Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 23.04.2009, Az.: 2 A 93/08
Drittanfechtung einer Genehmigung zur Freisetzung gentechnisch veränderter Zuckerrüben; Freisetzung; Imageschaden; Zuckerrübe; gentechnisch veränderter Organismus
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 23.04.2009
- Aktenzeichen
- 2 A 93/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 43839
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2009:0423.2A93.08.0A
Rechtsgrundlagen
- 1 Nr. 1 GenTG
- 16 I GenTG
Fundstelle
- NuR 2010, 143-145
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Alllgemeine Bedenken gegen die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen begründen nicht die für die Drittanfechtung einer Freisetzungsgenehmigung erforderliche Klagebefugnis.
- 2.
Von dem Freisetzungsversuch ausgehende schädliche Einwirkungen auf das Eigentum der Kläger an Sachgütern sind nicht zu erwarten.
- 3.
Soweit die Kläger wegen der Nähe zur Freisetzungsfläche einen die Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen oder die Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse nachteilig beeinträchtigenden Imageschaden befürchten, steht ein daraus ggf. resultierender bloßer Vermögensschaden der Erteilung der Freisetzungsgenehmigung nicht entgegen.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Genehmigung für die Freisetzung von gentechnisch veränderten Zuckerrüben.
Die Kläger sind (Mit-)Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Flächen, die etwa 0,5 bis 1,5 km von dem von der Beigeladenen für die Freisetzung von gentechnisch veränderten Zuckerrüben vorgesehenen Flurstück G. in Sachsen-Anhalt entfernt sind. Der Kläger zu 1) verpachtet die in seinem (Mit-)Eigentum stehenden Flächen an landwirtschaftliche Betriebe. Die Hofstelle des Klägers zu 2), der selbst Landwirtschaft betreibt, befindet sich in der Ortschaft H.. Im Oktober 2007 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten unter anderem für den genannten Standort in H. die Erteilung einer Genehmigung für die Freisetzung von gentechnisch veränderten
Zuckerrüben. Sie beabsichtigt die Durchführung von Freilandversuchen unter Verwendung von aus der Zuckerrübentransformante H7-1 hervorgegangenen Hybriden. Diese weisen gentechnische Veränderungen auf, die ihnen eine erhöhte Toleranz gegen den Herbizidwirkstoff Glyphosat verleihen. Zweck der Freisetzungsversuche ist unter anderem, die agronomischen Eigenschaften der gentechnisch veränderten Zuckerrüben zu erfassen und zu bewerten sowie Erkenntnisse über ihre phänotypischen Merkmale und Inhaltsstoffe zu gewinnen. Darüber hinaus sollen mögliche Wirkungen der gentechnisch veränderten Zuckerrüben auf Nicht-Zielorganismen erfasst und bewertet werden. Auf der geplanten Freisetzungsfläche von maximal 6 000 qm ist nach Vereinzelung der Pflanzen eine Bestandsdichte von 8 bis 12 Pflanzen pro qm vorgesehen.
Der Genehmigungsantrag der Beigeladenen und die diesem beigefügten Unterlagen wurden in der Zeit vom 14. Dezember 2007 bis einschließlich 17. Januar 2008 öffentlich ausgelegt. Die Kläger zu 1) und 2) erhoben daraufhin gegen das Vorhaben Einwendungen. Der Kläger zu 1) machte mit Schreiben vom 14. und 18. Februar 2008 geltend, die Risiken der Gentechnik seien unzureichend erforscht. Die Verbraucher lehnten gentechnisch veränderte Lebensmittel überwiegend ab. Der Standort H. werde durch die beabsichtigte Freisetzung gentechnisch veränderter Zuckerrüben einen Imageschaden erleiden, denn er werde von Verbrauchern zukünftig mit dem Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft verbunden. Ein Grundeigentümer müsse befürchten, seine landwirtschaftlichen Flächen sowohl an konventionell wirtschaftende Landwirte als auch an Landwirte, die ökologischen Landbau betreiben wollten, nur noch schwer verpachten zu können. Dem Ort werde die Möglichkeit genommen, mit der Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten ohne den Einsatz von Gentechnik zu werben. Der Imageschaden werde sich auf die gesamte Region der I., die für ihr gutes Ackerland bekannt sei, erstrecken. Bei den Landwirten der Region bestehe kein Bedarf an gentechnisch veränderten Zuckerrüben. Die Entwicklung solcher gentechnisch veränderten Pflanzen diene vor allem dem Erwerbsstreben der beteiligten Unternehmen. Zu befürchten stehe, dass langfristig eine Abhängigkeit der Landwirte von dem neuen Saatgut erzeugt werde. Die Steuerung von Genaktivitäten sei äußerst komplex. Die Ergebnisse von Eingriffen