Landgericht Hannover
Beschl. v. 04.03.2009, Az.: 44 StL 19/06

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
04.03.2009
Aktenzeichen
44 StL 19/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 42911
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2009:0304.44STL19.06.0A

Fundstellen

  • DStR 2009, 1932
  • DStRE 2009, 1416
  • NZI 2010, 119-120
  • NZI 2010, 23

In dem Antragsverfahren auf berufsgerichtliche Entscheidung

...

hat das Landgericht Hannover - Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen - unter Mitwirkung der Richterin am Landgericht ..., der Richterin am Landgericht ... und des Richters am Landgericht ... am 4. März 2009 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag des Antragstellers auf berufsgerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Rügebescheides der Steuerberaterkammer ... vom 25.01.2006 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 20.06.2006 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen.

GRÜNDE:

1

I.

Der Antragsteller war mit den steuerlichen Belangen des Herrn ... aus ... betraut. Über das Vermögen des Herrn ... ist am 01.06.2004 durch Beschluss des Amtsgerichts ... Insolvenzgericht, Az. ... das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Gleichzeitig ist Rechtsanwalt ... zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Der Insolvenzverwalter hat den Antragsteller gebeten, die steuerliche Betreuung für den zunächst fortgeführten Betrieb des Herrn ... wahrzunehmen und die Finanz- und Lohnbuchhaltung, die ...-gestützt bearbeitet wird, fortzuführen. Im Laufe des Insolvenzverfahrens musste der Geschäftsbetrieb zum 15.10.2004 eingestellt und die Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO angezeigt werden. Die Buchhaltung wurde daher seitens des Insolvenzverwalters weiter bearbeitet. Zu diesem Zweck bat der Insolvenzverwalter den Antragsteller, ihm sämtliche Unterlagen, die für die Buchung erforderlich waren, auszuhändigen sowie sein Einverständnis mit einer Übertragung der Daten im ... Verfahren zu erklären. Der Steuerbevollmächtigte übersandte gemäß Schreiben vom 9.11.2004 Unterlagen für den Monat August 2004 nach Verbuchung, lehnte jedoch die gewünschte Zustimmung zur Übertragung von Mandantendaten im Verfahren gemäß Schreiben vom 10.11.2004 ab. Daraufhin wandte sich der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 07.12.2004 an die Steuerberaterkammer ..., die Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 13.01.2005 zur Stellungnahme auf.

2

Mit Schreiben vom 29.01.2005 erwiderte der Antragsteller, dass er sämtliche Unterlagen nach Verbuchung und Abstimmung mit dem Ausdruck der ... umgehend zurückgegeben habe. Weitere Unterlagen habe er nicht erhalten und seien auch nicht vorhanden. Seine Buchführungsarbeiten seien teilweise noch nicht beglichen worden.

3

Mit Schreiben vom 27.5.2005 teilte der Insolvenzverwalter mit, dass sämtliche ihm von dem Antragsteller in Rechnung gestellten Forderungen beglichen seien mit Ausnahme der von diesem für die Erstellung des Jahresabschlusses angeforderten Vorschüsse. Die Erstellung der Jahresabschlüsse sei jedoch nicht bei dem Antragsteller in Auftrag gegeben worden. Unabhängig davon sei der Antragsteller weiterhin für den Insolvenzschuldner tätig, ohne von dem Insolvenzverwalter beauftragt worden zu sein und reiche Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein, ohne den Insolvenzverwalter in Kenntnis zu setzen. Die Steuerberaterkammer bat den Antragsteller mit Schreiben vom 14.06.2005 nochmals um Stellungnahme. Der Antragsteller erwiderte mit Schreiben vom 29.06.2005. Er bestätigte, dass nach wie vor angeforderte Vorschüsse für die Jahresabschlüsse 1999 bis 2002 offen seien. Eine Veranlassung zur Übertragung von Mandantendateien betreffend das Insolvenzunternehmen bestehe nicht. Er sei ab September 2004 nicht mehr für das Insolvenzunternehmen tätig. Die Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab Februar 2005 würden einen neu eröffneten Betrieb, nämlich Fa. ... betreffen.

