Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.08.2024, Az.: 2 W 35/24
Eintragung einer aufgrund transmortaler Vollmacht bestellten Grundschuld; Fehelende Erfordernis der Voreintragung der Erben im Grundbuch
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 06.08.2024
- Aktenzeichen
- 2 W 35/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 20382
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2024:0806.2W35.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Helmstedt - 14.06.2024 - AZ: 2822-14
Rechtsgrundlagen
- § 39 GBO
- § 40 GBO
Fundstellen
- FGPrax 2024, 199-200
- MDR 2024, 1373-1375
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Legt der Notar selbst das Rechtsmittel ein, ohne die Personen zu bezeichnen, für die sie handelt, so sind, sofern sich - wie hier - aus den Umständen nichts anderes ergibt, als Beschwerdeführer alle Antragsberechtigten anzusehen.
- 2.
Aufgrund einer transmortalen Vollmacht ist der Bevollmächtigte während der Dauer der Bevollmächtigung ohne Weiteres befugt, nach dem Tod des Vollmachtgebers im Namen der Erben zu handeln und über die Nachlassgegenstände zu verfügen. Die Vollmacht ermöglichtein Handeln für die Miterben in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Verweist der Erklärende - wie hier - auf eine solche transmortale Vollmacht, gibt er die Erklärung im Namen der Erben des Vollmachtgebers ab, und zwar unabhängig davon, wer tatsächlich Erbe ist, und ohne die Notwendigkeit, diese namhaft zu machen.
- 3.
So ist im Falle der Veräußerung eines vererbten Grundstücks zur Eintragung einer Auflassungsvormerkung für den Erwerber die Voreintragung der Erben nicht erforderlich, weil die Vormerkung nur die endgültige Übertragung vorbereiten soll und vom Bestand des entsprechenden Anspruchs abhängig ist. Das gilt auch bei der Eintragung von Finanzierungsgrundschulden auf dem verkauften Grundbesitz, wenn sie von einem durch den Erblasser transmortal Bevollmächtigten bestellt werden. Das ergibt sich aus § 40 Abs. 1, 2. Alt., 1. u. 2. Fall GBO analog.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Helmstedt vom 14.06.2024 aufgehoben.
Die Sache wird zur Entscheidung über den Antrag der Eigentümerin und der Gläubigerin vom 10.04.2024 an das Amtsgericht - Grundbuchamt - Helmstedt zurückgegeben.
Gründe
I.
Die am 31.07.2022 verstorbene Frau M ist eingetragene Eigentümerin des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Helmstedt für Königslutter Blatt 2822 unter lfd. Nr. 1 des Bestandsverzeichnisses eingetragenen Grundbesitzes. Ihre Kinder, Frau B und Herr B, sind die gesetzlichen Erben. Mit notarieller Urkunde vom 20.07.2022 (UR-Nr. 267/22 des Notars E, Helmstedt) hat die Verstorbene ihrer Tochter, Frau B, eine die Vermögensangelegenheiten umfassende Vollmacht erteilt, die über den Tod hinaus wirksam sein sollte. Mit notariellem Kaufvertrag vom 04.04.2024 (UR-Nr. 108/24 der Notarin D, Hannover) hat Frau B, handelnd für die verstorbene Frau M, den Grundbesitz an Herrn S veräußert und diesem eine Belastungsvollmacht erteilt. Auf dieser Grundlage hat Herr S sodann mit notarieller Urkunde vom 04.04.2024 (UR-Nr. 109/24 der Notarin D, Hannover) für die Gläubigerin eine auf dem im Wohnungsgrundbuch von Königslutter Blatt 2822 eingetragenen Grundbesitz lastende Grundschuld über 50.000,00 € nebst Zinsen bestellt.
