Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.02.2024, Az.: 13 K 28/20

Kostengrundentscheidung durch den Berichterstatter nach der Erledigung der Hauptsache; Anfall der Terminsgebühr und Erledigungsgebühr

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.02.2024
Aktenzeichen
13 K 28/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 15492
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2024:0229.13K28.20.00

Amtlicher Leitsatz

Der unterliegende Beteiligte trägt die außergerichtlichen Kosten des Gegners auch dann, wenn er der Erinnerung nicht entgegengetreten ist (entgegen Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. April 2010 2 KO 271/10 , juris).

Gründe

I.

In dem Klageverfahren der Erinnerungsführerin gegen den Erinnerungsgegner wegen gesonderter Feststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb 2013 bis 2016, Umsatzsteuer 2013 bis 2016 und Gewerbesteuermessbetrag 2013 bis 2016, welches Anfang 2020 seinen Ausgang nahm, gab die Gerichtsprüferin des niedersächsischen Finanzgerichts am 4. Januar 2023 eine umfangreiche Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit der vom Erinnerungsgegner vorgenommenen Hinzuschätzungen ab (42 Seiten zuzüglich Anhänge).

Der Berichterstatter übersandte die Stellungnahme an die Beteiligten und fragte an, ob das Ergebnis zur Grundlage einer Einigung gemacht werden könne. Dies würde zu einem Obsiegen der Klägerin in Höhe von ungefähr 35 % führen.

Mit Schreiben vom 30. Januar 2023 führte der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin aus, dass Einverständnis bestehe, die Stellungnahme der Gerichtsprüferin zur Grundlage einer Einigung zu machen. Es werde ein entsprechender Vergleichsvorschlag erbeten.

Der Erinnerungsgegner äußerte sich dagegen in einem Schreiben vom 28. Februar 2023 ablehnend. Erst nach mehreren Telefonaten zwischen dem Berichterstatter und der Sachbearbeiterin bzw. dem Sachgebietsleiter des Erinnerungsgegners bestand auch auf Seiten des Erinnerungsgegners Bereitschaft, die Stellungnahme der Gerichtsprüferin zu akzeptieren.

Daraufhin unterbreitete der Berichterstatter mit Schreiben vom 5. April 2023 einen Einigungsvorschlag, nach dessen Inhalt der Erinnerungsgegner eine Verpflichtungserklärung abgeben sollte, die auf der Stellungnahme der Gerichtsprüferin basierte.

Hierzu war der Erinnerungsgegner zunächst nicht bereit. Er verlangte vielmehr vorab eine ausdrückliche schriftliche Erklärung der Erinnerungsführerin, dass sie nach Abgabe der Verpflichtungserklärung durch den Erinnerungsgegner den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären werde.

Der Prozessbevollmächtigte bestätigte gegenüber dem Vorsitzenden des 13. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts telefonisch, dass der Rechtsstreit auf der Grundlage des Schreibens des Berichterstatters vom 5. April 2023 beendet werden solle.

Außerdem erteilte die Erinnerungsführerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 9. Mai 2023 die von dem Erinnerungsgegner gewünschte Erklärung.

Daraufhin gab der Erinnerungsgegner mit Schreiben vom 25. Mai 2023 die Verpflichtungserklärung ab und erklärte der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin ließ mit Schreiben vom 2. Juni 2023 das weitergehende Klagebegehren fallen und erklärte ebenfalls den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Mit Beschluss vom 5. Juni 2023 traf der Berichterstatter eine Kostengrundentscheidung dahingehend, dass die Kosten des Verfahrens von der Erinnerungsführerin zu 65 % und von dem Erinnerungsgegner zu 35 % zu tragen waren.

Das Gericht ermittelte einen Streitwert in Höhe von 135.674 €.

Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin am 20. Juni 2023 folgende Kostenfestsetzung:

Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV RVG2.676,80 €
Terminsgebühr Nr. 3202 VV RVG2.007,60 €
Zwischensumme4.684,40 €
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7022 VV RVG20,00 €
Zwischensumme netto4.704,40 €
Gerichtskosten284,00 €
Gesamtsumme4.988,40 €
35% hiervon - im Kostenfestsetzungsantrag nicht ausgewiesen:1.745,94 €

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte mit Beschluss vom 6. Oktober 2023 die zu erstattenden Kosten in Höhe von 943,88 € wie folgt fest:

Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV RVG2.676,80 €
Auslagenpauschale Nr. 7022 VV RVG20,00 €
Zwischensumme2.696,80 €
Gesamtbetrag (35%)943,88 €

