Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 29.06.2004, Az.: L 4 KR 204/04 ER
Sonderkündigung des Krankenversicherungsverhältnisses; Zulässigkeit einer anstweiligen Anordnung; Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs; Erhöhung des Beitragssatzes; Vereinigung zweier Krankenkassen; Vorliegen einen planwidrigen unbeabsichtigten Lücke; Vertrauen auf Stabilität des Beitragssatzes; Schutzwürdigkeit des Anwärters auf eine Kassenmitgliedschaft
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 29.06.2004
- Aktenzeichen
- L 4 KR 204/04 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 18206
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2004:0629.L4KR204.04ER.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- SG Oldenburg - 29.06.2004 - AZ: S 61 KR 96/04 ER
Rechtsgrundlagen
- § 86b Abs. 2 S. 2 SGG
- § 175 Abs. 4 S. 5 SGB V
- § 150 Abs. 2 S. 1 SGB V
- § 144 Abs. 4 S. 2 SGB V
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Hinsichtlich des Fehlens eines Sonderkündigungsrechtes bei Beitragssatzerhöhungen auf Grund der freiwilligen Vereinigungen zweier Krankenkassen besteht eine planwidrige unbeabsichtigte Regelungslücke.
Ein Sonderkündigungsrecht besteht daher nicht nur bei Beitragssatzerhöhungen einer Krankenkasse, sondern in gleicher Weise bei Beitragssatzerhöhung im Falle der Vereinigung zweier Krankenkassen.
- 2.
Ein Anwärter auf die Kassenmitgliedschaft ist in gleicher Weise schutzwürdig, wie bereits in die Kasse aufgenommene Mitglieder.
Tenor:
Der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 29. Juni 2004 wird aufgehoben, soweit der Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 und der Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2004 aufgehoben worden sind.
Im Übrigen wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 29. Juni 2004 geändert: Es wird bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache festgestellt, dass die Mitgliedschaft des Antragstellers bei der Antragsgegnerin mit Ablauf des 30. Juni 2004 endet.
Die Beschwerde wird im Übrigen zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aus dem Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Das einstweilige Rechtsschutzverfahren betrifft in der Beschwerdeinstanz lediglich noch die Wirksamkeit einer Sonderkündigung des Krankenversicherungsverhältnisses.
Der Antragsteller und Beschwerdegegner (im Folgenden: Ast) ist angestellter Rechtsanwalt und unterliegt der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung. Bis zum 31. Dezember 2003 gehörte er der Betriebskrankenkasse (BKK) für steuerberatende und juristische Berufe an. Diese fusionierte zum 1. Januar 2004 mit der BKK Zollern-Alb zur BKK Gesundheit und beschloss mit Wirkung zum gleichen Zeitpunkt einen allgemeinen Beitragssatz von 13,6 %. Der Ast machte daraufhin von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch und kündigte das Versicherungsverhältnis im Januar 2004 zum Ablauf des Monats März 2004. Die BKK Gesundheit bestätigte die Kündigung mit Schreiben vom 26. Januar 2004.
Im Januar 2004 beantragte der Ast die Aufnahme in die TAUNUS BKK mit Wirkung zum 1. April 2004. Zu diesem Zeitpunkt galt für die Versicherten der TAUNUS BKK ein allgemeiner Beitragssatz von 12,8 %. Mit Schreiben vom 23. Februar 2004 teilte die TAUNUS BKK dem Ast mit, dass seine Mitgliedschaft am 1. April 2004 beginne.
Zum 1. April 2004 fusionierte die TAUNUS BKK mit der BKK Braunschweig unter Beibehaltung ihres Namens (im Folgenden: Ag) und beschloss mit Wirkung zum gleichen Zeitpunkt einen allgemeinen Beitragssatz von 13,8 %. Der Ast erklärte der Ag gegenüber mit Schreiben vom 20. April 2004 die Anfechtung seines Aufnahmeantrages wegen arglistiger Täuschung. Er sei auf Grund von Werbematerial und telefonischen Auskünften von Mitarbeitern der Ag davon ausgegangen, dass sein Beitragssatz ab dem 1. April 2004 12,8 % und nicht 13,8 % betragen werde. Er habe gegenüber den Mitarbeitern der Ag ausdrücklich zu erkennen gegeben, dass er seinen Aufnahmeantrag ausschließlich unter Berücksichtigung dieses Aspektes gestellt habe. Es sei davon auszugehen, dass den Mitarbeitern der Ag im Februar 2004, als er die Aufnahmeverhandlungen mit der Ag geführt habe, die bevorstehende Fusion und die damit verbundene Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes bekannt gewesen sei. Er werde gegebenenfalls die Wirksamkeit seiner Anfechtungserklärung und die Nichtigkeit des Versicherungsverhältnisses durch ein sozialgerichtliches Eilverfahren klären lassen. Im Übrigen mache er von seinem Sonder-kündigungsrecht zum Ablauf des Monats Juni 2004 wegen der Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes Gebrauch und bitte, an dem beabsichtigten Wechsel zu einer anderen gesetzlichen Krankenkasse unterstützend mitzuwirken.
