Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 09.08.2018, Az.: 903 IN 3381/18 - 2 -

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
09.08.2018
Aktenzeichen
903 IN 3381/18 - 2 -
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74559
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der sofortigen Beschwerde des weiteren Beteiligten H. vom 19.07.2018 gegen den Beschluss vom 10.07.2018 wird nicht abgeholfen.

Die Akten werden dem Landgericht Hannover zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin betreibt in der Form einer eingetragenen Genossenschaft ein Energieversorgungsunternehmen.

Nach § 13 der Satzung der Antragstellerin wird diese durch ihren Vorstand gerichtlich und außergerichtlich unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Alt. 2 BGB und mit Alleinvertretungsbefugnis für ein jedes Vorstandsmitglied vertreten. Nach § 15 der Satzung besteht der Vorstand mindestens aus einem Mitglied, welches zugleich Mitglied der Genossenschaft und natürliche Person sein muss. Der Vorstand, der sich einen Vorstand wählt, wird nach genannter Satzungsbestimmung von der Generalversammlung für maximal fünf Jahre bestellt, wobei eine Wiederwahl zulässig ist. § 31 der Satzung bestimmt, dass die Nachschusspflicht der Mitglieder ausgeschlossen ist und für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft nur das Genossenschaftsvermögen haftet.

Die Generalversammlung der Antragstellerin beschloss am 20.07.2011 die Bestellung des Genossenschaftsmitglieds D. zum Vorstandsvorsitzenden, was am 09.09.2011 in das Genossenschaftsregister eingetragen wurde.

Nach Ablauf der satzungsmäßig vorgesehenen Amtszeit erfolgte keine zeitnahe neue Vorstandswahl, sondern das Genossenschaftsmitglied D. führte die Geschäfte fort.

In einer von dem weiteren Beteiligten H. als Genossenschaftsmitglied am 03.08.2017 außerordentlich einberufenen Generalversammlung fasste diese diverse Beschlüsse u.a. zur Ab- und Neubestellung des Vorstandes. Die Einzelheiten hierzu sind zwischen den Beteiligten streitig und Gegenstand mehrerer rechtshängiger gesellschaftsrechtlicher Anfechtungsklagen.

In einer weiteren, dieses Mal von dem Genossenschaftsmitglied D. als Vorstandsvorsitzender einberufenen außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 05.09.2017, an der dem Vertreter des weiteren Beteiligten H. die Teilnahme verweigert wurde mit der Begründung, der weitere Beteiligte sei als Genossenschaftsmitglied ausgeschlossen worden, fasste diese den vom Versammlungsleiter festgestellten Beschluss, dass die Bestellung und die Stellung des Genossenschaftsmitglieds D. als alleiniger Vorstand seit seiner ersten Bestellung als Vorstand bestätigt werde. Auch dieser Beschluss ist Gegenstand einer vom weiteren Beteiligten H. erhobenen Anfechtungsklage.

Die Beteiligten tragen ihren gesellschaftsrechtlichen Streit in aktuell zwölf anhängigen Gerichtsverfahren verteilt auf das Amtsgericht Hannover - Registergericht -, das Landgericht Hannover und das Oberlandesgericht Celle aus. Das Registergericht hat eine Registersperre verhängt.

Mit anwaltlicher Antragschrift vom 09.07.2018, bei Gericht gleichentags eingegangen, hat die Antragstellerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung gestellt und u.a. die Anordnung der vorläufigen wie endgültigen Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. InsO beantragt.

In ihrer Antragsschrift hat die Antragstellerin als Genossenschaftsmitglieder die Personen A., B. und als vertretungsberechtigten Vorstandsvorsitzenden Dipl.-Ing. Dieter D. genannt. Im Rahmen der Darstellung der Krisengründe hat sie - ohne Namensnennung - von einem ausgeschlossenen Genossenschaftsmitglied, welches Sanierungsbestrebungen in der Vergangenheit blockiert habe, berichtet und hierzu weiter mitgeteilt, dass insoweit „Rechtsstreitigkeiten“ bestünden. Anhängige Gerichtsverfahren wurden nicht erwähnt.

Mit Beschluss vom 09.07.2018 (Bl. 122 d. A.) hat das Gericht zunächst Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Antragstellerin gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO untersagt und bereits eingeleitete Maßnahmen einstweilen eingestellt, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind. Nach Auswahl und Bereitschaftserklärungseinholung potentieller Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses hat das Gericht mit weiterem Beschluss vom 10.07.2018 (Bl. 155 f. d. A.) ergänzend die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet, einen vorläufigen Sachwalter wie Sachverständigen bestellt und einen vorläufigen Gläubigerausschuss eingesetzt.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.07.2018 (Bl. 207 ff. d. A.), beim Insolvenzgericht als Vorab-Fax am 20.07.2018 und im Original nebst Anlagen am 24.07.2018 eingereicht, hat der weitere Beteiligte H. die Rücknahme „des Antrags der Insolvenzschuldnerin vom 09.07.2018 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung“ erklärt und hilfsweise im Wege der sofortigen Beschwerde beantragt:

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 10.07.2018, Az. 903 IN 3081/18-2 wird aufgehoben.

2. Hilfsweise: Die Vollziehung des Beschlusses vom 10.07.2018, AZ: 903 IN 3081/18-2 wird bis zur Entscheidung über den Rechtsstreit vor dem LG Hannover unter AZ: 26 O 54/16 sowie OLG Celle 20 U 10/18.

