Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 05.07.2012, Az.: Ws 176/12

Zulässigkeit einer Überschreitung der Regelüberprüfungsfrist zur Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgrund eines Terminsverlegungsantrag des Verteidigers

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
05.07.2012
Aktenzeichen
Ws 176/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 39930
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2012:0705.WS176.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 12.05.2012

Amtlicher Leitsatz

1. Bei der Regelüberprüfung, ob die gem. § 63 StGB angeordnete Maßregel weiter zu vollstrecken ist, kann eine Überschreitung der Überprüfungsfrist (§ 67e StGB) - hier um sechs Wochen - ausnahmsweise dann hingenommen werden, wenn die Strafvollstreckungskammer innerhalb der Frist rechtzeitig angehört und entschieden hätte, der Anhörungstermin dann jedoch auf Antrag der Verteidigung aufgehoben werden musste.

2. Die Strafvollstreckungskammer ist in der Folge gehalten, den entstandenen Zeitverzug durch Nachholen der Anhörung am nächst erreichbaren Termin möglichst wieder aufzuholen; zur Anberaumung eines "Sonderanhörungstermins" ist sie nicht verpflichtet.

3. Die durch die Strafvollstreckungskammer in den Akten unterlassene Dokumention der Gründe der Fristüberschreitung kann das Beschwerdegericht nachholen.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde vom 14. Mai 2012 gegen die Entscheidung der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 12. Mai 2012 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beschwerdeführer zur Last.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Landgerichts Bremen - Schwurgericht II - vom 23.08.2010 wegen Mordes (Tötung aus niedrigen Beweggründen) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden; zugleich wurde gem. § 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Maßregel wird seit dem 02.03.2011 im Maßregelvollzugszentrum Moringen vollstreckt.

Dem liegt zugrunde, dass der bis dahin strafrechtlich nur wegen Vorbereitens einer Sprengstoffexplosion in Erscheinung getretene Beschwerdeführer - in jenem, früheren Verfahren nahm die Staatsanwaltschaft gem. § 45 Abs. 2 JGG von einer Strafverfolgung Abstand - sich in eine Lehrerin verliebt hatte, von ihr abgewiesen fühlte und diese Zurückweisung zum Anlass nahm, sie durch Bildaufzeichnungen und GPS-Geräte auszuspähen und ihre Entführung und Folterung bis zum Tod über ein Jahr lang detailliert zu planen. Als er dann am 18.12.2009 seiner Lehrerin in der Nähe ihrer Wohnung entsprechend seinem Tatplan auflauerte und zur Tatausführung schritt, wehrte sich das Opfer dann aber überraschend so heftig, dass er seine Lehrerin durch 22 Stiche mit einem Kampfmesser an Ort und Stelle tötete.

Nach den Feststellungen des insoweit u.a. durch Prof. Dr. L sachverständig beratenen Schwurgerichts war der Beschwerdeführer während der Tat in seiner Steuerungsfähigkeit aufgrund einer schweren schizotypen Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F.21) erheblich eingeschränkt und befand sich deshalb in einem Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB). Zur Gefährlichkeitsprognose hatte bereits das auch insoweit sachverständig beratene Schwurgericht festgestellt, dass die psychische Störung des Beschwerdeführers schon seit seiner Kindheit bestehe, somit lebensbegleitend sei und sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein solches Verhalten mit anschließender Tötung ohne Behandlung der psychischen Störung wiederholen werde. Jeder Mensch, der sich in der Nähe des Beschwerdeführers aufhalte, laufe Gefahr, für ihn als "lebensunwert" zu gelten, und zwar Frauen eher als Männer. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf das Urteil des Schwurgerichts (VH Bl. 1ff) sowie den angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer (VH Bl. 122ff), die die Feststellungen der Sachverständigen zutreffend wiedergeben. Nachzutragen bleibt im Hinblick auf die vorliegend erneut anzustellende Gefährlichkeitsprognose, dass dem o.g. eingestellten Verfahren (142 Js 2543/08 StA Verden) zugrunde lag, dass sich der Beschwerdeführer ebenfalls in der Rolle eines verschmähten Liebhabers - in jenem Fall einer Mitschülerin - gesehen und daraufhin mit dem Abschuss einer Rakete gedroht haben soll.