Nachdem eine Reaktion der Ag zunächst nicht erfolgte, hat der Ast bei dem Sozialgericht (SG) Oldenburg am 5. Mai 2004 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er hat die Feststellung begehrt, dass er seine Mitgliedschaft bei der Ag wirksam angefochten habe und nicht deren Mitglied geworden sei. Hilfsweise hat er die Feststellung beantragt, dass seine Mitgliedschaft auf Grund seiner Sonderkündigung mit Ablauf des 30. Juni 2004 ende. Er sei auf baldige Feststellung angewiesen, weil sein Versicherungsschutz geklärt werden müsse und die Ag ihm bisher noch keine Versicherungskarte habe zukommen lassen. Die BKK ESSANELLE sei bereit, ihn ab dem 1. Juli 2004 als Mitglied aufzunehmen. Sie habe aber noch keine entsprechende Bestätigung ausgestellt, weil sie wegen der fehlenden Kündigungsbestätigung rechtliche Probleme sehe.
Die Ag hat mit Bescheid vom 5. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 und mit Bescheid vom 13. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2004 die Kündigung des Ast zurückgewiesen. Durch ihre Fusion mit der BKK Braunschweig sei zum 1. April 2004 eine neue Krankenkasse entstanden mit einem neuen Beitragssatz. Es handele sich daher nicht um die Erhöhung eines Beitragssatzes, sodass ein Sonderkündigungsrecht nicht bestehe.
Mit Beschluss vom 29. Juni 2004 hat das SG Oldenburg den Bescheid der Ag vom 5. Mai 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 sowie den Bescheid der Ag vom 13. Mai 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2004 aufgehoben und festgestellt, dass die Mitgliedschaft des Ast bei der Ag mit Ablauf des 30. Juni 2004 ende. Im Übrigen hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Der Hauptantrag des Ast könne keinen Erfolg haben. Denn nach summarischer Prüfung bestünden Zweifel an der Wirksamkeit der Anfechtung der Mitgliedschaftserklärung durch den Ast. Es liege auch kein Eilbedarf für eine diesbezügliche Feststellung vor, weil nur ein kurzer Zeitraum von drei Monaten Mitgliedschaft umstritten sei. Dem Ast sei insoweit das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zuzumuten. Dem Hilfsantrag des Ast sei stattzugeben. Es liege ein Anordnungsanspruch vor. Denn nach summarischer Prüfung sei eine Erfolgsaussicht in der Hauptsache anzunehmen. Die Festsetzung eines höheren allgemeinen Beitragssatzes nach der Fusion zweier Krankenkassen im Verhältnis zu den bisher gültigen Beitragssätzen der fusionierenden Kassen bilde einen Sonderkündigungstatbestand im Sinne des § 175 Abs. 4 Sozialgesetzbuch -Fünftes Buch- (SGB V). Er sei einer Beitragserhöhung einer Krankenkasse gleichzusetzen und erlaube es dem Versicherten, die Mitgliedschaft ohne Berücksichtigung der Frist des § 175 Abs. 4 Satz 1 SGB V zu kündigen. Den Nachweis der Mitgliedschaft in einer anderen Krankenkasse habe der Ast durch Vorlage des Schreibens der BKK ESSANELLE vom 23. Juni 2004 geführt. Für die Eilentscheidung sei auch der erforderliche Anordnungsgrund gegeben. Das Interesse des Ast an einer Klärung seines Versicherungsverhältnisses sei höher zu bewerten als ein mögliches wirtschaftliches Interesse der Ag an der Beitragszahlung für den Ast. Dies gelte umso mehr, als die Ag nach den glaubhaften Bekundungen des Ast bisher weder Leistungen erbracht habe noch sich um den Beitragseinzug bei dem Ast bzw. seinem Arbeitgeber bemüht habe. Der Gesichtspunkt der Vorwegnahme der Hauptsache stehe der Entscheidung nicht entgegen. Die Fortsetzung der Mitgliedschaft bei der Ag würde gleichermaßen eine Vorwegnahme der Hauptsache bis zu deren Entscheidung bedeuten, da eine Rückabwicklung und Übertragung des Krankenversicherungsverhältnisses auf eine andere Krankenkasse im Falle des späteren Obsiegens des Ast praktisch ebenfalls un-durchführbar sei.