Eine Terminsgebühr setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht an, weil keine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden habe. Der Senat habe nicht durch Urteil ohne mündliche Verhandlung oder durch Gerichtsbescheid entschieden. Es sei auch keine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3200 Abs. 1 VV RVG in Verbindung mit Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VV RVG verdient worden. Voraussetzung hierfür sei, dass es durch anwaltliche Mitwirkung zu einer teilweisen Abhilfe gekommen sei. Vorliegend habe der Anwalt lediglich den Einigungsvorschlag der Gerichtsprüferin angenommen. Das reiche nicht aus.

Mit am 20. Oktober 2023 eingegangener Erinnerung erhob die Erinnerungsführerin die vorliegende Erinnerung. Sie führte aus, dass die beantragte Terminsgebühr verdient worden sei. Der Prozessbevollmächtigte habe vor der Abgabe der Erklärung vom 30. Januar 2023 die Stellungnahme der Gerichtsprüferin umfassend geprüft und mit der Erinnerungsführerin erörtert, damit entschieden werden konnte, ob die Stellungnahme zur Grundlage einer Einigung gemacht werden konnte. Dieses kausale Mitwirken habe zu einer Abänderung der Bescheide geführt. Ansonsten wäre eine mündliche Verhandlung erforderlich gewesen.

Er verwies in diesem Zusammenhang ferner auf die Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom 30. März 2022 (15 Ko 158/22). Dort sei erläutert worden, dass der Anwendungsbereich der fiktiven Terminsgebühr erheblich ausgeweitet worden sei. Erforderlich sei nur noch, dass eine Erledigung im Sinne von Nr. 1002 VV RVG eingetreten sei. Das sei vorliegend geschehen. Sinn und Zweck der Regelung sei es, zu vermeiden, dass der Prozessbevollmächtigte einen Gebührennachteil erleide, wenn Verfahren, für welche eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, durch eine andere Verfahrensgestaltung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beendet werden würden. Es solle vermieden werden, dass eine vorzeitige Beendigung des Rechtsstreits allein deshalb unterbleibe, damit noch eine mündliche Verhandlung durchgeführt werde. Schließlich werde auf die Entscheidung des BGH vom 7. Mai 2020 (V ZB 110/19) verwiesen, nach der für das Entstehen der Terminsgebühr der Abschluss eines außergerichtlichen schriftlichen Vergleichs genüge.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

Der Erinnerungsgegner, dem die Einlegung der Erinnerung aufgrund technischer Probleme erst am 22. Februar 2024 zur Kenntnis gelangt ist, ist dem Ansatz einer "fiktiven Terminsgebühr" im Kostenfestsetzungsverfahren nicht entgegengetreten und hat dem Ansatz einer Einigungsgebühr im Erinnerungsverfahren ebenfalls nicht widersprochen. Er meint, dass ihm die Kosten des Erinnerungsverfahrens unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 93 Zivilprozessordnung (ZPO) deshalb nicht auferlegt werden können. Das Finanzamt sei an dem Erinnerungsverfahren schließlich in keiner Weise beteiligt gewesen und sei deswegen auch nicht als unterliegende Partei anzusehen.

II.

1. Gemäß § 79a Abs. 1 Nr. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 79a Abs. 4 FGO ist der Berichterstatter dazu berufen, die Entscheidung über die Erinnerung gemäß § 149 Abs. 2 FGO zu treffen.

Zwar wird in § 149 Abs. 4 FGO ausgeführt, dass über die Erinnerung "das Gericht" durch Beschluss entscheidet. Nach herrschender Meinung ist aber in den Fällen, in denen der Berichterstatter die Kostengrundentscheidung nach der Erledigung der Hauptsache getroffen hat (§§ 79a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 FGO) der Berichterstatter auch "das Gericht" im Sinne von § 149 Abs. 4 FGO (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27. November 2020 - X E 4/20 -, BFH/NV 2021, 650, Rz. 8 bei juris; Beschluss des FG Münster vom 22. Oktober 2019 - 5 Ko 2255/19 KFB -, DStR 2020, 568, Rz. 14 f. bei juris; Beschluss des FG Hamburg vom 12. November 2015 - 3 KO 117/15 -, EFG 2016, 393, Rz. 36 bei juris; Beschluss des FG Münster vom 10. Juli 2012 - 11 Ko 3705/11 KFB -, EFG 2012, 1962, Rz. 11 ff. bei juris, mit weiteren Nachweisen).

