Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.02.2024, Az.: 2 K 72/23

Streit um eine ermäßigte Besteuerung einer Arbeitnehmerabfindung im Falle einer betriebsbedingten Kündigung bei unbefristetem Rückkehrrecht des Arbeitnehmers zu früherem Arbeitgeber

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
15.02.2024
Aktenzeichen
2 K 72/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 14345
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2024:0215.2K72.23.00

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: IX B 37/24

Amtlicher Leitsatz

Im Wesentlichen inhaltsgleich mit Urteil des Niedersächsischen FG vom 15.02.2024 - 2 K 52/23 - Keine ermäßigte Besteuerung einer Arbeitnehmerabfindung im Falle einer betriebsbedingten Kündigung bei unbefristetem Rückkehrrecht des Arbeitnehmers zu früherem Arbeitgeber und bei Fortsetzung des im Wesentlichen unveränderten Arbeitsverhältnisses mit früherem Arbeitgeber

Wird ein Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung mit dem einen Arbeitgeber, der durch Betriebsübergang in dieses Arbeitsverhältnis eingetreten ist, beendet und in Ausübung eines unbefristeten Rückkehrrechts mit einem früheren Arbeitgeber, aber in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt, so ist ein Arbeitsplatzverlust, der eine ermäßigte Besteuerung der Abfindung rechtfertigen könnte, nicht gegeben.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine an die Klägerin im Jahr 2021 (Streitjahr) im Zusammenhang mit einer betriebsbedingten Kündigung geleistete Abfindungszahlung in Höhe von 98.391,96 € nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt zu besteuern ist. Im Einzelnen geht es vor allem darum, ob die Abfindungszahlung eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellt, wenn die Steuerpflichtige als Arbeitnehmerin nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von einem Rückkehrrecht zu ihrem früheren Arbeitgeber Gebrauch macht, der frühere Arbeitgeber in den ansonsten unveränderten Arbeitsvertrag eintritt und die Steuerpflichtige nach der Rückkehr zunächst rd. 16 Monate lang einem Personalpool zugeordnet ist und dann einen festen Arbeitsplatz erhält.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Beide erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. (...)

Die im Jahre 1968 geborene Klägerin stand seit dem tt.mm.1989 in einem Ausbildungsverhältnis und seit dem tt.mm.1991 als kaufmännische Angestellte in einem Arbeitsverhältnis mit der Y-GmbH. (...) Die Klägerin war im Werk N, und zwar im Bereich "A und B" (AB) eingesetzt.

Mit Gesellschaftsvertrag vom tt.mm.2015 wurde die AG-Holding-GmbH (...) gegründet. (...) Alleinige Gesellschafterin war die Yz-B.V. mit Sitz in den Niederlanden.

Am tt.mm.2016 wurde (...) die AG-GmbH gegründet. Das Stammkapital der Gesellschaft (...) wurde allein von der Y-GmbH gehalten. (...)

Die Klägerin und weitere Beschäftigte der Y-GmbH am Standort N wurden mit Schreiben der Y-GmbH vom mm.tt.2016 "über den geplanten Betriebsteilübergang von der Y-GmbH auf die AB-GmbH" unterrichtet. Hiernach beabsichtigte die Y-GmbH, den Geschäftsbereich AB der Y-Gruppe rechtlich zu verselbständigen. Zu diesem Zweck werde sie die zum Geschäftsbereich AB im Inland gehörenden wesentlichen Betriebsmittel an die AG-GmbH übertragen. Diese Übertragung führe (auch) am Standort N rechtlich zu einem Betriebsübergang i.S. des § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Von diesem Betriebsübergang sei auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin betroffen. Das Schreiben vom tt.mm.2016 diene als Unterrichtung i.S. des § 613a Abs. 5 BGB. Der Betriebsübergang sei zum Stichtag 01.08.2016 geplant.

Unter Ziffer IV. des Schreibens vom tt.mm.2016 werden die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs erläutert. Es wird u.a. auf eine von der Y-GmbH, der AG-GmbH und den Arbeitnehmervertretungen am tt.mm.2016 geschlossene Grundsatzvereinbarung hingewiesen. Diese treffe u.a. Regelungen zur Überleitung der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten auf die AG-GmbH. Unter Ziffer IV. 1. d heißt es:

"Die Grundsatzvereinbarung regelt in Abschnitt B unter anderem ein Rückkehrrecht für Arbeitnehmer, die auf die AB-GmbH übergehen für den Fall, dass deren Arbeitsverhältnisse durch die AB-GmbH betriebsbedingt gekündigt werden, zur Y-GmbH. Dieses Rückkehrrecht besteht zeitlich beschränkt für Kündigungen, die während des Veräußerungsverfahrens im Sinne der Grundsatzvereinbarung erklärt werden. (...) Abschnitt C der Grundsatzvereinbarung enthält Regelungen für den Fall einer weiteren teilweisen oder vollständigen Veräußerung des verselbständigten Geschäftsbereichs AB an einen Dritten. Unter anderem ist dort eine Standortregelung für die Standorte N (...) für den Fall einer Veräußerung vorgesehen. Darüber hinaus regelt Abschnitt C der Grundsatzvereinbarung, dass die Y-GmbH Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse im Fall der Veräußerung auf die Erwerbergesellschaft (voraussichtlich AB-Holding-GmbH) übergeht, für den Fall von betriebsbedingten Kündigungen nach Veräußerung durch die Erwerbergesellschaft oder einen ihren Rechtsnachfolger ein unbefristetes Rückkehrrecht zusagt. (...)"

Unter Ziffer V. (Geplante Maßnahme) der Mitteilung vom tt.mm.2016 wird u.a. ausgeführt, die Verselbständigung des Geschäftsbereichs AB erfolge mit der Zielsetzung, diesen in einem zweiten Schritt teilweise oder vollständig an einen Partner oder Käufer zu veräußern. In der Grundsatzvereinbarung sei dazu geregelt, dass eine teilweise oder vollständige Veräußerung des rechtlich verselbständigten Geschäftsbereichs AB nur über einen weiteren Betriebsübergang auf eine weitere Gesellschaft erfolgen werde und eine teilweise oder vollständige Veräußerung der Anteile an der AG-GmbH an einen Dritten (sog. Share Deal) ausgeschlossen sei. Diese neu gegründete Gesellschaft werde "nach heutigem Stand" die AG-Holding-GmbH sein. Dazu sei in der Grundsatzvereinbarung vereinbart worden, dass vor Abschluss eines etwaigen Kaufvertrags in einer sog. F-Vereinbarung diejenigen Regelungen getroffen würden, die nach Ansicht der Betriebsparteien erforderlich seien, "um das Ziel einer Absicherung der Arbeitnehmer des rechtlich verselbständigten Geschäftsbereichs AB zu erreichen."

Nach dem tatsächlich erfolgten, auf einem sog. Asset Deal beruhenden Betriebsübergang wurde zwischen der Y-GmbH und der AB-GmbH Ende 2016 ein Gewinnabführungsvertrag geschlossen (...).

Im Monat (...) 2017 schlossen die Y-GmbH, die AB-GmbH, die AB-Holding-GmbH und die auch für den Standort N zuständigen Vertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine "F-Vereinbarung". Diese Vereinbarung enthielt u.a. folgende Regelungen:

"(...) A. Vorbemerkung, Geltungsbereich, bereits getroffene Regelungen (...)

1. Vorbemerkung

Y-GmbH, AG-GmbH und die Arbeitnehmervertretungen haben im Rahmen der Prozessvereinbarung zur Neuausrichtung des Geschäftsbereichs AB vom tt.mm.2015 sowie in der Grundsatzvereinbarung vom tt.mm.2016 (...) vereinbart, sobald ein Käufer für den Bereich feststeht, einen weiteren Betriebsübergang auf die AG-Holding-GmbH durchzuführen und im Hinblick auf den Käufer eine F-Vereinbarung abzuschließen. (...)

3. Betriebsübergang / Veräußerung

Der ausgegründete Geschäftsbereich AB (AB-GmbH) geht im Wege eines Asset Deals auf die AB-Holding-GmbH über.

Anschließend werden die Anteile an der AB-Holding-GmbH von D und E im Wege eines Share Deals erworben.

Die Auswirkungen dieser Maßnahme werden hier geregelt. Die F-Vereinbarung stellt zugleich einen etwa erforderlichen Interessenausgleich sowie Sozialplan nach §§ 111 f BetrVG dar. (...)

B. Weitere Regelungen (...)

1. Fortgeltung bestehender Regelungen

Im Hinblick auf den zweiten Betriebsübergang stellen die Betriebsparteien klar, dass die AB-Holding-GmbH nach § 613a Abs. 1 BGB in vollem Umfang in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs besehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. (...)