Unter dem 10.04.2024 ist Antrag auf Eintragung der ebenfalls bewilligten Auflassungsvormerkung sowie im Namen des Eigentümers und der Gläubigerin auf Eintragung des Grundpfandrechts gestellt worden. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 14.06.2024 auf Eintragungshindernisse hingewiesen und die Auffassung vertreten, hinsichtlich der Eintragung der Finanzierungsgrundschuld sei die Voreintragung der Erben aufgrund eines geeigneten Erbnachweises erforderlich.
Hiergegen richtet sich die unter dem 21.06.2024 eingelegte Beschwerde. Die Rechtsauffassung des Grundbuchamts sei unzutreffend und stehe im Widerspruch zur herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 23.07.2024 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Die zulässige Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 71 Abs. 1, 73 GBO) ist begründet.
a) Obwohl der Notar anzugeben hat, für wen er die Beschwerde führt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 02.08.1989 - BReg 2 Z 86/89, NJW-RR 1989, 1495; Demharter, GBO, 33. Aufl., § 15 Rn. 20), hat sich die Notarin im vorliegenden Fall darauf beschränkt, selbst das Rechtsmittel einzulegen, ohne die Personen zu bezeichnen, für die sie handelt. Fehlt eine solche Angabe, so sind - sofern sich, wie hier, aus den Umständen nichts anderes ergibt - als Beschwerdeführer alle Antragsberechtigten anzusehen (BGH, Beschluss vom 24.01.1985 - V ZB 5/84, NJW 1985, 3070; BayObLG, Beschluss vom 24.04.1985 - BReg 3 Z 30/85). Insofern ist zu berücksichtigen, dass aus § 15 GBO dem Notar kein eigenständiges Antragsrecht erwächst und somit auch keine Beschwerdebefugnis (BayObLG, Beschluss vom 02.08.1989 - BReg 2 Z 86/89, a. a. O.; OLG München Beschluss vom 28.06.2017 - 34 Wx 421/16; KG, Beschluss vom 11.02.2014 - 1 W 130/13; OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.03.2024 - 15 Wx 2176/23, ErbR 2024, 551 (552)).
b) Aufgrund der transmortalen Vollmacht vom 20.07.2022 ist die Tochter der Erblasserin, Frau B, während der Dauer der Bevollmächtigung ohne Weiteres befugt, nach dem Tod ihrer Mutter als Vollmachtgeberin im Namen der Erben zu handeln und über die Nachlassgegenstände zu verfügen (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 3571). Da sie nicht Alleinerbin geworden ist, ist die Vollmacht nicht durch Konfusion erloschen (siehe Schaub in: Bauer/Schaub, GBO, 5. Aufl., § 35 Rn. 50 m. w. N.; Schöner/Stöber, a. a. O., Rn. 3572a). Stattdessen ermöglicht die Vollmacht ein Handeln für die Miterben in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Verweist der Erklärende - wie hier - auf eine solche transmortale Vollmacht, gibt er die Erklärung im Namen der Erben des Vollmachtgebers ab, und zwar unabhängig davon, wer tatsächlich Erbe ist, und ohne die Notwendigkeit, diese namhaft zu machen (vgl. z. B. OLG Rostock, Beschluss vom 23.11.2023 - 3 W 127/22, FGPrax 2024, 108 [OLG Nürnberg 25.03.2024 - 15 Wx 2176/23]; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 14.11.2023 - 20 W 155/22, NJW-RR 2024, 690 Rn 13).
c) Für den Vollzug der beantragten Eintragung der Grundschuld ist die Voreintragung der Erben nicht erforderlich.