Für die herrschende Auffassung spricht, dass es für die Zuständigkeitsvorschrift des § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO (Entscheidung über Kosten) ansonsten keinen eigenen Anwendungsbereich geben würde, da die Kostengrundentscheidung in den Fällen der Klagerücknahme bzw. Hauptsacheerledigung bereits unter § 79a Abs. 1 Nr. 2 oder 3 FGO fällt. Es ist kaum anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine Norm geschaffen hat, für die es in der Praxis keinen Anwendungsbereich gibt. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die Entscheidungen über die Erinnerungen durch § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO den Berichterstattern zugewiesen werden, wenn die Kostengrundentscheidungen auch bereits durch den Berichterstatter getroffen worden sind.

2. Die zulässige Erinnerung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

a) Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ist für die Bestimmung der Vergütung das Recht anzuwenden, das im Zeitpunkt der unbedingten Beauftragung zur Erledigung der Angelegenheit gilt. Deshalb können die Änderungen des RVG durch das Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 - KostRÄG 2021) vom 21. Dezember 2020 (BGBl I 2020, 3229) im vorliegenden Fall noch nicht berücksichtigt werden. Während das KostRÄG 2021 zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist, ist der Auftrag für die Klageerhebung deutlich zuvor erteilt worden. Die Klage datiert vom 21. Februar 2020.

Die Erinnerungsführerin hat zur Begründung ihrer Erinnerung zentral auf die Ausführungen des FG Münster in dem Verfahren 15 Ko 158/22, EFG 2022, 871 abgestellt. Indes hat sich das FG Münster in dem dortigen Beschluss im Wesentlichen mit den Änderungen durch das KostRÄG 2021 beschäftigt. Die diesbezüglichen Ausführungen lassen sich auf den vorliegenden Fall daher nicht übertragen.

b) Nach der maßgeblichen Anfang 2020 geltenden Fassung vermag die Klägerin keine Terminsgebühr geltend zu machen.

aa) Nach Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 3202 VV RVG iVm. Abs. 1 Nr. 1 der Anmerkung zu Nr. 3104 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG a.F. (zukünftig: Vergütungsverzeichnis Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - VV RVG a.F.) kann der bevollmächtigte Rechtsanwalt im finanzgerichtlichen Verfahren einen Anspruch auf eine 1,2-fache gegenstandswertabhängige Terminsgebühr haben.

bb) Eine solche Terminsgebühr entsteht nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 3 Satz 1 VV RVG a.F. sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Die Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen ist u.a. vorgesehen für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind (Absatz 3 Satz 3 Nr. 2 Halbsatz 1). Bloße Besprechungen mit dem Auftraggeber lösen keine Terminsgebühr aus (Absatz 3 Satz 3 Nr. 2 Halbsatz 2).

cc) In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist umstritten, ob und (wenn ja) unter welchen Voraussetzungen eine Terminsgebühr allein schon aufgrund von Telefongesprächen des Bevollmächtigten mit dem Gericht entstehen kann. Während ein Teil der Rechtsprechung das Merkmal einer "außergerichtlichen" Veranstaltung streng in dem Sinne versteht, dass Termine, Besprechungen oder sonstige Erörterungen außerhalb offiziell angesetzter Gerichtstermine (d.h. insbesondere außerhalb eines vom Vorsitzenden oder Berichterstatter bestimmten Erörterungstermins i.S. des § 79 Abs. 1 Nr. 1 FGO) von Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 3 Nr. 2 der Vorbemerkung zu Teil 3 grundsätzlich nicht erfasst sind und ein Termin oder eine Besprechung in diesem Sinne nur zwischen den Prozessbeteiligten i.S. des § 57 FGO nebst Vertretern i.S. des § 62 FGO stattfinden kann (FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04. Dezember 2014 - 8 KO 2155/14 -, juris; vgl. zur vorherigen Fassung bereits Finanzgericht Köln vom 2. September 2013 - 10 KO 2594/13 -, EFG 2013, 2042), hält ein anderer Teil der Rechtsprechung eine "außergerichtliche Besprechung" zwischen den Beteiligten auch bei formloser Beteiligung durch das Gericht für möglich, wobei für telefonische Erörterungen entweder (nach einem insoweit engerem Verständnis) gefordert wird, dass alle Beteiligten (z.B. über eine Telefonkonferenzschaltung) an dem Gespräch unmittelbar beteiligt sind (Finanzgericht Thüringen, Beschluss vom 16. Mai 2011 - 4 KO 772/10 -, EFG 2011, 1549; Finanzgericht Münster vom 10. September 2012 - 4 KO 2422/12 -, EFG 2012, 2239) oder (nach einem insoweit weiteren Verständnis) es ausreicht, wenn eine zumindest mittelbare Einbindung aller Beteiligten stattfindet, indem der Vorsitzende oder Berichterstatter abwechselnd einzeln mit den Beteiligten telefoniert (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05. April 2011 - 13 KO 13326/10 -, EFG 2011, 1551). Als einschränkende Variante der letztgenannten beiden Auffassungen wird ferner vertreten, dass eine "außergerichtliche Besprechung" aber dann nicht mehr vorliegt, wenn - über die selbständige Kommunikation der Beteiligten hinaus - das Gericht einen Vorschlag unterbreitet und die Beteiligten diesem anschließend folgen (Finanzgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 4 KO 1272/13 -, EFG 2014, 1143). Eine weitgehende Ansicht hält dagegen auch schon einseitige Telefongespräche zwischen einem Beteiligten und dem Gericht ohne weitere (zumindest mittelbare) (telefonische) Einbindung des anderen Beteiligten für ausreichend, um eine Terminsgebühr auszulösen (Finanzgericht Düsseldorf, Beschluss vom 14. Januar 2020 - 11 KO 186/19 KF -, DStR 2020, 614).