4. Standort- und Beschäftigungssicherung

Die AB-Holding-GmbH oder eine ihrer Rechtsnachfolgerinnen und die Erwerber sagen den Fortbestand der bestehenden Standorte mindestens bis zum 31.12.2022 sowie den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen mindestens bis zum 31.12.2020 zu. (...)

5. Rückkehrrecht

Sollte die AB-Holding-GmbH oder eine ihrer Rechtsnachfolgerinnen nach Ablauf der Frist gem. Abschnitt B Ziff. 4 Personalanpassungsmaßnahmen durchführen wollen, sagt die Y-GmbH allen Mitarbeitern, sofern diese am Stichtag S bereits bei der Y-GmbH oder einem Unternehmen des Y-Konzerns beschäftigt waren, Folgendes zu:

Für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung wird eine unbefristete Rückkehrmöglichkeit zur Y-GmbH garantiert. Dem Ausspruch der Kündigung gleichgestellt ist die Aufnahme von Mitarbeitern in eine zwischen Betriebsrat und AB-Holding-GmbH bzw. einer ihrer Rechtsnachfolgerinnen vereinbarte Liste konkret von betriebsbedingten Kündigungen betroffener Mitarbeiter.

6. Abfindungsrecht

Alternativ zur Ausübung des Rückkehrrechts können die nach Abschnitt B Ziff. 5 berechtigten Mitarbeiter die Zahlung einer Abfindung entsprechend Abschnitt B Ziff. 8 dieser Vereinbarung wählen. Das Wahlrecht zwischen Rückkehr und Abfindung wird vom Arbeitnehmer durch schriftliche Geltendmachung des jeweiligen Anspruchs gegenüber der Y-GmbH ausgeübt.

7. Weiterführende Regelungen zum Rückkehrrecht gem. Abschnitt B Ziff. 5

Bei Ausübung des Rückkehrrechts durch nach Abschnitt B Ziff. 5 berechtigte Mitarbeiter gilt das Arbeitsverhältnis mit Y-GmbH als ununterbrochen fortgesetzt. Die bei der AB-GmbH und AB-Holding-GmbH sowie etwaigen Rechtsnachfolgerinnen verbrachte Betriebszugehörigkeit wird voll angerechnet.

Vorzugsweise wird eine Rückkehr auf einen geeigneten Arbeitsplatz bei der Y-GmbH in dem Betrieb angeboten, in dem der Mitarbeiter ursprünglich bei der Y-GmbH bzw. der AB-GmbH beschäftigt war. Sollte dies nicht möglich sein, wird ein geeigneter Arbeitsplatz im Großraum des jeweiligen bisherigen Standorts, an dem der Mitarbeiter ursprünglich bei der Y-GmbH bzw. der AB-GmbH beschäftigt war, angeboten. (...)

Als geeignet gilt ein ggf. inhaltlich veränderter, gleicher oder gleichwertiger Arbeitsplatz. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Arbeitsplatz hinsichtlich der Entgeltgruppe und der Entlohnungsart auf Basis der jeweiligen tariflichen Rahmenbedingungen mindestens die gleichen Verdienstmöglichkeiten bietet, wie der bisherige Arbeitsplatz und seine Anforderungen der bisherigen Qualifikation (Ausbildung und Erfahrung) und den Fähigkeiten des Mitarbeiters entspricht. Für die Besetzung des Arbeitsplatzes ist in erster Linie das Anforderungsprofil maßgeblich.

Ist ein gleicher oder gleichwertiger Arbeitsplatz nicht vorhanden, wäre jedoch nach einer bis zu sechsmonatigen (in Sonderfällen zwölfmonatigen) Vollzeit-Umschulung die Weiterbeschäftigung auf einem gleichwertigen Arbeitsplatz möglich, so ist dem Mitarbeiter ein entsprechendes Umschulungsangebot zu machen. Während der Dauer der Umschulung zahlt Y-GmbH dem Mitarbeiter das bisherige Arbeitsentgelt für die Normalarbeitszeit fort, sofern nicht Dritte in Anspruch genommen werden können.

Wie in Ziffer 5.1.2. des Interessenausgleichs und Sozialplans Standort N vom (...) gilt für die Entgeltberechnung: Während der Umschulung erhält der Mitarbeiter eine Ausfallentschädigung nach dem durchschnittlichen Stundenverdienst der letzten 13 Wochen bzw. dem durchschnittlichen Monatsentgelt der letzten 3 Monate. Sollte die Umschulung von dritter Stelle durchgeführt werden und hierbei eine Verdienstminderung eintreten, so übernimmt Y-GmbH den Unterschiedsbetrag. Bei der Ermittlung des Durchschnittsverdienstes darf es zu keiner Benachteiligung der Mitarbeiter, die Entgelt Ersatzleistungen (z.B. bei Kurzarbeit, Krankheit etc.) erhalten, kommen. Unberührt davon bleibt bei entsprechender Eignung die Übernahme einer höherwertigen Tätigkeit im Rahmen der beruflichen Weiterbildung.

Kann ein gleichwertiger Arbeitsplatz oder die Umschulung auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz nicht angeboten werden, so darf die neue Aufgabe maximal eine (...)-Entgeltgruppe unter der bisherigen liegen. In diesem Fall greift für alle betroffenen Mitarbeiter die Gesamtbetriebsvereinbarung Grundentgeltsicherung nach dem (...)-Tarifvertrag der Y-GmbH. Bereits am Standort bestehende, für die Mitarbeiter günstigere Regelungen bleiben unberührt. (...) Y-GmbH trifft auf Wunsch des Mitarbeiters mit der AB-Holding-GmbH oder einer Rechtsnachfolgerin gem. § 4 BetrAVG eine Regelung zur Übertragung von Versorgungsanwartschaften in den Y-Vorsorgeplan in seiner dann geltenden Fassung (Portabilität).

8. Abfindungsregularien

Unmittelbar nach Ankündigung der AB-Holding-GmbH, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, vereinbaren die Y-GmbH sowie der Betriebsrat auf Anforderung einer Seite Abfindungsregularien, die standortbezogene Besonderheiten berücksichtigen. (...)

16. Betriebliche Altersversorgung

AB-Holding-GmbH sowie ihre Rechtsnachfolgerinnen stehen auch nach einer Bestandsübertragung auf einen anderen Pensionsfonds (...) für die Mindesthöhe einer vom Pensionsfonds zu erbringenden lebenslangen Zahlung ein."

Wegen der weiteren Regelungen wird auf die F-Vereinbarung Bezug genommen.

Mit Schreiben der AB-GmbH vom tt.mm.2017 erhielten die Klägerin und die anderen Beschäftigten eine "Mitteilung über den geplanten Betriebsübergang" von der AB-GmbH auf die AB-Holding-GmbH.

Unternehmerischer Grund des Betriebsübergangs sei die geplante Veräußerung des weltweiten AB-Geschäfts der Y-Gruppe an D und E. Die Veräußerung solle in mehreren Schritten vollzogen werden: Das in der AB-GmbH gebündelte AB-Geschäft in Deutschland werde im Wege der Einzelrechtsübertragung von der AB-GmbH auf die AB-Holding-GmbH übertragen. Darüber hinaus würden der AB-GmbH die Anteile der Gesellschaften im Ausland übertragen, in denen das AB-Geschäft außerhalb von Deutschland gebündelt sei. Anschließend sei beabsichtigt, alle Anteile der AB-GmbH an die H-KG zu veräußern. Hierbei handele es sich um ein zum Zwecke des Erwerbs des AB-Geschäfts der Y-Gruppe gegründetes Unternehmen, dessen Anteile indirekt, d.h. über Zwischengesellschaften, von den Käufern gehalten würden.

Der Betriebsübergang auf die AB-Holding-GmbH sei zum Stichtag 01.10.2017 geplant.

Unter Ziffer IV. (Rechtsfolgen des Betriebsübergangs) 1. d der Mitteilung wird u.a. auf die Grundsatzvereinbarung (...) und die (...) F-Vereinbarung verwiesen. Abschnitt C der Grundsatzvereinbarung regele, dass die Y-GmbH Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse auf die AB-Holding-GmbH übergingen, für den Fall von betriebsbedingten Kündigungen nach Veräußerung durch die AB-GmbH oder einen ihrer Rechtsnachfolger ein unbefristetes Rückkehrrecht zusage (Ziffer IV. 1. e). Die F-Vereinbarung enthalte u.a. Regelungen zur Ausgestaltung des in der Grundsatzvereinbarung zugesagten unbefristeten Rückkehrrechts (Ziffer IV. 1. f).