Am 3.11.2011 erforderte die Staatsanwaltschaft Bremen beim Maßregelvollzugszentrum Moringen eine ärztliche Stellungnahme zur Frage der Fortdauer der Maßregel. Die Stellungnahme ging - nachdem zweimal (am 5. und am 30.01.2012) insoweit nach dem Sachstand gefragt werden musste - bei der Staatsanwaltschaft Bremen am 8.02.2012 ein, die die Akten mit der ärztlichen Stellungnahme sodann der Strafvollstreckungskammer zuleitete. Dort gingen die Akten am 16.02.2012 ein. Noch am selben Tag wurde zwecks Wahrung der bereits weit fortgeschrittenen Überprüfungsfrist (ein Jahr: § 67e Abs. 2, 2. Fall StGB) Termin zur Anhörung des Beschwerdeführers auf den 01.03.2012 anberaumt, wobei die Strafvollstreckungskammer trotz erheblicher Sicherheitsbedenken zwecks Beschleunigung der Sache beschlossen hatte, dass die Anhörung durch die Berichterstatterin (als beauftragte Richterin) allein durchgeführt wird. Zu dieser Anhörung kam es in der Folge nicht.

Am 21.02.2012 meldete sich - unter Vorlage einer am Vortag vom Beschwerdeführer unterzeichneten Vollmacht - der Verteidiger und beantragte, dass ihm die genannten ärztliche Stellungnahme zugesandt und er für das Überprüfungsverfahren (§ 67e StGB) zum Pflichtverteidiger bestellt werde.

Mit Verfügung bzw. Beschluss vom 23.02.2012 übersandte der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer zwar die ärztliche Stellungnahme, lehnte aber die Beiordnung ab, was der Verteidiger zum Anlass nahm, mit Schriftsatz vom 24.02.2012 im Namen des Beschwerdeführers gegen die abgelehnte Pflichtverteidigerbestellung Beschwerde einzulegen. Zugleich stellte er den Antrag, die anberaumte Anhörung bis zur Entscheidung des Strafsenats über die Beschwerde auszusetzen. Dem kam der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer noch am Tag des Eingangs des Antrags nach und legte die Akten sogleich dem Senat vor, bei dem sie am 07.03.2012 zusammen mit der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft eingingen. Noch am selben Tag erhielt der Verteidiger Gelegenheit, auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft, die Verwerfung der Beschwerde beantragt hatte, zu erwidern. Davon machte der Verteidiger sodann auch Gebrauch. Wiederum am Tag des Eingangs seiner Erwiderung (12.03.2012) verwarf der Senat die Beschwerde (Beschluss vom 12.03.2012 - Ws 72/12) und sandte die Akten - als Eilsache kenntlich gemacht - wieder an die Strafvollstreckungskammer zurück, wo sie am 20.03.2012 eingingen. Im Hinblick auf seinen kurz bevorstehenden - längeren - Urlaub übertrug der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer noch am selben Tag die weitere Bearbeitung der Sache auf den stellvertretenden Vorsitzenden, der am 30.03.2012 auf den 12.04.2012 einen neuen Anhörungstermin anberaumte. Ob der Termin zuvor von ihm persönlich mit dem Verteidiger telefonisch abgesprochen wurde, konnte der Senat nicht abschließend klären, so dass davon ausgegangen wird, dass es zu einer ausdrücklichen Terminabsprache nicht gekommen ist. Bei der Terminierung hat der stellvertretende Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer dafür Sorge getragen, dass auch die zuständige Stationsleiterin (Ärztin) an der Anhörung teilnimmt. Auf die weiteren Einzelheiten der Ladungsverfügung (Bl. 118 d. VH.) nimmt der Senat Bezug.

Im Hinblick auf die Sicherheitsbedenken wurde die Anhörung dann am 12.04.2012 durch die Strafvollstreckungskammer nicht nur durch die Berichterstatterin allein, sondern in voller Besetzung durchgeführt. Der Verteidiger nahm an der Anhörung teil. Wegen der Überlegungen, die die Strafvollstreckungskammer bewogen haben, letztlich in voller Besetzung anzuhören, nimmt der Senat auf die Vermerke vom 22.06.2012 (Bl. 156 d. VH) sowie 26.06.2012 (Bl. 164 VH) wegen der weiteren Einzelheiten Bezug.