dd) Einer Entscheidung des dargestellten Streits bedarf es nach hiesigem Dafürhalten nicht. Denn die zu einer Terminsgebühr führende Besprechung setzt nach allen vertretenen Auffassung den mündlichen Austausch von Erklärungen über den möglichen Inhalt einer Einigung mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens voraus. Gemessen daran hat vorliegend keine Besprechung stattgefunden. Denn der einzige mündliche Kontakt mit dem Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin fand telefonisch zwischen dem Senatsvorsitzenden und dem Bevollmächtigten am 8. Mai 2023 statt. Darin wurden dem Bevollmächtigten die Bedenken des Beklagten erläutert, die Erinnerungsführerin würde nach Abgabe der Verpflichtungserklärungen weitermachen. Das Gespräch fand mithin zu einem Zeitpunkt statt, als im Hinblick auf den Inhalt der Einigung bereits Einigkeit darüber erzielt worden war, die Stellungnahme der Gerichtsprüferin zur Grundlage einer Einigung zu machen. So hatte zunächst die Klägerseite ihre Zustimmung schriftlich erklärt und sodann auch der Beklagte nach mündlicher Erörterung der Stellungnahme der Gerichtsprüferin. Der Berichterstatter bat sodann mit Richterbrief vom 5. April 2023 um Abgabe konkreter Verpflichtungserklärungen, deren Inhalt in der Folge von keiner Seite widersprochen worden ist. Erst danach kam es zum telefonischen Kontakt des Vorsitzenden mit beiden Seiten. Es ging nur noch um die Abwicklung einer bereits gefundenen Einigung, die sich indes in dem atmosphärisch gestörten Prozessrechtsverhältnis etwas umständlicher gestaltete.

c) Dennoch ist dem Begehren der Erinnerungsführerin teilweise stattzugeben.

aa) Denn statt dem beantragten Ansatz einer Terminsgebühr ist eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 und Nr. 1003 VV RVG a.F. festzusetzen. Dem steht die Bindung an den Antrag gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO iVm. § 155 S. 1 FGO nicht entgegen. Die Erinnerungsführerin hat in ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 19. Oktober 2023 zwar die beantragte 1,2-Terminsgebühr aus einem Streitwert von 135.647 € mit 2.007,60 € beziffert. Das Begehren der Erinnerungsführer richtet sich insofern auf deren Ansatz bei einer Kostentragungspflicht des Erinnerungsgegners von 35 %. Bis zur Grenze des begehrten Gesamtbetrags, der sich (ohne Gerichtsgebühren) auf 1.646,54 € belief, können jedoch einzelne nicht beantragte Positionen an Stelle beantragter, aber unbegründeter Einzelposten zuerkannt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Februar 1995 - 1 BvR 697/93 -, juris; BGH, Beschluss vom 20. Februar 2020 - I ZB 68/19 -, juris; BFH, Urteil vom 16. Dezember 1969 - VII B 45/68 -, BStBl II 1970, 251; Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 104 ZPO, Rn. 21.39 "Gebührenauswechslung"; Rn. 21.20 "Austausch von Kosten").

bb) Die Voraussetzungen für den Ansatz einer Erledigungsgebühr sind erfüllt.