in das Erbgut seien deshalb in hohem Maße unvorhersehbar. Nach Erfahrungen aus der Vergangenheit könne nicht ausgeschlossen werden, dass andere als die erwarteten Eigenschaften aufträten. Mit nicht prognostizierten Risiken müsse gerechnet werden. Die Landesregierung in Sachsen-Anhalt setze sich gezielt für die möglichst schnelle Durchsetzung der sog. grünen Gentechnik ein. Dabei bestehe die Gefahr, dass ökologische Bedenken tendenziell an den Rand gedrängt und diskreditiert würden. Eine nicht beabsichtigte Ausbreitung der gentechnisch veränderten Zuckerrüben sei zwar nicht sehr wahrscheinlich, sie könne aber auch nicht vollständig ausgeschlossen werden. So sei etwa denkbar, dass gentechnisch verändertes Saatgut versehentlich, z.B. infolge von Bedienungs- oder Maschinenfehlern außerhalb der vorgesehenen Freisetzungsfläche ausgebracht werde. Infolge der erhöhten Resistenz der gentechnisch veränderten Zuckerrüben gegenüber Glyphosat sei zudem mit der vermehrten Ausbringung von Herbiziden zu rechnen, die nach einer Studie aus England zu einer deutlichen Verringerung der Artenvielfalt auch auf angrenzenden Ackerflächen führen könne. Auswirkungen auf und Interaktionen mit Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen seien nicht vorhersehbar. Unerwünschte und schädliche Folgen könnten bei Ausbreitung in der Natur kaum rückgängig gemacht werden. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren seien nicht gegeben. Zweifelhaft sei, ob ausreichend Vorkehrungen gegen die Ausbreitung, die Auskreuzung und den Durchwuchs der gentechnisch veränderten Zuckerrüben und gegen eine Übertragung der Herbizidresistenz auf andere Pflanzen getroffen würden.
Der Kläger zu 2) wandte mit Schreiben vom 17. Februar 2008 gegen das Vorhaben ein, aus der Sicht des von ihm betriebenen Marktfruchtbaubetriebes sei die Erprobung gentechnisch veränderter Zuckerrüben nicht notwendig. Die langfristigen ökologischen Folgen der Ausbringung gentechnisch veränderter Pflanzen in die Natur seien nicht ausreichend geklärt. Für die Region der I. bestehe angesichts der geringen gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz des Einsatzes gentechnischer Verfahren in der Landwirtschaft die Gefahr einer nachhaltigen Imageschädigung. Die in der Region gelegenen Eigentumsflächen seines Betriebes seien von einer nachhaltigen Wertminderung bedroht.
Im Verwaltungsverfahren beteiligte die Beklagte insbesondere das Bundesamt für Naturschutz, das Robert-Koch-Institut, das Bundesinstitut für Risikobewertung, das Julius-Kühn-Institut sowie die zuständige Landesbehörde. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) prüfte den Antrag im Hinblick auf mögliche Gefahren im Sinne von § 1 Nr. 1 GenTG und gelangte mit Beschluss vom 04. Dezember 2007 zu dem Ergebnis, dass von den geplanten Freisetzungsversuchen keine schädlichen Einwirkungen auf geschützte Rechtsgüter zu erwarten seien. Es werde ausreichend Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren getroffen. Gentechnisch veränderte Zuckerrübenpflanzen der Linien H7-1 seien seit dem Jahre 1995 in der Europäischen Union in 18 Freilandversuchen ausgebracht worden. Dabei sei es nicht zu unerwarteten Reaktionen gekommen. Auf der Grundlage einer Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) habe die Europäische Kommission im Oktober 2007 das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Lebensmittelzusätzen und Futtermitteln gestattet, die aus der Zuckerrübe H7-1 gewonnen werden. Bei der Zuckerrübe handele es sich um eine zweijährige Pflanze, die erst im zweiten Jahr Samenträger, die sog. Schosser, ausbilde. Für den Fall, dass bereits im ersten Jahr Schosser aufträten, sehe der Genehmigungsantrag die sofortige Entfernung der Schosserrüben noch vor der Blüte vor. Auskreuzungen würden auf diese Weise wirksam verhindert. In der auf die Freisetzung folgenden Vegetationsperiode solle die Freisetzungsfläche mit einer Folgekultur bestellt werden, welche eine Kontrolle auf Durchwuchs erlaube. Eventuell auflaufende Zuckerrübenpflanzen würden abgetötet. Die vorgesehenen Maßnahmen seien ausreichend, um die Pollenausbreitung und die Überdauerung von gentechnisch veränderten Zuckerrüben zu verhindern. Für den unwahrscheinlichen, aber nicht auszuschließenden Fall eines horizontalen Gentransfers auf Mikroorganismen sei nicht mit schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen, da Bakterien von der Aufnahme des veränderten Gens keinerlei Wachstumsvorteil hätten.