aa) Grundsätzlich soll im Grundbuchverfahren gemäß § 39 Abs. 1 GBO eine Eintragung nur erfolgen, wenn die Person, deren Recht durch sie betroffen wird, als Berechtigte eingetragen ist. Zweck des Voreintragungsgrundsatzes ist es zum einen, dem Grundbuchamt die Legitimationsprüfung bei nachfolgenden Eintragungen zu erleichtern, und zum anderen, die Entwicklungsschritte im Grundbuch abzubilden (vgl. z. B. Wilsch in: Beck'sches Notar-Handbuch, 8. Aufl., § 11 Rn. 143). Von der an sich gebotenen Voreintragung lässt § 40 GBO jedoch Ausnahmen zu. Hiernach ist § 39 GBO nicht anzuwenden, wenn die Person, deren Recht durch eine Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten ist und die Übertragung oder die Aufhebung des Rechts eingetragen werden soll oder wenn der Eintragungsantrag durch die Bewilligung des Erblassers oder eines Nachlasspflegers oder durch einen gegen den Erblasser oder den Nachlasspfleger vollstreckbaren Titel begründet wird. Gleiches gilt nach § 40 Abs. 2 GBO für eine Eintragung aufgrund der Bewilligung eines Testamentsvollstreckers oder aufgrund eines gegen diesen vollstreckbaren Titels, sofern die Bewilligung oder der Titel gegen den Erben wirksam ist.
bb) Vorliegend ist zwar keiner dieser Ausnahmefälle gegeben, doch ist anerkannt, dass im Falle der Veräußerung eines vererbten Grundstücks zur Eintragung einer Auflassungsvormerkung für den Erwerber die Voreintragung der Erben nicht erforderlich ist, weil die Vormerkung nur die endgültige Übertragung vorbereiten soll und vom Bestand des entsprechenden Anspruchs abhängig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 05.07.2018 - V ZB 10/18, NJW 2018, 3310; Schöner/Stöber, a. a. O., Rn. 142c). Umstritten ist indes, ob eine Ausnahme vom Voreintragungsgrundsatz auch bei der Eintragung von Finanzierungsgrundschulden auf dem verkauften Grundbesitz in Betracht kommt, wenn sie von einem durch den Erblasser transmortal Bevollmächtigten bestellt werden.
(1) Von einer vornehmlich in der Literatur vertretenen Auffassung wird dies abgelehnt, weil die als Ausnahmeregelung eng auszulegende Vorschrift des § 40 GBO dem Berechtigten die Voreintragung nur deshalb ersparen solle, weil er sogleich wieder aufhöre, Berechtigter zu sein (vgl. Schöner/Stöber, a. a. O., Rn. 142c und FN 318; Demharter, GBO, 33 Aufl., § 40 Rn. 21; Zeiser in: BeckOK GBO, Hügel, 53. Edition, § 40 Rn. 30b; Schaub in: Bauer/Schaub, GBO, 5. Aufl., § 35 Rn. 49; Weidlich, ZEV 2016, 57 (59 f.); Keim, ErbR 2024, 170 (179)).
Demgegenüber wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend eine Analogie zu § 40 Abs. 1 GBO für zulässig erachtet (vgl. z. B. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.10.2021 - 19 W 72/21, FGPrax 2022, 5; KG, Beschluss vom 20.10.2020 - 1 W 1357/20, ErbR 2021, 702 [KG Berlin 22.10.2020 - 1 W 1357/20]; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.10.2018 - 8 W 311/18, FGPrax, 2019, 13; OLG Hamburg, Beschluss vom 20.01.2023 - 13 W 59/22, DNotZ 2023, 296; OLG Celle, Beschluss vom 15.08.2019 - 18 W 33/19, DNotZ 1020, 672).
(2) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Eine Ausnahme von dem Voreintragungsgrundsatz ergibt sich aus § 40 Abs. 1, 2. Alt., 1. u. 2. Fall GBO analog.
(a) Die Voraussetzungen einer Analogie liegen vor. Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (std. Rspr., vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 25.01.2022 - VIII ZR 359/20, NJW 2022, 1620 Rn. 21 m. w. N.; Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl., Einl. vor § 1, Rn 48).
