Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 16.10.2018, Az.: 11 WF 188/18
Entscheidung des Familiengerichts über einen wiederholten Sorgerechtsantrag
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 16.10.2018
- Aktenzeichen
- 11 WF 188/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 39873
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Osnabrück - 25.07.2018 - AZ: 35 F 93/18 SO
Rechtsgrundlagen
- BGB § 1671 Abs. 1
- BGB § 1696 Abs. 1 S. 1
Fundstellen
- FamRB 2019, 143-144
- FamRZ 2019, 807
- FuR 2019, 541-542
- NJW-Spezial 2019, 70
- RPsych 2019, 292
- ZKJ 2019, 114-117
Amtlicher Leitsatz
1. Die Entscheidung über einen wiederholten Sorgerechtsantrag richtet sich nach § 1671 Abs. 1 BGB und nicht nach § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn ein auf Auflösung der elterlichen Sorge gerichteter Antrag gem. § 1671 Abs. 1 BGB zurückgewiesen wird.
2. Die bei teilweiser Ablehnung eines Antrags gem. § 1671 Abs. 1 BGB fortbestehende gemeinsame elterliche Sorge beruht nicht auf dieser Gerichtsentscheidung.
3. Die bloße Beibehaltung des vorherigen Rechtszustandes nach § 1671 Abs. 1 BGB ist begrifflich bereits keine Entscheidung bzw. Anordnung im Sinne des § 1696 Abs. 1 BGB.
Tenor:
I. Auf die sofortige Beschwerde der Kindesmutter vom 30.08.2018 wird der die Verfahrenskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück vom 25.07.2018 (Aktenzeichen: 35 F 93/18 SO) abgeändert.
II. Der Kindesmutter wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ... in ... bewilligt.
Gründe
I.
Die Kindesmutter beantragte mit Schriftsatz vom 29.06.2018 Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge für die Beteiligten zu Ziffer 1. bis 5.
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder wurde der Kindesmutter durch Beschluss des Familiengerichts vom 16.11.2016 unter Zurückweisung ihres weitergehenden Antrages übertragen (Beiakte Amtsgericht Osnabrück 10 F 173/16 SO). Die Kindesmutter hatte in diesem Sorgerechtsverfahren beantragt, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das alleinige Entscheidungsrecht in allen Fragen der Schul- und Berufsausbildung zu übertragen und sich im Wesentlichen auf nachhaltige Kommunikations- und Kooperationsstörungen zwischen den Kindeseltern berufen, welche bereits zu Verhaltensauffälligkeiten der Kinder geführt hätten. Das Amtsgericht hat den Antrag der Kindesmutter auf Übertragung des alleinigen Entscheidungsrechts in allen Fragen der Schul- und Berufsausbildung mit Beschluss vom 16.11.2016 zurückgewiesen. Es hat hierzu ausgeführt, dass dem Antrag insoweit nicht zu entsprechen sei, da in nächster Zeit lediglich eine Entscheidung hinsichtlich des Schulwechsels für S... anstehe und diesbezüglich beide Eltern engagiert seien, eine geeignete Schule zu finden. Den Eltern sei es daher - ggf. mit Beratung - möglich, eine einvernehmliche Entscheidung diesbezüglich zu treffen. Die gegen die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter gerichtete Beschwerde des Kindesvaters hat dieser auf Hinweis des Senats vom 05.01.2017 mit Schriftsatz vom 30.01.2017 zurückgenommen.