Mit Bescheid vom 31. März 2008, den Klägern bekannt gegeben am 03. April 2008, erteilte die Beklagte der Beigeladenen die Genehmigung zur Freisetzung von gentechnisch veränderten Zuckerrüben in den Vegetationsperioden der Jahre 2008 bis 2011 unter anderem an dem Standort in H.. Der Bescheid enthält Nebenbestimmungen zum Umgang mit dem gentechnisch veränderten Saatgut und daraus entstehendem Pflanzenmaterial sowie zur Kontrolle der Freisetzungsfläche während der Vegetationsperiode und für die Dauer eines Jahres nach Beendigung der Freisetzung (Ziffern II.5 - II.10 des Bescheides).
Die Kläger haben am 03. Mai 2008 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Sie befürchten nachteilige Veränderungen ihres Ackerlandes, Beeinträchtigungen bei der Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen und des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie unvorhersehbare Auswirkungen auf die Umwelt. Nach dem Stand der Wissenschaft könnten unvertretbare Einwirkungen auf geschützte Rechtsgüter nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Nach Abernten der Freisetzungsflächen im Anschluss an das Ausbringen der gentechnisch veränderten Pflanzen durch die Beigeladene im Jahre 2008 müsse damit gerechnet werden, dass sich noch Reste bzw. Spuren des gentechnisch veränderten Saatguts auf der Freisetzungsfläche und auf benachbarten Ackerflächen oder auf Rändern von Feldwegen befänden, die von landwirtschaftlichen Fahrzeugen im Zusammenhang mit dem Freisetzungsversuch befahren worden seien. Erst im Verlauf der nächsten Jahre werde deutlich werden, ob und gegebenenfalls welche unerwünschten Schäden die Durchführung der Freisetzung im Jahre 2008 in der H. er Feldmark bewirkt habe. Gegen Freisetzungsversuche seien auch vor dem Hintergrund der von den beteiligten Unternehmen verfolgten wirtschaftlichen Interessen grundsätzliche Bedenken gerechtfertigt.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2008 insoweit aufzuheben, als die Freisetzung von gentechnisch veränderten Zuckerrüben in der Gemarkung H., Sachsen-Anhalt, gestattet wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klage sei mangels Klagebefugnis der Kläger unzulässig. Die von den Klägern vorgetragenen grundsätzlichen Bedenken gegen den Einsatz gentechnischer Verfahren in der Landwirtschaft ließen ebenso wie die vermeintlich fehlende Umweltverträglichkeit der gentechnisch veränderten Zuckerrüben und des Herbizidwirkstoffs Glyphosat sowie die geltend gemachte Gefahr der unkontrollierten Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen in der Umwelt eine Beeinträchtigung der Kläger in geschützten Individualrechtsgütern nicht erkennen. Gegen den eventuellen Eintritt eines Imageschadens für in der Nähe der Freisetzungsfläche und der umgebenden Region gelegene landwirtschaftliche Flächen schütze das Gentechnikgesetz nach § 1 Nr. 1 GenTG nicht. Unabhängig davon sei die Klage jedenfalls unbegründet. Schädliche Einwirkungen des Vorhabens der Beigeladenen auf die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 GenTG seien nicht zu erwarten. Zuckerrüben der Linie H7-1 würden in der Europäischen Union seit 10 Jahren jährlich freigesetzt, ohne dass eine Gefährdung der Umwelt oder der Gesundheit von Menschen und Tieren aufgetreten sei. Nach den Feststellungen der EFSA gingen von Produkten aus der Zuckerrübe H7-1 keinerlei Sicherheitsrisiken beim Verzehr oder bei der Verfütterung aus. Die Europäische Kommission habe das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Lebensmittelzutaten und Futtermitteln, die aus der