Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 27.10.2017, Az.: 1 W 31/17

Örtliche Zuständigkeit der Gerichte für Schadensersatzklagen aufgrund von Anlageverlusten im Zuge des sog. Diesel-Abgasskandals

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
27.10.2017
Aktenzeichen
1 W 31/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 34740
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • DStR 2017, 14
  • EWiR 2018, 127
  • NZG 2018, 182
  • ZBB 2018, 134-135
  • ZIP 2018, 348-352

Amtlicher Leitsatz

1. Betroffen im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist der Emittent oder Anbieter, dessen Wertpapier oder sonstige Vermögensanlage Gegenstand der fehlgeschlagenen Kapitalanlage ist.

2. Hieraus folgt eine ausschließliche Zuständigkeit verschiedener Landgerichte für Anlegerklagen aufgrund von Investitionen in verschiedene Aktien, deren Emittenten in verschiedenen Gerichtsbezirken ihren Sitz haben. Es besteht kein Wahlrecht der Kläger zwischen diesen ausschließlichen Gerichtsständen.

3. Bei Vorliegen zweier divergierender ausschließlicher Gerichtsstände gemäß § 32b Abs. 1 ZPO kommt eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht in Betracht. Im Anwendungsbereich von § 32b Abs. 1 ZPO würde eine Gerichtsstandsbestimmung dessen Regelungszweck zuwiderlaufen. Dieser verfolgt die Zielsetzung, sämtliche Anlegerklagen wegen Schäden aufgrund von Investitionen in ein Wertpapier bei einem Gericht zu bündeln.

Tenor:

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der vorliegende Gerichtsstandsbestimmungsantrag steht im Zusammenhang mit den derzeit vor den Braunschweiger und den Stuttgarter Gerichten anhängigen Prozessserien anlässlich der sog. "Dieselthematik". Gegenstand der zahlreichen kapitalmarktrechtlichen Klageverfahren sind Ansprüche auf Schadensersatz wegen angeblich aufgrund von Transaktionen mit V- und/oder PSE-Vorzugsaktien erlittenen Spekulationsverlusten. Die Antragstellerin wird in mehr als 1.500 Ausgangsverfahren vor dem Landgericht Braunschweig und in 112 Ausgangsverfahren vor dem Landgericht Stuttgart teilweise allein, teilweise gemeinsam mit der Beklagten zu 2 auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die geltend gemachten Schäden betreffen sowohl Transaktionen mit V-Aktien als auch Transaktionen mit PSE-Vorzugsaktien. Sowohl das Landgericht Braunschweig als auch das Landgericht Stuttgart haben zwischenzeitlich Vorlagebeschlüsse nach dem KapMuG erlassen. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass für sämtliche Ausgangsverfahren nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO allein das Landgericht Braunschweig zuständig sei.

In dem diesem Bestimmungsverfahren zugrunde liegenden Verfahren 5 O xxxx/16 des Landgerichts Braunschweig beanspruchen die Kläger Schadensersatz gegen die Beklagte zu 1 wegen Investitionen in V- und PSE-Aktien und gegen die Beklagte zu 2 wegen Investitionen in PSE-Aktien.

Die Beklagte zu 1 beantragt,

das Landgericht Braunschweig gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als zuständiges Gericht des Rechtsstreits für beide Beklagte zu bestimmen.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dieser Antrag sei zulässig. Der Antrag könne insbesondere auch von der Beklagtenpartei gestellt werden.

Die Antragsbefugnis bestehe lediglich dann nicht, wenn der Antragsteller kein legitimes Interesse an der Klärung der Zuständigkeitsfrage habe, so dass ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Dies setze indes voraus, dass der Antragsteller das rechtliche Interesse an einer Verfahrenskonzentration auf anderem Wege durchsetzen könne. Diese Möglichkeit bestehe vorliegend aber nicht. Angesichts der rechtsmissbräuchlichen Klageerhebung in unterschiedlichen Gerichtsständen durch die klägerischen Prozessbevollmächtigten, die ihre parallele Inanspruchnahme der Beklagten in Braunschweig und Stuttgart öffentlich als vermeintlich erfolgreiche "Flügelzange" bewerben würden, sei das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin evident. Ein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin ergebe sich insbesondere auch daraus, dass hier entgegen Text, Regelungskontext und Telos des § 32b ZPO widersprechende Entscheidungen mit weitreichenden Folgen drohen würden. Die Antragstellerin habe daher ein überragendes rechtliches Interesse an der gerichtlichen Klärung der Zuständigkeitsfragen durch das Oberlandesgericht Braunschweig. Denn wenn die Kläger durch inkonsistente Klageerhebung bei verschiedenen Gerichten eine Zuständigkeitszersplitterung herbeiführten, müsse es der Antragstellerin möglich sein, diese Zersplitterung wieder zu beseitigen und sämtliche Ausgangsverfahren in ihrem allgemeinen Gerichtsstand zu konzentrieren. Die Antragstellerin habe auch ein schutzwürdiges Interesse an einer einheitlichen Klärung der vorliegenden streitigen Sach- und Rechtsfragen in einem einzigen Musterverfahren, zumal sie auf dessen Einleitung und Durchführung trotz ihrer Beklagtenstellung in den Ausgangsverfahren durch ihr Recht, eigene (ggf. auch ergänzende) Musterverfahrensanträge zu stellen, aktiv Einfluss nehmen könne. Insoweit sei sie ebenfalls "Rechtsuchende" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und damit i.R.d. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO antragsbefugt.

Der Bestimmungsantrag sei auch begründet.

Die Beklagten in den Hauptsacheverfahren, d.h. die Antragstellerin und die Beklagte zu 2 hätten verschiedene allgemeine Gerichtsstände. Der allgemeine Gerichtsstand der Antragstellerin befinde sich im Bezirk des Landgerichts Braunschweig und der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten zu 2 befinde sich im Bezirk des Landgerichts Stuttgart. Die Beklagten seien auch Streitgenossen. Dies ergebe sich daraus, dass beide aus demselben Anlass ("Diesel-Thematik") wegen behaupteter Verletzung von Ad-hoc-Pflichten verklagt würden und somit ein Fall der Gleichartigkeit im Sinne des § 60 ZPO vorliege. Im vorliegenden Fall bestehe zwar nach zutreffender Auffassung ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand der Antragstellerin und der Beklagten zu 2 für das Ausgangsverfahren am allgemeinen Gerichtsstand der Antragstellerin beim Landgericht Braunschweig. Aufgrund der bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Unsicherheiten sei ein Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aber gleichwohl geboten.

Die Antragstellerin vertritt die Rechtsauffassung, § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründe eine gerichtliche Zuständigkeit für alle Streitgenossen am Sitz des "Ankerbeklagten". Seien zwei Emittenten im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO wegen desselben Kerngeschehens gemeinsam als Streitgenossen verklagt, sei der primär betroffene Emittent als "Ankerbeklagte" anzusehen.

Als zuständiges Gericht sei das Landgericht Braunschweig zu bestimmen. Es sei allein derjenige Emittent "betroffen" im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, dessen Unternehmensdaten und -informationen für die kapitalmarktrechtliche Bewertung der Klageansprüche maßgeblich seien. Dies seien vorliegend praktisch ausschließlich Unternehmensinformationen der Antragstellerin.

Die vorstehende Auslegung folge aus dem Normzweck des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bestehe der Normzweck des § 32b ZPO darin, eine Vielzahl individueller Anlegerklagen wegen kapitalmarktrechtlicher Streuschäden in einem einzigen Gerichtsstand zu konzentrieren, um eine Zersplitterung der örtlichen Zuständigkeiten sowie die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen zu vermeiden. Die Erfüllung dieses Normzwecks erfordere zwingend, dass möglichst alle sachlich zusammenhängenden individuellen Anlegerklagen in einem einzigen Gerichtsstand kanalisiert und gebündelt würden. Auch bei mehreren potentiell "betroffenen" Emittenten mit unterschiedlichen Sitzgerichtsständen müsse daher eine Konzentration bei einem Gericht erfolgen. Eine Parallelität mehrerer dasselbe Kerngeschehen betreffender Prozessserien an unterschiedlichen Gerichtsständen widerspräche evident dem Sinn und Zweck des § 32b ZPO. Hierfür spreche auch das von dem Gesetzgeber mit der Schaffung des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO verfolgte Ziel der Ressourcenschonung.