4

Die Steuerberaterkammer wies mit Schreiben vom 07.07.2005 den Antragsteller darauf hin, dass ein Steuerberater im laufenden Insolvenzverfahren des Auftraggebers kein Zurückbehaltungsrecht an den Handakten geltend machen könne. Zu dem Begriff der Handakte zählten auch die bei einem Rechenzentrum gespeicherten und vom Vorgänger übertragenen Stammdaten. Zwischen den Unterlagen, die der Auftraggeber körperlich übergebe und den nicht in den Akten, sondern in einem Rechenzentrum gespeicherten Daten, würde kein Unterschied hinsichtlich der Herausgabepflicht bestehen. Der Mandant habe den Aufbau des Datenbestandes mit seinen Gebühren für die Einrichtung der Buchführung honoriert, so dass die Befugnis, über sie zu verfügen allein ihm zustehe. Ein Steuerberater sei sogar aus dem Gebot von Treu und Glauben verpflichtet, dem Mandanten vor Löschung der Daten eine Überspielung auf den Datenspeicher eines Kollegen anzubieten, anderenfalls mache er sich schadensersatzpflichtig. Die Steuerberaterkammer forderte den Antragsteller nochmals auf, bis zum 21.07.2005 mitzuteilen, warum der Antragsteller trotz der berufsrechtlichen Verpflichtung die Übertragung der bei der ... gespeicherten Mandantendaten verweigere.

5

Der Antragsteller erklärte mit Schreiben vom 05.09.2005, er habe zwischenzeitlich weitere Arbeiten aus 2005 am 14.7.2005 abgerechnet, diese Rechnungen Nrn. ... und ... Arbeiten seien noch nicht beglichen worden. Eine Stellungnahme zur Übertragung der ... Stammdaten erfolgte trotz mehrmaliger Mahnungen nicht.

6

Mit Bescheid vom 25.01.2006 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Rüge wegen nicht gewissenhafter Berufsausübung sowie Nichtbeantwortung von Kammeranfragen. Gegen den am 27.01.2006 zugestellten Rügebescheid hat der Antragsteller mit Schreiben vom 23.02.2006, eingegangen bei der Steuerberaterkammer am 24.02.2006, Einspruch eingelegt. In der Einspruchsbegründung erklärte der Antragsteller, er vermisse eine detaillierte Begründung des Insolvenzverwalters, was er mit der Datenübertragung bezwecke bzw. wofür er sie benötige. Herr ... sei nach wie vor sein Mandant und würde mit einer Datenübertragung nicht einverstanden sein. Mit Schreiben vom 30.5.2006 rügte der Antragsteller darüber hinaus, dass ihm keine Abschriften der Beschwerdebriefe übersandt worden seien.

7

Mit Bescheid vom 20.06.2006 wies die Antragsgegnerin den Einspruch gegen den Rügebescheid vom 25.01.2006 zurück. In dem Bescheid über den Einspruch heißt es u.a.:

"Die Einspruchsbegründung enthält keine neuen Tatsachen, die eine Aufhebung der Rüge rechtfertigen könnte. Zu der Frage der Nichtbeantwortung von Kammeranfragen haben Sie bis zum heutigen Tage keine Ausführungen gemacht. Darüber hinaus ist ihnen mehrfach mitgeteilt worden, welche berufsrechtlichen Verpflichtungen Ihrerseits gegenüber dem bestellten Insolvenzverwalter bestehen. Auch ist Ihnen hinreichend erläutert worden, in welcher Weise Sie Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrechte im Fall der Insolvenz Ihres Mandanten geltend machen können.

Aus der Tatsache, dass Ihnen die Beschwerdeschreiben nicht in Kopie vorgelegt haben, lässt sich ein Verfahrensfehler nicht stützen."

8

Der Einspruchsbescheid ist dem Antragsteller am 21.06.2006 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 19.07.2006, eingegangen bei dem Landgericht Hannover am 20.07.2006, hat der Antragsteller Rechtsmittel eingelegt und die Entscheidung des Landgerichts, Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen, nach § 82 StBerG beantragt.

Gründe

9

II.

Der Antrag des Antragstellers auf eine Entscheidung des Landgerichts, Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen, ist gem. § 82 Abs. 1 StBerG zulässig. Er ist form- und fristgerecht eingegangen.

10

Der Antrag hat jedoch keinen Erfolg. Der Rügebescheid der Steuerberaterkammer ... vom 25.01.2006 in der Form des Einspruchsbescheides vom 20.06.2006 ist zu Recht ergangen. Der Antragsgegnerin steht ein Rügerecht nach § 81 Abs. 1 StBerG zu, wenn ein Mitglied der Steuerberaterkammer eine ihm obliegende Pflicht verletzt hat und wenn die Schuld des Mitgliedes gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. Vorliegend hat der Antragsteller, der als Steuerbevollmächtigter Mitglied der Steuerberaterkammer ist, die ihm nach §§ 57 Abs. 1, 66, 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG, 30 Abs. 2 BOStB obliegenden Pflichten verletzt. Er hat dem Insolvenzverwalter gegenüber seine Zustimmung zur Übertragung der ...-Daten nicht erteilt und Antragen der Antragsgegnerin nur teilweise beantwortet.

11

1.