Mit dem angefochtenen Beschluss, der dem Verteidiger am 07.05.2012 und dem Beschwerdeführer am 09.05.2012 zugestellt worden ist, hat die Strafvollstreckungskammer noch am Tag der Anhörung die Fortdauer der Unterbringung beschlossen. Dem lag eine entsprechende Empfehlung der behandelnden Ärzte zugrunde, die mit den Worten "...zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir von einem Fortbestehen der Gefährlichkeit aus und können daher nur dringend die Fortführung der Unterbringung im Maßregelvollzug empfehlen" endet. Wegen der weiteren Einzelheiten - insbesondere zum dort referierten Verlauf der bisherigen Unterbringung - wird auf diese ärztliche (gutachterliche) Stellungnahme vom 07.02.2012 verwiesen. Herauszuheben ist an dieser Stelle, dass der Beschwerdeführer gegenüber weiblichen Mitarbeiterin des Maßregelvollzugszentrums ein beunruhigendes Verhalten zeigte, indem er sie immer wieder sehr genau beobachtete, Anspielungen auf die von ihm begangene Tat machte - er habe seine (gegenspritzendes Blut?) Jacke imprägniert und das habe er auch vor seiner Tat so gemacht - und deshalb in eine besonders gesicherte Abteilung des Maßregelvollzugszentrums verlegt werden musste.

Gegen die auch mit den vorstehenden Umständen begründete Fortdauerentscheidung der Strafvollstreckungskammer richtet sich die am 14.05.2012 beim Landgericht eingegangene (sofortige) Beschwerde, mit der der Verteidiger zum einen den Zeitpunkt der Anhörung nebst der darauf ergangenen Entscheidung wegen der bereits verstrichenen Überprüfungsfrist als verspätet rügt und zum anderen die unterbliebene Pflichtverteidigerbestellung als rechtswidrig bemängelt, was seiner Ansicht nach die Freiheitsentziehung insgesamt als rechtswidrig erscheinen lasse und deshalb den Bestand des angefochtenen Beschlusses, der aufzuheben sei, berühre. Mit Schriftsatz vom 23.06.2012 hat der Verteidiger die Beschwerde weiter begründet. Der Verwertung des Inhalts der Vermerke vom 22.06.2012 und 26.06.2012 hat er ausdrücklich widersprochen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

Das statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. Die Strafvollstreckungskammer hat zutreffend die Fortdauer der Unterbringung angeordnet und diese weder zur Bewährung ausgesetzt (§ 67d Abs. 2 StGB) noch für erledigt erklärt (§ 67d Abs. 6 StGB).

1. Die von Art. 2 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich in besonderem Maße geschützte Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden, wobei die gesetzlichen Vorschriften des Straf- und Strafverfahrensrechts, die einen Eingriff in das Freiheitsrecht gestatten, zugleich eine freiheitsgewährleistende Funktion deshalb haben, weil sie dem Eingriff Grenzen setzen (BVerfG, Beschluss vom 29.11.2011 - 2 BvR 1665/10; juris; BVerfG, StraFo 2012, Seite 176ff [BVerfG 27.03.2012 - 2 BvR 2258/09]). Auch und gerade gilt dies für einen schuldunfähigen oder (wie vorliegend) in seiner Schuldfähigkeit erheblich beeinträchtigten Straftäter, von dem befürchtet werden muss, dass er zukünftig infolge seiner Erkrankung weitere erhebliche Straftaten begehen würde und der deshalb in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) untergebracht ist (BVerfGE 70, 297, 307 [BVerfG 08.10.1985 - 2 BvR 1150/80]). Ein solcher Straftäter wird vor einer unbegrenzten Unterbringung dadurch geschützt, dass der Vollzug der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt werden muss, sobald erwartet werden kann, dass er außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67d Abs. 2 StGB), wobei dieser Anspruch dadurch abgesichert wird, dass die Strafvollstreckungskammer die Aussetzungsreife jederzeit überprüfen kann und dies spätestens vor Ablauf eines jeden Jahres tun muss (§ 67e Abs. 1, Abs. 2, 2. Fall StGB). Andererseits muss aber, nunmehr zum Schutz der Allgemeinheit, die Vollstreckung der Maßregel andauern, solange die Erkrankung, die zur Unterbringung Anlass gegeben hat, einschließlich der daraus zu folgernden Gefährlichkeit weiter fort bestehen und auch Gründe der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) einer weiteren Unterbringung nicht entgegen stehen.