Zur Begründung hat der weitere Beteiligte im Wesentlichen angeführt, dass die Antragstellerin bei Einreichung ihrer Antragsschrift vom 09.07.2018 nicht ordnungsgemäß vertreten worden sei und sie den Antrag rechtsmissbräuchlich gestellt habe, um ihn - den weiteren Beteiligten - aus der Genossenschaft zu drängen. Der am 20.07.2011 gewählte Vorstandsvorsitzende D. sei im Antragszeitpunkt nicht vertretungsberechtigtes Organ gewesen, weil seine Amtszeit gemäß § 15 Abs. 1 der Genossenschaftssatzung nach Ablauf von fünf Jahren  beendet und nicht wirksam verlängert worden sei. Zudem sei der Vorstandsvorsitzende D. in der ordnungsgemäß am 03.08.2017 abgehaltenen Generalversammlung mit der allein gültig abgegebenen Stimme des weiteren Beteiligten wirksam abberufen und an seine Stelle der weitere Beteiligte H. zum neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt worden. Dabei hätten bei den Beschlussfassungen über Abberufung bzw. Neuwahl alle anderen anwesenden Genossenschaftsmitglieder Stimmverboten gemäß § 43 Abs. 6 GenG wegen des Verstoßes gegen genossenschaftsrechtliche Treupflichten unterlegen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 19.07.2018 nebst Anlagen Bezug genommen.

Nach fernmündlichem negativen Hinweis des Gerichts hat die Antragstellerin ihren Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung mit Schriftsatz vom 24.07.2018 (Bl. 316 d. A.) zurückgenommen. Das Gericht hat mit Beschluss vom gleichen Tage (Bl. 299 ff.) die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung aufgehoben und den vorläufigen Sachwalter von seinen Aufgaben entpflichtet und ihn stattdessen zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 u. 2 Alt. 2 InsO bestellt. Mit weiterem Beschluss vom 27.07.2018 (Bl. 328 d. A.) hat das Gericht auf Anregung des vorläufigen Insolvenzverwalters ein allgemeines Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO gegen die Antragstellerin erlassen.

Der - zwischenzeitlich anwaltlich nicht mehr vertretenen - Antragstellerin ist zu dem Schriftsatz des weiteren Beteiligten vom 19.07.2018 rechtliches Gehör gewährt worden; sie hat binnen der mit Verfügung vom 24.07.2018 antragsgemäß gesetzten Frist keine Stellungnahme abgegeben. Der Verfahrensbevollmächtigte des weiteren Beteiligten hat am 08.08.2018 fernmündlich bestätigt, dass die hilfsweise erhobene sofortige Beschwerde trotz Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung aufrechterhalten werde, weil es dem weiteren Beteiligten um die vollständige Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens gehe.

II.

Die Nichtabhilfeentscheidung beruht auf den §§ 4 InsO, 572 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 ZPO.

1. Das Gericht versteht den Schriftsatz des weiteren Beteiligten vom 19.07.2018 dahin (§§ 133, 157 BGB), dass er als Rechtsschutzziel die sofortige Beendigung des vorläufigen Insolvenzverfahrens erreichen möchte. Sein Rechtsschutzziel ist nicht allein darauf beschränkt, eine - inzwischen aufgehobene - vorläufige Eigenverwaltung zu verhindern. Dies hat der Verfahrensbevollmächtigte fernmündlich auf Nachfrage des Gerichts am 08.08.2018 klarstellend bestätigt.

Ausgehend hiervon ist über die hilfsweise eingelegte sofortige Beschwerde zu entscheiden, da ihre verfahrensmäßige Bedingung, unter der sie gestellt ist, eingetreten ist. Das Gericht hält die vom weiteren Beteiligten erklärte Antragsrücknahme für unwirksam. Auch ist - derzeit - eine Verfahrensbeendigung, nämlich die Zurückweisung des Eigenantrags der Antragstellerin, aus sonstigen, von Amts wegen zu beachtenden Gründen nicht veranlasst. Im Einzelnen:

a) Die vom weiteren Beteiligten mit Schriftsatz vom 19.07.2018 erklärte Rücknahme des Eigenantrags vom 09.07.2018 ist unwirksam.

aa) Allerdings kann gemäß § 13 Abs. 2 InsO der Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzerfahrens zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

Die Rücknahmeerklärung vom 19.07.2018 unterfällt diesen zeitlichen Beschränkungen nicht. Vorliegend ist das Insolvenzverfahren weder im Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung noch hiernach eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen worden.

Die Rücknahmeerklärung vom 19.07.2018 ist auch nicht wegen des zwischenzeitlich angeordneten allgemeinen Verfügungsverbots unwirksam. Ob über den Wortlaut des § 13 Abs. 2 InsO hinaus eine Antragsrücknahme auch dann ausscheidet, wenn das Gericht ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO angeordnet und dieses vor Rücknahmeerklärung nicht wieder aufgehoben hat, wie teilweise vertreten wird (vgl. Mönning in: Nerlich/Römermann, InsO, 33. EL September 2017, § 13 Rn. 97; Schmahl/Vuia in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 116; ablehnend z.B. Wegener in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 13 Rn. 159), bedarf hier keiner Entscheidung. Diese Wirkung wird aus dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InsO) zum Schutz vor Manipulationen durch den Schuldner abgeleitet und die Antragsrücknahme selbst als (fundamentale) Manipulation gewertet. Im vorliegenden Fall wurde der Antragstellerin ein allgemeines Verfügungsverbot zwar auferlegt. Dies geschah jedoch erst mit Beschluss vom 27.07.2018 und damit nach erklärter Antragsrücknahme mit am 20.07.2018 eingegangenem Schriftsatz vom 19.07.2018. Zu jener Zeit lag die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis noch bei der Antragstellerin, für die der weitere Beteiligte als angeblich organschaftlicher Vertreter aufgetreten ist.

bb) Jedoch ist die für eine wirksame Rücknahme notwendige Rücknahmebefugnis des weiteren Beteiligten nicht zu erkennen.

aaa) Zur Antragsrücknahme ist grundsätzlich nur die Person berechtigt, die den Antrag gestellt hat, also der Antragsteller (vgl. Schmahl/Vuia in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 116; Gundlach in: K.Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 13 Rn. 38; Wolfer in: BeckOK InsO, 10. Ed. 26.04.2018, § 13 Rn. 36). Folglich orientiert sich die Rücknahmeberechtigung - als actus contrarius - an der Antragsberechtigung (vgl. Wegener in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 13 Rn. 159).