Am tt.mm.2017 beschloss die Gesellschafterversammlung der AB-Holding-GmbH, die Firma in T-GmbH zu ändern. (...) Der Übergang der Gesellschaftsanteile an der T-GmbH auf die H-KG erfolgte im Rahmen eines Share Deals. (...)

Nach ihrem eigenen Vorbringen war die Klägerin bei der T-GmbH als Sekretärin und Assistentin des Hauptabteilungsleiters "FG" tätig gewesen. Sie betreute in dieser Funktion auch die Abteilung "KL".

Infolge der den Geschäftsbereich AB betreffenden Betriebsübergänge von der Y-GmbH auf die AB-GmbH zum 01.08.2016 und von der AB-GmbH auf die T-GmbH zum 01.10.2017 wurden die Lohnsteuerdaten der Klägerin dem FA für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 30.09.2017 von der AB-GmbH und für den Zeitraum vom 01.10. bis zum 31.12.2017 von der T-GmbH übermittelt.

Aufgrund eines in der Coronakrise eingetretenen Umsatzeinbruchs beschloss die Geschäftsführung der T-GmbH im Jahr 2020, die Produktion am Standort N (...) bis Ende 2021 aufzugeben. Nach einem Bericht (...) verständigten sich Betriebsleitung und Arbeitnehmervertretungen jedoch darauf, dass einige Arbeitsplätze der T-GmbH am Standort N erhalten blieben. Die T-GmbH und der Gesamtbetriebsrat des Unternehmens vereinbarten (...) einen "Sozialplan zur Teilschließung und zum Fortführungskonzept Betrieb N der T-GmbH". (...)

Im Sozialplan waren auch Leistungen der T-GmbH für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt. Hiernach erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis betriebsbedingt beendet wird, eine Abfindung. Hiervon ausgenommen sind solche Beschäftigte, die im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Unternehmen des T-Konzerns eintreten. Die Abfindung setzte sich aus der Grundabfindung, für welche die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Bruttomonatsgehalt maßgeblich waren, und etwaigen Zusatzkomponenten (z.B. Kinderzulage, Schwerbehindertenzulage, Arbeitsmarktzulage) zusammen. Der Höchstbetrag der Summe aus Grundabfindung und Arbeitsmarktzulage war auf (...) € gedeckelt.

Einzelheiten zur Arbeitsmarktzulage sind unter § 3 Ziff. 1 Buchst. d geregelt:

"Für Arbeitnehmer, denen keine unbefristete Rückkehrmöglichkeit zur Y-GmbH nach Maßgabe von Abschnitt B. Ziffern 5, 7 der F-Vereinbarung (...) bzw. nach Wahl des Arbeitnehmers alternativ eine Abfindungszahlung durch die Y-GmbH nach Maßgabe von Abschnitt B. Ziffer 6, 8 der F-Vereinbarung garantiert ist (im Folgenden: "Arbeitnehmer ohne Rückkehrrecht"), erhöht sich die Abfindung um einen pauschalen Betrag in Höhe von (...) € brutto.

Arbeitnehmer ohne Rückkehrrecht sind Arbeitnehmer i.S.d. § 3 Ziffer 1. a, die am Stichtag S nicht bei der Y-GmbH oder einem Unternehmen des Y-Konzerns beschäftigt waren. Im Zweifelsfall ist Basis für die Prüfung dieser Negativvoraussetzung der von der Y-GmbH systemseitig an den Arbeitgeber übermittelte Eintrittsstichtag des Arbeitnehmers.

Die Arbeitsmarktzulage dient dem Ausgleich der potenziell vergleichsweise höheren wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer ohne Rückkehrrecht. Die Arbeitnehmer ohne Rückkehrrecht sind verglichen mit den Arbeitnehmern mit Rückkehrrecht aufgrund des stark angespannten Arbeitsmarktes (...) in erhöhtem Maße von Arbeitslosigkeit bedroht.

Die Arbeitsmarktzulage ist zurückzuzahlen, wenn die X-GmbH abweichend von Absatz 2 ein Rückkehr- bzw. Abfindungsrecht nach Maßgabe von Abschnitt B. Ziffern 5 bis 8 der F-Vereinbarung (...) anerkennt."

Anfang 2021 erklärte die T-GmbH gegenüber der Klägerin schriftlich unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2021. (...) Mit Schreiben vom tt.mm.2021 teilte die T-GmbH der Klägerin mit, dass sich die aus dem Sozialplan für sie ergebende Abfindung auf 95.740,31 (brutto) belaufe. Dieser Betrag wurde mit Schreiben vom tt.mm.2021 auf 98.828,70 € korrigiert.

An die Klägerin und ihre ebenfalls von der betriebsbedingten Kündigung betroffenen Kolleginnen und Kollegen hatte die Y-GmbH zwei standardisierte Informationsschreiben (...) adressiert.

Im ersten Schreiben wies die Y-GmbH darauf hin, über die von der T-GmbH ausgesprochenen Kündigungen informiert worden zu sein. Es gehe um die Aufklärung über die nächsten Schritte für "Sie als berechtigte ehemalige Y-Mitarbeiter". Aufgrund der Kündigungserklärung stünden auch der Klägerin grundsätzlich die Rechte aus der F-Vereinbarung zu. Voraussetzung dafür sei, dass die Klägerin bereits am Stichtag S bei der Y-GmbH oder einem Unternehmen des Y-Konzerns beschäftigt gewesen sei.

Im zweiten Schreiben wurde über die Einrichtung einer Internetseite informiert. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurden aufgefordert, die dort vorgesehenen Felder zur Geltendmachung der Rechte aus der F-Vereinbarung auszufüllen. Unter Ziffer 6. des Schreibens ging es um die Entscheidung für eine Rückkehr oder eine Abfindung (...).

Die Klägerin erklärte in einem von der Y-GmbH zur Verfügung gestellten Ankreuzformular, sie mache "einen Anspruch auf Rückkehr zur Y-GmbH geltend (Abschnitt B, Ziff. 5, 7 F-Vereinbarung)."

Die für die Klägerin erstellten Entgeltabrechnungen der T-GmbH für Februar und August 2021 und der Y-GmbH für September 2021 enthalten u.a. folgende Angaben:

Februar 2021August 2021September 2021
Pers. Entgeltg.7 / B7 / B7 / B
Grundgehalt3.487,00 €3.487,00 €3.487,00 €
............

In den drei Abrechnungen ist als Eintrittsdatum der tt.mm.1989 angegeben.

Nach dem Bericht (...) entschieden sich von den rückkehrberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern etwa die eine Hälfte - wie die Klägerin - für eine Weiterbeschäftigung und die andere Hälfte für die Zahlung einer weiteren Abfindung.

Die Y-GmbH schloss mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, welche sich (...) für eine Beschäftigung im Y-Werk N entschieden, im Regelfall keine neuen Arbeitsverträge ab. Mit Schreiben vom 31.08.2021 (...) bestätigte die Y-GmbH der Klägerin die Ausübung des Rückkehrrechts zur Y-GmbH. Das Schreiben enthielt unter Bezugnahme auf Abschnitt B Ziffer 7 der F-Vereinbarung den Hinweis, dass bei Ausübung des Rückkehrrechts das Arbeitsverhältnis mit der Y-GmbH als ununterbrochen fortgesetzt gilt. Die Klägerin werde (weiterhin) in die Entgeltgruppe 7 B eingruppiert. (...)

Für das Jahr 2020 hatte das FA gegenüber den Klägern die Einkommensteuer auf (...) € festgesetzt. Der Festsetzung liegt eine Summe der Einkünfte in Höhe von (...) € zugrunde, hierunter Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 50.106,00 € (Bruttoarbeitslohn: 51.106,00 €; Werbungskosten: 1.000,00 €).

Nach den dem FA für das Streitjahr übermittelten Lohndaten bezog die Klägerin von der T-GmbH Arbeitslohn im Zeitraum vom 01.01. bis 31.08.2021 in Höhe von 40.534,14 €. Überdies wurden dem FA ein ermäßigt besteuerter Arbeitslohn für mehrere Kalenderjahre und ermäßigt besteuerte Entschädigungen (Ziffer 10.) in Höhe von 98.391,96 € mitgeteilt. Die Y-GmbH übermittelte dem FA für den Zeitraum vom 01.09. bis 31.12.2021 einen Bruttoarbeitslohn von 21.341,06 €.

Die Einkommensteuererklärung 2021 reichten die Kläger am 11.07.2022 auf elektronischem Weg beim FA ein. Auf der Anlage N wurden für die Klägerin ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von insgesamt 61.875,20 € (= 40.534,14 € + 21.341,06 €) und ermäßigt besteuerte Entschädigungen / Arbeitslohn für mehrere Jahre lt. Nr. 10 der Lohnsteuerbescheinigung in Höhe von 98.391,00 € erklärt.