Dieses Ergebnis werde durch eine systematische Auslegung des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO bestätigt. Denn § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründe einen ausschließlichen Gerichtsstand der passiven Streitgenossenschaft am Sitz des jeweiligen "Anker-" oder "Hauptbeklagten". Folglich würden nicht nur die unmittelbar gegen den Ankerbeklagten gerichteten Klagen in dessen allgemeinem Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) gebündelt, sondern auch alle sonstigen sachlich zusammenhängenden Klagen gegen andere Beklagte. Die Regelung des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründe somit eine "Annexzuständigkeit" für sachlich eng zusammenhängende kapitalmarktrechtliche Klagen, bei denen der jeweilige Hauptbeklagte gleichzeitig der "Ankerbeklagte" für alle weiteren Klagen gegen etwaige weitere Beklagte sei, sofern zwischen den jeweiligen Einzelklagen ein (enger) Sachzusammenhang bestehe. Die Ankerfunktion des betreffenden Hauptbeklagten führe dazu, dass mehrere Beklagte mit unterschiedlichen allgemeinen Gerichtsständen i.S.d. §§ 12, 17 ZPO stets gemeinsam im allgemeinen Gerichtsstand des Ankerbeklagten zu verklagen seien. Um eine Aushöhlung der von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO intendierten Verfahrenskonzentration zu verhindern, sei die Vorschrift auch in den Fällen, in denen mehrere Beklagte Emittenten im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO seien, anzuwenden. In diesem Fall müsse lediglich nach den maßgeblichen teleologischen und systematischen Kriterien entschieden werden, am Sitzgerichtsstand welches Beklagten der Rechtsstreit zu konzentrieren sei.

Für die Betroffenheit sei ausschließlich das Kriterium maßgeblich, bei welchem Emittenten die Unternehmensdaten und -informationen vorlägen, die für die kapitalmarktrechtliche Beurteilung des Falles relevant seien. Demgegenüber sei das "Finanzinstrument", dessen Kursverluste klageweise geltend gemacht würden, als Anknüpfungskriterium für die "Betroffenheit" im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO völlig untauglich. Dies würde nämlich der in Fällen des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gesetzgeberisch nicht erwünschten "Verfahrenzersplitterung" geradezu Vorschub leisten. Denn bei zwei Emittenten gäbe es zwangsläufig stets zwei "Finanzinstrumente", so dass für die Frage in welchem der beiden in Betracht kommenden allgemeinen Gerichtsständen die Anlegerklagen zu konzentrieren seien, nichts gewonnen würde. Die Verfahrenskonzentration am Sitz des "Ankerbeklagten" folge ferner auch aus der Verfahrensstruktur des Kapitalanleger-Musterverfahrens. Denn ein Musterverfahren nach dem KapMuG könne nur dann sachgerecht durchgeführt werden, wenn die entscheidungserheblichen Sach- und Rechtsfragen von einem Ausgangsgericht formuliert und dem Oberlandesgericht vorgelegt würden. Die Zuständigkeitskonzentration solle zudem die Abwicklung der Ausgangsverfahren in der ersten Instanz erleichtern, indem beweiserhebliche Fragen durch ein gemeinsames Sachverständigengutachten geklärt werden könnten.

Die Anknüpfung an den Sitz des jeweiligen primär betroffenen Emittenten in den Fällen der passiven Streitgenossenschaft mehrerer Emittenten entspreche auch der deliktischen Rechtsnatur der ausschließlichen Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Denn diese Vorschrift begründe in der Sache für all jene potentiellen Streitgenossen, die nicht "Ankerbeklagte" seien, einen ausschließlichen "besonderen" Deliktsgerichtsstand am Sitz des Ankerbeklagten. Der Gesetzgeber habe nämlich zutreffend erkannt, dass sich die Ziele des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht verwirklichen ließen, wenn einzelne Sachverhalte, aus denen die Kläger jeweils einen Anspruch oder mehrere Ansprüche im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gegen mehrere potentielle Streitgenossen mit verschiedenen allgemeinen Gerichtsständen ableiten würden, von mehreren Gerichten verhandelt werden könnten. Besondere Bedeutung habe in diesem Zusammenhang der Gesichtspunkt der Sach- und Beweisnähe. Besondere Deliktsgerichtsstände würden insbesondere mit der Erwägung gerechtfertigt, dass dasjenige Gericht am besten geeignet sei, über einen deliktischen Anspruch zu entscheiden, das aufgrund seiner größeren Nähe zum deliktischen Geschehen regelmäßig besser als das Gericht am Beklagtensitz in der Lage sei, einen Sachverhalt aufzuklären, über ihn Beweis zu erheben und ihn zu entscheiden. Dieselben Überlegungen hätten den Gesetzgeber auch bei der Schaffung des § 32b ZPO geleitet.

Auch unabhängig von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO und den mit dieser Norm verbundenen teleologischen und systematischen Erwägungen sei es aufgrund allgemeiner Zweckmäßigkeitserwägungen nach der zu § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ergangenen Rechtsprechung geboten, das Landgericht Braunschweig am allgemeinen Gerichtstand der Antragstellerin als allein für das Ausgangsverfahren zuständig zu bestimmen.

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO habe stets nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Prozesswirtschaftlichkeit zu erfolgen. Der Rechtsstreit und die zugrunde liegende Dieselthematik seien für die Antragstellerin von überragender Bedeutung. Die Beklagte zu 2 sei hingegen allenfalls reflexhaft von der Dieselthematik betroffen. Außer im Rahmen der Anlegerklagen sei sie rechtlich nicht in die Dieselthematik involviert. Sie könne deshalb auch nichts zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen. Für die Bestimmung des Landgerichts Braunschweig sprächen neben dem Sinn und Zweck des KapMuG und des § 32b ZPO (siehe oben) auch die Vielzahl der beim Landgericht Braunschweig bereits anhängigen Parallelverfahren. Auch der örtliche Schwerpunkt des vorliegenden Rechtsstreits sei eindeutig bei der Antragstellerin zu lokalisieren. Die materiell-rechtliche Frage, ob ein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Kapitalmarktinformationen gegen die Antragstellerin und die Beklagte zu 2 bestehe, setze voraus, dass die Antragstellerin ihre kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten verletzt habe. Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2 könne somit, wenn überhaupt, in diesem Fall nur gegeben sein, wenn auch die Antragstellerin hafte. Umgekehrt hätten die Geschehnisse bei der Beklagten zu 2 keinerlei Bedeutung für die Haftung der Antragstellerin. Der lokale Schwerpunkt beim Landgericht Braunschweig werde ferner auch durch die Beweisnähe deutlich. Die entscheidenden Unterlagen befänden sich am Sitz der Antragstellerin und zur Aufklärung des Vorfalls könnten nur Zeugen beitragen, die bei der Antragstellerin tätig seien oder tätig gewesen seien. Es sei schließlich zu berücksichtigen, dass für die Antragstellerin und ihre Aktionäre nach § 29 der Satzung der Antragstellerin für Schadenersatzklagen wegen unterlassener Kapitalmarktinformationen ein ausschließlicher Gerichtsstand am Sitz der Antragstellerin gelte. Hieraus ergebe sich eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung für Klagen von Aktionären gegen die Antragstellerin. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne ein Gericht im Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung deshalb nur das Gericht am Sitz der Antragstellerin als zuständig bestimmen.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Bestimmung des Landgerichts Braunschweig als gesamthaft zuständiges Gericht für das Ausgangsverfahren werde auch nicht durch den Stuttgarter Vorlagebeschluss infrage gestellt. Dem Erlass des Stuttgarter Vorlagebeschlusses habe die Sperrwirkung des Braunschweiger Vorlagebeschlusses entgegengestanden. Schon deshalb habe er nicht herangezogen werden könne, um die Zuständigkeitsthese der Beklagten zu 2 zu stützen. Der Stuttgarter Vorlagebeschluss sei darüber hinaus in vielerlei Hinsicht rechtlich hochproblematisch. Nicht zuletzt aufgrund seiner gravierenden rechtlichen Mängel sei der Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart für die Beurteilung der vorliegend zu klärenden Zuständigkeitsfrage vollkommen unerheblich.

