischen der Ladeplattform des LKW und der Hallenrampe besorgen musste, um mit dem Entladen beginnen zu können, steht dem nicht entgegen, denn das Entladen der Ware ist grundsätzlich nicht Sache des Frachtführers, sondern des Empfängers (BGH VersR 1985, 1035). Ebensowenig rechtfertigt die Tatsache, dass der Fahrer den Fuhrlohn noch nicht erhalten hatte, eine andere Beurteilung.
Die Angeklagten hatten aber bereits nach Abschluss der Verladung beim Absender in Griechenland mit der unmittelbaren Inbesitznahme durch den von ihnen beauftragten Frachtführer mittelbaren Besitz an der Ware erlangt (BGHZ 32, 194, 204) [BGH 21.04.1960 - II ZR 21/58]. dass sie diesen nicht direkt, sondern über die von ihnen zwischengeschaltete Spedition Bierwirth beauftragt haben, ändert am Besitzmittlungsverhältnis nichts (RGZ 118, 250, 253). Mit der Inbesitznahme der Ware durch einen Nichtberechtigten unterliegt diese nicht mehr der konkret begonnenen, sich im Steueraussetzungsverfahren manifestierenden, zollamtlichen Überwachung. Sie sind damit dem Steueraussetzungsverfahren entzogen und befinden sich steuerrechtlich im freien Verkehr (Soyk ZfZ 1998, 2, 5f m.w.N.). Dies hat zur Folge, dass zunächst in Deutschland keine Branntweinsteuer angefallen ist, sondern deren Äquivalent in Griechenland. Die deutsche Branntweinsteuer ist dann gemäß § 144 Abs. 1 dadurch entstanden, dass die Angeklagten den aus dem freien Verkehr in Griechenland zu gewerblichen Zwecken bezogenen Ouzo in das deutsche Steuergebiet haben bringen lassen, mithin am 5. Februar 1997 nach dem Überschreiten der österreichisch/deutschen Grenze in Walserberg.
Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begeht eine Steuerhinterziehung, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt. Gemäß § 144 Abs. 4 war der Angeklagte verpflichtet, nach Entstehung der Steuer unverzüglich eine Steueranmeldung abzugeben und die Steuer sofort zu entrichten. Beides ist nicht geschehen. Der Angeklagte hat somit die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und Steuern verkürzt.
Gleichwohl kommt eine Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung nicht in Betracht. Tatbestandsvoraussetzung ist nämlich weiter, dass es zu der Steuerverkürzung gekommen ist, weil der Angeklagte die Finanzbehörden in Unkenntnis gelassen hat. Nach einhelliger Auffassung kommt deshalb in Fällen, in denen den Finanzbehörden der wahre Sachverhalt bereits auf Grund anderer Umstände bekannt ist, der Angeklagte dies aber nicht weiß, nur eine Bestrafung wegen (untauglichen) Versuchs in Betracht (BayObLG wistra 1990, 159, 162; Franzen/Gast/Jecks Steuerstrafrecht 4. Auflage § 370 AO Rn. 199f; Koch/Scholtz/Himmel AO 4. Auflage § 370 Rn. 26; Kohlmann Steuerstrafrecht 7. Auflage § 370 AO Rn. 44).
Von einer in diesem Sinne ausreichenden Kenntnis der Finanzbehörden ist auszugehen, wenn die Sachverhaltsinformation so detailliert ist, dass eine zutreffende und rechtzeitige Steuererhebung möglich ist. Das war hier der Fall. Den Finanzbehörden war von vornherein bekannt, welche Menge Ouzo eingeführt wurde. Auf Grund der lückenlosen Überwachung war auch der Zeitpunkt der Steuerentstehung bekannt. Eine zutreffende und rechtzeitige Steuerfestsetzung war daher möglich.
Erforderlich ist weiter, dass der zuständige Beamte über diese Kenntnisse verfügte. Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, es komme stets darauf an, ob die zur Veranlagung zuständige Behörde, hier also das örtlich zuständige Hauptzollamt Kenntnis hatte. Die Kenntnis der Zollfahndung sei irrelevant. Dem vermag sich der Senat für die hier vorliegende Fallgestaltung nicht anzuschließen. Zwar ist es im Grundsatz zutreffend, dass auf die Kenntnis der Veranlagungsbeamten bzw. deren Behördenleiter abzustellen ist. Entsprechend hat der BGH in den Parteispendenverfahren seinerzeit entschieden, dass es auf ein mögliches Wissen des Finanzministeriums nicht ankomme (BGH NJW 1991, 1306, 1314) [BGH 19.12.1990 - 3 StR 90/90]. Hier war jedoch die Zollfahndung als Teil der Finanzbehörden von Anfang an über alle Details des beabsichtigten Geschäfts informiert.
Der Transport ist letztlich nur auf ihre Initiative in Absprache mit den Firmen T. und H. unter lückenloser Überwachung durchgeführt worden, um der Täter habhaft zu werden. Unter diesen Umständen ist für eine Differenzierung zwischen Kenntnis der Zollfahndung und Kenntnis des zuständigen Hauptzollamtes kein Raum.
Der Angeklagte ist daher nicht der vollendeten, sondern der versuchten Steuerhinterziehung schuldig. Der Senat kann den Schuldspruch gemäß § 354 Abs. 1 StPO selbst ändern, weil auszuschließen ist, dass in einer erneuten Hauptverhandlung insoweit neue Feststellungen getroffen worden wären und der Angeklagte sich anders hätte verteidigen können.