Zu den von der Y-GmbH dem FA für das Jahr 2022 für die Klägerin übermittelten Lohnsteuerdaten gehört ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von 63.465,99 €.

Mit Bescheid vom 22.09.2022 setzte das FA gegenüber den Klägern die Einkommensteuer 2021 auf (...) € fest. Der Festsetzung liegt eine Summe der Einkünfte von (...) € (Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit: 159.266,00 € [= 160.266,00 € ./. 1.000,00 €]) zugrunde. Auf das ermittelte zu versteuernde Einkommen in Höhe von (...) wandte das FA den sog. Splittingtarif mit Progressionsvorbehalt an.

Im Erläuterungsteil führte das FA u.a. aus, die ermäßigte Besteuerung der Abfindung habe nicht durchgeführt werden können. Denn auf der Grundlage der F-Vereinbarung sei es nicht zu entgehenden Einnahmen im gesetzlichen Sinne gekommen.

Hiergegen legten die Kläger am 19.10.2022 Einspruch ein. Sie begehrten, die im Streitjahr von der T-GmbH gezahlte Abfindung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 EStG ermäßigt zu besteuern. Das FA teilte hierauf mit, die Abfindung stelle keine Entschädigung für entgehende Einnahmen dar. Denn die Klägerin sei aufgrund des ihr zustehenden Rückkehrrechts zum 01.09.2021 ein neues Arbeitsverhältnis mit der Y-GmbH eingetreten. Die Konditionen der Arbeitsverhältnisse mit der T-GmbH und mit der Y-GmbH seien vergleichbar.

Nachdem die Prozessbevollmächtigte die Vertretung der Kläger angezeigt hatte, bat sie mit Schreiben vom 15.04.2023 um Erteilung einer Einspruchsentscheidung. Auch wenn es bei den Einkommensteuerveranlagungen einer Vielzahl anderer ehemaliger Beschäftigter der T-GmbH um die Frage gehe, ob die von der T-GmbH gezahlten Abfindungen ermäßigt zu besteuern seien, und bereits Klagen zum Niedersächsischen Finanzgericht (FG) vorbereitet würden, stimmten die Kläger einem Ruhen des Einspruchsverfahrens (§ 363 der Abgabenordnung - AO -) nicht zu. Nach Aktenlage hat sich das FA hierzu nicht geäußert.

Die Kläger haben am 23.05.2023 Untätigkeitsklage erhoben. (...)

Zur Begründung ihrer Klage machen die Kläger - in der Sache zum Teil unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren - im Wesentlichen geltend:

Die Klage sei als Untätigkeitsklage nach § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig. Das FA habe keine Gründe für die verzögerte Bearbeitung des Einspruchs mitgeteilt. Die Einsprüche anderer ehemaliger Beschäftigter der T-GmbH habe das FA inzwischen zurückgewiesen. Dadurch mache das FA klar, dass Entscheidungsreife vorliege. Für zwei ehemalige Kollegen der Klägerin habe die Prozessbevollmächtigte bereits Klage erhoben. Da sich die Sachverhalte in Details voneinander unterschieden, sei ein Abwarten der Entscheidungen in den unter den Geschäftszeichen 2 K 52/23 und 2 K 55/23 geführten Verfahren nicht prozessökonomisch.

Im Übrigen lehne es das FA zu Unrecht ab, die von der T-GmbH gezahlte Abfindung ermäßigt zu besteuern. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe zunächst mit der AB-GmbH und aufgrund des im Jahre 2017 erfolgten Betriebsübergangs mit der T-GmbH bestanden. Die Klägerin habe wegen dieses Betriebsübergangs mit der T-GmbH selbst keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Aufgrund der Anfang 2021 erklärten betriebsbedingten Kündigung habe die Klägerin ihren Arbeitsplatz bei der T-GmbH und die künftigen, auf diesem Arbeitsplatz gründenden Einnahmen verloren.

Die Anwendung des ermäßigten Steuertarifs werde vom FA mit der Begründung abgelehnt, es fehle aufgrund des Rückkehrrechts zur Y-GmbH am Eintritt eines Schadens. Diesem Argument könne indessen deshalb nicht gefolgt werden, weil es sich um ein Recht auf Rückkehr zur Y-GmbH, nicht aber auf Weiterbeschäftigung im T-Konzern handele. Hätte durch eine Anschlussbeschäftigung der Klägerin im T-Konzern ein Einnahmeverlust der Klägerin abgewendet werden können, hätte die T-GmbH keine Abfindung gezahlt. Bei der Beurteilung der Frage, ob im Falle einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung als "Entschädigung ... als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) gezahlt werde, komme es allein auf das beendete Arbeitsverhältnis, nicht aber auf ein neues Arbeitsverhältnis mit einer anderen Arbeitgeberin oder einem anderen Arbeitgeber an. Die Y-GmbH, mit welcher die Klägerin ein Rückkehrrecht vereinbart habe, stelle eine andere Arbeitgeberin in diesem Sinne dar.

Bei der Y-GmbH und der T-GmbH handele es sich um selbständige Gesellschaften, welche nicht derselben Konzerngruppe angehörten. An der (...) F-Vereinbarung sei die T-GmbH als Vertragspartei nicht beteiligt gewesen. Die T-GmbH habe mit dieser Vereinbarung "tatsächlich und rechtlich nichts zu tun". Umgekehrt sei weder die Y-GmbH noch eine andere zum Y-Konzern gehörende Gesellschaft an dem (...) "Sozialplan zur Teilschließung und zum Fortführungskonzept Betrieb N der T-GmbH" beteiligt gewesen. Ebenso wenig gebe es eine im Jahr 2021 vom Y-Konzern und der T-GmbH getroffene gemeinsame Vereinbarung über die Überleitung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder über das Rückkehrrecht zum Y-Konzern.

Ein Betriebsübergang von der T-GmbH auf die Y-GmbH habe im Jahre 2021 nicht stattgefunden. Die T-GmbH habe mit der "Wiederbeschäftigung" einiger der von den betriebsbedingten Kündigungen betroffener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Y-GmbH "rechtlich und tatsächlich nichts zu tun." Für die Anwendung der §§ 24, 34 EStG sei es ohne Belang, dass die oder der Steuerpflichtige nach betriebsbedingter Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu einer früheren Arbeitgeberin oder einem früheren Arbeitgeber zurückkehren könne. Hierauf komme es erst recht nicht an, wenn es sich bei den beiden Arbeitgeberinnen oder Arbeitgeber nicht um verbundene oder rechtlich verflochtene Unternehmen handele.

Würde die ermäßigte Besteuerung nicht für Fälle gelten, in denen die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung erhalte und anschließend mit einer anderen Arbeitgeberin oder einem anderen Arbeitgeber ein neues Beschäftigungsverhältnis eingehe, fände § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 1 EStG auf Abfindungen kaum noch Anwendung. Dies sei jedoch der vom Gesetzgeber gewollte Hauptanwendungsfall der Vorschrift.

Die T-GmbH habe die Abfindung nicht in Erfüllung ihrer auf dem Arbeitsverhältnis beruhenden Pflichten geleistet, sondern auf Grundlage des Sozialplans.

Letztlich stehe weder die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 34 EStG noch die Verwaltungsauffassung (R 24.1 der Einkommensteuer-Richtlinien; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 01.11.2013 - IV C 4-S 2290/13/10002, BStBl I 2013, 1326, Rz 3) der sog. Fünftelregelung entgegen. Dies gelte auch für das BFH-Urteil vom 13.12.2005 - XI R 8/05 (BFH/NV 2006, 1071), auf welches der Berichterstatter im Richterbrief vom 28.12.2023 hinweise. Hiernach sei zwar unter bestimmten Voraussetzungen eine beim Rückwechsel einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers gezahlte Abfindung nicht nach §§ 24, 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigt. Zu den Voraussetzungen für die Nichtanwendung der Fünftelregelung gehöre jedoch, dass beide betroffenen Arbeitgeberinnen oder Arbeitgeber sowohl unternehmensrechtlich als auch steuerrechtlich miteinander verflochten seien. Dieses Merkmal erfüllten die Y-GmbH und die T-GmbH zum Zeitpunkt der Beendigung des mit der Klägerin bestehenden Arbeitsverhältnisses (31.08.2021) nicht.