Die Antragstellerin ist ferner der Auffassung, es bestehe ein dringendes Bedürfnis, das vorliegende Gerichtsstandsbestimmungsverfahren im Wege der Divergenzvorlage dem BGH vorzulegen. Die beiden mittlerweile mit der Frage der örtlichen Zuständigkeit und der Auslegung des § 32b ZPO parallel befassten Oberlandesgerichte könnten theoretisch zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. In diesem Fall wäre jedenfalls das zeitlich etwas später entscheidende Oberlandesgericht nach § 36 Abs. 3 ZPO verpflichtet, das Verfahren dem Bundesgerichtshof vorzulegen, falls es von der zeitlich vorangehenden Entscheidung abweichen wolle. Da es letztlich vom Zufall abhänge, welches Gericht zuerst entscheide und das andere Oberlandesgericht die zufällig zeitlich kurz zuvor ergangene Entscheidung des anderen Oberlandesgerichts möglicherweise noch gar nicht kenne, sei eine unbeabsichtigte Regelungslücke anzunehmen, die nur durch eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 3 ZPO geschlossen werden könne. Eine Vorlage an den BGH sei vorliegend deshalb auch ohne eine vorherige abweichende Entscheidung durch das jeweils andere mit der Frage der Zuständigkeit und der Auslegung des § 32b ZPO befasste Oberlandesgericht geboten. Eine Klärung durch den BGH sei insbesondere auch deshalb geboten, weil eine Perpetuierung rechtswidriger Zustände drohe, da zwei sich bezüglich der zu klärenden Tatsachenfragen überschneidende, widersprüchliche Vorlagebeschlüsse existierten, deren Wirksamkeit und Reichweite derzeit vollkommen ungewiss sei.

Schließlich beantragt die Antragstellerin, über den vorliegenden Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung mündlich zu verhandeln. Das Gerichtsstandsbestimmungsverfahren sei für sie von überragender rechtlicher und wirtschaftlicher Bedeutung. Eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren sei der Bedeutung der anstehenden Entscheidung nicht angemessen.

Die Kläger schließen sich dem Antrag der Beklagten zu 1 auf Bestimmung des Landgerichts Braunschweig gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an.

Die Beklagte zu 2 vertritt die Rechtsauffassung, für sie bestehe eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Soweit im zugrunde liegenden Rechtsstreit Schäden in Vorzugsaktien der Beklagten zu 2 geltend gemacht würden, sei diese der betroffene Emittent im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Nach der Rechtsprechung sei betroffener Emittent im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO das Unternehmen, auf dessen Wertpapiere sich die streitgegenständliche vermeintlich unterlassene Kapitalmarktinformation ausgewirkt haben soll. Diese Auffassung werde auch von der Literatur geteilt. Für die Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 ZPO komme es mithin bei Klagen bezogen auf angebliche Schäden in Vorzugsaktien der Beklagten zu 2, die auf angeblich unterlassene Kapitalmarktinformationen gestützt würden, auf den Sitz der Beklagten zu 2 an. Dieses Ergebnis entspreche dem Willen des Gesetzgebers. Ziel des § 32b ZPO sei es, Verfahren hinsichtlich einer öffentlichen Kapitalmarktinformation an einem Ort zu bündeln. Dadurch sollten divergierende Entscheidungen verschiedener Gerichte hinsichtlich einer Kapitalmarktinformation verhindert werden. Darüber hinaus wolle der Gesetzgeber durch die Bestimmung eines ausschließlich zuständigen Gerichts für eine Kapitalmarktinformation eine effiziente und kostengünstige Durchführung der einzelnen Verfahren ermöglichen. Insbesondere sollten etwaige Beweisaufnahmen erleichtert werden.

Der Wille des Gesetzgebers führe im vorliegenden Rechtsstreit zur ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart, jedenfalls hinsichtlich der Beklagten zu 2. Etwa relevante Unternehmensdaten der Beklagten zu 2 befänden sich an ihrem Sitz, der im Gerichtsbezirk des Landgerichts Stuttgart liege. Das gelte insbesondere für die (zu verneinende) Frage, ob und inwieweit die Beklagte zu 2 zurechenbare Kenntnis von den internen Vorgängen bei der Antragstellerin hinsichtlich der Dieselthematik gehabt habe. Ebenso könne nur anhand der Unternehmensdaten der Beklagten zu 2 entschieden werden, inwieweit die Beklagte zu 2 von den angeblichen internen Vorgängen bei der Antragstellerin unmittelbar betroffen im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 3 WpHG a.F. sei.

Der systematische Zusammenhang des § 32b ZPO mit dem KapMuG bestätige die Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart hinsichtlich der Beklagten zu 2. Das KapMuG ziele darauf ab, Rechts- und Tatsachenfragen zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation und ihrer angeblichen Auswirkungen gemeinsam zu verhandeln und zu entscheiden. Durch die Bündelung sollten nicht nur die Ausgangsverfahren, sondern auch etwaige Musterverfahren effizienter geführt werden können. Wegen angeblicher Schäden in Vorzugsaktien der Beklagten zu 2 erhobene Klagen seien nach richtigem Verständnis allesamt beim Landgericht Stuttgart zu erheben. Damit trete die vom Gesetzgeber angestrebte Bündelung ein. Das Gericht, das einen Vorlagebeschluss erlasse, entscheide dann auch über eine Aussetzung der Ausgangsverfahren nach § 8 Abs. 1 KapMuG.

Der durch das Landgericht Stuttgart am 28.02.2017 erlassene Vorlagebeschluss werde auch zu einer Verhandlung und Entscheidung von Feststellungszielen hinsichtlich der Beklagten zu 2 am Oberlandesgericht Stuttgart führen. Der Braunschweiger Vorlagebeschluss entfalte keine Sperrwirkung. Insbesondere liege den beiden Vorlagebeschlüssen kein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde. Gemäß § 7 KapMuG sperre ein Vorlagebeschluss die Durchführung eines weiteren Musterverfahrens aber nur dann, wenn beide Musterverfahren den gleichen Lebenssachverhalt beträfen. Maßgebliches Abgrenzungskriterium zwischen gleichem und ungleichem Lebenssachverhalt sei die in Rede stehende Kapitalmarktinformation bzw. der Informationsträger, der sie verkörpere. Bei den streitgegenständlichen, vermeintlich gebotenen Ad-hoc-Mitteilungen handele es sich um unterschiedliche Kapitalmarktinformationen der Antragstellerin einerseits und der Beklagten zu 2 andererseits. Der Braunschweiger Vorlagebeschluss beschäftige sich insbesondere damit, inwieweit bestimmte tatsächliche Vorgänge im Zusammenhang mit der Dieselthematik veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen darstellten und daher von der Antragstellerin durch eine Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen gewesen wären. Angebliche Ad-hoc-Pflichtverletzungen der Beklagten zu 2 seien nicht Gegenstand des Braunschweiger Vorlagebeschlusses. Demgegenüber betreffe der Stuttgarter Vorlagebeschluss Fragen der Haftung der Beklagten zu 2. Im Hinblick auf diese stelle sich (nur) die Frage, ob sie von internen Vorgängen bei der Antragstellerin sowie von Vorgängen bezogen auf die Antragstellerin überhaupt unmittelbar betroffen im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 3 WpHG a. F. sein könne.