Ist der Antragsteller - wie hier (§ 17 GenG) - eine juristische Person, handelt diese durch ihre organschaftlichen Vertreter, die zum Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung vertretungsberechtigt sein müssen (vgl. Gundlach in: K.Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 13 Rn. 38; Wolfer in: BeckOK InsO, 10. Ed. 26.04.2018, § 13 Rn. 36).

Ob bei Vertretung einer juristischen Person die Antragsrücknahme von demjenigen organschaftlichen Vertreter zu erklären ist, der den Antrag gestellt hat, also eine Identität der handelnden natürlichen Person, d.h. des Organwalters bestehen muss, wird uneinheitlich beantwortet (dafür die bisher herrschende Meinung, vgl. z.B. Schmahl/Vuia in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 116; Mönning in: Nerlich/Römermann, InsO, 33. EL September 2017, Rn. 124 f.; dagegen und im Vordringen befindlich z.B. Wolfer in: BeckOK InsO, 10. Ed. 26.04.2018, § 13 Rn. 36; Wegener in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 13 Rn. 160 f., ders. anders jedoch bei mehrheitlicher Vertretung, aaO, Rn. 162; siehe auch die umfassende Darstellung des Streitstandes bei BGH, Beschl. v. 10.07.2008, IX ZB 122/07, Rn. 5 - juris).

Bei diesem Meinungsstreit wird indes nicht immer hinreichend klar zwischen folgenden drei verschieden gelagerten Konstellation unterschieden, nämlich zum einen, dass der seinerzeit den Antrag stellende unstreitig vertretungsberechtigte Vertreter inzwischen ausgeschieden ist und ein anderer (neu bestellter) Vertreter die Rücknahme erklärt, zum anderen, dass bei von Anfang an mehreren bestehenden und unstreitig einzelvertretungsberechtigten Vertretern der eine den ohne oder gegen seinen Willen gestellten Antrag des anderen (umgehend) zurücknimmt, und zum dritten, dass bei tobender gesellschaftsrechtlicher Auseinandersetzung streitig ist, wer überhaupt zur Vertretung berechtigt ist und dies sowohl die Antragstellung des einen wie auch die Antragsrücknahme des anderen Prätendenten erfasst.

Der BGH hat - soweit ersichtlich - die Frage der Rücknahmebefugnis bei Verschiedenheit der für eine juristische Person handelnden Vertreter nicht im Allgemeinen geklärt, sondern in dem von ihm entschiedenen Fall (vgl. BGH, Beschl. v. 10.07.2008, IX ZB 122/07, Rn. 6 ff. - juris) nur für die genannte erste Konstellation, nämlich dass ein Insolvenzantrag, der von einem - unstreitig - inzwischen abberufenen GmbH-Geschäftsführer wirksam gestellt worden war, von dem verbliebenen weiteren Geschäftsführer wirksam zurückgenommen werden kann, anderenfalls die vertretene GmbH in einem wesentlichen Teilbereich handlungsunfähig wäre. Als allgemein geklärt kann auf Grundlage dieser BGH-Rechtsprechung allerdings gelten, dass die Antragsrücknahme durch einen anderen organschaftlichen / gesetzlichen Vertreter stets der Unwirksamkeitsschranke des Rechtsmissbrauchs unterliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 10.07.2008, IX ZB 122/07, Rn. 11 - juris; Gundlach in: K.Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 13 Rn. 39; Wolfer in: BeckOK InsO, 10. Ed. 26.04.2018, § 13 Rn. 36).

bbb) Der hiesige Fall ist mit dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt nicht vergleichbar. Er entspricht vielmehr der oben beschriebenen dritten Konstellation eines Prätendentenstreits. Zwischen den hiesigen Beteiligten ist gesellschaftsrechtlich höchst streitig, wer organschaftlicher Vertreter zur Zeit der hiesigen Eigenantragsstellung war und derzeit ist, und der eine nimmt den Antrag des anderen in Auslebung dieses Streits zurück. Der Fall, dass der antragstellende Vertreter inzwischen unstreitig ausgeschieden ist und die umfassende Handlungsfähigkeit der juristischen Person nur gegeben wäre, wenn dem neuen Vertreter die Rechtsmacht zur Antragsrücknahme grundsätzlich zugesprochen wird, liegt damit nicht vor.

In der hier vorliegenden (dritten) Konstellation streitiger Vertretungsverhältnisse kommt es auf auch nicht auf die Rechtsfrage, ob zur Rücknahme des Antrags nach § 13 Abs. 2 InsO allein diejenige natürliche Person befugt ist, die den Antrag selbst gestellt hat. Ist nicht feststellbar, ob der die Rücknahme Erklärende im Zeitpunkt der Rücknahme zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft berechtigt ist, hat die von ihm allein erklärte Rücknahme schon aus diesem Grund keine verfahrensbeendende Wirkung (vgl. BGH, Beschl. v. 13.04.2006, IX ZB 293/04, Rn. 2 - juris).