Im Übrigen sei nach dem BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1071 [BFH 13.12.2005 - XI R 8/05] für die Annahme eines fortbestehenden Dienstverhältnisses trotz eines zweimaligen Wechsels der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers erforderlich, dass das mit dem einen Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis im Wesentlichen unverändert mit dem anderen Arbeitgeber fortgesetzt werde. Hieran fehle es im Streitfall deshalb, weil die Klägerin nach der Rückkehr zur Y-GmbH zunächst einem Personalpool von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern angehört habe, für welche nicht wirklich eine feste, dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeit bestanden habe. Unmittelbar nach der Rückkehr habe sie zunächst an einem zweieinhalbwöchigen Seminar teilgenommen. Anschließend sei die Klägerin für die Betreuung der Rückkehrerinnen und Rückkehrer zuständig gewesen. Sie habe gewissermaßen als "Mädchen für alles" die betroffenen Beschäftigten bei allen anfallenden Fragestellungen unterstützt. Erst zum 01.01.2023 und damit nach etwa 16monatiger Ungewissheit habe die Klägerin einen festen Arbeitsplatz erhalten. Aufgrund dieser Umstände habe sie einen Besitzstandsverlust erlitten.

Auch aufgrund des im Steuerrecht geltenden Gleichbehandlungsgebots sei die der Klägerin gezahlte Abfindung ermäßigt zu besteuern. Während das FA gegenüber einigen Beschäftigten der T-GmbH, welche im Jahr 2022 frühzeitig die Einkommensteuererklärung 2021 abgegeben hätten, die jeweilige von der T-GmbH gezahlte Abfindung ermäßigt besteuert habe, wende das FA im Falle der Klägerin und anderer Kolleginnen und Kollegen auf die Abfindung zu Unrecht den Grundtarif oder den Splittingtarif an. Andere Finanzämter als das FA wendeten unterdessen nach wie vor § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 EStG auf die von der T-GmbH im Streitjahr aufgrund des Sozialplans gezahlten Abfindungen an.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2021 vom 22.09.2022 auf Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 98.391,96 € die Tarifvorschriften der §§ 24 Nr. 1 Buchst. a, 34 Abs. 1 EStG anzuwenden und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA hält die Klage als Untätigkeitsklage zwar für zulässig, jedoch für unbegründet. Im Streitfall komme die Anwendung des ermäßigten Steuertarifs mangels Einnahme- oder Arbeitsplatzverlustes nicht in Betracht.

Indem die Klägerin das ihr zustehende Rückkehrrecht zur Y-GmbH wahrgenommen und sich in Ausübung dieses Rechts für die Weiterbeschäftigung im Y-Werk N entschieden habe, seien ihr keine Einnahmen entgangen. Daher stelle die von der T-GmbH geleistete Abfindung keine Entschädigungszahlung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG dar. Hiervon könne nur bei einem Ersatz für entgangene oder entgehende, also ursprünglich erwarteter, nun aber tatsächlich nicht erzielter Einnahmen die Rede sein. Aus den Regelungen der F-Vereinbarung ergebe sich indessen ein Recht auf Rückkehr zur Y-GmbH bei unveränderten Bedingungen.

Für die Frage, ob ein Einnahmeverlust eingetreten sei, sei entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung nicht allein auf das Arbeitsverhältnis mit der T-GmbH, sondern auf alle Vereinbarungen und Umstände des Streitfalles abzustellen. Hierzu gehöre die Rückkehrzusage der Y-GmbH, durch welche für die Klägerin ein Anspruch auf (Wieder-) Begründung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses entstanden sei. Damit seien der Bestand des bisherigen Arbeitsverhältnisses und die unveränderte Fortführung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen über den Arbeitsbereich und die Entlohnung unter Wahrung des sozialen Besitzstandes gewährleistet gewesen. Eine Auflösung und endgültige Beendigung des Dienstverhältnisses sei nach den im BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1071 [BFH 13.12.2005 - XI R 8/05] aufgestellten Maßstäben nicht gegeben.

Zwar liege dieser Entscheidung ein Sachverhalt zugrunde, in dem mit einem neuen Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis begründet worden sei und beide Arbeitgeber unternehmensrechtlich und steuerrechtlich miteinander verflochten seien. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung könne im Streitfall jedoch nichts Anderes gelten. Maßgeblich seien die im Einzelfall getroffenen Vereinbarungen und nicht die Unternehmensstruktur. Auch wenn die Y-GmbH und die T-GmbH nicht (mehr) demselben Konzern angehörten, bestehe zwischen beiden Unternehmen eine gewisse Nähe (so auch BFH-Beschluss vom 30.01.2008 - IX B 245/07, BFH/NV 2008, 944 zur bewährten Geschäftsbeziehung zwischen alter und neuer Arbeitgeberin). Die T-GmbH sei aus der AB-Holding-GmbH und damit aus einer Tochter der Y-Gruppe hervorgegangen. Die Verflechtung zeige sich auch in den im Sozialplan (...) getroffenen Vereinbarungen. Denn an mehreren Stellen werde hierin die Y-GmbH erwähnt, etwa im Zusammenhang mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit als ein Teil der Bemessungsgrundlage für die Höhe der Abfindung (...). Die Höhe der Arbeitsmarktzulage (...) werde von einer Rückkehrmöglichkeit zur Y-GmbH abhängig gemacht.

Demzufolge sei die an die Klägerin gezahlte Abfindung nicht als Ersatz für eine vertraglich zustehende Leistung erbracht worden, sondern sie stelle vielmehr die Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses bzw. eine Zahlung im Rahmen eines fortlaufenden Einkünfteerzielungstatbestandes dar, und es handele sich bei der Abfindung mithin nicht um eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 EStG.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin u.a. erklärt, von Anfang an sei eine Rückkehrmöglichkeit zur Y-GmbH gegeben gewesen. (...) Die von der Personalabteilung angebotene Abfindung anzunehmen, sei für die Klägerin nicht in Frage gekommen. Ab dem 01.09.2021 sei sie zunächst - wie andere (...) Beschäftigte auch - in einen Personalpool aufgenommen worden. Anfangs habe sie keinen festen Arbeitsplatz gehabt, sondern sei für die im Stellenpool zusammengefassten Beschäftigten "Mädchen für alles" gewesen. Die Klägerin habe sich auf eine Stelle als Assistentin des Geschäftsbereichsleiters beworben. Allerdings sei sie nicht auf dieser Stelle verblieben. Erst danach habe sie einen anderen festen Arbeitsplatz erhalten. Daneben habe sie zunächst weiterhin die Rückkehrerinnen und Rückkehrer betreut. Diese Aufgabe sei erst Ende 2023 abgeschlossen worden. Gehaltsmäßig hätten sich ab September 2021 keine Änderungen ergeben. Die Y-GmbH und die T-GmbH hätten zwar die gleiche Anschrift. Beide Betriebe befänden sich auf einem riesigen Gelände, und die Arbeitsplätze der Klägerin bei der T-GmbH und der Y-GmbH lägen ungefähr 800 Meter auseinander.

Zur Begründung des Vorbringens, das FA oder andere Finanzämter hätten die an andere ehemalige Beschäftigte der T-GmbH im Jahr 2021 ausgezahlten Abfindungen ermäßigt besteuert und daher dürfe das FA der Klägerin die Anwendung der Fünftelregelung unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht versagen, hat der Prozessbevollmächtigte ausdrücklich auf die Kommentierung von Seer in Tipke/Kruse, § 85 AO, Rz 10 ff., hingewiesen. (...)

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in deren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Recht hat das FA die von der T-GmbH an die Klägerin im Streitjahr gezahlte Abfindung in Höhe von 98.391,96 € nicht ermäßigt besteuert.

I. Die Klage ist als Untätigkeitsklage zulässig.

1. Eine Klage ist abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig (Untätigkeitsklage), wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klage kann jedoch nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Nach Satz 3 der Vorschrift kann das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten, verlängerbaren Frist aussetzen.

Ursachen im Bereich der Behördenorganisation, wie Arbeitsüberlastung durch Personalmangel, Urlaub oder Krankheitsfälle sind grundsätzlich kein zureichender Grund für die Überschreitung einer angemessenen Frist. Das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO kann jedoch ein zureichender Grund sein (vgl. BFH-Urteil vom 27.04.2006 - IV R 18/04, BFH/NV 2006, 2017, m.w.N.).

Wie sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 FGO entnehmen lässt, ist eine Frist von bis zu sechs Monaten nach Einlegung des Einspruchs regelmäßig als angemessen anzusehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30.10.1987 - IV B 148/86, BFH/NV 1989, 558; vom 07.03.2006 - VI B 78/04, BFHE 211, 433, BFH/NV 2006, 1018; BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2017, m.w.N.). Das Tatbestandsmerkmal "in angemessener Frist" ist jedoch auch nach Ablauf von sechs Monaten zu prüfen. Dabei ist nach den gesamten Umständen des Falles zu beurteilen, ob eine darüber hinausreichende Frist noch "angemessen" ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1018; BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2017). Abzuwägen sind auf der einen Seite der Umfang und die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und auf der anderen Seite das Interesse der Rechtsbehelfsführerin oder des Rechtsbehelfsführers an einer baldigen Entscheidung (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1018; BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2017 [BFH 27.04.2006 - IV R 18/04]; Teller in Gräber, FGO, 9. Aufl., § 46 Rz 8, m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des BFH, welcher das Gericht folgt, kann jedoch eine vor Abschluss des Vorverfahrens erhobene Klage nur dann nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO zulässig sein, wenn spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG die Untätigkeit der Finanzbehörde gerügt wird (vgl. BFH-Urteile vom 17.05.1985 - III R 213/82, BFHE 143, 509, BStBl II 1985, 521; vom 10.01.2013 - V R 47/11, BFH/NV 2013, 1101, unter II. 2. b; Teller in Gräber, FGO, 9. Aufl., § 46 Rz 2).