Die Kindesmutter begehrt vorliegend die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die aus der Ehe der Eltern hervorgegangenen Kinder. Eine Zusammenarbeit mit dem Kindesvater sei nicht möglich. Es fehle seitens des Kindesvaters die erforderliche Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit. Eine Kommunikation lasse der Kindesvater nur durch Briefpost oder per SMS zu. Anrufe ihrerseits nehme er nicht entgegen. Auf WhatsApp, Telegram und Mail habe er sie blockiert. Ein Mediationsangebot der Familienhilfe betreffend den elterlichen Umgang miteinander habe der Kindesvater in der zweiten Sitzung nach wenigen Minuten abgebrochen und klargestellt, dass er die Mediation nicht fortsetzen wolle. Der Kindesvater habe keinen Kontakt zu seinen Töchtern und habe sich gleichwohl zum Elternvertreter in der Schule wählen lassen. L... zeige sich psychisch extrem belastet und habe unter anderem Essstörungen, weswegen am 26.06.2018 ein Erstgespräch in der ...-Jugendklinik stattfinden habe sollen, für welches der Kindesvater zunächst die von den Ärzten erbetene Schweigepflichtsentbindungserklärung nicht erteilt habe. Erst nach Einleitung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens habe der Kindesvater seine Schweigepflichtsentbindungserklärung erteilt (Beiakte Amtsgericht Osnabrück 35 F 89/18 EASO).
Der Kindesvater wendet sich gegen die weitergehende Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter. Er sei in jeder Hinsicht kooperationsbereit und -fähig. Er sei bereit, die abgebrochenen Elterngespräche wiederaufzunehmen, jedoch nicht bei dem ..., da diese Einrichtung wegen Vorbefassung ungeeignet sei. Er habe auch, nachdem er hinreichend über die gesundheitliche Problematik von L... informiert worden sei, die erforderlichen Erklärungen gegenüber der Klinik erteilt. Die Kindesmutter habe ihn vorab nicht hinreichend über die Vorfälle um die Tochter informiert. Aus seiner Sicht seien auch die Umgangskontakte hinreichend einvernehmlich geregelt. Richtig sei, dass er die Kinder auf dem Weg von seinem Arbeitsort zu seiner Wohnung häufiger aufsuche, da deren Wohnort auf dem Weg liege. Diese kurzen am Gartenzaun des Wohnsitzes der Kindesmutter stattfindenden Treffen würden die Kinder nicht belasten.
Dass Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück hat der Kindesmutter mit Beschluss vom 25.07.2018 Verfahrenskostenhilfe versagt. Den Kindeseltern sei zumindest über SMS eine Kommunikation möglich. Die Auswirkungen des elterlichen Konflikts auf die Kinder untereinander würden sich bei einer Übertragung der elterlichen Sorge nicht ändern. Beide Eltern hätten sich hinsichtlich der Behandlung von L... schließlich im Verlauf des einstweiligen Anordnungsverfahrens verständigen können. Die Entscheidungen über die Angelegenheiten des täglichen Lebens könne die Kindesmutter nach § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB alleine treffen. Dass sich der Kindesvater zum Elternvertreter in der Schule habe wählen lassen, sei für die Frage der elterlichen Sorge nicht von Bedeutung.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 30.08.2018 verfolgt die Kindesmutter die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe weiter und führt zur Begründung im Wesentlichen aus, die Kommunikation zwischen den Eltern sei weiterhin erheblich gestört. Diese nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation habe bereits zu einer erheblichen Belastung der Kinder geführt und widerspreche dem Kindeswohl. Die Kindesmutter trägt unter anderem vor, ein Fehlverhalten des Kindesvaters habe zu einem ungewollten Schulwechsel von S..., L... und P... geführt. P... würde gerne wieder ihre frühere Schule besuchen, was der Kindesvater aber vehement ablehne. Der Kindesvater übe die elterliche Sorge nicht im Sinne des Wohles der Kinder aus, sondern nutze diese, um sie im Ergebnis zu behindern.
Das Jugendamt hat mit Bericht vom 25.06.2018 in dem einstweiligen Anordnungsverfahren aufgrund der seit Januar 2016 dem Jugendamt bekannt gewordenen erheblichen Kommunikationsstörungen die Prüfung angeregt, inwieweit die Kindeseltern grundsätzlich in der Lage sind, die gemeinsame elterliche Sorge zum Wohle der Kinder auszuüben.
