Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.04.2019, Az.: 1 ARs 5/19

Keine Hemmung der Verjährung eines Antrags auf Festsetzung der Pauschgebühr bei Einlegung vor unzuständigem Gericht

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
11.04.2019
Aktenzeichen
1 ARs 5/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 25903
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • AGS 2019, 215-216
  • AK 2019, 95
  • FA 2019, 258
  • JurBüro 2019, 298-299
  • NJW-RR 2019, 761-762
  • RVG prof 2019, 122
  • RVGreport 2019, 214
  • StRR 2019, 4
  • StRR 2019, 24-25

Amtlicher Leitsatz

1. Die Verjährung eines Antrags auf Festsetzung einer Pauschgebühr (§ 51 RVG) wird durch den Eingang des Antrags bei einem unzuständigen Gericht nicht gehemmt.

2. Die Hemmung tritt allein durch die Antragstellung bei dem gemäß § 51 Abs. 2 S. 1 RVG zur Entscheidung berufenen Oberlandesgericht ein.

Tenor:

Der Antrag des Pflichtverteidigers auf Bewilligung einer Pauschgebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der antragstellende Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger des Angeklagten M.. Dieser wurde vom Landgericht Göttingen am 4. Juni 2015 wegen Betruges in 63 Fällen mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, belegt. Die dagegen gerichtete Revision wurde vom Bundesgerichtshof am 15. Oktober 2015 verworfen; seither ist das Urteil rechtskräftig.

Der Pflichtverteidiger hat mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2018, der am selben Tag beim Landgericht Göttingen eingegangen ist, die Bewilligung einer Pauschgebühr in Höhe von 4.000,- € beantragt. Der Antrag ist vom Landgericht, das die Sache weder als besonders umfangreich noch als besonders schwierig eingeordnet hat, durch Verfügung vom 4. Februar 2019 mit Akten an die Bezirksrevisorin beim Landgericht Braunschweig zur Vorlage an den Senat weitergeleitet worden. Die Bezirksrevisorin hat den Antrag sodann dem Senat zugeleitet, bei dem er am 11. Februar 2019 eingegangen ist. Zugleich hat sie die Einrede der Verjährung erhoben. Sie beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller tritt dem Eintritt der Verjährung entgegen. § 51 Abs. 2 RVG sei keine Regelung, die die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts begründe. Aus ihr folge nur, dass das Oberlandesgericht über die Pauschgebühr zu entscheiden habe. Einschlägig sei § 11 Abs. 7 RVG und nicht § 204 BGB. Danach werde die Verjährung wie durch Klageerhebung gehemmt. Nach der Rechtsprechung zu § 204 BGB hemme auch die Erhebung einer Klage beim unzuständigen Gericht die Verjährung. Ihm müsse zudem Vertrauensschutz gewährt werden. Der Senat habe unter anderem in der Sache 1 ARs 9/16 über eine vergleichbare Konstellation entschieden und sei nicht zur Verjährung gelangt. Außerdem habe die Bezirksrevisorin in dem gleichgelagerten Verfahren 1 ARs 1/19, in dem er den Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr ebenfalls erst am 29. Dezember 2018 beim Landgericht eingereicht habe, die Einrede der Verjährung nicht erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 24.02.2019 (Sonderheft Gebühren für Pflichtverteidiger Bl. 57 ff. d.A.) verwiesen.

II.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG liegen nicht vor. Der Antrag des Pflichtverteidigers ist abzulehnen. Die Bezirksrevisorin, die das Land Niedersachsen im gerichtlichen Verfahren vertritt (VII Nr. 1 des Gem. RdErl. d. StK u. sämtlicher Min. vom 12.07.2012 = VORIS 20120), durfte die Zahlung wegen Verjährung verweigern (§ 214 BGB).

Der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr verjährt gemäß § 195 BGB in drei Jahren (KG, Beschluss vom 15.04.2015, 1 Ars 22/14 = NStZ-RR 2015, 296 [KG Berlin 15.04.2015 - 1 ARs 22/14]). Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Das setzt grundsätzlich - so auch bei der Pauschgebühr gemäß § 51 RVG - die Fälligkeit der Forderung voraus (KG, a.a.O.). Die Fälligkeit tritt beim Pauschgebührenanspruch mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ein (OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. April 2016, 1 ARs 9/16, juris, Rn. 11; KG, a.a.O., jeweils m.w.N.). Vorliegend endete die Verjährungsfrist mithin am 31. Dezember 2018.

Der Antrag des Pflichtverteidigers ist jedoch erst nach diesem Datum, nämlich am 11. Februar 2019, und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist bei dem Oberlandesgericht Braunschweig eingegangen. Dass der Antrag schon am 28. Dezember 2018 bei dem Landgericht Göttingen angebracht wurde, hemmte die Verjährung nicht. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss der Einzelrichterin vom 24.10.2017, 1 ARs 29/17, nicht veröffentlicht) wird die Verjährung nur durch den Eingang des Antrags bei dem gemäß § 51 Abs. 2 S. 1 RVG für die Entscheidung zuständigen Oberlandesgericht gehemmt (so auch Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., § 51 Rn. 91).