2. Nach diesen Maßstäben ist die Klage zulässig, ohne dass das Verfahren über den am 19.10.2022 eingelegten Einspruch zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 23.05.2023 bereits abgeschlossen war.

Die sechsmonatige Regel- bzw. Sperrfrist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO) war bei Klageerhebung bereits abgelaufen. Das FA hatte sich seit dem Hinweisschreiben vom 05.12.2022 im außergerichtlichen Vorverfahren nicht mehr geäußert, auch nicht auf die mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten im Schreiben vom 15.04.2023 geäußerte Bitte, zeitnah über den Rechtsbehelf durch eine rechtsmittelfähige Einspruchsentscheidung zu entscheiden. Insbesondere hat das FA den Klägern keine Umstände mitgeteilt, die eine über sechs Monate hinausgehende Bearbeitung des Einspruchs rechtfertigen. Die Untätigkeit des FA ist etwa in der Klageschrift hinreichend gerügt worden.

In Übereinstimmung mit der von beiden Beteiligten vertretenen Rechtsauffassung ist die Untätigkeitsklage deshalb zulässig.

II. In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg.

Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG gehören nach § 24 Nr. 1 EStG auch Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (Buchst. a) oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche (Buchst. b) sowie Entschädigungen als Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB).

1. Eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist eine Leistung, die "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" gewährt wird, d.h. an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen tritt.

a) Sie muss unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt sowie dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen und auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 10.07.2008 - IX R 84/07, BFH/NV 2009, 130, unter II. 2.; vom 25.08.2009 - IX R 3/09, BFHE 226, 261, BStBl II 2010, 1030, unter II. 1. a; vom 10.09.2003 - XI R 9/02, BFHE 204, 65, BStBl II 2004, 349; vom 13.08.2018 - IX R 16/17, BFHE 261, 258, BStBl II 2018, 709, Rz 9; vom 06.12.2021 - IX R 10/21, BFHE 279, BFH/NV 2023, 878, Rz 17). Eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i.V.m. § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG setzt ferner voraus, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder, soweit er vom Steuerpflichtigen selbst oder mit dessen Zustimmung herbeigeführt worden ist, dass dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand; der Steuerpflichtige darf das schadenstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben (z.B. BFH-Urteile vom 27.07.2004 - IX R 64/01, BFH/NV 2005, 191, unter II. 2. a; in BFH-Urteil in BFHE 261, 258, BStBl II 2018, 709 [BFH 13.03.2018 - IX R 16/17], Rz 9).

b) Aus dem Zusammenhang der Tatbestände in § 24 Nr. 1 Buchst. a bis c EStG sowie aus einem Vergleich der in § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG aufgeführten Tatbestände verlangt die Bejahung einer Entschädigung, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis beendet wird (vgl. BFH-Urteile vom 12.04.2000 - XI R 1/99, BFH/NV 2000, 1195, unter 2; in BFH/NV 2006, 1071 [BFH 13.12.2005 - XI R 8/05], unter II. 2.). Der Zweck der Regelung ist darauf gerichtet, die aus Anlass der Beendigung eines Einkunftserzielungstatbestandes zusammengeballt zugeflossenen Leistungen ermäßigt zu besteuern. Zahlungen, die im Rahmen eines fortlaufenden Einkunftserzielungstatbestandes geleistet werden, mögen sie auch Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen sein, sind nicht begünstigt (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1195, unter 2.).

In Anwendung dieser Grundsätze hat der XI. Senat des BFH entschieden, dass der Wechsel des Arbeitgebers im Rahmen des Betriebsübergangs bei geänderten Konditionen lediglich zu einer (modifizierten) Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses führt. Da das den Zahlungen zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht beendet worden sei, komme eine tarifbegünstigte Besteuerung (§§ 24, 34 Abs. 1 EStG) von Ausgleichszahlungen des alten Arbeitgebers zum Ausgleich von Nachteilen, welche auf einem neuen Arbeitsvertrag mit dem neuen Arbeitgeber beruhten, nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1195 [BFH 12.04.2000 - XI R 1/99]). Außerdem ist nach derselben Entscheidung ein Arbeitsplatzverlust, der eine Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung rechtfertigt, dann nicht gegeben, wenn das bestehende Dienstverhältnis zwar mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird.

Nach dem BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1071 [BFH 13.12.2005 - XI R 8/05] ist ein die Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG a.F. rechtfertigender Arbeitsplatzverlust ebenfalls nicht gegeben, wenn eine Steuerpflichtige oder ein Steuerpflichtiger zwar formal zweimal die Arbeitgeber gewechselt hat, die beteiligten - sowohl unternehmensrechtlich als auch steuerrechtlich miteinander verflochtenen - Unternehmen jedoch beide Wechsel im gegenseitigen Einvernehmen so ausgestaltet haben, dass das bestehende Arbeitsverhältnis mit dem einen Arbeitgeber jeweils im Wesentlichen unverändert mit dem anderen Arbeitgeber fortgesetzt werden konnte (durchgehender Vergütungstarif, Anrechnung der Dienstzeiten, Entfallen einer Probezeit). Die durch § 3 Nr. 9 EStG a.F. aus sozialpolitischen Gründen gewährte Steuerbefreiung ist nur im Falle der endgültigen Beendigung des Dienstverhältnisses gerechtfertigt. Fehlt es hieran, ist eine vom zweiten Arbeitgeber vor der Rückkehr zum ersten Arbeitgeber gezahlte Abfindung auch nicht nach §§ 24, 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigt.

Auch nach dem BFH-Beschluss vom 10.10.2006 - XI B 118/05 (BFH/NV 2007, 415) verlangt die Bejahung des Tatbestandsmerkmals "Entschädigung" i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis beendet wird. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn das bestehende Dienstverhältnis lediglich formal mit einer neuen Arbeitgeberin oder einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird. Dass die formale Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einer neuen Arbeitgeberin oder einem neuen Arbeitgeber nur innerhalb eines Konzernverbundes möglich ist, ist dieser Entscheidung des BFH nicht zu entnehmen.

Nach dem BFH-Beschluss vom 22.06.2001 - XI B 27/01 (BFH/NV 2001, 1551, m.w.N.) wird ein bestehendes Dienstverhältnis nicht fortgesetzt, wenn die oder der Beschäftigte nach der Beendigung mit demselben Arbeitgeber ein neues Dienstverhältnis zu anderen Bedingungen begründet. Ob ein neues Dienstverhältnis begründet oder das alte - wirtschaftlich betrachtet - lediglich fortgesetzt wird, ist nach Auffassung des BFH davon abhängig, ob das neue Dienstverhältnis als Fortsetzung des bisherigen Dienstverhältnisses zu beurteilen ist. Entscheidend dafür ist, ob die Beteiligten nach den Umständen des einzelnen Falles die Umsetzung als Fortsetzung eines einheitlichen Dienstverhältnisses ausgestaltet haben.