Diese Voraussetzungen, nach denen die Unterbringung entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers fortdauern muss, liegen hier unter Würdigung der besonderer Schwere der Anlasstat (Mord), der zugleich verhängten langen Freiheitsstrafe (15 Jahre) und ausweislich des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. L i. V. m. der Stellungnahme des Maßregelvollzugszentrums Niedersachsen unzweifelhaft vor.

Nach den Beobachtungen und der Diagnose der behandelnden Ärzte des Maßregelvollzugszentrums besteht die der Tat zugrunde liegende Erkrankung beim Beschwerdeführer nach wie vor, und auch die daraus abzuleitende Gefahr weiterer erheblicher Straftaten konnte bisher nicht beseitigt werden. Der Senat hat gerade deshalb keinerlei Veranlassung, diese Einschätzungen der behandelnden Ärzte in Zweifel zu ziehen, weil zum einen schon der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. L - wie der Senat dem Urteil des Schwurgerichts (dort ab Seite 43 = Bl. 43f d. VH.) entnommen hat - darauf hingewiesen hat, dass die diagnostizierte schizotype Persönlichkeitsstörung nur schwer therapiert werden kann, weil es dafür gegenwärtig noch keine spezielle Behandlungsmethode gibt, und zum anderen die Behandlung gerade erst am Anfang steht. Auch die Beschwerde vermochte nichts aufzuzeigen, was diese damit gegebenen materiellen Voraussetzungen einer weiteren Unterbringung in Zweifel zu ziehen geeignet wäre. Dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung des Vollzugs der Maßregel nicht entgegensteht, bedarf aus Sicht des Senats trotz der verfassungsrechtlich gebotenen sorgfältigen Abwägung vorliegend angesichts der Schwere der Anlasstat sowie der langen Dauer der neben der Maßregel zugleich verhängten Freiheitsstrafe - einer Entlassung steht deswegen § 67 Abs. 5 StGB entgegen - keiner weiteren Ausführungen.

2. Auch das mit sechs Wochen deutliche Überschreiten der in § 67e StGB vorgeschriebenen Überprüfungsfrist berührt den Bestand der angefochtenen Fortdauerentscheidung nicht und hat - aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls - auch nicht die Feststellung zur Folge, dass der Freiheitsentzug zeitweise unrechtmäßig gewesen ist.

Wie bereits ausgeführt sollen die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung sicherstellen, dass das Übermaßverbot gewahrt und die Unterbringung zum frühestmöglichen Zeitpunkt beendet wird. Auch die Überschreitung der in § 67e StGB gesetzlich festgesetzten Höchstfrist kann deshalb das Grundrecht auf Freiheit der Person verletzen, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (BVerfG, Beschluss vom 29.11.2011, 2 BvR 1665/10; juris). Schon daraus wird aber deutlich, dass nicht jede mit einer Fristüberschreitung verbundene Verzögerung des Geschäftsablaufs in Unterbringungssachen auch eine Grundrechtsverletzung darstellt (BVerfG, a .a. O.). So liegt es vorliegend. Der Strafvollstreckungskammer waren die Akten - vorher war ihr der Fall auch gar nicht bekannt, so dass sie auf eine frühere Aktenübersendung nicht hinwirken konnte - erst zwei Wochen vor Ablauf der Überprüfungsfrist erstmals vorgelegt worden, was ersichtlich darauf zurückzuführen ist, dass das Maßregelvollzugszentrum die bereits drei Monate zuvor durch die Staatsanwaltschaft erbetene ärztliche Stellungnahme verspätet vorgelegt hat. In geradezu vorbildlicher Weise hat die Strafvollstreckungskammer diese nicht zu rechtfertigende Verkürzung der für eine Vorbereitung der Fortdauerentscheidung nötigen Zeit dadurch wieder auszugleichen versucht, dass die Einarbeitung in den Sachstand nebst Vorbereitung des ursprünglich vorgesehenen Anhörungstermins binnen kürzester Zeit erfolgte und auch über den Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers noch am Tag des Eingangs entschieden wurde. Wäre es zu der Anhörung an dem ursprünglich vorgesehenen Termin (01.03.2012) gekommen, wäre die Frist auch gewahrt worden, was daran festgemacht werden kann, dass die Strafvollstreckungskammer später noch am Tag der Anhörung beraten und entschieden hat, so dass der Senat diese beschleunigte Bearbeitung der Sache auch für den Fall unterstellt, dass am ursprünglich vorgesehenen Tag angehört worden wäre.