Damit gehe es um unterschiedliche Feststellungsziele, unterschiedliche Prüfprogramme für die Gerichte und, wenn Ad-hoc-Mitteilungen geschuldet gewesen wären, auch um unterschiedliche öffentliche Kapitalmarktinformationen. Es fehle daher nicht nur an gleichgerichteten Musterverfahrensanträgen (§ 4 Abs. 1 KapMuG), sondern die Entscheidung des Rechtsstreits und der weiteren gegen die Beklagte zu 2 wegen angeblicher Schäden in von der Beklagten zu 2 emittierten Aktien gerichteten Klagen sei auch nicht von der Entscheidung über die Feststellungsziele des Braunschweiger Vorlagebeschlusses abhängig (§ 8 Abs. 1 KapMuG).

Eine andere Bewertung folge auch nicht aus dem Feststellungsziel XXIV. des Braunschweiger Vorlagebeschlusses. Mit diesem Feststellungsziel begehrten die Kläger die Feststellung, dass die Antragstellerin auch für Schäden von Anlegern hafte, die Vorzugsaktien der Beklagten zu 2 (und gerade keine Aktien der Antragstellerin) erworben hätten. Den Klägern gehe es dabei jedoch ausschließlich um angebliche Ad-hoc-Pflichtverletzungen der Antragstellerin.

Eine Zuständigkeit des Landgerichts Braunschweig lasse sich auch nicht dadurch begründen, dass die Beklagte zu 2 im Zusammenhang mit der "Dieselthematik" in sechs Verfahren vor dem Landgericht Braunschweig verklagt würde. Das Landgericht Braunschweig sei gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG unzuständig, soweit die Kläger gegenüber der Beklagten zu 2 angebliche Schäden in Vorzugsaktien der Beklagten zu 2 geltend machten. Insoweit seien die gegen die Beklagte zu 2 gerichteten Klagen vor dem Landgericht Braunschweig schlicht zurückzuweisen. Anlass oder Rechtfertigung für einen Antrag nach § 36 ZPO bestehe nicht. Von der (ausschließlichen) gesetzlichen Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart könne nicht aufgrund angeblicher Effizienzgesichtspunkte abgewichen werden. Diese bestünden im Übrigen auch im Hinblick auf die Beklagte zu 2 und die gegen sie gerichteten Klagen wegen angeblicher Schäden in Vorzugsaktien nicht. Vielmehr würden es Effizienzgesichtspunkte (in Übereinstimmung mit der Gesetzeslage) gebieten, die derzeit in Braunschweig anhängigen Verfahren hinsichtlich der Beklagten zu 2 und der von ihr emittierten Wertpapiere an das Landgericht Stuttgart zu verweisen. Am Landgericht Stuttgart seien im Zusammenhang mit der Dieselthematik ca. 160 Verfahren gegen die Beklagte zu 2 anhängig. Es habe dort auch am 30.09.2016 bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden. In diesen Verfahren würden (angebliche) Ad-hoc-Pflichtverletzungen der Beklagten zu 2 und angeblich daraus folgende Schäden in Vorzugsaktien der Beklagten zu 2 behandelt.

Gleiches gelte mutatis mutandis auch für die Antragstellerin, soweit Ansprüche gegen sie im Hinblick auf vermeintliche Schäden in ihren Aktien bzw. aufgrund angeblich unterlassener Ad-Hoc-Mitteilungen geltend gemacht würden. Aus der Tatsache, dass für Klagen im Zusammenhang mit der "Dieselthematik" hinsichtlich der Antragstellerin das Landgericht Braunschweig und hinsichtlich der Beklagten zu 2 das Landgericht Stuttgart ausschließlich örtlich zuständig seien, folge indes gerade nicht die Notwenigkeit einer Gerichtsstandsbestimmung für solche Verfahren nach § 36 ZPO. Es sei Sache eines Klägers, die beklagte Partei vor dem zuständigen Gericht zu verklagen. Ein Wahlrecht habe die Klägerseite nur, falls es mehrere zuständige Gerichte geben sollte. Das sei vorliegend nicht der Fall. Eine Gerichtsstandsbestimmung komme nach dem klaren Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch nur in Betracht, wenn es um verschiedene allgemeine Gerichtsstände gehe und für die Beklagten kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand begründet sei. Dies sei bei Klagen im Zusammenhang mit der "Dieselthematik" nicht der Fall. Für beide Beklagte sei vorliegend eine ausschließliche Zuständigkeit (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO) begründet.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Rechtsprechung, wonach ausnahmsweise bei Vorliegen einer ausschließlichen Zuständigkeit eine Gerichtsstandsbestimmung möglich sein soll. Diese Entscheidungen beträfen entweder Verfahren, in denen lediglich für einen der Streitgenossen eine ausschließliche Zuständigkeit vorgelegen habe oder in denen es um Fragen der sachlichen Zuständigkeit gegangen sei. Diese Entscheidungen seien nicht auf den Fall übertragbar, dass für beide Beklagte eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit begründet sei.

II.

Der Gerichtsstandsbestimmungsantrag gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist zurückzuweisen.

1. Das Oberlandesgericht Braunschweig ist für die Gerichtsstandsbestimmung zuständig. Das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht für die beiden Beklagten ist der Bundesgerichtshof. Gemäß § 36 Abs. 2 ZPO ist in diesem Fall das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht zu bestimmen, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört. Da im vorliegenden Fall zunächst das Landgericht Braunschweig mit der Sache befasst war, ist dies das Oberlandesgericht Braunschweig.

2. Es kann hier dahinstehen, ob die Beklagte zu 1 in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren antragsbefugt ist. Die Kläger haben sich nämlich dem Bestimmungsantrag der Beklagten zu 1 angeschlossen.

3. Eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wäre im vorliegenden Verfahren jedoch mit Sinn und Zweck des § 32b ZPO nicht vereinbar. Aus § 32b ZPO folgt eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Braunschweig für Anlegerklagen aufgrund von Investitionen in V-Aktien und des Landgerichts Stuttgart für Anlegerklagen aufgrund von Investitionen in PSE-Aktien. Der Bestimmung eines für beide Beklagte zuständigen gemeinsamen Gerichtsstands unabhängig von der Frage, welche Wertpapiere jeweils betroffen sind, steht die Konzentrations- und Bündelungsfunktion des § 32b ZPO entgegen.

a) Es besteht kein gemeinsamer Gerichtsstand der Parteien gemäß § 32b ZPO bei dem Landgericht Braunschweig. Aus § 32b ZPO folgt vielmehr eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Braunschweig für Anlegerklagen aufgrund von Investitionen in V-Aktien und des Landgerichts Stuttgart für Anlegerklagen aufgrund von Investitionen in PSE-Aktien.

Gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist bei Klagen, bei denen ein Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend gemacht wird, das Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten [....] zuständig, wenn sich dieser Sitz im Inland befindet und die Klage sich zumindest auch gegen den Emittenten [...] richtet.

Nach der Begriffsdefinition in § 2 Nr. 9 Wertpapierprospektgesetz (WpPG) ist Emittent derjenige, der ein Wertpapier begibt oder zu geben beabsichtigt. Diese Legaldefinition findet auch im Rahmen des § 32b Abs. 1 ZPO Anwendung (vgl. BGH, Beschluss vom 30.07.2013 - X ARZ 320/13, juris-Rn. 10).

Betroffen im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist nach überwiegender Ansicht der Emittent oder Anbieter, dessen Wertpapier oder sonstige Vermögensanlage Gegenstand der fehlgeschlagenen Kapitalanlage ist (Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 28.02.2017 - 22 AR 1/17 Kap; Beschluss vom 03.05.2011 - 12 O 3/11 sowie Beschluss vom 29.02.2012 - 21 O 13/12; Landgericht Braunschweig, Beschluss vom 04.03.2015 - 5 O 2077/11; BeckOK ZPO/Toussaint, Stand: 01.03.2017, § 32b Rn. 14; Wieczorek/Schütze/Reuschle/Kruis, 4. Aufl., § 32b ZPO Rn. 82).