gentechnisch veränderten Zuckerrübe hergestellt werden, genehmigt. Entgegen der Auffassung der Kläger mangele es deshalb nicht an ausreichenden Erfahrungen als Grundlage der Risikobewertung. Ein möglicher horizontaler Gentransfer von gentechnisch veränderten Pflanzen auf Bodenbakterien stelle nach sämtlichen bisher vorliegenden Untersuchungen ein zu vernachlässigendes Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt dar, denn Bakterien werde auf diese Weise ein Selektionsvorteil nicht vermittelt. Einer unbeabsichtigten Ausbreitung der gentechnisch veränderten Zuckerrüben werde durch die dem angegriffenen Bescheid beigefügten Nebenbestimmungen entgegengewirkt. Der von den Klägern gerügte vermehrte Einsatz Glyphosat-haltiger Pflanzenschutzmittel sei nach dem Pflanzenschutzmittelrecht und nicht nach dem Gentechnikgesetz zu beurteilen. Darüber hinaus sei die angeführte englische Studie in Bezug auf einen Freisetzungsversuch nicht aussagekräftig, denn sie beruhe auf Untersuchungen unter den Bedingungen eines großflächigen Anbaus. Andere wissenschaftliche Veröffentlichungen ließen ein gegenüber konventionellem Rübenanbau verbessertes Herbizidmanagement erkennen. Sachbezogene Eingriffe in das Eigentum der Kläger an landwirtschaftlichen Flächen oder landwirtschaftlichen Produkten seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei bei einer Wertminderung, die als Folge der bloßen Einwirkung auf Bewertungsfaktoren auftrete, die nicht in der Sache selbst lägen, eine Verletzung des Eigentums im Sinne von § 1 Nr. 1 GenTG nicht gegeben. Selbst wenn es wider Erwarten zu einer Auskreuzung in benachbarte konventionell angebaute Zuckerrüben kommen sollte, liege darin keine nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 GenTG zu vermeidende schädliche Einwirkung auf geschützte Rechtsgüter, denn mit einer nachteiligen Veränderung betroffener Pflanzen, etwa durch Ausbildung schädlicher Eigenschaften, sei nicht zu rechnen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), bleibt ohne Erfolg. Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
Unzulässig ist die Klage, soweit die Kläger allgemeine Bedenken gegen die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen erheben, Veränderungen der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge befürchten und auf die im Hintergrund von Freisetzungsversuchen stehenden wirtschaftlichen und politischen Interessen sowie auf etwaige ökonomische Folgen der Zulassung gentechnisch veränderten Saatguts hinweisen. In diesem Umfang ist die Klage mangels Klagebefugnis unzulässig, denn das Vorbringen lässt insoweit eine mögliche Verletzung der Kläger in eigenen Rechten nicht erkennen.
Eine Anfechtungsklage ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO grundsätzlich nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den mit der Klage angegriffenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Wird der Verwaltungsakt von einem Dritten angegriffen, an den er nicht als Adressat gerichtet ist, ist die erforderliche Klagebefugnis nur gegeben, wenn der Verwaltungsakt möglicherweise eine Rechtsnorm verletzt, die den Interessen des Dritten zu dienen bestimmt ist. Eine solche Rechtsverletzung ist im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO geltend gemacht, wenn es nach dem Vorbringen des Klägers zumindest möglich erscheint, dass er in einer eigenen rechtlich geschützten Position betroffen ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26.07.1989, - 4 C 35.88 -, BVerwGE 82, 246 = NVwZ 1990, 262 [BVerwG 26.07.1989 - BVerwG 4 C 35.88]).