Es ist zwar regelmäßig sinnvoll, den Antrag unbeschadet der Entscheidungszuständigkeit des Oberlandesgerichts über das erstinstanzliche Gericht anzubringen, da dieses dann - wie hier - über das Verfahren berichten und sowohl zum besonderen Umfang als auch zur besonderen Schwierigkeiten des Verfahrens Stellung nehmen kann. Diese Vorgehensweise verbietet sich aber, wenn der Antrag so spät eingereicht wird, dass mit einem fristwahrenden Eingang beim Oberlandesgericht nicht mehr gerechnet werden kann. Hier war eine rechtzeitige Weiterleitung an das Oberlandesgericht im normalen Geschäftsgang nicht mehr möglich, weil der Antrag erst Freitag, den 28. Dezember 2018, angebracht wurde, so dass sich bis zum Ablauf des Kalenderjahres nur noch das folgende Wochenende (29. und 30. Dezember) sowie der Silvestertag (31. Dezember) anschlossen.

Ein anderes Ergebnis folgt im Gegensatz zur Ansicht des Antragstellers nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach einzelne Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB unabhängig von der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts eingreifen. So ist es zwar anerkannt, dass beispielsweise die Erhebung einer Klage bei einem unzuständigen Gericht die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmt (BGH, Urteil vom 09.12.2010, III ZR 56/10, juris, Rn. 13; BGH, Urteil vom 19.01.1994, XII ZR 190/92, juris, Rn. 9). Diese Rechtsprechung knüpft die Wirkung der Verjährungshemmung jedoch nicht nur daran, dass der Berechtigte seinen Willen zur Durchsetzung seines Rechts zu erkennen gibt. Sie betont vielmehr auch, dass dem Verpflichteten mit der Zustellung die Inanspruchnahme verdeutlicht wird (BGH, Urteil vom 19.01.1994, XII ZR 190/92, juris, Rn. 9 m. w. N.). Sofern die notwendige Information des Schuldners über die Geltendmachung der Forderung noch innerhalb der Verjährungsfrist (sei es durch Zustellung der Klage oder eines sonstigen Antrags i. S. d. § 204 Abs. 1 BGB) erfolgt, ist es deshalb nachvollziehbar, die Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 BGB unabhängig von der Zuständigkeit des Gerichts eintreten zu lassen. Entscheidend ist in diesen Fällen, dass entweder das Prozessrechtsverhältnis schon innerhalb der Verjährungsfrist begründet wird oder zumindest durch Vorschriften (vgl. hierzu beispielsweise § 167 ZPO oder § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB) gesichert ist, dass es zur Verjährungshemmung nur kommt, wenn der Schuldner zeitnah nach Ablauf der Verjährungsfrist Kenntnis von der Forderung des Gläubigers erlangt.

Solche Regelungen fehlen beim Antrag gemäß § 51 RVG, weshalb die Situation nicht vergleichbar ist. Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr ist nicht unverzüglich zuzustellen, wie das § 271 ZPO - auch für die beim unzuständigen Gericht angebrachte - Klage fordert, und es gibt auch keine gesetzliche Vorschrift, die die unverzügliche Bekanntgabe des Pauschgebührenantrags an die Staatskasse verlangt. § 51 Abs. 2 S. 3 setzt demgegenüber nur voraus, dass die Staatskasse irgendwann während des Verfahrens zu hören ist. Von solchen Zufälligkeiten darf der Eintritt der Verjährung nicht abhängen. Würde man anders entscheiden, könnte die Verjährung durch Antragsstellung bei jedem entlegenen Gericht herbeigeführt werden.

Dem steht ferner die vom Antragsteller zitierte Vorschrift des § 11 Abs. 7 RVG nicht entgegen. Die Regelung des § 11 Abs. 7 RVG ist auf den Antrag nach § 51 RVG bereits nicht anwendbar, weil sie sich auf die Festsetzung einer schon nach § 42 RVG festgesetzten Pauschgebühr gegen den Mandanten bezieht und dazu dient, dem Rechtsanwalt einen Vollstreckungstitel gegen diesen zu verschaffen (Bischof in Bischof/Jungbauer, RVG, 8. Aufl., § 11 Rn. 31). Dass auch ein Antrag beim unzuständigen Gericht die Verjährung hemmen kann, lässt sich § 11 Abs. 7 RVG ohnehin nicht entnehmen.

Auf Vertrauensschutz kann sich der Antragsteller nicht berufen. Die Bezirksrevisorin, die die Interessen der Staatskasse vertritt, hat schon keinen entsprechenden Vertrauenstatbestand gesetzt. Dass sie in anderer Sache (1 ARs 1/19) von der Erhebung der Einrede abgesehen hat, bindet sie nicht für das aktuelle Verfahren.

Es bestand schließlich kein Anlass, die Sache zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß §§ 51 Abs. 2 S. 4, 42 Abs. 3 S. 2 RVG auf den Senat zu übertragen. Die Rechtsauffassung, wonach die Verjährung nur durch Antragstellung beim zuständigen Gericht gehemmt wird, entspricht dem Beschluss der zweiten beim Oberlandesgericht Braunschweig für Verfahren gemäß § 51 RVG zuständigen Einzelrichterin vom 24.10.2017 (1 ARs 29/17, nicht veröffentlicht). Abweichende Rechtsprechung zu dieser Problematik ist nicht veröffentlicht. Der Senatsbeschluss vom 25. April 2016 in der Sache 1 ARs 9/16 befasst sich allein mit der Fälligkeit der Pauschgebühr und wirft das Problem, ob die Verjährung durch Antragstellung beim unzuständigen Gericht gehemmt wird, nicht auf. Es war daher konsequent, dass die zuständige Einzelrichterin die Sache 1 ARs 29/17 ebenfalls nicht auf den Senat übertragen hat.