(1) Nach Nr. 1002 und Nr. 1003 VV RVG a.F. entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Eine "anwaltliche Mitwirkung" bei der Erledigung erfordert eine von der Begründung der Klage und der allgemeinen Verfahrensförderung abgrenzbare Tätigkeit des Anwalts, die auf die Erledigung der Rechtssache ohne förmliche Entscheidung ausgerichtet ist (grundlegend: BFH-Beschluss vom 12. Februar 2007 - III B 140/06 -, BFH/NV 2007, 1109, Rz. 12 bei juris). Die Erledigungsgebühr ist also keine Erfolgsgebühr für die allgemeine Verfahrensförderung, sondern eine besondere Tätigkeitsgebühr, die anlässlich einer nichtstreitigen Erledigung verdient werden kann (Beschluss des FG Köln vom 28. Juni 2004 - 10 Ko 1603/04 -, EFG 2004, 1642, Rz. 8 f. bei juris; Beschluss des FG Köln vom 28. Februar 2011 - 10 Ko 1119/10 -, EFG 2011, 1545, Rz. 11 f. bei juris; Beschluss des FG Köln vom 30. September 2014 - 10 Ko 2686/14 -, EFG 2014, 2170, Rz. 9 f. bei juris; Beschluss des FG Köln vom 29. Mai 2018 - 2 Ko 3253/17 -, EFG 2018, 1582, Rz. 12 bei juris). Sie entsteht für die zusätzliche Arbeit und Mühe, die der Prozessbevollmächtigte darauf verwendet, ohne Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung einen belastenden Verwaltungsakt von seinem Mandanten abzuwenden und ihm hierdurch Unannehmlichkeiten, Unsicherheiten, Zeitaufwand und Kosten zu ersparen, die mit der Fortführung des gerichtlichen Verfahrens verbunden sein können (Beschluss des Hessischen FG vom 31. Januar 2013 - 1 Ko 2202/11 -, EFG 2013, 644, Rz 54 bei juris).

(2) Die Erledigungsgebühr entsteht deshalb grundsätzlich nicht schon dann, wenn Äußerungen des Berichterstatters im Rahmen eines Erörterungstermins die Finanzbehörde zur Rücknahme oder Änderung des Bescheides veranlassen. Auch entsteht die Erledigungsgebühr noch nicht, wenn die Finanzbehörde unter dem Eindruck der Klagebegründung bzw. eines ergänzenden Schriftsatzes oder aufgrund eines Hinweises auf die Rechtslage oder eine Rechtsprechung den Bescheid aufhebt bzw. ändert und damit den Kläger klaglos stellt (Beschluss des FG Köln vom 28. Februar 2011 - 10 Ko 1119/10 -, EFG 2011, 1545, Rz. 12 bei juris; Beschluss des FG Köln vom 30. September 2014 - 10 Ko 2686/14 -, EFG 2014, 2170, Rz. 11 bei juris; Beschluss des FG Köln vom 29. Mai 2018 - 2 Ko 3253/17 -, EFG 2018, 1582, Rz. 12 bei juris). Gleiches gilt, wenn der Rechtsanwalt einen Erledigungsvorschlag des Berichterstatters lediglich akzeptiert, ohne aktiv auf eine Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung hinzuwirken (Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 5. April 2011, 13 Ko 13326/10 -, EFG 2011, 1551, Rz. 10 bei juris).

(3) Die erforderliche Mitwirkung kann aber beispielsweise in dem Unterbreiten eines Erledigungsvorschlags bestehen. Denkbar ist auch ein Einwirken auf eine vorgesetzte Behörde, welches die Aufhebung/Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Für diesen Fall ist von Bedeutung, dass auch die mit einer zusätzlichen Beratungsleistung verbundene Prüfung, ob das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich eingeschränkt werden sollte, eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit sein kann, die den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung fördert und ermöglicht. Die entsprechende Einwirkung auf den Steuerpflichtigen, der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits zuzustimmen, ist eine besondere Leistung, die nicht mit der allgemeinen Verfahrensgebühr abgegolten ist (Beschluss des FG Köln vom 28. Juni 2004 - 10 Ko 1603/04 -, EFG 2004, 1642, Rz. 13 bei juris; Beschluss des FG Köln vom 28. Februar 2011 - 10 Ko 1119/10 -, EFG 2011, 1545, Rz. 13 bei juris; Beschluss des Hessischen FG vom 31. Januar 2013 - 1 Ko 2202/11 -, EFG 2013, 644, Rz. 54 bei juris; Beschluss des FG Köln vom 30. September 2014 - 10 Ko 2686/14 -, EFG 2014, 2170, Rz. 12 bei juris; Beschluss des FG Köln vom 29. Mai 2018 - 2 Ko 3253/17 -, EFG 2018, 1582, Rz. 13 bei juris).