Nach anderer Ansicht bezeichnet das Tatbestandsmerkmal der "Betroffenheit" die nach den einschlägigen Haftungsvorschriften verklagte Partei (Hess, in: Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl., § 32b Rn. 10; Cuypers, in: Gerichtliche Zuständigkeit bei fehlgeschlagenen Kapitalanlagen, WM 2007, 1446, 1456).

Die Beklagte zu 1 führt eine - soweit ersichtlich - bislang noch nicht vertretene Auslegung des Tatbestandsmerkmal der "Betroffenheit" ein. Sie knüpft zwar zunächst an die vorgenannte Auffassung an ("denn betroffen i.S.d. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist im Fall einer angeblich pflichtwidrig unterlassenen Ad-hoc-Mitteilung stets der verklagte Emittent, der die betreffende Ad-hoc-Mitteilung nach dem jeweiligen Klagvorbringen hätte veröffentlichen sollen, Schriftsatz vom 22.03.2017, Rn. 94). Sie knüpft dabei aber nicht an die Eigenschaft als Beklagte in dem konkreten Rechtsstreit an, sondern an die Eigenschaft als Beklagte eines Rechtsstreits in dem gesamten sog. "Dieselkomplex". Nur so lässt sich erklären, dass die Beklagte zu 1 hieraus eine Zuständigkeit des Landgerichts Braunschweig für "sämtliche Verfahren im Zusammenhang mit der Dieselthematik" (also auch für die Verfahren, an denen sie nicht beteiligt ist) herleitet (z.B. Schriftsatz vom 09.06.2017 Rn. 16). Nach der Auffassung der Beklagten zu 1 liegen danach in allen Verfahren im Zusammenhang mit der "Dieselthematik" zwei betroffene Emittenten vor. In einem solchen Fall sei für die Zuständigkeit ausschließlich maßgeblich, bei welchem Emittenten die Unternehmensdaten und Informationen vorlägen, die für die kapitalmarktrechtliche Beurteilung des Falles relevant seien (sog. "primär betroffener Emittent" oder "Ankerbeklagter").

Der Senat folgt der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, wonach betroffener Emittent im Sinne des § 32b ZPO derjenige ist, dessen Wertpapier oder sonstige Vermögensanlage Gegenstand der fehlgeschlagenen Kapitalanlage ist. Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift. Dieser bezeichnet die aufgezählten Emittenten, Anbieter und Zielgesellschaft gerade nicht als "beklagte" oder "verklagte". Dies hätte sich aber aufgedrängt, wenn dies das maßgebliche Differenzierungskriterium hätte sein sollen. Der Gesetzgeber hat vielmehr mit dem Tatbestandsmerkmal der Betroffenheit des Emittenten den notwendigen Bezug zwischen der (unterlassenen) Kapitalmarktinformation und ihrer Auswirkung auf die Vermögens-, Ertrags- oder Finanzlage des allgemeinen Geschäftsverlaufs des Emittenten hergestellt (vgl. auch LG Stuttgart, Beschluss vom 03.05.2011 - 12 O 3/11).

Die Auffassung, wonach betroffener Emittent im Sinne des § 32b ZPO derjenige ist, dessen Wertpapier oder sonstige Vermögensanlage Gegenstand der fehlgeschlagenen Kapitalanlage ist, steht auch mit Sinn und Zweck des § 32b ZPO in Einklang. Ziel dieser Vorschrift ist es, Verfahren hinsichtlich einer öffentlichen Kapitalmarktinformation an einem Ort zu bündeln. Dadurch soll eine Zersplitterung der örtlichen Zuständigkeit auf Grund verschiedener Gerichtsstände vermieden werden (BT-Druck. 15/5091 S. 33, BGH, Beschluss vom 30.07.2013 - X ARZ 320/13). Die Bündelung soll auch der Beschleunigung und der Kostenersparnis, insbesondere durch Erleichterung der Beweisaufnahme, dienen (BT-Drucks. a.a.O.). Die vorgenannte Rechtsauffassung führt zu der von der Norm intendierten Konzentration aller Schadensersatzklagen in Bezug auf das von einer (unterlassenen) Kapitalmarktinformation betroffene Wertpapier am Sitz des Emittenten. Diese Konzentration beruht auf der typisierten Betrachtung, dass es sich bei dem Sitz des Emittenten der betroffenen Wertpapiere in der Regel um den Ort- der Sach- und Beweisnähe handelt.

Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, diese Ansicht führe in den Fällen, in denen innerhalb eines Lebenssachverhalts die Wertpapiere von zwei (oder mehr) Emittenten betroffen seien, zu einer dem Normzweck des § 32b ZPO widersprechenden Zuständigkeitszersplitterung, ergibt sich hieraus keine andere Bewertung.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin lässt sich der Regelung in § 32b ZPO schon nicht entnehmen, dass der gesetzgeberische Wille darauf gerichtet war, unter allen Umständen zu vermeiden, dass im Anwendungsbereich von § 32b ZPO innerhalb eines einheitlichen Lebenssachverhalts unterschiedliche Zuständigkeiten für Anlegerklagen entstehen könnten. Im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 32b ZPO sind unterschiedliche Konstellationen denkbar, in denen innerhalb desselben einheitlichen Lebenssachverhalts eine ausschließliche Zuständigkeit mehrerer Gerichte begründet wird. Dies betrifft etwa die Fälle, dass der Sitz des Emittenten bzw. Anbieters und der Sitz der Fondsgesellschaft auseinanderfallen (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 09.05.2016 - 2 AR 18/16), dass ein Ankerbeklagter mehrere Sitze hat (vgl. Heinrich, in: Musielak/Voit, 14. Aufl., § 32b Rn. 3; Zöller/Vollkommer, 31. Aufl., § 32b Rn. 7) oder dass sowohl ein Emittent als auch ein Anbieter vorhanden sind und beide ihren Sitz in verschiedenen Gerichtsbezirken haben (vgl. Toussaint, in: BeckOKZPO, Stand 01.03.2017, § 32b Rn. 23).

Der Gesetzgeber hat dies auch erkannt. Dies folgt aus der Regelung in § 6 Abs. 2 KapMuG. Danach ist für den Vorlagebeschluss das Prozessgericht zuständig, bei dem der erste bekannt gemachte Musterverfahrensantrag gestellt wurde. Diese Vorschrift geht ersichtlich von der Möglichkeit aus, dass - trotz der Verfahrenskonzentration in § 32b ZPO - eine Zuständigkeit unterschiedlicher Ausgangsgerichte bestehen kann. Gleiches gilt für § 7 S. 1 KapMuG. Dieser enthält die Regelung, dass mit Erlass des Vorlagebeschlusses die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens für die gemäß § 8 Absatz 1 auszusetzenden Verfahren unzulässig ist. Auch dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer ausschließlichen Zuständigkeit mehrerer Gerichte gesehen hat. In der Gesetzesbegründung ist auch explizit von "den Prozessgerichten" im Plural die Rede (BT-Drucks. 15/5091, S. 24). Zwar wird sowohl in der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 2 KapMuG als auch in der Gesetzesbegründung zu § 7 S. 1 KapMuG ausdrücklich nur der Fall der Beteiligung eines ausländischen Emittenten genannt, für den eine Verfahrensbündelung durch § 32b ZPO nicht erreicht werde (BT-Drucks. 15/5091, S. 23, 24). In Bezug auf § 7 S. 1 KapMuG heißt es aber, die Gefahr parallel laufender Musterverfahren bestehe "besonders" bei der Inanspruchnahme eines ausländischen Emittenten (BT-Drucks. 15/5091, S. 23). Sie ist auf diese Fälle also aus Sicht des Gesetzgebers nicht beschränkt.