In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 27.09.2018 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Osnabrück ausgeführt, aufgrund der zuletzt ergangenen Sorgerechtsentscheidung vom 16.11.2016 sei nunmehr § 1696 BGB anwendbar, dessen Voraussetzungen nicht vorlägen. Es sei nicht ersichtlich, dass sich seit dieser Entscheidung Änderungen ergeben hätten, die aus das Wohl der Kinder nachhaltig berührenden Gründen eine Änderung der Sorgerechtsregelung angezeigt erscheinen lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das wechselseitige Vorbringen der Kindeseltern, den angefochtenen Beschluss und den Nichtabhilfebeschluss Bezug genommen. Die Akten des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück 10 F 173/16 SO und 35 F 89/18 EASO nebst dem beim Amtsgericht anhängigen Umgangsverfahren 35 F 94/18 waren zu Informationszwecken beigezogen.
II.
Die nach den §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Kindesmutter gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe hat in der Sache Erfolg.
Nach der im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat die Rechtsverfolgung der Antragstellerin hinreichende Aussicht auf Erfolg, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO.
Für die Prüfung der Erfolgsaussicht des Antrags der Kindesmutter auf weitergehende Übertragung der elterlichen Sorge ist § 1671 Abs. 1 Satz 2 BGB und nicht § 1696 Abs. 1 BGB maßgeblich.
§ 1671 BGB regelt, dass bei einem nicht nur vorübergehenden Getrenntleben der Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, jeder Elternteil beantragen kann, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Einem solchen Antrag ist stattzugeben, soweit (1.) der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder (2.) zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Antragstellerin dem Wohl der Kinder am besten entsprechen.
Dagegen regelt § 1696 Abs. 1 BGB die Voraussetzungen der Änderung von gerichtlichen Entscheidungen zum Sorgerecht. Eine Entscheidung zum Sorgerecht ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist.
Obwohl eine Entscheidung zur elterlichen Sorge hier in Gestalt des Beschlusses vom 16.11.2016, 10 F 173/16 SO, grundsätzlich vorliegt, ist bei der zu treffenden Entscheidung über die Erfolgsaussicht des Sorgerechtsantrages der Kindesmutter der Maßstab des § 1671 Abs. 1 BGB und nicht der des § 1696 Abs. 1 BGB anwendbar.
Die dem jetzt beabsichtigten Sorgerechtsverfahren vorangegangene Entscheidung aus November 2016 erfasst schon per se nicht das gesamte Sorgerecht. Das Gericht befasste sich der damaligen Antragslage gemäß lediglich mit den sorgerechtlichen Teilbereichen Aufenthaltsbestimmungsrecht und den schulischen Angelegenheiten. Dies wirft zum einen die Frage auf, ob hinsichtlich der vom damaligen Verfahren bereits per se nicht erfassten sorgerechtlichen Teilbereiche eine "Entscheidung" im Sinne des § 1696 Absatz 1 BGB vorliegt. Dieselbe Frage stellt sich zum anderen in Bezug auf den Teilbereich der schulischen Angelegenheiten, da insoweit lediglich eine Ablehnung des Antrages vorliegt. Weder durch die Zurückweisung des Antrages noch durch die mangels Antrags erfolgte Entscheidung ist eine Umgestaltung der bis dato bestehenden sorgerechtlichen Regelung erfolgt.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur ist das Verhältnis zwischen § 1671 Abs. 1 BGB und § 1696 Abs. 1 BGB streitig. Es wird vertreten, dass auch die (teilweise) Zurückweisung eines Antrags auf Übertragung der elterlichen Sorge eine Entscheidung darstellt, die nur nach Maßgabe von § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB geändert werden könne (BeckOGK/Mehrle, 01.06.2017, BGB § 1696 Rn. 13.1; Fröschle, Sorge und Umgang in der Rechtspraxis, 2. Auflage 2018, Rn. 333; OLG Brandenburg FamRZ 2014, 1861, KG v. 10.05.2010 - 19 UF 7/09, FamRZ 2011, 122). Das Kammergericht stützt sich in seiner Entscheidung vom 10.05.2010 - Aktenzeichen: 19 UF 7/09 - im Wesentlichen auf den Wortlaut des § 1696 Abs. 1 BGB und führt hierzu aus, dass das Familiengericht seine Anordnungen zu ändern hat, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist, wobei eine gerichtliche Anordnung in diesem Sinne auch in einer vorangegangenen Entscheidung gesehen werden kann, mit welcher der Antrag auf Änderung des gesetzlichen Sorgerechtsverhältnisses zurückgewiesen worden ist.