Im BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 944 hat der XI. Senat entschieden, dass es für das Merkmal "Auflösung des Dienstverhältnisses" i.S. des 3 Nr. 9 EStG a.F. entscheidend auf dessen endgültige Beendigung ankommt. Hieran fehlt es, wenn das bestehende Arbeitsverhältnis - bei Vorliegen der im BFH-Beschluss in BFHE 2006, 1071 genannten Voraussetzungen - von einem neuen Arbeitgeber fortgeführt wird, mit dem der alte Arbeitgeber zwar nicht gesellschafts- oder konzernrechtlich verbunden ist, aber seit Längerem in einer bewährten Geschäftsbeziehung steht.

c) Eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehört zu den tarifbegünstigten außerordentlichen Einkünften i.S. von § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG, wenn sie in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen ist und wenn durch die Zusammenballung von Einkünften eine erhöhte steuerliche Belastung entsteht. Eine Zusammenballung von Einkünften ist nur gegeben, wenn der Steuerpflichtige unter Einschluss der Entschädigung infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge, erhalten hätte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 261, 258, BStBl II 2018, 709 [BFH 13.03.2018 - IX R 16/17], Rz 10, m.w.N.).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die von der T-GmbH an die Klägerin im Streitjahr gezahlte Abfindung nicht nach § 24 Nr. 1 i.V.m. § 34 EStG ermäßigt zu besteuern. Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass die T-GmbH die Abfindung nicht in Erfüllung des Arbeitsvertrages, sondern auf einer anderen Rechtsgrundlage gezahlt hat (unten a). Der im Arbeitsverhältnis mit der T-GmbH angelegte Einkünfteerzielungstatbestand ist jedoch durch die betriebsbedingte Kündigung nicht beendet worden (unten b), und das bestehende Dienstverhältnis ist hierdurch lediglich formal, aber nicht bei wirtschaftlicher Betrachtung beendet worden (unten c). Schließlich sprechen die sonstigen Umstände des Streitfalles ebenfalls gegen eine Anwendung des ermäßigten Steuertarifs (unten d).

a) Die Zahlung der Abfindung beruht nicht auf dem Arbeitsvertrag zwischen der T-GmbH und der Klägerin. Rechtsgrundlage für die Zahlung der 98.391,96 € ist vielmehr der (...) Sozialplan. Hiernach stand Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis durch die T-GmbH als Arbeitgeberin beendet worden ist, eine Abfindung zu.

Auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist von der T-GmbH zum 31.08.2021 gekündigt worden. Der Umstand, dass die Abfindungszahlung nicht in Erfüllung des Arbeitsvertrages, sondern auf einer anderen Rechtsgrundlage (Sozialplan) geleistet worden ist, steht der Anwendung der Fünftelregelung nicht entgegen.

b) Durch die Kündigung zum 31.08.2021 ist zwar das Arbeitsverhältnis mit der T-GmbH (einseitig) durch die Arbeitgeberin, nicht jedoch der Einkünfteerzielungstatbestand beendet worden.

Mit einer Beendigung des Einkünfteerzielungstatbestandes ist es nicht vereinbar, dass die Klägerin auch nach Beendigung der Rechtsbeziehung zur alten Arbeitgeberin, aber auf Grundlage des bestehenden Arbeitsverhältnisses von einer neuen Arbeitgeberin lückenlos unter Anerkennung der bisherigen Beschäftigungsdauer bei Fortzahlung von Arbeitslohn in derselben Entgeltgruppe am selben Standort (Q-Straße ... in N) weiterbeschäftigt wird.

c) Durch die betriebsbedingte Kündigung ist das Arbeitsverhältnis mit der T-GmbH formal beendet worden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist es jedoch aufgrund des Rückkehrrechts der Klägerin zur Y-GmbH mit der neuen Arbeitgeberin fortgesetzt worden. Indem sich die Klägerin aufgrund des Rückkehrrechts für eine Weiterbeschäftigung aufgrund des bestehenden Arbeitsverhältnisses, in das arbeitgeberseitig die Y-GmbH eingetreten ist, entschieden hat, ist ein fortlautender Einkünfteerzielungstatbestand in Gestalt laufend gezahlten Arbeitslohns gegeben.

aa) Die Klägerin hatte aufgrund des bereits mit der Grundsatzvereinbarung (...) - und damit vor dem ersten Betriebsübergang (...) - begründeten "unbefristeten Rückkehrrechts" einen Anspruch auf Fortsetzung des ursprünglich mit der Y-GmbH im Jahre 1991 eingegangenen Arbeitsverhältnisses. Diese Grundsatzvereinbarung diente der "Absicherung der Arbeitnehmer des rechtlich verselbständigen Geschäftsbereichs AB" und damit der Vermeidung von Einnahmeverlusten.

In das 1991 abgeschlossene Arbeitsverhältnis war arbeitgeberseitig aufgrund des Betriebsübergangs zum 01.08.2016 zunächst die AB-GmbH und aufgrund des weiteren Betriebsübergangs zum 01.10.2017 die AB-Holding-GmbH bzw. T-GmbH eingetreten. Es handelte sich jeweils um einen Vertragspartnerwechsel auf Arbeitgeberseite (vgl. hierzu etwa Kliemt/Teusch in: jurisPK-BGB, Aufl. 2023, § 613a Rz 63, m.w.N.).

Das durch die betriebsbedingte Kündigung zum 31.08.2021 ausgelöste Rückkehrrecht zur Y-GmbH beruhte in Ermangelung eines Betriebsübergangs von der T-GmbH auf die Y-GmbH zwar nicht auf § 613a BGB, sondern auf den für die Klägerin geltenden kollektivarbeitsrechtlichen Regelungen in der Grundsatzvereinbarung (...) und in der F-Vereinbarung (...). Der Y-GmbH hatte nach diesen Vereinbarungen nicht die Möglichkeit, die Geltendmachung des Rückkehrrechts und damit des Anspruchs auf Weiterbeschäftigung der von den Kündigungen betroffenen Beschäftigten zu verhindern.

Dadurch, dass sich die Klägerin (einseitig) für eine Weiterbeschäftigung entschieden hat, ist diese auf Grundlage des bestehenden und seit 1991 ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses erfolgt. Nichts Anderes ergibt sich aus dem (...) Schreiben vom 31.08.2021, mit welchem die Y-GmbH der Klägerin Informationen über die Umsetzung des Rückkehrrechts gegeben hat.

bb) Nach den konkret getroffenen Vereinbarungen - insbesondere nach den Regelungen in Abschnitt B Ziffer 7. der F-Vereinbarung - hat die Klägerin das mit der T-GmbH bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.08.2021 hinaus ohne Unterbrechung mit der Y-GmbH - der vormaligen Arbeitgeberin - im Wesentlichen unverändert fortgesetzt. Dies gilt auch für die im BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1195 [BFH 12.04.2000 - XI R 1/99] benannten Merkmale "durchgehender Vergütungstarif", "Anrechnung der Dienstzeiten" und "Entfallen einer Probezeit".

Nach der genannten Regelung der F-Vereinbarung hatte der neue "Arbeitsplatz hinsichtlich der Entgeltgruppe und der Entlohnungsart auf Basis der jeweiligen tariflichen Rahmenbedingungen mindestens die gleichen Verdienstmöglichkeiten" zu bieten, wie der bisherige Arbeitsplatz. Etwa im Falle von Umschulungen war die Y-GmbH verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu leisten. Dementsprechend richtete sich das Gehalt der Klägerin nach der Rückkehr zur Y-GmbH weiterhin nach der Entgeltgruppe 7 B. Ein Vergleich des in den Jahren 2020 bis 2022 bezogenen Bruttoarbeitslohns zeigt, dass die Klägerin durch den Eintritt der Y-GmbH in das Arbeitsverhältnis keine (beachtlichen) Gehaltseinbußen erlitten hat. Dementsprechend hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage bestätigt, dass sich für sie gehaltsmäßig ab September 2021 nichts geändert habe.

Es war der Klägerin und den anderen Rückkehrerinnen und Rückkehrern ausdrücklich zugesagt worden, dass nicht nur die bei der T-GmbH (vormals AB-Holding-GmbH), sondern auch die zuvor bei der AB-GmbH und bei der Y-GmbH selbst verbrachten Zeiten der Betriebszugehörigkeit voll angerechnet werden. Dass diese Zusage von der Y-GmbH tatsächlich umgesetzt worden ist, geht aus der Angabe des unveränderten Eintrittsdatums (Beginn der Berufsausbildung am tt.mm.1989) in der Gehaltsabrechnung für September 2021 hervor.

Auch deshalb, weil das (vormalige) Arbeitsverhältnis mit der Y-GmbH seit der Rückkehr als ununterbrochen fortgesetzt gilt und kein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ist eine etwaige Probezeit, die bei erfolglosem Verlauf zu einem Verlust des Arbeitsplatzes führen kann, entfallen.

cc) Soweit nach dem Zweck des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG von einer Beendigung des Rechtsverhältnisses nicht gesprochen werden kann, wenn ein Arbeitsverhältnis lediglich formal mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 415 [BFH 10.10.2006 - XI B 118/05]), führt dies im Streitfall nicht dazu, dass der Einkünfteerzielungstatbestand aufgrund der Kündigung beendet worden ist.

Die Klägerin konnte von der Y-GmbH verlangen, auf einem "geeigneten Arbeitsplatz" eingesetzt zu werden. Die Eignung des Arbeitsplatzes richtete sich insbesondere nach Kriterien Standort, Entgeltgruppe und Anforderungsprofil. Im Falle eines fehlenden geeigneten Arbeitsplatzes war die Y-GmbH verpflichtet, der Klägerin ein Umschulungsangebot zu machen.

