Landgericht Hildesheim
Urt. v. 23.12.1998, Az.: 1 S 91/98

Anspruch auf Übernahme anwaltlicher Kosten durch eine Rechtsschutzversicherung; Einstandspflicht einer Versicherung auf Grund eines Rechtsschutzversicherungsvertrages; Wirksamkeit eines Risikoausschlusses nach den allgemeinen Rechtsschutzbedingungen unter Beachtung der Unklarheitenregel im Sinne des Gesetzes über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG)

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
23.12.1998
Aktenzeichen
1 S 91/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 30834
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:1998:1223.1S91.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hildesheim - 25.08.1998 - AZ: 43 C 203/98

Fundstellen

  • IBR 1999, 389 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • NJW-RR 1999, 602-603 (Volltext mit red. LS)
  • NVersZ 1999, 540

In dem Rechtsstreit
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim
auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 1998
durch
...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 25. August 1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hildesheim geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Gebührenforderung ... gemäß Kostenaufstellung vom 13.01.1998 unter Abzug einer Selbstbeteiligung von 200,00 DM freizustellen, und zwar durch Zahlung an diese in Höhe von 5.583,93 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20.01.1998.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Tatbestand

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

2

1.

Der Kläger begehrt von der beklagten Rechtsschutzversicherung die Übernahme anwaltlicher Kosten, die ihm durch die Rückabwicklung eines Werklieferungsvertrags entstanden sind.

3

Von diesem mit der ... Anläßlich eines Vertreterbesuches am 30.07.1997 geschlossenen Vertrag über die Lieferung und den Anbau eines Wintergartens versuchte der Kläger unter Berufung auf das Haustürwiderrufsgesetz wegen unseriösen Vertreterverhaltens zurückzutreten.

4

Nach außergerichtlichem Vergleich verlangt er seine Anwaltskosten in Höhe von 5.783,93 DM unter Abzug einer Selbstbeteiligung von 200,00 DM von der beklagten Rechtsschutzversicherung. Diese lehnt eine Kostenübernahme ab, weil eine Streitigkeit "aus Baumängeln" zugrundeliege.

5

Das Amtsgericht hat die Deckungsklage unter Hinweis auf § 3 Abs. 1 d) bb) der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 94) abgewiesen.

6

2.

Die zulässige Berufung des Klägers führt zum Erfolg.

7

Sie ist begründet, weil die Beklagte aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrages einstandspflichtig ist.

8

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, daß die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 1994 (ARB 94) Bestandteil dieses Rechtsschutzversicherungsvertrages geworden sind.

9

Nach § 1 ARB 94 trägt der Rechtsschutzversicherer die für die Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers erforderlichen Kosten, die hier in Hinblick auf die Gesichtspunkte Leistungsart, Erforderlichkeit und Höhe nicht streitig sind.

10

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts steht dem Erfolg der Klage auch nicht der Risikoausschluß nach § 3 Abs. 1 d) bb) ARB 94 entgegen. Dies folgt aus der Unklarheitenregel des § 5 AGBG.

11

Nach § 3 Abs. 1 d) bb) ARB 94 besteht kein Rechtsschutz für die Wahrnehmung berechtigter Interessen im ursächlichen Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudeteils, das der Versicherungsnehmer zu erwerben oder in Besitz zu nehmen beabsichtigt. Dies entspricht der Regelung des § 4 Abs. 1 k) ARB 75, allerdings mit der Erweiterung, daß nicht mehr ein "unmittelbarer" Zusammenhang, sondern lediglich ein "ursächlicher" Zusammenhang verlangt wird; dazu ist ein adäquater sachlicher Zusammenhang zwischen dem Eintritt des Versicherungsfalles und der Risikomaßnahme, also den Besonderheiten des ausgeschlossenen Umstandes, erforderlich (vgl. Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 26. Auflage, 1998, § 3 ARB 94 Randziffer 2; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 6. Auflage 1998, § 3 ARB 94 Randziffer 6). Da ein derartiger Zusammenhang zwischen der hier in Rede stehenden Wahrnehmung rechtlicher Interessen gegenüber dert ... und der Errichtung des Wintergartens als Gebäudeteil besteht, greift der Risikoausschluß des § 3 Abs. 1 d) bb) ARB 94 seinem Wortlaut nach ein.

12

An diesem Aussagegehalt des § 3 Abs. 1 d) bb) ARB 94 bestehen jedoch nach vernünftiger Auslegung aus der Sicht der beteiligten Verkehrskreise, also der durchschnittlichen Versicherungsnehmer, erhebliche Zweifel.

13

Nach deren Verständnis erfaßt der Ausschluß "Baurisiko" die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen, typischerweise mit der Planung und Errichtung eines Gebäudes verbundenen Unwägbarkeiten und setzt von daher einen "inneren" sachlichen Zusammenhang voraus (vgl. OLG Köln, zfs 1998, 68).

14

Ein ursächlicher Zusammenhang in diesem Sinne besteht bei der hier zugrundeliegenden rechtlichen Streitigkeit nicht, denn diese betrifft weniger ein Baurisiko, sondern vielmehr ein typisches Vertragsrisiko.

15

Wortlaut und Verständnis der Ausschlußklausel des § 3 Abs. 1 d) bb) ARB 94 sind danach mehrdeutig, ohne daß sich diese Mehrdeutigkeit im Rahmen einer am Wortlaut orientierten objektiven Auslegung beseitigen läßt.

16

Diese Zweifel gehen nach § 5 AGBG zu Lasten der Beklagten als Verwender der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung, so daß diese den von dem Kläger begehrten Deckungsschutz zu leisten hat.

17

3.

Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 284, 288 Abs. 1 BGB.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.