(a) Das FG Köln hat in der Vergangenheit eine solche zusätzliche Beratungsleistung bereits dann angenommen, wenn das Klagebegehren um mehr als 10 % eingeschränkt worden ist (vgl. Beschluss des FG Köln vom 28. Juni 2004 - 10 Ko 1603/04 -, EFG 2004, 1642, Rz. 13 bei juris; Beschluss des FG Köln vom 28. Februar 2011 - 10 Ko 1119/10 -, EFG 2011, 1545, Rz. 13 bei juris; Beschluss des FG Köln vom 30. September 2014 - 10 Ko 2686/14 -, EFG 2014, 2170, Rz. 12 bei juris). Diese Rechtsprechung wurde später aber eingeschränkt, weil der damit einhergehende Automatismus dem Charakter der Erledigungsgebühr als besondere Tätigkeitsgebühr widersprach. Die Erledigungsgebühr kann deshalb nicht ohne Rücksicht auf den Umstand, inwieweit der Bevollmächtigte an der Einigung mitgewirkt hat, allein aufgrund des Umfangs der Reduzierung des Klagebegehrens zugesprochen werden (Beschluss des FG Köln vom 29. Mai 2018 - 2 Ko 3253/17 -, EFG 2018, 1582, Rz. 13 bei juris; Beschluss des FG Köln vom 29. Mai 2018 - 2 Ko 1654/17 -, Rz. 13 bei juris).

(b) Das FG Köln geht aber weiterhin davon aus, dass in der Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens um mehr als 10 % ein Indiz für die Entstehung einer Erledigungsgebühr darstellt, wobei in jedem Einzelfall weitere Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass der Prozessbevollmächtigte eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende zusätzliche Beratungsleistung erbracht hat bzw. auf den Steuerpflichtigen diesbezüglich eingewirkt hat (Beschluss des FG Köln vom 29. Mai 2018 - 2 Ko 3253/17 -, EFG 2018, 1582, Rz. 13 bei juris; Beschluss des FG Köln vom 29. Mai 2018 - 2 Ko 1654/17 -, Rz. 13 bei juris).

(c) Das erkennende Gericht hält diese Rechtsprechung für ausgewogen. Sie vermeidet einerseits die pauschale Gewährung der Erledigungsgebühr für alle Fälle, in denen sich die Beteiligten auf eine teilweise Abhilfe einigen. Andererseits vermeidet diese Rechtsprechung durch eine einzelfallbezogene Würdigung der Gesamtumstände, dass in den häufigen Fällen, in denen der Anstoß für eine Einigung von dem Berichterstatter kommt, eine Erledigungsgebühr nie gewährt werden wird, obwohl es auch in dieser Fallkonstellation Rechtssachen gibt, in denen der Prozessbevollmächtigte im Verhältnis zu dem Mandanten erhebliche Beratungsleistungen erbringen muss, um die außergerichtliche Erledigung herbeizuführen.

(4) Bezogen auf den vorliegenden Fall sind ausreichende Gesichtspunkte dafür erkennbar, dass sich der Rechtsstreit nur durch anwaltliche Mitwirkung erledigt hat.