Unabhängig hiervon erscheint es kaum vorstellbar, dass der Gesetzgeber nicht die Möglichkeit gesehen haben könnte, dass ein Ankerbeklagter mehrere Sitze haben könnte, der Sitz des Emittenten bzw. Anbieters und der Sitz der Fondsgesellschaft auseinanderfallen können oder dass sowohl ein Emittent als auch ein Anbieter vorhanden sind und beide ihren Sitz in verschiedenen Gerichtsbezirken haben. In all diesen Fällen führt § 32b ZPO zu einer ausschließlichen Zuständigkeit mehrerer Gerichte. Trotz dieses Umstandes hat der Gesetzgeber keine Regelung geschaffen, um hier eine weitergehende Konzentration sicherzustellen. Der Gesetzgeber hat somit offenbar im Hinblick auf die in § 7 S. 1 KapMuG gewährleistete Bündelung der einen einheitlichen Lebenssachverhalt betreffenden Verfahren auf der Ebene des Musterverfahrens die Möglichkeit einer divergierenden ausschließlichen Zuständigkeit auf der Ebene der Ausgangsgerichte in Ausnahmefällen in Kauf genommen.

Unabhängig hiervon führt auch und gerade das der Auffassung der Antragstellerin zugrunde liegende Rechtsverständnis, wonach das Tatbestandsmerkmal "betroffener Emittent" die nach den einschlägigen Haftungsvorschriften verklagte Partei ist, zu mit den Regelungszielen des § 32b ZPO nicht zu vereinbarenden Zuständigkeitsaufspaltungen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn verschiedene Marktakteure, von denen keiner Emittent ist, in gemeinsamer Absprache die Beeinflussung des Börsenkurses eines Unternehmens erwägen. Nach der Rechtsansicht der Antragstellerin würde es in diesem Fall an einem betroffenen Emittenten fehlen. Haftungsansprüche gegen die Marktakteure könnten dann nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20a WpHG an verschiedenen Gerichtsständen nach §§ 12, 32 ZPO geltend gemacht werden (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 03.05.2011 - 12 O 3/11 sowie Beschluss vom 29.02.2012 - 21 O 13/12).

Aber auch wenn es sich bei den handelnden Marktakteuren in dem vorgenannten Beispiel selbst um Emittenten handelt, führt die Rechtsansicht, wonach betroffener Emittent die nach den einschlägigen Haftungsvorschriften verklagte Partei ist, zu der von der Antragstellerin beschriebenen Zuständigkeit mehrerer Gerichte innerhalb desselben Lebenssachverhalts. Die Zuständigkeit würde sich dann nämlich schlicht danach richten, gegen welchen von mehreren beteiligten Emittenten die Schadensersatzklage gerichtet wird. Es würde dann sogar eine Zuständigkeit mehrerer Gerichte für Ansprüche aufgrund von Schäden in den Wertpapieren desselben Emittenten bestehen, wenn aufgrund dieser Schäden zwei oder mehrere Emittenten jeweils an ihrem Sitz verklagt würden. Richtet der Kläger seine Klage in diesem Fall gegen mehrere Emittenten, die ihren Sitz in unterschiedlichen Landgerichtsbezirken haben, gleichzeitig, wäre für diesen Rechtsstreit jedes dieser Landgerichte ausschließlich zuständig (vgl. LG Stuttgart, a.a.O.). Dies würde dem Gesetzeszweck der Kanalisation eindeutig widersprechen.

An diesem Ergebnis ändert sich zunächst auch dann nichts, wenn man die Rechtsauffassung der Beklagten zu 1 zugrunde legt, wonach bei mehreren betroffenen Emittenten ein "primär betroffener" Emittent oder "Ankerbeklagter" zu ermitteln sei. Diese Rechtsansicht setzt nämlich die Prämisse voraus, dass überhaupt mehrere "betroffene Emittenten" vorliegen. Dies ist aber - nach der auf die Parteistellung der Emittenten abstellenden Rechtsauffassung - gerade nicht der Fall, wenn die Emittenten separat an ihren Sitzen in Anspruch genommen würden.

Die beschriebene Zuständigkeitsspaltung ließe sich folglich allenfalls dann vermeiden, wenn man - in diesem Sinne versteht der Senat die Argumentation der Beklagten zu 1 - das Tatbestandsmerkmal des "betroffenen Emittenten" von dem konkreten Rechtsstreit lösen und den "primär betroffenen" Emittenten unabhängig von dem konkreten Rechtsstreit anhand des gesamten zugrunde liegenden "einheitlichen Lebenssachverhalts" beurteilen würde. Nur dann wäre die Qualifizierung als "hauptbetroffener" bzw. "primär betroffener" Emittent sowohl unabhängig von der Beteiligung an dem konkreten Rechtsstreit als auch unabhängig von der Frage, aufgrund von Schäden in welchen Wertpapieren Ansprüche geltend gemacht werden.

Diese Rechtsauffassung würde aber nur in den Fällen ein taugliches Abgrenzungskriterium bieten, in denen sich (wie dies aufgrund der spezifischen Besonderheiten in dem "Dieselkomplex" der Fall sein mag) ein "primär betroffener" Emittent eindeutig und ohne weiteres feststellen lässt. Ist dies nicht der Fall, bietet die Rechtsauffassung der Beklagten zu 1 weder eine hinreichend zuverlässige Bestimmung des die ausschließliche Zuständigkeit begründenden Tatbestandsmerkmals des "betroffenen Emittenten" noch gewährleistet sie die erwünschte Verfahrenskonzentration. Es würde dann nämlich von der individuellen Bewertung des jeweils angerufenen Gerichts und/oder dem argumentativen Schwerpunkt des jeweiligen Klägers abhängen, welcher Emittent als von dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt "primär betroffen" anzusehen ist.

Soweit die Beklagte zu 1 die Auffassung vertritt, die zuständigkeitsrechtliche Anknüpfung an das Tatbestandsmerkmal der "Betroffenheit" i.S.d. § 32b ZPO lasse sich auch und gerade in den Fällen, in denen mehrere Emittenten gemeinsam als Streitgenossen verklagt werden, einfach und verlässlich handhaben, folgt der Senat dem nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1 bieten die zu § 36 Abs. 1 ZPO entwickelten Grundsätze hierfür keinen geeigneten Maßstab. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 ZPO erfolgt nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und gemäß der Prozesswirtschaftlichkeit (BGH, Beschluss vom 23.02.2011 - X ARZ 388/10, juris-Rn. 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.11.2013 - 11 SV 100/13, juris-Rn. 14). Es handelt sich hierbei um eine aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu treffende Ermessensentscheidung, wobei der räumliche Schwerpunkt des Rechtsstreits nur eines von zahlreichen anerkannten Kriterien ist (vgl. statt vieler: Zöller/Vollkommer, 31. Aufl. § 36 Rn. 18). Die durch §§ 36, 37 ZPO ermöglichte Ermessensentscheidung beruht auf dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie und dem Ziel, in den Fällen, in denen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ein im Einzelfall zuständiges Gericht nicht (zweifelsfrei) feststellbar ist, Zuständigkeitsstreitigkeiten möglichst schnell und einfach zu beenden (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O.). Diese Grundsätze lassen sich aber nicht auf die Auslegung von Tatbestandsmerkmalen der zuständigkeitsbegründenden Normen übertragen. Es gilt insoweit der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass sich der zuständige Richter möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ergeben muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.04.1969 - 2 BvR 115/69, juris-Rn. 35). Mit diesem Grundsatz wäre es nicht vereinbar, die Auslegung eines die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts begründenden Tatbestandsmerkmals von einer Ermessensentscheidung des jeweiligen Gerichts abhängig zu machen, die ihrerseits anhand von zahlreichen, nicht kodifizierten und deshalb auch nicht abschließend benennbaren, Kriterien getroffen würde.