Mangelnde Feststellbarkeit ist hier gegeben. Die Beteiligten führen - soweit das Gericht dies aufgrund seiner Ermittlungen überblickt - aktuell wohl zwölf gerichtliche Rechtsstreitigkeiten, alle gesellschaftsrechtlich geprägt, teils in erster, teils in zweiter Instanz. Der Ausgang dieser Verfahren ist für das Gericht nicht absehbar. Es stellen sich teilweise nicht einfach zu beantwortende Rechtsfragen, z.B. zur Wirksamkeit der Einberufung der Generalversammlung (§§ 44, 45 GenG i.V.m. § 22 der Satzung der Antragstellerin), zu etwaigen Stimmverboten aus § 46 Abs. 6 GenG oder Stimmabgabenichtigkeit wegen der Verletzung gesellschaftrechtlicher Treuepflichten (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1990, II ZR 88/89, Rn. 8 - juris), dabei in Gemengelage mit der Frage nach aus der Treuepflicht abzuleitenden und gerichtlich durchsetzbaren Zustimmungspflichten (vgl. Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 13 Rn. 29a), und daran anschließend die Frage der Bewertung des Abstimmungsergebnisses nach § 43 Abs. 2 GenG bzw. § 24 Abs. 1 der Satzung der Antragstellerin. Vor allem stellt sich aber eine Vielzahl an Tatsachenfragen, wie bereits die umfangreichen, obwohl nur teilweise eingereichten Anlagen belegen. Dabei ist zu bemerken, dass sowohl die Antragstellerin (in ihrer Antragsschrift) als auch der weitere Beteiligte (in seinem Schriftsatz vom 19.07.2018) erkennbar unvollständig vorgetragen haben. Die Antragstellerin hat das Ausscheiden des weiteren Beteiligten als feststehend dargestellt und die in großer Anzahl anhängigen Gerichtsverfahren mit der Beschreibung „Rechtsstreitigkeiten“ kaschiert. Der weitere Beteiligte hat seinerseits seinen Ausschluss - ob wirksam oder nicht - und die Generalversammlung vom 05.09.2017, in der der Beschluss zur Bestellung und Feststellung des Genossenschaftsmitglieds D. als alleiniger Vorstand gefasst wurde, gänzlich unerwähnt gelassen. Dem Gericht sind seit dem Eigenantrag von Eingabe zu Eingabe neue Sachverhaltsbruchstücke zu den bisherigen Halbwahrheiten präsentiert worden.

Es ist nicht Aufgabe der Insolvenzgerichte, Streitigkeiten organschaftlicher Vertreter zu entscheiden und anderswo anhängigen Erkenntnisverfahren vorzugreifen (vgl. Wegener in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 13 Rn. 162; wohl ebenso Mönning in: Nerlich/Römermann, InsO, 33. EL September 2017, § 13 Rn. 125), auch nicht im Rahmen der gemäß § 5 InsO von Amts wegen zu führenden Ermittlungen. Dies jedenfalls dann nicht, wenn die Streitigkeiten - wie hier - nicht leicht überschaubar, sondern hochkomplex sind, und die Beteiligten durch ihre interessengeleiteten Darlegung eine Amtsermittlung noch zusätzlich erschweren. Anderes, also die Annahme einer Pflicht zur umfangreichen Inzidentprüfung aller sich stellenden gesellschaftsrechtlichen Streitfragen innerhalb kürzester Zeit, vertrüge sich mit dem Wesen des Insolvenzverfahrens als Eil- und besonderem Vollstreckungsverfahren nicht.

Der Feststellbarkeitsmangel wird auch nicht durch etwaige Vermutungssätze überwunden. Insbesondere kann der weitere Beteiligten für seine Vertretungsbefugnis keine Vermutungswirkung aus dem Genossenschaftsregister ableiten (§§ 17 Abs. 2 GenG, 15 HGB). Ob eine Person zum Kreis der Antrags- oder Rücknahmeberechtigten gehört und ob weitere Berechtigte vorhanden sind, ergibt sich zwar in der Regel aus dem für die Rechtsform des Schuldners maßgebenden öffentlichen Register. Wer sich auf eine von der Registereintragung abweichende Rechtslage beruft, trägt die objektive Feststellungslast für seine Darstellung (vgl. Klöhn in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 71). Der weitere Beteiligte ist im Genossenschaftsregister indes weder als vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied noch Vorstandsvorsitzender eingetragen. Die inhaltliche Unrichtigkeit des Registers hinsichtlich der vom weiteren Beteiligten geltend gemachten Vertretungsberechtigung ist - wie ausgeführt - im Rahmen zumutbarer Ermittlungsmaßnahmen nicht aufzuklären, geht also zu seinen Lasten.

b) Das Insolvenzeröffnungsverfahren ist auch nicht aus anderem Grunde durch Antragszurückweisung als unzulässig zu beenden, insbesondere nicht wegen einer mangelnden Vertretungsberechtigung des antragstellenden Vorstandsvorsitzenden D. oder wegen des Fehlens eines Rechtsschutzinteresses.

aa) Das als Vorstandsvorsitzender auftretende Genossenschaftsmitglied D. war - entgegen der Ansicht des weiteren Beteiligten - insolvenzrechtlich befugt, den Eigenantrag für die Antragstellerin zu stellen.

aaa) Allerdings ist für das Gericht aufgrund der oben beschriebenen gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten (derzeit) nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass das Genossenschaftsmitglied D. wahrhaftig amtierender Vorstandsvorsitzender ist mit den damit einhergehenden gesetzlichen Vertretungsbefugnissen.

(1) Das Recht zur Antragstellung im Namen einer juristischen Person steht gem. § 15 Abs. 1Satz 1 InsO jedem Mitglied des Vertretungsorgans zu. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 GenG wird die Genossenschaft gerichtlich und außergerichtlich durch den Vorstand vertreten. Dies spiegelt auch § 13 Abs. 2 der Satzung der Antragstellerin wider. Der Vorstandsvorsitzende der Antragstellerin wäre demnach grundsätzlich antragsbefugt, zumal nach der Satzung jedem Vorstandsmitglied Einzelvertretungsbefugnis zukommt.