Der Steuerbevollmächtigte ist nach Beendigung eines Mandates nach den §§ 667, 675, 611 BGB verpflichtet, sämtliche Unterlagen einschließlich der in einem Rechenzentrum gespeicherten Daten an seinen Mandanten herauszugeben. Der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Antragsteller und dem Insolvenzschuldner, Herrn ... der sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezog, war mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 1.6.2004 gemäß den §§ 115, 116 InsO erloschen. Soweit der Insolvenzverwalter den Antragsteller zunächst beauftragt hatte, die Finanz- und Lohnbuchführung fortzuführen, endeten auch diese Geschäftsbesorgungsaufträge im Herbst 2004, als die Masse unzulänglich wurde und der Geschäftsbetrieb zum 15.10.2004 eingestellt werden musste.

12

Nach Beendigung der Aufträge war der Antragsteller nunmehr verpflichtet, sämtliche Mandantenunterlagen nach den §§ 675, 667 BGB an den Insolvenzverwalter herauszugeben. Zu den Mandantenünterlagen gehören neben den Geschäftsunterlagen auch die bei einem Rechenzentrum zum Zwecke der Buchführung gespeicherten Daten.

13

Der Antragsteller war insbesondere nicht berechtigt, ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich derjenigen Daten geltend zu machen, die ihm von dem Insolvenzschuldner zum Zwecke der Geschäftsbesorgung zur Verfügung gestellt worden waren. Dies gilt auch, wenn der Antragsteller die gelieferten Daten und Unterlagen ausgewertet und für die eigentliche Buchführung geordnet und rechnerisch aufbereitet hat, da es sich insoweit nicht um das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis selbst gehandelt hat ( BGH, Urteil vom 11.3.2004, Az. IX ZR 178/03 ).

14

Ein Zurückbehaltungsrecht könnte lediglich in Bezug auf Arbeitsergebnisse geltend gemacht werden, wenn die Arbeitsergebnisse in einem Austauschverhältnis mit den geschuldeten und noch offenen Gebühren stehen. Handelt es sich bei den gespeicherten Daten um das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis, besteht kein Anspruch des Auftraggebers nach den §§ 675, 667 BGB, denn diese Daten sind nicht zur Ausführung der steuerlichen Arbeiten erlangt, sondern sind Gegenstand des vertraglichen Erfüllungsanspruchs. Ein Anspruch des Auftraggebers auf Erfüllung, insbesondere der Herausgabe der Arbeitsergebnisse, besteht jedoch spätestens mit Begleichung der Honorarforderungen.

15

Vorliegend hat der Antragsteller seine Zustimmung zur Übertragung sämtlicher gespeicherten Daten verweigert, ohne dass ersichtlich ist, dass es sich dabei um Arbeitsergebnisse handelt, die seitens des Insolvenzverwalters in Auftrag gegeben worden sind. Darüber hinaus sind aber auch die Honorarrechnungen vom 12.3.2004, 18.5.2004, 30.6.2004 und 28.9.2004 für die Buchführungsarbeiten der ersten Quartale des Jahres 2004 beglichen worden. Vorschüsse für Jahresabschlüsse 1999 bis 2002 kann der Antragsteller nicht beanspruchen, da es insoweit an einer Auftragsvergabe fehlt. Gleiches gilt hinsichtlich der Bezahlung von Rechnungen vom 14.7.2005, die sich auf Buchführungsarbeiten für das Jahr 2005 beziehen sollen. Auch diese Arbeiten sind nicht seitens des Insolvenzverwalters für die Insolvenzmasse in Auftrag gegeben worden.

16

Der Antragsteller konnte sich auch nicht darauf berufen, dass der Insolvenzschuldner, Herr ..., mit einer Zustimmung zur Übertragung der Daten nicht einverstanden sein würde. Als Auftraggeber und Mandant ist nicht der Insolvenzschuldner, sondern der Insolvenzverwalter anzusehen, dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse übertragen worden war. Der Antragsteller wäre daher verpflichtet gewesen, einer Übertragung der ...-Daten zuzustimmen. Ein Zurückbehaltungsrecht an Daten, die das Insolvenzvermögen betreffen, stand dem Antragsteller gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht zu. Die Weigerung, die Zustimmung zur Übertragung der ...-Stammdaten zu erteilen, ist als Pflichtverletzung zu werten.

17

2.

Der Antragsteller hat auch gegen seine Pflicht, Kammeranfragen zu beantworten, verstoßen, § 80 Abs. 1 S. 2 StBerG. Der Antragsteller hat auf Schreiben der Antragsgegnerin vom 13.09.2005, 13.10.2005, 03.11.2005 sowie vom 24.11.2005 nicht reagiert.

18

Danach war eine Rüge der Antragsgegnerin wegen nicht gewissenhafter Berufsausübung und Nichtbeantwortung von Kammeranfragen zu Recht erlassen worden.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 149 Abs. 1, 148 Abs. 1 S. 1 StBerG.