Dass die Anhörung nebst Fortdauerentscheidung schließlich erst sechs Wochen nach Fristablauf erfolgte, ist aber keiner organisatorischen Fehlplanung der Strafvollstreckungskammer, sondern allein dem erst wenige Tage vor dem Anhörungstermin eingegangenen Antrag des Beschwerdeführers geschuldet, die Entscheidung über die Fortdauer der Maßregel bis zur Entscheidung des Senats über seine Beschwerde zur Pflichtverteidigerfrage auszusetzen.

Dass der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer diesem Antrag im Interesse des Beschwerdeführers stattgegeben hat, ist nicht zu beanstanden. Wäre die Anhörung nämlich wie geplant durchgeführt worden, hätte der Verteidiger angesichts seiner bis dahin noch nicht beschiedenen Beschwerde vor der Frage gestanden, ob er trotz seines Antrags an der Anhörung teilnimmt. Hätte er im Hinblick darauf, dass eine rückwirkende Bestellung nicht in Betracht kommt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., Rdnr. 8 zu § 141; siehe dazu auch die vorliegend zur Pflichtverteidigerbestellung ergangene Entscheidung des Vorsitzenden vom 25.06.2012), davon Abstand genommen und wäre der Senat dann zur Ansicht gelangt, dass die Teilnahme eines Verteidigers erforderlich gewesen wäre, hätte dies den Bestand der Fortdauerentscheidung unter dem Gesichtspunkt einer Missachtung der Pflicht, fair zu verhandeln (Art. 6 Abs. 3 lit. c) EMRK), tatsächlich in Gefahr gebracht und womöglich eine erneute Anhörung erfordert, wodurch das Verfahren dann aber noch weiter verzögert worden wäre.

Als Ausfluss dieses Fairnessgebots ist es zudem das anerkannte und jederzeit zu schützende Recht eines Betroffenen, sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistand eines Verteidigers seines Vertrauens bedienen zu können (BVerfG, Beschluss vom 25.09.2001 - 2 BvR 1152/01; juris), wobei dieses Interesse - gerade in mit Freiheitsentzug verbundenen Sachen - mit dem Gebot der besonderen Verfahrensbeschleunigung abzuwägen ist (Beschluss des Senats vom 17.03.2008, Ss 33/08, StV 2008, 293ff).

Für die Fälle einer Haftentscheidung gem. §§ 121, 122 StPO (besondere Haftprüfung) ist hierzu anerkannt, dass der Anspruch eines Betroffenen auf Beistand seines von ihm gewählten Verteidigers zwar nicht geeignet ist, Untersuchungshaft unbegrenzt über sechs Monate hinaus zu rechtfertigen (vgl. bspw.: OLG Hamm, Beschluss vom 19.12.2001, 2 BL 221/01; juris; Beschluss vom 02.03.2006, 2 Ws 56/06; juris), jedoch dies grundsätzlich ein "anderer wichtiger Grund" i.S.v. § 121 StPO sein kann.

