Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 13.11.2018, Az.: 908 IK 784/18

Betreuung; Unterschrift

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
13.11.2018
Aktenzeichen
908 IK 784/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74090
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 06.07.2018 wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Gegenstandswert wird auf 500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragstellerin hat mit Antrag vom 06.07.2018 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Der Antrag wurde durch die Betreuerin der Antragstellerin gestellt. Bis auf den Antrag waren sämtliche weitere vorhandene Unterlagen durch die Betreuerin unterzeichnet worden.

Das Gericht hat mit Schreiben vom 23.08.2018 darauf hingewiesen, dass die Unterlagen auch von der Antragstellerin zu unterzeichnen seien. Der Betreuer wurde zudem aufgefordert mitzuteilen, ob die Antragstellerin ggfs. körperlich oder geistig nicht in der Lage ist, die Erklärungen abzugeben. Daraufhin hat die Antragstellerin lediglich das Antragsformular unterschrieben zur Akte gereicht. Auf die weitere Aufforderung vom 10.10.2018 zur Unterzeichnung sämtlicher Unterlagen hat die Betreuerin nicht reagiert.

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO muss der Schuldner dem Antrag ein Verzeichnis des vorhandenen Vermögens und des Einkommens (Vermögensverzeichnis), eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts dieses Verzeichnisses (Vermögensübersicht), ein Verzeichnis der Gläubiger und ein Verzeichnis der gegen ihn gerichteten Forderungen beifügen. Den Verzeichnissen und der Vermögensübersicht ist zudem die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

Zudem muss gemäß § 13 Abs. 1 S. 7 das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis die Erklärung beinhalten, dass die darin enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind. Diese Erklärung ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung für den Insolvenzantrag (So zutreffend LG Potsdam, Beschl. v. 04.09.2013, 2 T 58/13, ZInsO 2013, 2501; AG Mönchengladbach Beschl. v. 4.10.2012 – 45 IN 90/12, ZIP 2013, 536;AG Essen, Beschl. v. 02.01.2015 – 163 IN 199/14, ZInsO 2015, 418; Wegener, in: Uhlenbruck/Wegener, InsO, 14. Aufl. 2015, § 13 Rz. 134; Schmerbach, in: FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 13 Rz. 45; Schmahl/Vuia, in: MüKo-InsO, 3. Aufl. 2013, § 13 Rz. 110; Blankenburg ZInsO 2013, 2196, 2198; aA Müller/Rautmann ZInsO 2012, 918, 919; Römmermann/Praß GmbHR 2012, 421; Gundlach, in: Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 13 Rz 19). Die Erklärung ist höchstpersönlicher Natur und nicht der Stellvertretung zugänglich (AG Essen, Beschl. v. 02.01.2015 – 163 IN 199/14, ZIP 2015, 287)

2. Die Antragstellerin hat vorliegend keine entsprechenden Erklärungen abgegeben. Eine Erklärung der Antragstellerin über die Richtigkeit und Vollständigkeit sowohl hinsichtlich des Vermögenverzeichnisses und der Vermögensübersicht als auch des Gläubiger- und Forderungsverzeichnisses war trotz der durch die Betreuerin eingereichten Erklärungen erforderlich.

a) Grundsätzlich sind bei einem Eintritt des Betreuers in das Verfahren zwar sämtliche Erklärungen von diesem abzugeben, da der Eintritt dazu führt, dass der Schuldner gemäß § 4 InsO iVm § 53 ZPO seine Verfahrensfähigkeit verliert. Erklärungen im verfahrensrechtlichen Sinne können dann nur noch von dem Betreuer abgegeben werden, nicht jedoch von dem Betreuten selbst. Nach diesen Grundsätzen war es zwar zutreffend, dass die Betreuerin die Erklärung unterzeichnet hat. Darüber hinaus war es jedoch erforderlich, dass die Antragstellerin die Erklärung ebenfalls unterzeichnet.

b) Es ist umstritten, ob der Betreute neben dem Betreuer verpflichtet ist, eine Wissenserklärung mit abzugeben. Teilweise wird eine solche Pflicht bejaht (LG Bochum, Beschl. v. 27.12.2002 – 10 T 24/02, ZVI 2003, 67; Blankenburg, ZVI 2016, 257, 260), teilweise auch verneint (Beth, ZInsO 2012, 316, 319).