(a) Im vorliegenden Fall hat der Prozessbevollmächtigte keinen eigenen Erledigungsvorschlag unterbreitet. Dieser wurde von dem Berichterstatter vorgelegt und fußte auf der umfangreichen Stellungnahme der Gerichtsprüferin. Der Vorschlag mutete der Erinnerungsführerin ein erhebliches Nachgeben zu. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Erinnerungsführerin ohne nähere Erläuterung der juristischen Hintergründe nicht bereit gewesen wäre, einen derartigen Erledigungsvorschlag zu akzeptieren. Die Zustimmung zu dem Erledigungsvorschlag wird bei lebensnaher Betrachtung nur nach einer intensiven Diskussion zwischen der Erinnerungsführerin und dem Prozessbevollmächtigten möglich gewesen sein. Der Prozessbevollmächtigte wird der Erinnerungsführerin die Rechtslage erläutert und die Möglichkeiten einer Fortführung des Prozesses und die Erfolgsaussichten weiterer Rechtsbehelfe dargestellt haben. Der Umfang des Nachgebens der Erinnerungsführerin in Höhe von 65% des Klagebegehrens deutet darauf hin, dass eine besondere - auf die Erledigung des Rechtsstreits ausgerichtete - Beratungsleistung des Rechtsanwalts stattgefunden hat. Dass die Einzelheiten dieser Beratung weder von dem Gericht noch von dem Erinnerungsgegner wahrgenommen werden können, liegt in der Natur der Sache. Derartige anwaltliche Beratungen des Mandanten sind vertraulich. Dieser Umstand kann aber nicht dazu führen, dass die Erledigungsgebühr in solchen Fällen nicht gewährt wird. Deshalb kann sich aus dem Umfang des Nachgebens im Wege der Einzelfallwürdigung der Schluss ergeben, dass eine besondere Beratungsleistung stattgefunden habe muss. Dafür spricht im vorliegenden Fall auch, dass die hier erfolgte Einschränkung des Klagebegehrens deutlich über der Grenze von 10% liegt, die das FG Köln für erforderlich ansieht, um von einer Mitwirkung des Anwalts an der Erledigung auszugehen.

(b) Dabei ist zu berücksichtigen, dass die steuerrechtlichen Fragestellungen, die auch im vorliegenden Fall von Bedeutung waren, für einen steuerrechtlichen Laien regelmäßig kaum verständlich sind. Der Rechtsanwalt stand deshalb vor der Aufgabe, den Inhalt des Erledigungsvorschlags für die Erinnerungsführerin verständlich zu machen und den Erledigungsvorschlag für die Erinnerungsführerin nachvollziehbar zu bewerten. Nach Auffassung des Gerichts wäre ohne die sachkundige Erläuterung, Einordnung und Bewertung des Erledigungsvorschlags durch den Rechtsanwalt eine Erledigung des Rechtsstreits nicht möglich gewesen. Deshalb ist das Gericht auch davon überzeugt, dass der Rechtsanwalt einen deutlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass die Erledigung zustande gekommen ist. Diese zusätzliche Beratungsleistung ist erforderlich aber auch ausreichend, um die Erledigungsgebühr zu verdienen.

d. Der Gebührensatz für die Erledigungsgebühr beträgt 1,0. Nach der Vorbemerkung 3.2.1. VV RVG wird der Abschnitt über die Berufung grundsätzlich auch für die Verfahren vor dem Finanzgericht angewendet. Der Gebührensatz für eine Erledigungsgebühr ist gemäß Nr. 1004 in Verbindung mit Nr. 1002 VV RVG in den Fällen, in denen ein Berufungs- oder Revisionsverfahren anhängig ist, in Höhe von 1,3 anzusetzen. Doch verweist Nr. 1004 Abs. 1 nur auf die "in den Vorbemerkungen 3.2.1 und 3.2.2 genannten Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren". Das in der Vorbemerkung 3.2.1 Nr. 1 VV RVG genannte finanzgerichtliche Verfahren wird in der Anmerkung ausdrücklich nicht erwähnt. Dies lässt den Schluss zu, dass die Höhe der Erledigungsgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren immer nur 1,0 beträgt (ebenso: Beschluss des FG Köln vom 28. Februar 2011 - 10 Ko 1119/10 -, EFG 2011, 1545, Rz. 17 ff. bei juris).

3. Danach sind die Kosten wie folgt festzusetzen:

Gegenstandswert:135.674 €
Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 Satz 3 RVG: Gebühr 1.673,00 €
Verfahrensgebühr 1,62.676,80 €
§ 13 RVG, Nr. 3200 VV RVG
Erledigungsgebühr 1,01.673,00 €
§ 13 RVG, Nr. 1002, 1003 VV RVG
Auslagenpauschale20,00 €
§ 13 RVG, Nr. 7002 VV RVG/§ 16 StBVV
Zwischensumme4.369,80 €
davon 35% = erstattungsfähige Kosten1.529,43 €
bisher943,88 €

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 FGO. Zwar ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) keine Gebühr für einen Beschluss über eine Erinnerung vorsieht. Wegen des potentiellen Anfalls von außergerichtlichen Kosten sowie Auslagen des Gerichts hat die Entscheidung über die Erinnerung dennoch eine Kostenentscheidung nach Maßgabe der §§ 135 f. FGO zu enthalten (Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 149 Rn. 23 m.w.N.).