Gerade weil in den Fällen der besonderen Haftprüfung zusätzlich die Unschuldsvermutung zu beachten ist, also im Gegensatz zum vorliegenden Fall einer Fortdauerentscheidung gem. §§ 67d, 67e StGB noch keine rechtskräftige auf Freiheitsentzug lautende Entscheidung vorliegt, steht einer Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall nichts entgegen. Danach kann die Überschreitung der Anhörungsfrist um sechs Wochen vorliegend ausnahmsweise deshalb hingenommen werden, weil sie allein auf den genannten Antrag des Verteidigers zurückgeht.

Der Senat kann im Zusammenhang mit und im Anschluss der Entscheidung des Senats zur Pflichtverteidigerfrage eine vorwerfbar verspätete und deshalb den Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers missachtende Sachbehandlung ohnehin nicht feststellen. Keinesfalls konnte es von der Strafvollstreckungskammer angesichts des vorhergehenden Antrags des Verteidigers auf Aufhebung des (ersten) Anhörungstermins verlangt werden, einen Sonderanhörungstermin anzuberaumen angesichts dessen, dass dazu vorher sichergestellt sein musste, dass - worauf die Strafvollstreckungskammer in sachgerechter Weise hingewirkt hat - auch die zuständige Stationsleiterin (Ärztin) an der Anhörung teilnimmt. Der Anhörungstermin bedurfte darüber hinaus besonderer Vorbereitung, weil die Durchführung der mündlichen Anhörung zwar ursprünglich der Berichterstatterin als beauftragter Richterin übertragen worden war (Beschluss vom 16.02.2013 - Bl. 82 d. VH), die Anhörung dann aber durch die Strafvollstreckungskammer in voller Besetzung erfolgte (siehe den Vermerk über die Anhörung vom 12.04.2012 - Bl. 119 d. VH.) und von dem stellvertretenden Vorsitzenden der Kammer geleitet wurde und dazu von ihm vorbereitet werden musste. Diese Verfahrenswiese begegnet keinen Bedenken.

Dass die ursprünglich vorgesehene Anhörung des Beschwerdeführers, durch die die Frist aus § 67e StGB gewahrt worden wäre, durch die Berichterstatterin hätte erfolgen sollen, dann aber doch durch die Strafvollstreckungskammer angehört wurde, ist sachgerecht und deshalb nicht zu beanstanden. Schon zum Zeitpunkt der Übertragung der Sache auf die Berichterstatterin (Beschluss sowie Terminverfügung vom 16.02.2012) war der Strafvollstreckungskammer bewusst, dass eine Anhörung durch eine Richterin allein aufgrund des der Tat zugrunde liegenden und insbesondere wegen des im Maßregelvollzug beim Beschwerdeführer beobachteten Verhaltens Frauen gegenüber nicht unerheblichen Bedenken begegnet. Nachdem auf ausdrücklichen Wunsch des Verteidigers, der die Pflichtverteidigerfrage vorab geklärt wissen wollte, die ursprüngliche (fristwahrende) Anhörung dann aber nicht zustande gekommen und damit die Frist bereits überschritten war, hat die Strafvollstreckungskammer den Beschwerdeführer dann am nächst erreichbaren Kammertermin angehört. Angesichts der langen zugleich verhängten Strafe und weil eine Entlassung des Beschwerdeführer aus dem Maßregelvollzug ohnehin bereits nach Aktenlage eher fernlag, kann der Senat die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, die Anhörung (erst) am nächst erreichbaren Kammertermin stattfinden zu lassen, in jeder Hinsicht nachvollziehen. Selbst dann, wenn eine Anhörung durch die Berichterstatterin allein womöglich früher hätte erfolgen können, vermag der Senat deshalb hierin keine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt, zu erkennen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.2011, 2 BvR 1665/10; juris).

Soweit der Verteidiger rügt, dass die Strafvollstreckungskammer es unterlassen habe diese Gründe der Fristüberschreitung in den Akten und der angefochtenen Entscheidung - wie es geboten gewesen wäre - zu dokumentieren, trifft dies zwar zu, kann aber schon deshalb den Bestand der angefochtenen Entscheidung nicht berühren, weil der Senat als Beschwerdegericht dies nachholen kann und - wie geschehen - nachgeholt hat. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Verteidigers ist unbeachtlich, weil dem Strafsenat nicht nur eine reine Rechtsprüfung obliegt, sondern die angefochtene Entscheidung auch jeweils in tatsächlicher Hinsicht zu bewerten ist. Deshalb können gem. § 308 Abs. 2 StPO ergänzende Ermittlungen angestellt werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., Rdnr. 6 zu § 308). Da das Ergebnis der ergänzenden Ermittlungen den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt worden ist (§ 33 Abs. 3 StPO), kann der Senat seine Entscheidung auch darauf stützen.