(2) Ein Eigenantrag ist in den Fällen des § 15 InsO aber nur zulässig, wenn die Rechtsposition des Antragstellers, die ihm ein Antragsrecht gibt, zur Überzeugung des Gerichts feststeht; gelingt diese Feststellung nicht, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen (vgl. Klöhn in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 15 Rn. 71 u. 73). Insofern gilt hier im Grundsatz kein anderer Maßstab als zur Rücknahmebefugnis. Die Vertretungsbefugnis ist demnach zunächst vom Antragsteller überzeugend darzulegen. Erst nach Antragszulassung und bei später eintretenden Zweifeln hat das Insolvenzgericht der Antragsbefugnis von Amts wegen (§ 5 InsO) nachzugehen. Die Beteiligten haben das Insolvenzgericht bei seinen Ermittlungen durch Sachvortrag und Beibringung von Beweismitteln zu unterstützen. Es kann sich bei seiner Beurteilung auch auf öffentliche Register stützen (vgl. zu allem Klöhn, aaO, Rn. 71 f.).

Nach diesem Maßstab ist die Stellung des Genossenschaftsmitglieds D. als amtierender Vorstandsvorsitzender für das Gericht genau so offen wie diejenige des weiteren Beteiligten H. (non liquet). Auf die obigen Ausführungen zu den zwölf anhängigen Gerichtsverfahren und der Komplexität des ausgebrochenen gesellschaftsrechtlichen Streits wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

(3) Anderes ergibt sich nach Ansicht des Gerichts nicht aus der Eintragung des Genossenschaftsmitglieds D. als Vorstandsvorsitzender im Genossenschaftsregister.

Jedoch darf sich das Insolvenzgericht bei juristischen Personen oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die im Handelsregister oder in einem ähnlichen öffentlichen Register eingetragen sind, - in der Regel - auf die dortigen Eintragungen über vertretungsberechtigte Personen und den Umfang ihrer Befugnis verlassen, obgleich Eintragungen über vertretungsberechtigte Personen oder Gesellschafter keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung haben Bedeutung. Dies ergibt sich aus dem auf besagte Register übertragbaren Rechtsgedanken des § 15 HGB, wonach Registereintragungen die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich haben (vgl. Schmahl/Vuia in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 79; Wolfer in: BeckOK InsO, 10. Ed. 26.04.2018, § 13 Rn. 19). Treten indes ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Eintragung auf, hat das Insolvenzgericht ihnen von Amts wegen nachzugehen. Auch in dieser Lage sind die Beteiligten verpflichtet, durch substantiierte Darstellung der ihnen bekannten Tatsachen und durch Beibringung beweiskräftiger Unterlagen, insbesondere von Gesellschaftsbeschlüssen, die Ermittlungen des Insolvenzgerichts zu unterstützen, zumal es sich für gewöhnlich um interne Umstände handelt, die dem Gericht ohne Mithilfe weitgehend verschlossen bleiben würden (vgl. Schmahl/Vuia in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 79). Für den Fall, dass die Beteiligten ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen und der Sachverhalt sich (deshalb) nicht aufklären lässt, wird vertreten, dass die Eintragungen im Register maßgebend bleiben. Derjenige, der sich auf eine von der Registereintragung abweichende Rechtslage beruft, hat bei - in diesen Fällen gegebener - gerichtlicher Unaufklärbakeit folglich die objektive Feststellungslast zu seinem Nachteil zu tragen (vgl. Schmahl/Vuia in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 79).

Letzterem vermag sich das Gericht zumindest für die hier vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht anzuschließen. Die Vermutungswirkung des Genossenschaftsregisters ist hier nachhaltig erschüttert. Die Eintragung des Genossenschaftsmitglieds D. datiert auf den 09.09.2011 auf Grundlage seiner Bestellung mit Generalversammlungsbeschluss vom 20.07.2011. Die Amtszeit beträgt nach § 15 Abs. 1 der Satzung der Antragstellerin fünf Jahre und hat demnach am 19.07.2016 geendet. Eine zeitnahe Wiederwahl hat nach den Ermittlungen des Gerichts nicht stattgefunden. Erst in der Generalversammlung vom 05.09.2017 wurde die Wiederwahl beschlossen. Dieser Beschluss wurde aber - nach hiesigen Erkenntnissen - durch den weiteren Beteiligten im vor dem Landgericht Hannover geführten Verfahren Az. 26 O 59/17 angefochten. Eine Entscheidung ist dort noch nicht ergangen, vielmehr sieht das Landgericht das Verfahren als gemäß § 240 ZPO unterbrochen an. Auf Grundlage dieses Sachverhalts ist klar, dass die Eintragung im Genossenschaftsregister durch Ablauf der Amtszeit ab dem 20.07.2016 inhaltlich unrichtig war. Ob die Richtigkeit durch die Wiederwahl am 05.09.2017 wiederhergestellt worden ist, vermag das Gericht dagegen nicht eindeutig festzustellen. Der Sach- und Streitstand der entsprechenden Anfechtungsklage ist dem Insolvenzgericht von den Beteiligten nicht zugetragen worden; es ist auch nicht ersichtlich, dass die Rechts- und Sachlage insoweit einfach wäre. Das Registergericht hat denn auch eine Registersperre verhängt, was zusätzlich dagegen spricht, den Eintragungen im Register noch Vertrauen zu schenken.

(4) An die Feststellung der Antragsberechtigung sind bei einem ausgetragenen gesellschaftsrechtlichen Streit wie dem hiesigen auch keine besonderen, d.h. niedrigeren Maßstäbe anzulegen.

(a) Konsequenz dieser Sichtweise ist indes, dass bei einem komplexen Binnenstreit, der – wie hier – das gesamte Vertretungsorgan betrifft, keiner der Prätendenten in seiner Eigenschaft als organschaftlicher Vertreter einen wirksamen Antrag stellen kann. Die Antragstellung wäre hier auch keiner anderen Person ermöglicht.