Das Oberlandesgericht Brandenburg führt in seiner Entscheidung vom 11.04.2014 - Aktenzeichen: 3 UF 50/13 - aus, auch eine gerichtliche Ablehnung eines Antrags auf Änderung der gesetzlichen Sorgerechtsverhältnisse stelle regelmäßig eine gerichtliche Anordnung im Sinne des § 1696 Abs. 1 BGB dar, so dass für Folgeanträge diese Vorschrift anzuwenden sei. Denn § 1696 Abs. 1 BGB habe seinen normativen Bezugspunkt im (gesetzgeberisch als schutzwürdig anerkannten) Bedürfnis eines Kindes nach Kontinuität und Stabilität seiner Lebensbedingungen, und seine Stabilisierungsfunktion für gerichtlich angeordnete Sorgerechtsverhältnisse, die dem Schutz des Kindes und des Sorgeberechtigten vor Verunsicherung und Infragestellung dieser Ordnung dienen. Diese äußerten sich nicht nur in der Forderung nach gewichtigen Kindesinteressen, sondern auch in der nach "neuen oder neu zutage getretenen Umständen", was es rechtfertige, die (hohe) Änderungsschwelle des § 1696 Abs. 1 BGB auch dann anzuwenden, wenn die Korrektur früherer ablehnender Entscheidung begehrt werde.
Nach dieser Ansicht wäre jedenfalls hinsichtlich des sorgerechtlichen Teilbereichs der schulischen Belange der Änderungsmaßstab des § 1696 Abs. 1 BGB anzuwenden.
Nach anderer Ansicht richtet sich die Entscheidung über einen wiederholten Sorgerechtsantrag weiter nach § 1671 BGB und nicht nach § 1696, wenn ein auf Auflösung der elterlichen Sorge gerichteter Antrag gem. § 1671 BGB zurückgewiesen wird (vgl. AG Ludwigslust vom 23.09.2005 - 5 F 328/04, juris Rn. 4). Wurde im vorangegangenen Verfahren ein auf § 1671 Abs. 1 BGB gestützter Antrag auf Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge zurückgewiesen, sei ein erneuter Antrag zur Übertragung der Alleinsorge nicht an § 1696 Abs. 1 BGB, sondern - erneut - an § 1671 BGB zu messen (vgl. Völker/Clausius, Das familienrechtliche Mandat, Sorge- und Umgangsrecht, 6. Auflage 2014 Rn. 6, unter Bezugnahme auf: BGH FamRZ 2005, 1469; FamRZ 1993, 314; OLG Saarbrücken v. 14.05.2012 - 9 UF 25/12, juris). § 1696 Abs. 1 BGB setze eine vorangegangene richterliche Umgestaltung der Sorgerechtslage voraus, weshalb deren Ablehnung im Erstverfahren nicht erfasst sei. Bei einer Aufhebung der elterlichen Sorge im Teilbereich sei zu differenzieren: Hinsichtlich dieses Teilbereiches richte sich eine Abänderung nach § 1696 Abs. 1 BGB, da er gerichtlich geregelt worden sei, im Übrigen verbleibe es aber bei dem Maßstab des § 1671 BGB, weil das Gericht insoweit eine Regelung abgelehnt, also die Sorgerechtslage nicht umgestaltet habe (vgl. Völker/Clausius a.a.O.). Die - bei teilweiser Ablehnung einer gerichtlichen Regelung - fortbestehende gemeinsame Sorge beruhe gerade nicht auf dieser Gerichtsentscheidung(vgl. Coester in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 1696 Rn. 22; OLG Dresden v. 22.03.2010, FamRZ 2010, 1992, juris Rn. 7; AG Ludwigslust v. 23.09.2005 - 5 F 328/04, juris Rn. 4).
Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung.
Zwar ist der Wortlaut von § 1696 Absatz 1 BGB insoweit erst einmal nicht eindeutig. Sprachlich dürfte eine "Entscheidung" nämlich auch da vorliegen, wo ein Gericht einen Antrag zurückweist. Eine Umgestaltung würde dann nur noch in Betracht kommen, wenn diese aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist.
Hiergegen spricht bereits, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Wortes "Entscheidung" keine inhaltliche Änderung in Relation zu dem zuvor verwendeten Begriff "Anordnung" verbinden wollte. Die Regelung des § 1696 Abs. 1 BGB lautete in seiner Fassung bis zum 31.08.2009 wie folgt: "Das Vormundschaftsgericht und das Familiengericht haben ihre Anordnungen zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist." Mit Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz - FGG-RG) vom 17. Dezember 2008 wurde die Vorschrift unter anderem wie folgt geändert: "Eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist." Mit dieser Fassung wurde mithin der Begriff "Anordnung" durch den Begriff "Entscheidung" ersetzt und damit an den Sprachgebrauch des BGB und FamFG angepasst, ohne dass damit aber eine inhaltliche Änderung damit verbunden sein sollte (vgl. BTDrs. 16/6308 S. 346). Begrifflich setzt eine Anordnung aber eine Umgestaltung des bestehenden Rechtszustandes voraus. Die bloße Beibehaltung des vorherigen Rechtszustandes aufgrund der Zurückweisung eines Antrages ist schon begrifflich keine "Anordnung".
Dass der Gesetzgeber keine gesonderte Regelung betreffend die teilweise Zurückweisung eines Antrags auf Übertragung der elterlichen Sorge getroffen hat, dürfte sich damit erklären, dass dieser nach früher geltender Regelung davon ausging, dass § 1671 BGB keine Übertragung von Teilbereichen aus der Personen- oder Vermögenssorge zulässt (vgl. BT Drs. 13/4899 S. 32).
Bei der Abgrenzung des anzuwendenden Maßstabes ist auch zu berücksichtigen, wie die elterliche Sorge erworben wurde. Die elterliche Sorge wurde im vorliegenden Fall von Gesetzes wegen erworben, und zwar als gemeinsame Sorge der bei der Geburt des Kindes miteinander verheirateten Eltern.
Weist das Familiengericht einen Antrag eines Elternteils auf (teilweise) Übertragung der elterlichen Sorge bei bestehender gemeinschaftlicher elterlicher Sorge zurück, führt dies lediglich zu einer Beibehaltung des vorherigen Zustandes. Das Familiengericht trifft mit der Zurückweisung keine Regelung, die es rechtfertigen könnte, einen neuerlichen Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge dem Maßstab des § 1696 Abs. 1 BGB zu unterwerfen. Dies gilt insbesondere in solchen Fällen, in denen bspw. - wie vorliegend - keine am Maßstab des § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB orientierte Prüfung mangels ersichtlichem Regelungsbedürfnis erfolgt ist. Eine umfassende inhaltliche Prüfung, welcher Elternteil ggf. besser zur Ausübung des Sorgerechtes geeignet ist, hat in diesen Fällen gerade nicht stattgefunden, daher kann der Aufrechterhaltung des so letztlich nur formell bestätigten Status Quo kein besonders schützenswerter Moment im Sinne des § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB innewohnen.
Da der Kindesmutter hier nach früherer Entscheidung lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder übertragen wurde, ist § 1671 Abs. 1 BGB der Maßstab für die Prüfung der begehrten weitergehenden Übertragung der elterlichen Sorge.
Bei den gegebenen Umständen bestehen im summarischen Verfahren Anhaltspunkte dafür, dass es nach § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB dem Wohl der Kinder am besten entsprechen könnte, der Kindesmutter die elterliche Sorge insgesamt zu übertragen.