(b) Eine gesetzliche Regelung zur Lage bei Bewilligungen aufgrund postmortaler oder transmortaler Vollmachten besteht nicht (vgl. Zeiser in: BeckOK GBO, Hügel, 53. Edition, § 40 Rn. 30a). Dafür, dass der Gesetzgeber diese Konstellation ebenfalls bedacht hat und bewusst nicht in gleicher Weise regeln wollte wie die in § 40 GBO normierten, ist nichts ersichtlich (ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.10.2021 - 19 W 72/21, FGPrax 2022, 5 (6).
Der Gesetzgeber wollte mit den Regelungen in § 40 GBO, die nicht gemäß § 40 Abs. 1, 1. Alt. GBO die Übertragung oder Aufhebung des Rechts betreffen, solche Fälle erfassen, in denen die Person des Erben noch nicht feststeht, aber die Erklärung des Verfügenden (Erblasser, Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker) für und gegen die Erben bindend ist. Für diese Fälle sollte die Lage desjenigen, der eine Eintragung verlangen kann, erleichtert werden. Dabei hat der Gesetzgeber die gesetzliche Regelung nicht auf den Fall beschränkt, dass tatsächlich die Person des oder der Erben noch nicht bekannt ist, sondern im gesetzlichen Tatbestand solche Fälle aufgeführt, in denen ein anderer als der zur Zeit der Eintragung berechtigte Erbe die Bewilligung mit Wirkung für und gegen die Erben, unabhängig von deren Ermittlung und deren Willen, abgeben konnte (vgl. KG, Beschluss vom 22.10.2020 - 1 W 1357/20, ErbR 2021, 702 (703 f.).
Der hier zu beurteilende, gesetzlich nicht geregelte Sachverhalt ist in den entscheidenden Punkten vergleichbar, so dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei seiner gesetzlichen Ausgestaltung zum gleichen Abwägungsergebnis gelangt.
(aa) Der vorliegende Fall, in dem der Erblasser zwar nicht selbst bereits verfügt hat, jedoch transmortal einen Dritten zur Verfügung über sein Vermögen oder nach seinem Tod über seinen Nachlass mit Wirkung für und gegen die Erben bevollmächtigt hat, liegt im Ähnlichkeitskreis der Norm. Die Erblasserin hat zwar nicht selbst die Bewilligung erklärt, sondern transmortal ihre Tochter, Frau B, hierzu bevollmächtigt. Die Bewilligung der Finanzierungsgrundschuld durch Herrn S aufgrund der ihm von der transmortal Bevollmächtigten eingeräumten Belastungsvollmacht ist für die Erben aber ebenso bindend, wie es eine Bewilligung durch die Erblasserin selbst gewesen wäre, was eine entsprechende Anwendung von § 40 Abs. 1, 2. Alt., 1. Fall GBO rechtfertigt.
(bb) Ebenso kommt eine entsprechende Anwendung von § 40 Abs. 1, 2. Alt., 2. Fall GBO in Betracht, weil das Handeln des transmortal Bevollmächtigten mit dem Handeln des Nachlasspflegers rechtskonstruktiv vergleichbar ist. Wie der Nachlasspfleger soll der transmortal Bevollmächtigte die Erben - gerade auch im Grundbuchverkehr - vertreten und dabei in der Übergangszeit bis zu der - unter Umständen recht zeitaufwendigen - Feststellung der Erben die Erbschaft sichern und berechtigte Ansprüche von Gläubigern befriedigen. Zweck des § 40 GBO ist es neben der Erleichterung des Grundbuchverkehrs und der Kostenvermeidung ebenso, Eintragungen, die gegen den Erben wirksam vorgenommen werden können, auch dann zu ermöglichen, wenn der Nachweis der Erbfolge schwer zu führen ist. Auch die Bevollmächtigung einer Vertrauensperson über den Tod hinaus erfolgt, um gegen die Erben wirksame Eintragungen unabhängig von der Erbenfeststellung zügig und möglichst kostensparend durchführen zu können (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.10.2018 - 8 W 311/18, FGPrax 2019, 13 (14)).
2.
Eine Kostenentscheidung ist nach § 25 Abs. 1 GNotKG nicht veranlasst.