Nach der F-Vereinbarung waren für die Rückkehrerinnen und Rückkehrer Nachteile bei der der Entlohnung (Abschnitt B 7.) und beim sozialen Besitzstand (Abschnitt B 16.) ausgeschossen. Da nach der Rechtsprechung des BFH alle Umstände des Einzelfalles in den Blick zu nehmen sind (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1551), fallen vorliegend etwaige Veränderungen im Arbeitsbereich, welche bei einer tatsächlichen Wiederaufnahme des Beschäftigungsverhältnisses mit der Y-GmbH eingetreten sind, wegen ausgeschlossener Veränderungen zulasten der Klägerin bei den Kriterien "Entlohnung" und "Wahrung des sozialen Besitzstandes" (insbesondere betriebliche Altersvorsorge) nicht bedeutend ins Gewicht. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass sich der weiterhin unter der postalischen Anschrift Q-Straße ... in N belegene Arbeitsplatz jedenfalls örtlich nicht wesentlich verändert hat. Der Umstand, dass in Konzernorganisationen im Falle von Umstrukturierungen Beschäftigte umgeschult oder vorübergehend in einen Personalpool aufgenommen und von dort umgesetzt werden, kommt auch ohne Wechsel der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers vor und führt nicht zwangsläufig zu einer Beendigung des Dienstverhältnisses. Dass die Klägerin nach ihrem Vorbringen im Zeitraum von September 2021 bis Dezember 2022 bei der Y-GmbH am Standort N noch keinen festen Arbeitsplatz wieder innehatte, sondern dem Stellenpool zugeordnet war und dass sie auch über den 01.01.2023 hinaus noch mit der Betreuung der anderen Rückkehrerinnen und Rückkehrer betraut war, rechtfertigt es bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht, im Zusammenhang mit dem Austausch des Arbeitgebers bei ansonsten im Wesentlichen gleichbleibenden Konditionen von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu sprechen.

d) Weder aus den in Bezug genommenen Entscheidungen des BFH noch dem Vorbringen der Beteiligten ergeben sich Umstände, welche die Annahme eines Einnahmeverlustes, der für die Anwendung des ermäßigten Steuertarifs erforderlich ist, rechtfertigen.

aa) Eine unternehmensrechtliche oder steuerrechtliche Verflechtung zwischen dem alten und dem neuen Arbeitgeber ist für die Bejahung eines fortbestehenden Einkünfteerzielungstatbestandes und für die Verneinung eines Einnahmeverlustes (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) nicht erforderlich.

(1) Die BFH-Urteile in BFH/NV 2000, 1195 [BFH 12.04.2000 - XI R 1/99] und in BFH/NV 2006, 1071 [BFH 13.12.2005 - XI R 8/05] sind auch zu § 3 Nr. 9 EStG a.F. ergangen. Nach dieser Vorschrift war für die (teilweise) Steuerfreiheit einer Abfindung "die Auflösung des Dienstverhältnisses" Voraussetzung. Dieses Merkmal enthält § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht. Hiernach kommt es darauf an, ob es sich bei der (Abfindungs-) Zahlung um die Gewährung einer Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen handelt.

Auch für § 3 Nr. 9 EStG a.F. sah es der IX. Senat im BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 944 als ausreichend an, dass die beteiligten Unternehmen bzw. Arbeitgeber in einer "bewährten Geschäftsbeziehung" standen.

(2) Als die T-GmbH Anfang 2021 der Klägerin die betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärte, waren die T-GmbH und die Y-GmbH unternehmensrechtlich oder steuerrechtlich nicht miteinander verflochten. Es kann dahinstehen, ob nach der Ausgliederung und rechtlichen Verselbständigung des Geschäftsbereichs AB und nach den zwei Betriebsübergängen eine "bewährte Geschäftsbeziehung" zwischen der T-GmbH und der Y-GmbH bestand. Ein Einnahmeverlust seitens der Klägerin ist vorliegend deshalb nicht eingetreten, weil die Beteiligten - einschließlich der T-GmbH (vormals AB-Holding-GmbH) - die Rückkehrmöglichkeit zur Y-GmbH als Fortsetzung eines einheitlichen Dienstverhältnisses ausgestaltet hatten (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1551) und der Einkünfteerzielungstatbestand daher mit der Kündigung nicht beendet worden ist.

Bereits in der Grundsatzvereinbarung (...) ist geregelt worden, dass vor einem zweiten Betriebsübergang bzw. der Veräußerung der Gesellschaftsanteile der AG-Holding-GmbH zur "Absicherung der Arbeitnehmer" eine F-Vereinbarung getroffen werde. An der (...) getroffenen F-Vereinbarung und damit an deren "Ausgestaltung" war - entgegen dem Vorbringen der Kläger - auch die T-GmbH unter ihrer vorherigen Firma beteiligt. Denn die T-GmbH ist arbeitsrechtlich und steuerrechtlich mit der AB-Holding-GmbH identisch. Die AB-Holding-GmbH ist aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom tt.mm.2017 lediglich umfirmiert worden. Dies hatte ebenso wenig wie die Ende 2017 im Wege eines Share Deals erfolgte Veräußerung der Gesellschaftsanteile eine Änderung der Rechtspersönlichkeit zur Folge.

Die F-Vereinbarung war nicht nur von der AB-Holding-GmbH bzw. der T-GmbH (...) mitverhandelt worden, sondern hatte aufgrund des hierin geregelten Rückkehrrechts für die T-GmbH auch noch im Jahr 2021 rechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen. Denn die Höhe der von ihr an die von den betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu zahlenden Abfindungen richtete sich auch danach, ob ein Rückkehrrecht zur Y-GmbH bestand oder nicht. Diese Verflechtung zwischen der von der T-GmbH zu leistenden Abfindungszahlung und der noch vor dem Share Deal getroffenen F-Vereinbarung kommt auch im Kündigungsschreiben (...), in welchem auf das Rückkehrrecht zur Y-GmbH hingewiesen wird, zum Ausdruck.

bb) Die sozialpolitischen Erwägungen, die der (teilweisen) Steuerbefreiung einer Abfindungszahlung nach § 3 Nr. 9 EStG a.F. und der Tarifbegünstigung nach §§ 24, 34 Abs. 1 EStG zugrunde liegen, greifen im Streitfall nicht Platz.

Durch diese Vorschriften sollen die Folgen eines Arbeitsplatzverlustes abgemildert werden (vgl. etwa BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 1071 [BFH 13.12.2005 - XI R 8/05]; vom 09.05.2007 - XI R 52/05, BFH/NV 2007, 1857). Zu diesen Folgen gehört die Gefahr, dass der Steuerpflichtige nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses etwa infolge einer betriebsbedingten Kündigung keine vergleichbare Anschlussbeschäftigung findet. Dieser Gefahr waren die Klägerin und ihre ebenfalls von den betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Kolleginnen und Kollegen aufgrund des Rückkehrrechts zur Y-GmbH jedoch nicht ausgesetzt. Hierdurch war ihnen eine Weiterbeschäftigung zu im Wesentlichen unveränderten Bedingungen unbefristet "garantiert" (vgl. Abschnitt B 5. der F-Vereinbarung).

cc) Für die Frage, ob die an die Klägerin gezahlte Abfindung nach §§ 24, 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern ist, kommt es nicht darauf an, ob die Finanzverwaltung auf die an andere frühere Beschäftigte geleisteten Abfindungszahlungen die sog. Fünftelregelung angewendet hat.

Zwar macht die Klägerin zutreffend unter Bezugnahme auf die Kommentierung des § 85 AO von Seer in Tipke/Kruse (v.a. Rz 11 f.) - in der sich u.a. ein Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89 (BVerfGE 84, 239 ff.) zur Besteuerung privater Kapitalerträge befindet - geltend, dass die Steuergesetzgebung und die Steuerverwaltung an das Gebot der gleichmäßigen Besteuerung gebunden seien. Allerdings vermittelt Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis und gebietet keine "Gleichheit im Unrecht" (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 04.07.2012 - II R 38/10, BFHE 238, 216, BStBl II 2012, 782; BFH-Beschluss vom 22.09.2016 - IV R 35/13, BFHE 255, 239, BStBl II 2017, 116).

Das bedeutet, dass eine möglicherweise unrechtmäßige Anwendung der Fünftelregelung auf die an andere frühere Beschäftigte der T-GmbH gezahlte Abfindung es nicht gebietet, auch die an die Klägerin gezahlte Abfindung ermäßigt zu besteuern. Es kann deshalb dahinstehen, ob das FA oder andere Finanzämter tatsächlich nicht nur Abfindungen an Beschäftigte ohne Rückkehrrecht zur Y-GmbH, sondern auch Abfindungen an Beschäftigte - wie die Klägerin - mit Rückkehrrecht begünstigt besteuert hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.