3. Schließlich verhilft auch die abgelehnte Beiordnung eines Pflichtverteidigers der sofortigen Beschwerde nicht zum Erfolg, und zwar schon deshalb nicht, weil der Verteidiger als Wahlverteidiger an der Anhörung teilgenommen hat und der Grundsatz des fairen Verfahrens nicht, sondern allenfalls das - insoweit aber unbeachtliche - Kosteninteresse des Beschwerdeführers oder des Verteidigers betroffen sein könnte.

Darüber hinaus hält der Senat an seiner Auffassung fest, dass die Beiordnung eines Pflichtverteidigers auch gar nicht geboten war. Nicht jede Regelüberprüfung gemäß § 67e StGB zwingt zur Beiordnung. Dies folgt aus der Entscheidung des Gesetzgebers, nur in den Fällen des § 463 Abs. 3 S. 5 StPO und bei der Regelüberprüfung nach fünfjähriger Unterbringungsdauer (§ 463 Abs. 4 S. 1 StPO) die Bestellung eines Pflichtverteidigers vorzuschreiben (so auch Senat: Ws 333/10 und Ws 122/11; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.02.2010, 3 Ws 81/10, juris, Rn. 5). Die genannten Entscheidungen des Senats, bei denen trotz Unterbringung gemäß § 63 StGB eine Beiordnung abgelehnt wurde, betrafen auch gerade - wie hier - jeweils Fälle, bei dem lediglich von verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) ausgegangen und neben der Unterbringung auch eine Strafe verhängt wurde. Es entspricht weiter der Rechtsprechung des Senats, demjenigen, der wegen einer Straftat, für die er wegen einer Geisteskrankheit nicht verantwortlich gemacht werden kann (§ 20 StGB) im Verfahren über die Fortdauer der Unterbringung regelmäßig - analog § 140 Abs. 2 StPO - einen Verteidiger zu bestellen, wenn die Erkrankung und damit der Zustand gem. § 20 StGB fortdauert. Denn bei einer solchen Person muss grundsätzlich angenommen werden, dass sie bei der erforderlichen Anhörung nicht in der Lage ist, sich mit der Stellungnahme der Klinik auseinanderzusetzen und die Argumente, die zu ihren Gunsten sprechen, darzulegen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.02.2010, 3 Ws 81/10, juris, Rn. 5; Senatsbeschluss vom 31.05.2011, Ws 128/11; bislang unveröffentlicht). Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers ist in diesen Fällen - sofern nicht besondere Umstände vorliegen - nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Artikel 5 Abs. 4 EMRK (EGMR NJW 1992, 2945, 2946), dessen Entscheidungen bei der Auslegung der nationalen Vorschriften zu berücksichtigen sind (BVerfG, IStR 2005, S. 31, 33 [BVerfG 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04]), geboten.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber gerade nicht erfüllt. Es liegt beim Beschwerdeführer zwar eine psychische Erkrankung vor, diese hat aber nur zu einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB), nicht aber zu einem Schuldausschluss geführt. Gerade die situationsgerechten, den Sinn der gestellten Fragen jeweils erfassenden Antworten und Ausführungen des Beschwerdeführers im Anhörungstermin (vorliegend Bl. 121 d. VH.) zeigen, dass er in der Lage war, seine Interessen selbst wahrzunehmen. Dafür spricht im Übrigen auch, dass der Verteidiger an der Anhörung zwar teilgenommen, sich aber ausweislich des Anhörungsvermerks (Bl. 119 - 121 d.VH.) nicht veranlasst gesehen hat, die Anmerkungen des Beschwerdeführers zu korrigieren oder auch nur zu ergänzen.

III.

Da das Rechtsmittel somit erfolglos bleibt, beruht die Kostenentscheidung auf § 473 Abs. 1 StPO.