Erst recht ist die Rechtsauffassung der Beklagten zu 1 nicht geeignet, zuverlässig eine Aufspaltung der Zuständigkeit auf mehrere Gerichte zu verhindern, wenn sich der zugrunde liegende Lebenssachverhalt noch in der Aufklärung befindet oder noch weiterentwickelt. Dann kann sich nämlich je nach Stand der Sachverhaltsentwicklung oder der Aufklärung desselben die Bewertung der Frage, welcher Emittent von dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt "primär betroffen" ist - und damit das jeweils ausschließlich zuständige Gericht - ändern. Dies mag zwar im vorliegenden Fall anders sein. Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "betroffener Emittent" kann aber nicht von den spezifischen Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens bzw. Verfahrenskomplexes abhängig sein.

Aus den vorstehenden Gründen führt auch der systematische Zusammenhang des § 32b ZPO mit dem KapMuG nicht zu einer anderen Bewertung. Es ist zwar zutreffend, dass § 32b ZPO nach seinem Sinn und Zweck darauf gerichtet ist, dass die Ausgangsverfahren eines möglichen Kapitalanleger-Musterverfahrens bei einem Ausgangsgericht gebündelt werden. Es ist ebenfalls zutreffend, dass es für die Sperrwirkung des § 7 Satz 1 KapMuG und damit die Abgrenzung zu einem möglichen weiteren Kapitalanlage-Musterverfahren auf die Abgrenzung des jeweils zugrunde liegenden Lebenssachverhalts ankommt (vgl. Vollkommer, in: Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl., § 6 Rn. 9). Gleichwohl stellt der den Feststellungszielen eines Musterverfahrens zugrunde liegende Lebenssachverhalt i.S.d. § 4 Abs. 1 KapMuG kein geeignetes Auslegungskriterium für die Zuständigkeit nach § 32b ZPO dar. Dies folgt zunächst aus den oben dargestellten Abgrenzungsschwierigkeiten in Bezug auf den von diesem Lebenssachverhalt "primär betroffenen Emittenten" (s.o.). Hinzu kommt, dass sich zu Beginn einer Prozessserie der den Feststellungszielen eines zukünftigen (möglichen) Musterverfahrens zugrunde liegende Lebenssachverhalt regelmäßig nicht zuverlässig abgrenzen lassen wird. Die Feststellungsziele des Musterverfahrens sind bei Prozessbeginn vor dem Ausgangsgericht in aller Regel noch nicht fixiert. Dies geschieht erst im Vorlagebeschluss des Landgerichts nach § 6 Abs. 1 KapMuG. Dieser bezieht sich zwar auf die entsprechenden Anträge und den Sachvortrag der Parteien. Gerade zu Beginn einer Prozessserie kann der Sachvortrag in den jeweiligen Klageschriften aber auch wenig vereinzelt und pauschal gehalten sein. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass schon zu Beginn einer Prozessserie Musterfeststellungsanträge gemäß § 2 KapMuG formuliert werden. Der den Feststellungszielen eines zukünftigen (möglichen) Musterverfahrens zugrunde liegende Lebenssachverhalt (bzw. der Sitz des von diesem primär betroffenen Emittenten) stellt deshalb regelmäßig kein zuverlässiges Abgrenzungskriterium dar.

Die Rechtsauffassung der Beklagten zu 1 wird auch nicht durch die Regelungsstruktur und den systematischen Normzusammenhang des § 32b ZPO gestützt.

Diese folgt zunächst nicht aus der sog. "Beifangwirkung" des § 32b ZPO. Es ist zwar zutreffend, dass § 32b ZPO grundsätzlich einen "ausschließlichen Gerichtsstand der passiven Streitgenossenschaft" am Sitz der in der Vorschrift genannten Emittenten, Anbieter oder Zielgesellschaften (sog. Ankerbeklagte) begründet. Hieraus lassen sich aber - über das erkennbare Ziel einer Konzentration hinaus, dazu s. oben - gerade keine Rückschlüsse darauf ziehen, wie der Fall zu behandeln ist, dass zwei Beklagte als Ankerbeklagte in diesem Sinne in Betracht kommen.

Die Anknüpfung an den Sitz des "primär betroffenen" Emittenten ergibt sich auch nicht aus der (etwaigen) deliktischen Rechtsnatur der ausschließlichen Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Zwar lässt sich hieraus folgern, dass bei Schaffung des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch der Gesichtspunkt der Sach- und Beweisnähe eine Rolle gespielt hat. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, dass der Ort der Sach- und Beweisnähe im Einzelfall zu ermitteln ist. Hierauf ist jedoch letztlich die Rechtsauffassung der Beklagten zu 1 gerichtet. Danach ist die "Betroffenheit" des jeweiligen Emittenten im Ergebnis davon abhängig, welche Unternehmensdaten im Einzelfall zur Überprüfung der streitgegenständlichen Kapitalmarktinformationen erforderlich sind und wo sich diese befinden.

Eine solche Einzelfallprüfung widerspricht aber der Systematik der ortsbezogenen besonderen Gerichtsstände. Das Gesetz verfolgt in Bezug auf die ortsbezogenen Merkmale bei der Bestimmung des Gerichtsstands die Technik, an Merkmale eines konkreten Rechtsstreits anzuknüpfen, die diesen mit einer bestimmten Örtlichkeit verbinden (vgl. Smid/Hartmann, in: Wieczorek/Schütze, 4. Aufl., Vor §§ 12 - 37 ZPO Rn. 7; Roth, in: Stein/Jonas, 22. Aufl., Vor § 12 Rn. 3). Der Gesetzgeber verbindet mit der Anknüpfung an ein ortsbezogenes Merkmal des konkreten Rechtsstreits die typisierte Erwartung, dass die mit dem Zweck der Zuständigkeitsnorm intendierte Verbindung zu dieser Örtlichkeit vorliegt. Es spielt hingegen keine Rolle, ob dies im Einzelfall tatsächlich der Fall ist. So knüpft § 32 Abs. 1 ZPO beispielsweise an den Ort der unerlaubten Handlung an. Dies ist sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.1993 - IX ZR 32/93, juris-Rn. 32 mit weiteren Nachweisen). Der Kläger hat insoweit gemäß § 35 ZPO ein Wahlrecht. Es kommt hierfür nicht darauf an, ob in dem jeweiligen Einzelfall die Sachaufklärung und Beweisaufnahme tatsächlich am besten am Handlungs-, oder am Erfolgsort oder vielleicht auch an einem ganz anderen Ort erfolgen kann.

Betroffener Emittent i.S.d. § 32b ZPO ist somit derjenige, dessen Wertpapier oder sonstige Vermögensanlage Gegenstand der fehlgeschlagenen Kapitalanlage ist. Hieraus folgt eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Braunschweig für Anlegerklagen aufgrund von Investitionen in V-Aktien und des Landgerichts Stuttgart für Anlegerklagen aufgrund von Investitionen in P-Aktien.

b) Es besteht kein Wahlrecht der Kläger zwischen den ausschließlichen Gerichtsständen des Landgerichts Braunschweig und des Landgerichts Stuttgart.

Zwar ist § 35 ZPO nach - soweit ersichtlich - ganz überwiegender Ansicht grundsätzlich auch im Rahmen von § 32b ZPO anwendbar. Dies betrifft etwa die oben bereits angesprochenen Fälle, dass der Sitz des Emittenten bzw. Anbieter und der Sitz der Fondsgesellschaft auseinanderfallen (Kammergericht, Beschluss vom 09.05.2016 - 2 AR 18/16), dass ein Ankerbeklagter mehrere Sitze hat (Heinrich, in: Musielak/Voit, 14. Aufl., § 32b Rn. 3; Zöller/Vollkommer, 31. Aufl., § 32b Rn. 7) oder dass sowohl ein Emittent als auch ein Anbieter vorhanden sind und beide ihren Sitz in verschiedenen Gerichtsbezirken haben (Toussaint, in: BeckOKZPO, Stand 01.03.2017, § 32b Rn. 23).

Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die vorgenannten Fälle haben gemeinsam, dass für denselben Streitgegenstand gegen denselben Beklagten zwei ausschließliche Gerichtsstände eröffnet sind. Dies ist Voraussetzung für das Wahlrecht des Klägers gemäß § 35 ZPO (vgl. Roth, in: Stein/Jonas, 23. Aufl., § 35 Rn. 1).