Mit der Äußerung allgemeiner Bedenken gegen die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen und deren Folgen, etwa hinsichtlich eines vermehrten Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, einer etwaigen Verdrängung von Arten oder dem Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung beteiligter Unternehmen, verfolgen die Kläger allein Interessen der Allgemeinheit, ohne dass eine Betroffenheit eigener Rechtspositionen deutlich wird. Die Genehmigungsvorschriften des § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GenTG sind zwar unter ergänzender Berücksichtigung von § 1 Nr. 1 GenTG als drittschützend anerkannt (vgl. Dederer, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, Recht der Gentechnik und Biomedizin, Stand: März 2009, § 16 GenTG, Rdnr. 214). Dies gilt aber nur, soweit in § 1 Nr. 1 GenTG mit dem Leben und der Gesundheit von Menschen und dem Schutz von Sachgütern individuelle Rechtsgüter angesprochen sind. Soweit nach § 1 Nr. 1 GenTG auch die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge zu schützen ist, verfolgt das Gesetz demgegenüber nicht den Schutz subjektiver Rechte einzelner Betroffener, sondern Belange der Allgemeinheit (vgl. Herdegen, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, a.a.O., § 1 GenTG, Rdnr. 18; OVG Berlin, Beschluss vom 29.03.1994 - 1 S 45.93 -, NVwZ 1995, 1023 [OVG Berlin 29.03.1994 - 1 S 45/93]; VG Köln, Urteil vom 25.01.2007 - 13 K 2858/06 -, juris; VG Berlin, Beschluss vom 09.07.1993 - 14 A 167.93 -, NVwZ-RR 1994, 150). Eine individuelle Rechtsposition der Kläger ist dementsprechend in diesem Umfang nicht angesprochen.
Die Klage ist dagegen zulässig, soweit die Kläger eine Beeinträchtigung ihres Eigentums an landwirtschaftlichen Flächen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen rügen. Entsprechende Einwendungen haben sie bereits innerhalb der Einwendungsfrist des § 5 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Anhörungsverfahren nach dem Gentechnikgesetz (Gentechnik-Anhörungsverordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 04. November 1996 (BGBl. I S. 1649) hinreichend deutlich erhoben. Die Klagebegründung wiederholt und vertieft insoweit lediglich die von den Klägern bereits im Verwaltungsverfahren angesprochenen Gesichtspunkte.
In diesem Umfang kann den Klägern im Hinblick auf das in § 1 Nr. 1 GenTG ausdrücklich angesprochene Eigentum an Sachgütern auch die Klagebefugnis nicht abgesprochen werden. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, die Kläger wiesen mit ihrem Vorbringen vornehmlich auf von ihnen befürchtete Vermögensschäden hin, gegen deren Eintritt das Genehmigungsverfahren nach dem Gentechnikgesetz nicht schütze, ist die Frage nach der Reichweite des durch § 16 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. § 1 Nr. 1 GenTG vermittelten Eigentumsschutzes zumindest nicht derart offenkundig zu beantworten, als dass daraus bereits auf die fehlende Klagebefugnis der Kläger zu schließen wäre (vgl. auch VG Köln, Urteil vom 25.01.2007, a.a.O.).
Soweit die Klage danach zulässig ist, ist sie jedoch unbegründet. Die der Beigeladenen mit Bescheid vom 31. März 2008 für die Freisetzung gentechnisch veränderter Zuckerrüben erteilte Genehmigung verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine Verletzung von Vorschriften, die dem Schutz der Kläger zu dienen bestimmt sind, und aus denen allein sie eine Verletzung in eigenen Rechten ableiten könnten, ist nicht gegeben.
Rechtsgrundlage für die von der Beklagten erteilte Freisetzungsgenehmigung ist § 16 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz) vom 16. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2066) in der bei Erlass des angegriffenen Bescheides geltenden Fassung der letzten Änderung durch Gesetz vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2930). Danach ist die Genehmigung für eine Freisetzung zu erteilen, wenn neben den Voraussetzungen der Nr. 1, die unstreitig vorliegen, gewährleistet ist, das alle nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden (Nr. 2) und nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck der Freisetzung unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter nicht zu erwarten sind (Nr. 3).