Im Rahmen der quotalen Kostenverteilung nach § 136 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 FGO kann entgegen der Auffassung des Erinnerungsgegners nicht davon abgesehen werden, ihm die Kosten des Verfahrens entsprechend seiner Unterliegensquote aufzuerlegen. Zwar wird dies vereinzelt - unter Verweis auf den Rechtsgedanken des § 93 ZPO - auch in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung für den Fall vertreten, dass der Erinnerungsgegner dem vonseiten des Erinnerungsführers begehrten Ansatz nicht entgegengetreten ist (vgl. Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. September 1995 - II 1/95 KO -, juris; Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. April 2010 - 2 KO 271/10 -, juris). Das überzeugt nach hiesigem Dafürhalten indes nicht.

Mag man die umfassende Heranziehung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO auch befürworten, so erscheint eine abweichende Kostenfolge im vorliegenden Fall schon aus systematischen Gründen gleichwohl nicht geboten. Denn der Erinnerungsgegner hat im Ausgangspunkt stets insoweit "Veranlassung für die Erhebung" der Erinnerung gegeben, als er Veranlassung zur Klage gegeben hat. Eine isolierte Betrachtung von Klage und Erinnerung kann dabei nicht erfolgen, weil die Entscheidung über die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung trotz ihrer eigenen Verfahrensstruktur (nur) einen Annex zur Kostengrundentscheidung bildet. M.a.W.: Hat ein Beklagter - wie hier - Veranlassung zur Klage gegeben, hat er mittelbar und damit auch hinreichend kausal Veranlassung für jeden denkbaren Hergang eines Kostenfestsetzungsverfahrens gegeben.

Auch nach dem Sinn und Zweck erscheint eine Heranziehung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO ferner nicht geboten. Denn § 93 ZPO normiert keineswegs nur, dass von einer Auferlegung der Kosten auf die unterliegende Partei abgesehen wird, sondern dass die Kosten stattdessen der obsiegenden Partei auferlegt werden. Etwaige bei der Erinnerungsführerin angefallene Kosten des Erinnerungsverfahrens wären, wenn sie nicht dem Erinnerungsgegner auferlegt würden, dementsprechend von der Erinnerungsführerin zu tragen, nicht zuletzt weil die Staatskasse im kontradiktorischen Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. zur entsprechenden Einordnung: BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 - II ZB 4/13 -, Rz. 21 bei juris) als Kostenbelastete ausscheidet. Im Ergebnis würde nur ein vermeintlich unbilliges Ergebnis durch ein noch unbilligeres Ergebnis ersetzt. Denn die Erinnerungsführerin hat den konkreten Kostenanfall im Erinnerungsverfahren ebenso wenig verursacht wie der Erinnerungsgegner. Insbesondere ist ihr nicht anzulasten, übereilt gehandelt oder ein unnötiges Verfahren angestrengt zu habe, wovor § 93 ZPO einen Beklagten in der Grundkonstellation schützen soll (BGH, Beschluss v. 30. Mai 2006 - VI ZB 64/05 -, NJW 2006, 2490). Vielmehr war sie zur Durchsetzung ihrer berechtigten Interessen und zur Vermeidung eines Rechtsverlusts gezwungen, Erinnerung einzulegen und damit die im hiesigen Erinnerungsverfahren anfallenden Kosten auszulösen.

Soweit der Beklagte schließlich meint, er könne mangels Beteiligung am Erinnerungsverfahren, schon nicht als unterliegende Partei angesehen werden, überzeugt dies ebenfalls nicht. Beim Kostenfestsetzungsverfahren handelt es sich gerade um ein kontradiktorisches Verfahren (s.o.), bei dem die Beteiligtenstellung nicht davon abhängig ist, dass sich die Gegenseite im Verfahren äußert. Im Ergebnis hängt in kontradiktorischen Rechtsbehelfsverfahren die Kostentragungspflicht des Rechtsbehelfsgegners nicht davon ab, dass die Fehlerhaftigkeit der angegriffenen Ausgangsentscheidung vom Rechtsbehelfsgegner - durch Vortrag oder sonstiges Verhalten - kausal verursacht wurde (so auch: LG Frankfurt, Beschluss vom 11. Januar 2021 - 2-14 O 145/20 -, Rz. 9 bei juris).