Im vorliegenden Fall betreffend die geltend gemachten Ansprüche aufgrund von Schäden durch Investitionen in V-Aktien einerseits und durch Investitionen in PSE-Aktien andererseits aber unterschiedliche Streitgegenstände. Der Anwendungsbereich des § 35 ZPO ist deshalb nicht eröffnet.

c) Bei Vorliegen zweier divergierender ausschließlicher Gerichtsstände gemäß § 32b Abs. 1 ZPO kommt eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht in Betracht.

Es ist zwar allgemein anerkannt, dass der Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 ZPO auch dann eröffnet ist, wenn für einen von mehreren Beklagten ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 07.02.2007 - X ARZ 423/06; juris-Rn. 14, Beschluss vom 16.02.1984 - I ARZ 395/84, juris-Rn. 9 sowie Beschluss vom 07.07.1972 - I ARZ 112/72, juris-Rn. 6). In einem solchen Fall kommt auch eine von dem ausschließlichen Gerichtsstand abweichende Bestimmung in Betracht (vgl. BGH, a.a.O.). Die Besonderheit einer ausschließlichen Zuständigkeit besteht darin, daß weder durch Parteivereinbarung noch durch rügelose Einlassung (§§ 38 - 40 ZPO) die Zuständigkeit eines anderen Gerichts begründet werden kann. Daraus folgt aber nicht, daß eine ausschließliche Zuständigkeit auch im Verfahren nach §§ 36, 37 ZPO unabänderlich festläge und dass es generell und grundsätzlich der Absicht des Gesetzes widerspräche, wenn in diesem Verfahren ein nicht ausschließlich zuständiges Gericht ausgewählt würde (BGH, Beschluss vom 16.02.1984 - I ARZ 395/84, juris-Rn. 9). Aus diesen Erwägungen folgt zugleich auch die grundsätzliche Zulässigkeit einer Gerichtsstandsbestimmung, wenn zwei ausschließliche Gerichtsstände vorliegen. Ist nämlich anerkannt, dass im Rahmen der Gerichtsstandsbestimmung gemäß §§ 36, 37 ZPO von dem ausschließlichen Gerichtsstand eines Beklagten zugunsten des allgemeinen Gerichtsstand eines anderen Beklagten abgewichen werden kann, ist kein Grund ersichtlich, weshalb es nicht auch möglich sein sollte, von einem ausschließlichen Gerichtsstand eines Beklagten zugunsten eines ausschließlichen Gerichtsstands eines anderen Beklagten abzuweichen. Dies entspricht auch der hierzu bislang ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BayObLG, Beschluss vom 07.07.2000 - 4Z AR 71/00, juris-Rn. 13; OLG Rostock, Beschluss vom 25.03.2010 - 10 UFH 1/09).

Diese Grundsätze lassen sich aber nicht auf die ausschließliche Zuständigkeit gemäß § 32b ZPO übertragen. Im Anwendungsbereich von § 32b Abs. 1 ZPO würde eine Gerichtsstandsbestimmung evident dessen Regelungszweck zuwiderlaufen. Dieser verfolgt die Zielsetzung, sämtliche Anlegerklagen wegen Schäden aufgrund von Investitionen in ein Wertpapier bei einem Gericht zu bündeln (s.o.). Mit diesem Regelungszweck wäre es nicht vereinbar, einzelne Verfahren im Wege der Gerichtsstandsbestimmung aus diesem Verbund herauszulösen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Regelungszweck des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Dieser dient im Wesentlichen der Prozessökonomie. In der vorliegenden Konstellation entspricht jedoch die Bündelung der Verfahren jeweils an dem gemäß § 32b ZPO begründeten Gerichtsstand der Prozessökonomie.

4. Die Voraussetzungen für eine Vorlage des Verfahrens an den Bundesgerichtshof gemäß § 36 Abs. 3 ZPO liegen nicht vor.

Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat das Oberlandesgericht das Verfahren dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, wenn es in einer bestimmten Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen will. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zu den entscheidungsrelevanten Rechtsfragen gibt es noch keine obergerichtliche Rechtsprechung, von der eine Entscheidung des Senats abweichen könnte.

Die Möglichkeit einer Vorlage des Bestimmungsverfahrens wegen grundsätzlicher Bedeutung sieht die Zivilprozessordnung nicht vor. Für eine analoge Anwendung des § 36 Abs. 3 ZPO ist insoweit kein Raum. § 511 Abs. 4 ZPO für die Berufung und § 543 Abs. 2 ZPO für die Revision nennen explizit den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der abweichenden Ausgestaltung des § 36 Abs. 3 ZPO um eine unbeabsichtigte Regelungslücke handelt. Der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 13/5274 -, mit dem Absatz 3 des § 36 ZPO eingefügt wurde, lässt sich vielmehr entnehmen, dass durch § 36 Abs. 3 ZPO lediglich die in dem Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommende Divergenzvorlage geregelt werden sollte (vgl. BT-Drs. 13/9124, S. 46). Danach lässt "der dem § 36 ZPO anzufügende neue Absatz 3 [...] die Divergenzvorlage des für die Gerichtsstandsbestimmung zuständigen Oberlandesgerichts zum Bundesgerichtshof zu, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung auf Dauer zu gewährleisten" (a.a.O.).

5. Dem Antrag, über den Gerichtsstandsbestimmungsantrag mündlich zu verhandeln, ist nicht zu entsprechen.

Gemäß § 128 Abs. 4 ZPO können Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, ohne mündliche Verhandlung ergehen, wenn nicht etwas abweichendes bestimmt ist. § 128 Abs. 4 ZPO enthält insoweit eine Generalklausel für fakultative mündliche Verhandlungen (vgl. Musielak/Voit/Stadler, 14. Aufl., § 128 Rn. 24; Fritsche, in: MüKoZPO, 5. Aufl., § 128 Rn. 18).

Maßgebliches Kriterium für die Entscheidung über die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist, ob im konkreten Fall ausnahmsweise durch mündliches Verhandeln die Streitpunkte schneller und effektiver geklärt werden können (Musielak/Voit/Stadler, a.a.O.; Fritsche, a.a.O.; Kern, in: Stein-Jonas, 23. Aufl. 2016, § 128 Rn. 2).

Nach dieser Maßgabe ist eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Die Parteien hatten bereits umfassend Gelegenheit zur Stellungnahme. Hiervon haben sie, insbesondere auch die Beklagte zu 1, ausführlich Gebrauch gemacht. Das Bestimmungsverfahren ist nun entscheidungsreif. Eine noch anzuberaumende mündliche Verhandlung kann vor diesem Hintergrund nicht zu einer schnelleren und effektiveren Klärung der Streitpunkte führen. Eine gütliche Einigung der Parteien über den Gerichtsstand ist ausgeschlossen, da jeweils ausschließliche Gerichtsstände betroffen sind.

Auch die Bedeutung der Sache gebietet keine mündliche Verhandlung. Dies folgt bereits daraus, dass die Entscheidung des Senats weder für die mit den Vorlagebeschlüssen befassten Senate der Oberlandesgerichte noch für die mit den Anlegerklagen befassten Kammern der Landgerichte (mit Ausnahme des jeweiligen Ausgangsverfahrens der Gerichtsstandsbestimmung) bindend ist. Unabhängig hiervon sind von einer durchzuführenden mündlichen Verhandlung auch keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten. Insbesondere ist eine solche auch nicht unter dem Gesichtspunkt durchzuführen, dass diese im vorliegenden Fall in besonderer Weise geeignet sei, dem Gericht ein lebensnahes Bild von den Interessen der Parteien zu vermitteln. Die Beklagte zu 1 hat die Interessenlage der Parteien bereits sehr ausführlich und nachdrücklich dargestellt. Es ist nicht ersichtlich, unter welchem Gesichtspunkt eine mündliche Verhandlung hier zu einer weitergehenden Klärung der Streitfragen führen könnte.