Der Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt - auch unter Berücksichtigung der elterlichen Pflichten - mit Blick auf das Kindeswohl eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern und ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen in wesentlichen Bereichen elterlicher Sorge voraus (BVerfG v. 18.12.2003 - 1 BvR 1140/03, NJW-RR 2004, 577 f; Götz in: Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 1671 Rn. 15 ff m.w.N.). Zwar ist davon auszugehen, dass es für das Wohl von Kindern grundsätzlich am besten ist, wenn sich die Eltern auch nach der Trennung einvernehmlich um sie kümmern und sie in dem sicheren Gefühl aufwachsen kann, weiter zwei verlässliche Eltern zu haben, die nicht um sie konkurrieren und sie nicht in Loyalitätskonflikte stürzen. Wenn aber Eltern im Zusammenhang mit oder infolge ihrer Trennung zerstritten sind, emotionale Konflikte offensichtlich nicht lösen können und ihrer Pflicht, eine Einigung zu suchen, nicht mit Erfolg nachkommen können oder wollen, entspricht es dem Kindeswohl nicht, durch Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge die Eltern in ständige, von ihnen in angemessener oder zumutbarer Weise nicht zu bewältigende Konfliktsituationen zu zwingen, die zwangsläufig nachteilige Auswirkungen mindestens auf die seelisch-emotionale Entwicklung des Kindes haben würden. Vielmehr müssen dann die Konfliktmöglichkeiten, also die Abstimmungserfordernisse, so gering wie möglich gehalten werden. Es kann Kindern nicht zugemutet werden, erhebliche emotionale Konflikte der Eltern ertragen zu müssen, die diese schon als Erwachsene nicht lösen können und in die ein Kind zwangsläufig einbezogen wird (OLG Frankfurt FamRZ 2014, 317; OLG Brandenburg FamRZ 2014, 1653, Rn. 4; KG FamRZ 2000, 504).
Aufgrund der bereits im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren ersichtlich gewordenen erheblichen Kommunikationsstörungen der Kindeseltern, die sich bereits auf die Gesundheit von L... ausgewirkt haben, erscheint die vom Jugendamt bereits angeregte grundsätzliche Überprüfung, ob die Eltern in der Lage sind, die gemeinsame elterliche Sorge zum Wohl der Kinder auszuüben, angezeigt. Ausweislich des Berichts des Jugendamtes vom 25.06.2018 kam es aufgrund fehlender Kooperationsbereitschaft des Kindesvaters immer wieder zu Schwierigkeiten der Kindeseltern, gemeinsame Entscheidungen zum Wohle der Kinder zu treffen. So hat der Kindesvater ein Hilfeplangespräch im Januar 2018 über die Entwicklung der Kinder und den Hilfeverlauf der Familienhilfe mit seinen Belangen und Anmerkungen blockiert. Der Kindesvater nutzte die Informationspflicht der Kindesmutter dazu, diese unter Druck zu setzen. Dies zeigte sich auch im Rahmen der erforderlichen Behandlung von L... . Zunächst erklärte sich der Kindesvater zur Mitwirkung bereit, lehnte dann aber die Behandlung seiner Tochter unter Bezugnahme auf ein mit der Klassenlehrerin von L... geführtes Gespräch ab. Er erklärte dem Jugendamt gegenüber, er werde sein Einverständnis zur ärztlichen Behandlung erst erteilen, wenn seine Forderungen erfüllt werden.
In dem einstweiligen Anordnungsverfahren trug der Kindesvater vor, er habe erst durch das Schreiben der Bevollmächtigten der Kindesmutter von dem angeblichen Gewichtsverlust seiner Tochter von 19 kg erfahren, er sei nach den Angaben der Lehrerin von 16 kg ausgegangen. Bereits dieses Vorbringen zeigt, dass die Kommunikationsschwierigkeiten der Eltern zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr für die Kinder werden können. Gleich ob ein Kind 19 kg oder "nur" 16 kg Gewicht verliert, bedarf dieser erhebliche Gewichtsverlust der Klärung seiner Ursachen nebst der erforderlichen Behandlung.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von ratenfreier Verfahrenskostenhilfe liegen auf Seiten der Kindesmutter vor.