Den Mitgliedern der eingetragenen Genossenschaft wird ein Antragsrecht zugesprochen, wenn sie ausnahmsweise unbeschränkt für die Gesellschaftsschulden haften oder unbeschränkt zum Nachschuss verpflichtet sind (so z.B. Klöhn in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 15 Rn. 22); ob dies so zutrifft, kann dahinstehen, da jedenfalls die Satzung der Antragstellerin in § 31 einen Ausschluss von Haftung und Nachschusspflicht der Mitglieder vorsieht.

Ein anderer Antragsbefugter ergäbe sich auch nicht über § 15 Abs. 1 Satz 2 InsO. Nach dieser Bestimmung ist bei einer juristischen Person im Fall der Führungslosigkeit auch jeder Gesellschafter, bei einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft zudem auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Antragstellung berechtigt. § 10 Abs. 2 InsO definiert eine juristische Person als führungslos, wenn sie keinen organschaftlichen Vertreter hat. Das liegt hier nicht vor.Dabei kommt es nicht darauf an, ob Führungslosigkeit nur anzunehmen ist, wenn der organschaftliche Vertreter rechtlich (z. B. bei Amtsenthebung oder -niederlegung) oder tatsächlich (Tod) nicht mehr existiert (dafür z.B. AG Hamburg, Beschl. v. 27.11.2008, 67c IN 478/08, Rn. 9 - juris), oder ob auch ein faktisches dauerhaftes Fehlen („Abtauchen“) genügt, das als konkludente Amtsniederlegung zu werten sei (dafür z.B. Gundlach in: K.Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 15 Rn. 15). Eine „faktische“ Führungslosigkeit steht hier nicht in Rede, denn unabhängig von allen gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten führt das Genossenschaftsmitglied D. unstreitig die Geschäfte und hat keinesfalls sein Amt niedergelegt. Ebenso wenig fehlt es rechtlich oder tatsächlich an einem organschaftlichen Vertreter. Denn entweder ist der weitere Beteiligte wirksam zum Vorstandsvorsitzenden gewählt, nämlich auf Grundlage der in der Generalversammlung am 03.08.2017 gefassten Beschlüsse, oder es ist das Genossenschaftsmitglied D., und zwar auf Grundlage des Beschlusses vom 05.09.2017. Zudem fehlt es hier an den durch § 15 Abs. 1 Satz 2 InsO ermächtigtem Adressatenkreis. Es entspricht herrschender Ansicht, dass entgegen dem missglückten Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 InsO  („zudem“) die Mitglieder einer Genossenschaft nicht erfasst sein sollen, sondern nur die Mitglieder des Aufsichtsrats (vgl. Gundlach in: K.Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 15 Rn. 14; Klöhn in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 15 Rn. 22). Dies hat seinen Grund darin, dass nach dem Willen des Gesetzgebers des Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen am 1.11.2008 (MoMiG, BGBl. I S. 2026), mit dem das Antragsrecht in § 15 Abs. 1 Satz 2 InsO novelliert worden ist, die Antragsberechtigung nach § 15 InsO im Gleichlauf zur Antragspflicht nach § 15a InsO stehen sollte (vgl. BT-Drs. 16/6140, S. 55). § 15a Abs. 3 InsO verpflichtet die Mitglieder einer Genossenschaft, anders als die Gesellschafter einer GmbH, indes nicht zu Insolvenzantragstellung. Da Genossenschaftsmitglieder als Antragsteller folglich ausscheiden und die Antragstellerin keinen Aufsichtsrat hat, liefe § 15 Abs. 1 Satz 2 InsO ohnehin ins Leere.

(b) Denkbar ist, einer juristischen Personen in einer derartigen misslichen Lage über eine - freilich fragwürdige - doppelte Analogie zu § 15 Abs. 1 Satz 2 InsO bei gleicher Interessenlage hinwegzuhelfen. In seiner Wirkung kommt ein Gesellschaftsstreit wie der hiesige speziell mit Blick auf die Insolvenzantragstellung einer Führungslosigkeit gleich. Die Lähmung der Gesellschaft durch restriktive Auslegung des insolvenzrechtlichen Antragsrechts scheint auch im Widerspruch zu der tragenden Grundwertung der oben zitierten Entscheidung des BGH vom 10.07.2008 zu stehen, eine teilweise Handlungsunfähigkeit der juristischen Person in insolvenzrechtlichen Angelegenheiten zu verhindern. Eine analoge Anwendung würde sich auch mit der Intention des MoMiG vertragen, Verzögerungen bei der Eröffnung des Verfahrens, die sich zulasten der Gläubiger auswirken (vgl. BT-Drs. 16/6140, S. 54), zu vermeiden. Sie stünde darüber hinaus im Einklang mit dem gesetzgeberischen Verständnis, den Sinn und Zweck der Insolvenzantragspflicht rein insolvenzrechtlich im Schutz der Alt- und der Neugläubiger zu sehen, wobei der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass insoweit eine „enge Verbindung“ zwischen dem Insolvenzantragsrecht und der Insolvenzantragspflicht besteht (vgl. BT-Drs. 16/6140, S. 55).

