Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 03.02.1988, Az.: 1 A 197/87

Rechtmäßigkeit der Nichterteilung eines Jahresjagdscheines aufgrund der Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr und Widerstandes gegen die Staatsgewalt; Annahme der jagdrechtlichen Unzuverlässigkeit aufgrund einer einmaligen Trunkenheitsfahrt; Einordnung des § 316 Strafgesetzbuch (StGB) als gemeingefährliche Straftat

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
03.02.1988
Aktenzeichen
1 A 197/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 19996
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1988:0203.1A197.87.0A

Verfahrensgegenstand

Erteilung eines Jahresjagdscheines

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat
auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 1988
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Harms als Vorsitzenden,
die Richter am Verwaltungsgericht Gatz und Dr. Peschau sowie
die ehrenamtliche Richterin Larisch und
den ehrenamtlichen Richter Jürges
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

I.

Am 7. Juli 1987 beantragte der Kläger beim Beklagten die Erteilung eines Jahresjagdscheines für das Jagdjahr 1987/88. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 1987 ab. Zur Begründung führte er aus, daß der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts Gifhorn vom 7. Februar 1984 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr und Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 35,00 DM verurteilt worden sei und deshalb nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Der Kläger legte gegen den Versagungsbescheid fristgerecht Widerspruch ein. Wie schon bei der Einleitung des Verwaltungsverfahrens berief er sich auf einen vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg geschlossenen Vergleich, in dem sich die Stadt Gifhorn ihm gegenüber zur Wiedererteilung der Waffenbesitzkarte verpflichtet hatte. In der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 1987 hätten die Richter des 14. Senats zum Ausdruck gebracht, daß er, der Kläger, neben der Waffenbesitzkarte auch einen Jahresjagdschein beanspruchen könne, da die Versagungsgründe im Waffengesetz (WaffG) und im Bundesjagdgesetz (BJagdG) identisch seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 1987 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch des Klägers zurück. Sie bestätigte die Auffassung des Beklagten, daß der Kläger unzuverlässig sei, verwies zusätzlich auf dessen Verurteilung vom 6. Juli 1984 wegen Anstiftung zu einer falschen uneidlichen Aussage und verwarf die vorgetragene Ansicht, daß die waffenrechtliche Zuverlässigkeit die jagdrechtliche Zuverlässigkeit einschließe.

2

Der Kläger hat am 13. Oktober 1987 Klage erhoben. Er behauptet, daß der 14. Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 1987 auch seine Verurteilung wegen Anstiftung zu einer falschen uneidlichen Aussage in seine Überlegungen mit einbezogen habe. Der Senat habe erklärt, er sehe sämtliche Gerichtsverfahren in einem Zusammenhang und sei hierbei der Auffassung, daß die waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers, die mit der jagdrechtlichen übereinstimme, nicht verneint werden könne.

3

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 1987 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 22. September 1987 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm, dem Kläger, einen Jahresjagdschein für das Jagdjahr 1987/88 zu erteilen.

4

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

6

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.

7

II.

Die Klage ist unbegründet. Da der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung eines Jahresjagdscheines für das Jagdjahr 1987/88 hat, ist der Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 22. September 1987 rechtmäßig.

8

Der Beklagte stützt seine ablehnende Entscheidung zu Recht auf § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG. Danach ist der Jagdschein Personen zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie die erforderliche Zuverlässigkeit oder körperliche Eignung nicht besitzen. Nach der vom Beklagten herangezogenen Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b BJagdG besitzen spricht im übrigen, daß das BJagdG auch andere Abschnittsüberschriften des StGBübernommen hat. So greift § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a BJagdG mit den Begriffen "Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats" die Überschrift des 1. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB und mit den Begriffen "Landesverrat oder Gefährdung der äußeren Sicherheit" diejenige des 2. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB auf. Der in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 b BJagdG verwandte Begriff "Widerstand gegen die Staatsgewalt" entspricht der Überschrift des 6. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB.

9

Die Einordnung des § 316 StGB als gemeingefährliche Straftat widerspricht nicht der Regelung in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe c BJagdG, wonach ein Antragsteller mindestens zweimal wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen Straftat verurteilt sein muß, damit seine jagdrechtliche Unzuverlässigkeit unterstellt werden kann, und läßt sie auch nicht leerlaufen. Entgegen der Auffassung von Mitzschke/Schäfer (aaO, § 17 Rdnr. 45) ist die Anwendung der genannten Vorschrift nämlich schon nach ihrem Wortlaut nicht auf die Fälle beschränkt, in denen die Begehung "im Zustand der Trunkenheit" zum gesetzlichen Tatbestand der Straftat gehört. Ausreichend ist vielmehr jede Straftat, die nicht bereits unter § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a und b BJagdG fällt. Der Versagungsgrund des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe c BJagdG berücksichtigt, daß jemand, der zweimal im Zustand eingeschränkter Steuerungsfähigkeit Straftaten begangen hat, offenbar dazu neigt, unter Alkoholeinfluß sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen. Einer solchen Person regelmäßig die jagdrechtliche Zuverlässigkeit abzusprechen, erscheint sachgerecht.

10

Die Trunkenheitsfahrt des Klägers am 23. Dezember 1983 ist nach alledem geeignet, gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b BJagdG die Annahme seiner jagdrechtlichen Unzuverlässigkeit zu begründen. Besondere Umstände des Einzelfalles, die die gesetzliche Vermutung der Unzuverlässigkeit widerlegen könnten, sind nicht ersichtlich. Weder handelt es sich bei der Straftat des Klägers nach § 316 StGB um ein Bagatelldelikt, noch ergehen sich hei einer Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Klägers Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene jagdrechtliche Zuverlässigkeit. Zu Lasten des Klägers fällt vielmehr zusätzlich ins# Gewicht, daß er auch wegen eines Vergehens nach § 113 StGB verurteilt worden ist. Zwar handelt es sich nach der konkreten Begehungsform - der Kläger hatte sich mit Händen und Füßen gegen den Funkwagen der Polizei gestemmt, um sich der Mitnahme zur Blutprobe zu erwehren - nur um ein weniger schwerwiegendes Delikt, das für sich allein genommen den Versagungsgrund des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b BJagdG wohl nicht erfüllen würde. Im Hinblick auf die vorherige, in Tatmehrheit begangene Trunkenheitsfahrt ist die Verurteilung nach § 113 StGB jedoch geeignet, die Annahme der jagdrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers zu untermauern. Auf die Frage, ob auch die Verurteilung des Klägers wegen einer nicht zum Katalog des § 17 Abs. 4 BJagdG gehörenden Straftat, nämlich der Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, zu seinem Nachteil gewertet werden darf, kommt es daneben nicht mehr an.

11

Die offenbar vom 14. Senat des OVG Lüneburg vertretene Auffassung, daß der Kläger die jagdrechtliche Zuverlässigkeit besitze, teilt die Kammer nicht. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.