Gegen diesen ihr am 1. Juli 2004 zugestellten Beschluss hat die Ag am 6. Juli 2004 Beschwerde eingelegt. In einem Eilverfahren sei grundsätzlich kein Raum für eine Statusentscheidung, weil sie nicht vollstreckbar sei. Dem Ast habe kein Kündigungsrecht zugestanden. Er sei am 1. April 2004 Mitglied geworden. Zu diesem Zeitpunkt habe der allgemeine Beitragssatz von 13,8 % gegolten. Der Tatbestand einer Beitragserhöhung bei laufender Mitgliedschaft sei demnach nicht gegeben.
Das SG hat der Beschwerde mit Datum vom 7. Juli 2004 nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht (LSG) vorgelegt.
II.
Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist im Wesentlichen unbegründet.
Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist lediglich die Frage, ob der Ast seine Mitgliedschaft bei der Ag mit Ablauf des 30. Juni 2004 wirksam kündigen konnte. Denn nur die Ag hat den Beschluss des SG angefochten. Soweit der Hauptantrag des Ast vom SG abgelehnt worden ist, ist von diesem keine Beschwerde eingelegt worden.
Das SG hat seine Entscheidung auf § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG gestützt. Danach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Das SG hat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs zu Gunsten des Ast bejaht. Der erkennende Senat schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen an.
Auf Grund der Erhöhung des Beitragssatzes von 12,8 % auf 13,8 % steht dem Ast nach der gebotenen summarischen Prüfung ein Recht zur Kündigung seiner Mitgliedschaft nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V zu.
Nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V kann die Mitgliedschaft bis zum Ablauf des auf das Inkrafttreten des der Beitragserhöhung folgenden Kalendermonats gekündigt werden, wenn eine Krankenkasse ihren Beitragssatz erhöht. Der Ag ist zwar darin zuzustimmen, dass § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V nach seinem Wortlaut den Fall der Beitragssatzerhöhung bei der Vereinigung zweier Krankenkassen nicht erfasst. Von seinem Sinn und Zweck her ist § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V auf diesen Fall jedoch entsprechend anzuwenden. Denn hinsichtlich des Fehlens eines Sonderkündigungsrechtes bei Beitragssatzerhöhungen auf Grund der freiwilligen Vereinigungen zweier Krankenkassen enthält das Gesetz eine planwidrige unbeabsichtigte Lücke.
Ziel des Sonderkündigungsrechtes nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V ist der Schutz der Versicherten durch Beitragssatzstabilität. Das wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll mit dem Kassenwahlrecht das Beitragssatzniveau in der gesetzlichen Krankenversicherung stabilisiert werden (vgl hierzu: Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Bd 2, Stand Dezember 2003, § 175 SGB V Rdnr 23). Mittel hierzu ist die Erschwerung von Beitragssatzanhebungen mit Hilfe eines außerordentlichen Kündigungsrechtes der Versicherten. Den Versicherten soll ein flexibles Ausweichen ermöglicht werden, wenn Beitragssatzerhöhungen durch ihre Krankenkasse vorgenommen werden. Von dieser gesetzlichen Zielsetzung her besteht eine Erforderlichkeit eines Sonderkündigungsrechts im Sinne des § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V nicht nur bei Beitragssatzerhöhungen einer Krankenkasse, sondern in gleicher Weise bei Beitragssatzerhöhung im Falle der Vereinigungen zweier Krankenkassen. Andernfalls könnten Krankenkassen den Schutz, den § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V den Versicherten bietet, durch freiwilligen Zusammenschluss unterlaufen.
§ 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V ist auf den Ast entsprechend anwendbar, obwohl er nicht Mitglied der "alten" TAUNUS BKK war, sondern dieser gegenüber lediglich einen Aufnahmeantrag mit Wirkung zum 1. April 2004 gestellt hatte. Da der Zeitpunkt des Beginns der Mitgliedschaft und der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beitragserhöhung zeitlich zusammenfielen, erscheint es nach der im einstweiligen Rechtsschutz vorzunehmenden summarischen rechtlichen Prüfung geboten, § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V entsprechend anzuwenden. Denn ebenso wie die Mitglieder der "alten" TAUNUS BKK hat auch der Ast auf die Stabilität des Beitragssatzes von 12,8 % vertraut. Er ist als Anwärter auf die Kassenmitgliedschaft in gleicher Weise schutzwürdig, wie bereits in die Kasse aufgenommene Mitglieder.