Gegen die Analogie spricht die - durch das MoMiG noch gesteigerte - Ausdifferenzierung des insolvenzrechtlichen Antragsrechts, die eine Regelungslücke als Voraussetzung einer Analogie nicht erkennen lässt. Auch ließe sich der Bruch mit den allgemeinen Grundsätzen zur antrags- wie auch allgemeinen zivilrechtlichen Beweislastverteilung kaum erklären, denn bei unklaren Gesellschaftsstreitigkeiten dürfte dem Antragsteller oftmals noch nicht einmal eine Glaubhaftmachung im Sinne von § 294 ZPO gelingen; dass ebensolche aber für die Antragsbefugnis ausreichen würde, ergibt sich vor allem aus § 13 InsO (anders als für die Forderung des Gläubigers und den Insolvenzeröffnungsgrund nach § 14 InsO) nicht. Zudem würde ein Stück weit der bereits angesprochene weitere Grundsatz, dass (komplexe) gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten – trotz der Amtsermittlungspflicht nach § 5 InsO – nicht vor dem Insolvenzgericht auszutragen sind, unterlaufen. Gegen Beweismaßlockerung spricht zudem die auch für die Insolvenzordnung vom Gesetzgeber bewusst beibehaltene Ausgestaltung des Insolvenzverfahrens als Antragsverfahren; wollte man einen hinsichtlich der Antragsberechtigung zweifelhaften Antrag zulassen oder auf seiner Grundlage ein Insolvenzverfahren eröffnen, würde sich das Insolvenzverfahren einem Offizialverfahren erheblich annähern. Schließlich ist im Hinblick auf den Schutz der Gläubiger zu bedenken, dass jenen die Stellung eines eigenen Antrags nach § 14 InsO unter den dort allgemeingültig formulierten Voraussetzungen unbenommen bleibt.

Für den hiesigen Fall bedarf die Frage einer Analogie zu § 15 Abs. 1 Satz 2 InsO wegen der nachfolgenden Gründe keiner abschließenden Erörterung.

bbb) Die Antragsbefugnis des Genossenschaftsmitglieds D. ergibt sich jedenfalls aus seiner Eigenschaft als faktischer Vorstandsvorsitzender analog § 15 Abs. 1 Satz 1 InsO.

(1) Ob demjenigen, der die Gesellschaft wie ein vertretungsberechtigtes Organ faktisch führt, ohne dazu (feststellbar) förmlich bestellt worden zu sein, eine Antragsberechtigung zukommt, ist insolvenzrechtlich umstritten. Teilweise wird das Antragsrecht mit dem wesentlichen Argument bejaht, dass die Antragsberechtigung der Antragspflicht aus § 15a InsO, die den faktischen Organwalter unzweifelhaft trifft (vgl. BGH, Urt. v. 11.07.2005, II ZR 235/03), folgen müsse (so z.B. Gundlach in: K.Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 15 Rn. 13 m.w.N. zum Streitstand). Andere lehnen dieses Argument und die Antragsbefugnis ab unter Verweis darauf, dass der faktische Organwalter vielmehr dafür zu sorgen habe, dass der nominelle organschaftliche Vertreter im Fall der Insolvenz rechtzeitig einen Eröffnungsantrag stellt (so z.B. Klöhn in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 15 Rn. 11 m.w.N. zum Streitstand). Nach vermittelnder Ansicht ist die Antragsbefugnis anzuerkennen, wenn der Organwalter zumindest durch ein Handeln oder Unterlassen der Gesellschafter, wirksam oder unwirksam, bestellt worden ist, nicht aber, wenn er sich seine Stellung ohne Billigung der Gesellschafter anmaßt (so z.B. Bußhardt in: Braun, InsO, 7. Aufl. 2017, § 15 Rn. 20 m.w.N. zum Streitstand).

(2) Dieser Meinungsstreit braucht hier nicht generell entschieden zu werden. Jedenfalls unter den hiesigen Umständen ist eine Antragsbefugnis anzunehmen.

Folgt man der Ansicht, die eine Antragsberechtigung bedingungslos bejaht, ergibt sich dies zwanglos daraus, dass das Genossenschaftsmitglied D. die Antragstellerin als faktischer Vorstandsvorsitzender unstreitig führt. Anderes ist nach den gerichtlichen Ermittlungen nicht erkennbar und auch vom weiteren Beteiligten nicht im Ansatz dargetan. Dass er - mit Aufenthalt in den USA - die Geschicke der Antragstellerin (teilweise) leitet, behauptet er nicht.

Folgt man der vermittelnden Ansicht, ist eine Antragsbefugnis ebenfalls zu bejahen. Eine Amtsanmaßung ist nicht gegeben. Das Genossenschaftsmitglied D. wurde unstreitig ordnungsgemäß zum Vorstandsvorsitzenden im Jahre 2011 gewählt. Der Ablauf seiner Amtszeit nach fünf Jahren 2016 führt insoweit zu keiner anderen Bewertung, zumal der weitere Beteiligte eine Abbestellung seinerseits erst im Jahr 2017 unternommen oder zumindest versucht hat, in der Zwischenzeit also die faktische Geschäftsführung also hingenommen hat. Soweit die Beteiligten über die Wirksamkeit der hiernach gefassten Ab- und Bestellungsbeschlüsse streiten, ist auch dies nicht als Amtsanmaßung im Sinne von § 15 InsO zu werten. Schon allein der Bestellungsbeschluss der Generalversammlung vom 05.09.2017, mag er auch - dahingestellt - unwirksam sein, entfaltet hinreichende Legitimationswirkung.