c) Das Gericht schließt sich der zuerst genannten Meinung an. Entgegen der Ansicht von Beth (ZInsO 2012, 316, 319) kann nicht allein formal darauf abgestellt werden, dass der Betreuer gemäß § 53 ZPO zur Abgabe sämtlicher Erklärungen befugt ist. Vielmehr ist die Wertung des § 455 ZPO heranzuziehen. Gemäß § 455 Abs. 1 S. 1 ZPO ist bei einer prozessunfähigen Partei der gesetzliche Vertreter zu vernehmen. Gemäß § 455 Abs. 2 ZPO kann das Gericht jedoch auch den Betreuten vernehmen, wenn die Aussage sich auf Tatsachen beziehen soll, die in der eigenen Handlung des Betreuten bestehen oder Gegenstand seiner Wahrnehmung gewesen sind.

Die Abgabe der Vollständigkeitserklärung bezüglich des Vermögensverzeichnisses und der Vermögensübersicht sowie hinsichtlich des Gläubiger- und Forderungsverzeichnisses soll sicherstellen, dass der Schuldner im Verfahren sämtliche Vermögenswerte und Forderungen angibt und das Gericht aufgrund der Zusicherung eine gewisse Gewähr dafür erhält, dass die Angaben sorgfältig und zutreffend gemacht wurden. Liegt die formale Erklärung vor, ist ein zulässiger Antrag gegeben. Sanktioniert werden unvollständige Angaben nicht über die Unzulässigkeit des Antrags, sondern durch eine mögliche Versagung der Restschuldbefreiung. Die unzutreffende Erklärung kann einen Versagungsgrund gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 InsO darstellen.

Aufgrund dieses Zwecks der Erklärung ist es erforderlich, dass auch der Betreute die Erklärung mit abgibt. Die Erklärung bezieht sich auf seine eigenen Handlungen in Form der Begründung von Forderungen sowie der Abgabe von Vermögen in der Vergangenheit. Nur wenn der Betreute die Erklärung auch mit abgibt, kann sichergestellt werden, dass auch Umstände aus der Vergangenheit miterfasst werden. Würde allein die Erklärung des Betreuers ausreichen, könnte die Konstellation eintreten, dass dieser erst kurz vor der Erklärung eingesetzt wurde, der Betreute bewusst falsche Angaben gegenüber seinem Betreuer macht und dieser dann folgenlos für die Restschuldbefreiung eine falsche Erklärung nach § 13 Abs. 1 S. 7 InsO abgibt. Zudem wäre fraglich, ob eine Versagung der Restschuldbefreiung erfolgen kann, wenn der Betreuer fahrlässig ohne Rücksprache mit dem Betreuten falsche Angaben macht. Der Zweck, den § 305 Abs. 1 Nr. 1 und § 13 Abs. 1 S. 7 InsO verfolgen, nämlich die Verlässlichkeit der Erklärungen, könnte nicht mehr erzielt werden.

Gegen die Pflicht zur Abgabe der Erklärung durch den Betreuten kann auch nicht angeführt werden, dass dieser nicht in der Lage seien könnte, die Folgen seiner Erklärung abzusehen. Sollte der Betreute tatsächlich nicht in der Lage sein, eine entsprechende Erklärung abzugeben, kann das Gericht nach den Grundsätzen des § 455 Abs. 2 S. 1 ZPO auf eine entsprechende Erklärung verzichten.

d) Vorliegend war es erforderlich, dass die Antragstellerin die Erklärungen persönlich mit abgibt und die Formulare dazu mitunterzeichnet. Es kann dahingestellt bleiben, welcher Grad von körperlicher oder geistiger Art der Beeinträchtigung erforderlich ist, um auf solche eine Erklärung zu verzichten, da weder die Betreuerin noch die Antragstellerin trotz mehrfacher Aufforderung dargelegt haben, ob Hinderungsgründe bestehen. Allein die Anordnung der Betreuung indiziert noch nicht, dass der Betreute zu solchen Erklärungen nicht in der Lage ist. Wie die dem Gericht eingeräumte Ermessensscheidung gemäß § 455 Abs. 2 S. 1 ZPO zeigt, ging der Gesetzgeber selbst davon aus, dass es durchaus Konstellation gibt, in denen der Betreute den Anforderungen gewachsen ist.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO iVm § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.