Der Ast war im Frühjahr 2004 Anwärter auf die Mitgliedschaft bei der Ag. Er hat seinen Antrag auf Aufnahme zum 1. April 2004 bei der Ag im Februar 2004 gestellt. Die "alte" TAUNUS BKK hat den Antrag und den Beginn der Mitgliedschaft des Ast mit Schreiben vom 23. Februar 2004 bestätigt. Mit Schreiben vom gleichen Tage hat sie gegenüber dem Arbeitgeber des Ast einen Beitragssatz von 12,8 % ausdrücklich genannt und diesen als günstig angepriesen. Nach Angaben des Ast hat er von der Erhöhung des Beitragssatzes auf 13,8 % erst im Laufe des Monats April 2004 erfahren, zu einem Zeitpunkt also, als der erhöhte Beitragssatz bereits wirksam war. Diesem Sachverhalt hat die Ag nicht widersprochen.
Die Ag muss bestehende Kündigungsrechte der Mitglieder gegenüber der "alten" TAUNUS BKK gegen sich gelten lassen. Denn nach § 150 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V tritt bei der freiwilligen Vereinigung zweier BKK die neue Krankenkasse in die Rechte und Pflichten der bisherigen Krankenkassen ein. Die Ag als neue Krankenkasse ist somit Rechtsnachfolgerin der "alten" TAUNUS BKK geworden. Sie hat die Rechte und Pflichten der "alten" TAUNUS BKK kraft Gesetzes übernommen.
Zu Recht hat das SG auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes bejaht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung erscheint zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig.
Das LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 24. Mai 2004, Az L 16 B 15/04 KR ER), das LSG Sachsen (Beschluss vom 23. Februar 2004, Az L 1 B 01/04 KR ER), das LSG Thüringen (Beschluss vom 6. Juli 2004 Az. L 6 KR 526/04 ER) und das LSG Berlin (Beschlüsse vom 24. Juni und 6. Juli 2004, Az L 15 B 51/04 KR ER und L 9 B 137/04 KR ER) haben in Parallelverfahren jeweils das Vorliegen eines Anordnungsgrundes mit der Erwägung verneint, es handele sich nur um eine geringfügige Beitragserhöhung, die bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinzunehmen sei. Dieser Rechtsprechung vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Im vorliegenden Fall geht es nicht nur um die Höhe der Beiträge. Streitgegenstand ist in erster Linie die Mitgliedschaft in einer bestimmten Krankenkasse. Es geht um den krankenversicherungsrechtlichen Status des Ast. Eine Statusfrage muss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren jedoch vorläufig möglichst so entschieden werden, wie es dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens entspricht. Nur auf diese Weise kann Gewähr leistet werden, dass aufwändige und komplizierte Rückabwicklungen des Versicherungsverhältnisses nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens tunlichst vermieden werden. Da im vorliegenden Fall die Erfolgsaussicht in der Hauptsache überwiegt, ist der Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten.
Der Beschluss des SG ist daher grundsätzlich zu bestätigen. Allerdings gewährt § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG nur die Möglichkeit einer vorläufigen Regelung. Demzufolge ist die Entscheidung der ersten Instanz dahingehend zu ändern, dass die Wirksamkeit der Kündigung und damit das Ende der Mitgliedschaft des Ast bei der Ag lediglich bis zur Entscheidung in der Hauptsache festgestellt wird.
Der Beschluss des SG kann im Übrigen keinen Bestand haben, soweit er die Bescheide der Ag aufgehoben hat. Der Ast hat gegen die Bescheide bereits Anfechtungsklage erhoben. Sie hat nach § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. Denn die Bescheide weisen die Kündigung des Ast zurück und treffen keine Entscheidung über die Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten. Nur in diesem Falle entfiele gemäß § 86a Abs. 2 Ziffer 1 SGG die aufschiebende Wirkung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog. Die Änderungen des Beschlusses des SG sind für die Kosten nicht entscheidend und treten gegenüber dem Antrag der Ag auf vollständige Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses zurück. Der Senat misst ihnen für die Kostenpflicht der Ag daher keine Bedeutung bei.
Diese Entscheidung ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.