Die nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG zu gewährleistenden Sicherheitsvorkehrungen sind auf den Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter vor möglichen Gefahren des Freisetzungsvorhabens im Sinne des Vorsorgeprinzips gerichtet (vgl. Dederer, a.a.O., Rdnr. 83). Der Genehmigungstatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 3 GenTG bezweckt, die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 GenTG vor unvertretbaren schädlichen Einwirkungen zu schützen. Zu den Schutzgütern des § 1 Nr. 1 GenTG gehören unter anderem Sachgüter und damit das Eigentum an Sachen im Sinne von § 90 BGB. Nicht jede Beeinträchtigung des Eigentums stellt jedoch bereits eine schädliche Einwirkung auf Sachen gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 1 Nr. 1 GenTG dar. Voraussetzung ist stets, dass eine spezifisch sachbezogene Einwirkung vorliegt. An einer solchen fehlt es bei reinen Vermögensschäden, die etwa aus einer Wertminderung durch Einwirken auf Bewertungsfaktoren, die nicht in der Sache selbst liegen, resultieren ( VG Braunschweig, Urteil vom 11.02.2009 - 2 A 110/08 -; VG Berlin, Beschluss vom 12.09.1995 - VG 14 A 255.95 -, abgedruckt bei: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, a.a.O., Entscheidung Nr. 4 zu § 16 GenTG). Schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter liegen darüber hinaus nur dann vor, wenn sich in ihnen Risiken verwirklichen, vor denen das Gentechnikgesetz Schutz bieten soll. Nicht jede Einwirkung auf eine im Eigentum des Betroffenen stehende Sache stellt zugleich eine schädliche Einwirkung dar, die es nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GenTG zu vermeiden gilt. Das Gentechnikgesetz schützt - wie § 22 Abs. 2 GenTG erkennen lässt - nur vor den spezifischen Gefahren und Risiken der Gentechnik. Solche Einwirkungen von gezielt in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Organismen sind insbesondere toxische oder allergene Wirkungen, pathogene Wirkungen für andere als den Zielorganismus, die Bildung toxischer Stoffwechselprodukte, die Verdrängung anderer Arten, die Übertragung von gentechnisch vermittelten Eigenschaften auf andere Arten und entsprechend gravierende Eingriffe in die evolutionär eingespielte Interaktion der Gene (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 29.04.1997 - OVG 1 S 87.96 -, V.n.b.). In dem bloßen Vorhandensein einer veränderten Nukleinsäuresequenz, z.B. in konventionell angebauten Pflanzen, als Folge des Einkreuzens solchen Materials aus einer benachbarten Freisetzungsfläche liegt dagegen noch keine schädliche Einwirkung, wenn die betroffenen Pflanzen dadurch weder zerstört noch ungenießbar werden und andere der oben beschriebenen Wirkungen nicht zu befürchten stehen (vgl. VG Braunschweig und VG Berlin, a.a.O.).
Nach diesen Maßgaben ist eine Verletzung der Kläger in geschützten Eigentumsrechten nicht zu erkennen. Die von der Beklagten zu den Ziffern II.5 bis II.10 des angegriffenen Bescheides vom 31. März 2008 verfügten Nebenbestimmungen begrenzen die Gefahr unkontrollierter Ausbreitungen der gentechnisch veränderten Zuckerrüben hinreichend. Da Zuckerrüben als zweijährige Pflanzen in der Regel erst nach einer Kälteinduktion im zweiten Jahr blühen, die Freisetzungsversuche der Beigeladenen aber die Ernte der Zuckerrübenpflanzen bereits Ende des ersten Jahres nach der Aussaat vorsehen, ist mit einem Austrag gentechnisch veränderter Pollen grundsätzlich nicht zu rechnen. Durch die Nebenbestimmungen wird die Beigeladene zudem verpflichtet, innerhalb der Vegetationsperiode die Freisetzungsfläche in mindestens zweiwöchigem Abstand auf Schosserrüben zu kontrollieren und diese gegebenenfalls zu entfernen (Ziffer II.9 des Bescheides vom 31.03.1008). Nach Beendigung der Freisetzung ist für die Dauer eines einjährigen Nachkontrollzeitraums eine regelmäßige Überprüfung der Versuchsfläche einschließlich eines 5 m breiten Randstreifens auf Durchwuchsrüben und insbesondere auf Schosser vorgesehen (Ziffer II.10 des Bescheides). Dem unkontrollierten Ausbringen gentechnisch veränderten Saatguts und gentechnisch veränderten Pflanzenmaterials wird dadurch begegnet, dass ein Transport nur in geschlossenen und gekennzeichneten Behältnissen zulässig ist, Arbeitsgeräte nach Gebrauch auf der Freisetzungsfläche gründlich zu reinigen sind und gentechnisch verändertes Material separat von nicht gentechnisch veränderten Zuckerrüben gehalten werden muss (vgl. Ziffern II.5, II.6 und II.8 des Bescheides). Warum diese Vorkehrungen nicht ausreichend sein sollten, eine unkontrollierte Verbreitung gentechnisch veränderten Saatguts oder Pflanzenmaterials zu verhindern, haben die Kläger nicht näher dargelegt.