Der Ansicht, die eine Antragsbefugnis generell verneint, ist im hiesigen Fall nicht zu folgen. Denn die für diese Ansicht angeführte Möglichkeit, den nominellen organschaftlichen Vertreter zu einer Insolvenzantragstellung anzutreiben, greift hier nicht. Sind die zugunsten des Genossenschaftsmitglieds D. ergangenen Beschlüsse wirksam, ist er alleiniger nomineller Vertreter. Ist er es wegen der Unwirksamkeit der Beschlüsse nicht, kann er nicht auf die Anregung eines von dem weiteren Beteiligten H. zu stellenden Antrags verwiesen werden. Denn ob dieser seinerseits wirksamer organschaftlicher Vertreter ist, ist (ebenfalls) ungewiss. Ein vom weiteren Beteiligten gestellter Insolvenzantrag wäre demnach - nach hier vertretener Ansicht - als unzulässig zurückzuweisen. Damit aber wäre dem faktischen Vorstandsvorsitzenden D., obgleich er der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO unterliegt, die unmittelbare oder mittelbare Stellung eines Insolvenzantrags genommen. Dieses Ergebnis widerspricht der oben dargestellten  Zielsetzung des Gesetzgebers, in dem durch das MoMiG novellierten Insolvenzantragsrecht einen Gleichlauf zwischen Antragspflicht und Antragsrecht zum Schutze der Insolvenzgläubiger zu erreichen.

bb) Eine sofortige Antragszurückweisung hat auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines fehlenden Rechtsschutzinteresses zu erfolgen, welches nach § 13 InsO als allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen für jeden Insolvenzantrag erforderlich ist (vgl. nur Wegener in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 13 Rn. 81; Schmahl/Vuia in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 86). Das Rechtsschutzinteresse liegt in aller Regel vor, wenn die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen - wie hier - erfüllt sind (vgl. Schmahl/Vuia in: Münchener Kommentar z. InsO, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 86). Die anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen indizieren demnach das Rechtschutzinteresse. Soll eine Zurückweisung auf ein fehlendes Rechtschutzinteresses gestützt werden, bedarf es folglich der Feststellung zumindest erheblicher Zweifel an seinem Bestehen. Hierbei ist Zurückhaltung geboten (vgl. Schmahl/Vuia, aaO, Rn. 89). Nach diesem Maßstab ist das Fehlen - derzeit - nicht festzustellen.

aaa) Im rechtlichen Ausgangspunkt des weiteren Beteiligten trifft es zwar zu, dass der Insolvenzantrag ernsthaft auf Verfahrenseröffnung gerichtet sein muss und nicht sachfremden Zwecken dienen darf. Wird vom Insolvenzantragsteller das Insolvenzverfahren zu Zwecken angestrebt, die mit den Zielen des Insolvenzverfahrens nach § 1 InsO unvereinbar sind oder diesen zuwiderlaufen, so ist der Antrag wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig zurückzuweisen. So kann es u.a. liegen, wenn das Insolvenzverfahren dazu instrumentalisiert werden soll, einen missliebigen Gesellschaft aus der Gesellschaft zu drängen (vgl. Wegener in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 13 Rn. 81).

bbb) Im Tatsächlichen ist ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen (derzeit) aber nicht hinreichend klar erkennbar. Davon abgesehen, dass die gerichtlichen Ermittlungen zur Feststellung von Insolvenzeröffnungsgründe noch laufen, die Antragstellerin sich also tatsächlich in einer wirtschaftlichen Krise befinden könnte, sind für das Gericht konkrete objektive Anhaltspunkte dafür, dass das Insolvenzverfahren von der Antragstellerin subjektiv - in erster Linie - zum Herausdrängen des weiteren Beteiligten betrieben wird, bislang nicht in ausreichendem Maße gegeben. Dagegen spricht der Umstand, dass die Antragstellerin den weiteren Beteiligten bereits lange im Vorfeld des hiesigen Verfahrens als Genossenschaftsmitglied ausgeschlossen hat. Ist dieser Ausschluss, zu dem der weitere Beteiligte bezeichnenderweise in seinem Schriftsatz vom 19.07.2017 nichts vorgetragen hat, aber wirksam, würde dies der Annahme eines rechtsmissbräuchlich angestrebten Verfahrenszweckes entgegenstehen. Zudem ist zu sehen, dass nach den Angaben der Antragstellerin die Streitigkeiten mit dem weiteren Beteiligten ein Hinderungsgrund für eine frühzeitige geschäftliche Neuausrichtung mit gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierung und Hereinnahme von Investoren gewesen sein soll. Trifft dies zu, wofür einiges spricht, mag der Insolvenzantrag tatsächlich - auch - die Regelung des etwaig insolvenzmitursächlichen Rechtsverhältnisses der Antragstellerin zum weiteren Beteiligten bezwecken, dies allerdings zum Wohle der Gläubiger (§ 1 Satz 1 InsO) und damit nicht missbräuchlich im insolvenzrechtlichen Sinne.

2. Der nach Vorstehendem zur Entscheidung gestellten sofortigen Beschwerde des weiteren Beteiligten ist nicht abzuhelfen. Unabhängig von dem (im Abhilfeverfahren nicht maßgeblichen) Umstand der gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1  InsO fehlenden Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die bloße Fortführung des Insolvenzeröffnungsverfahrens, wie sie durch den angefochtenen Beschluss vom 10.07.2018, mit dem keine beschwerdefähigen Sicherungsmaßnahmen angeordnet wurden (§ 21 Abs. 1 Satz 2 InsO), erfolgt ist, zeigt der weitere Beteiligte diesbezüglich auch keine Rechtswidrigkeit auf. Soweit sich seine Beschwerde (auch) auf die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung (§ 270a Abs. 1 InsO) gerichtet hat oder haben sollte, ist die Beschwerde - unabhängig von der Frage ihrer Statthaftigkeit (verneinend z.B. Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 270a Rn. 38) - wegen des Aufhebungsbeschlusses vom 27.07.2018 gegenstandslos.

3. Über den höchsthilfsweise gestellten Antrag auf Aussetzung ist vor der vorrangig eingelegten sofortigen Beschwerde nicht zu entscheiden, wobei die zivilprozessualen Vorschriften über die  Aussetzung im Insolvenzeröffnungsverfahren ohnehin unanwendbar sind (vgl. nur BGH, Beschl. v. 11.03.2010, IX ZB 110/09, Rn. 11 - juris).