Unabhängig davon weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass selbst bei einer vereinzelten Verbreitung gentechnisch veränderten Materials schädliche Einwirkungen auf das Eigentum der Kläger nicht zu erwarten sind. Sowohl die Beklagte als auch die ZKBS, der als unabhängigem und nicht weisungsgebundenem Gremium nach den Vorschriften der §§ 4, 5a und 16 Abs. 5 GenTG eine maßgebliche Funktion bei der Vermittlung des für die Risikobewertung erforderlichen Sachverstandes zukommt, haben darauf hingewiesen, dass in der Europäischen Union bereits eine Vielzahl von Freilandversuchen mit gentechnisch veränderten Zuckerrübenpflanzen der Linie H7-1 durchgeführt worden sind. Phänotypische Unterschiede zu konventionellen Zuckerrübenpflanzen oder unerwartete Reaktionen wurden dabei nach dem Beschluss der ZKBS vom 04. Dezember 2007 nicht beobachtet. Wie bereits von der Beklagten ausgeführt, hat die Europäische Kommission mit Entscheidung vom 24. Oktober 2007 (2007/692/EG, Amtsblatt EU Nr. L 283 S. 69) sogar das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Lebensmittelzutaten und Futtermitteln, die aus Zuckerrüben der Linie H7-1 gewonnen werden, gestattet. Die EFSA hatte zuvor die Unbedenklichkeit entsprechender Produkte bestätigt. Auf dieser Grundlage stehen "schädliche" Einwirkungen auf das Grundeigentum der Kläger im Sinne der genannten nachteiligen Veränderungen nicht zu befürchten. Den dieser Bewertung zugrundeliegenden Ausführungen der Beklagten und der ZKBS sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.
Schließlich liegt eine Beeinträchtigung der Kläger in nach § 1 Nr. 1 GenTG geschützten Rechtsgütern auch nicht in dem befürchteten Eintritt eines Imageschadens für die Gemarkung H. bzw. für die gesamte Region der I.. Sollte der Kläger zu 1) die in seinem Eigentum stehenden landwirtschaftlichen Flächen wegen der Nähe dieser Flächen zu dem Freisetzungsvorhaben der Beigeladenen nicht mehr in gewohnter Weise verpachten oder der Kläger zu 2) die von ihm angebauten landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht mehr in der gewohnten Weise vermarkten können, wären sie vor den damit verbundenen wirtschaftlichen Einbußen nicht durch § 16 Abs. 1 GenTG geschützt. Solche Auswirkungen sind keine Schäden an Sachgütern im Sinne des § 1 Nr. 1 GenTG, welche die Genehmigungsbehörde bei der Entscheidung über die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in Betracht zu ziehen hat. Die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 3 GenTG schützt nicht gegen wirtschaftliche Folgen, die daraus entstehen, dass wegen einer nahe gelegenen Freisetzungsfläche landwirtschaftliche Flächen schlechter verpachtet oder landwirtschaftliche Produkte schlechter verkauft werden können, obwohl nach dem Stand der Wissenschaft schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter nicht zu erwarten sind. Gegen bloße Vermögensschäden, die nicht aus einem sachbezogenen Eingriff in das Eigentum, sondern aus einer Einwirkung auf Bewertungsfaktoren, die nicht in der Sache selbst liegen, resultieren, schützt das Genehmigungsverfahren nach dem Gentechnikgesetz - wie bereits dargelegt - nicht (vgl. auch OVG Berlin, Beschluss vom 09.03.1995 - OVG 1 S 62.94 -, abgedruckt bei: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, a.a.O., Entscheidung Nr. 14 zu § 16 GenTG; VG Berlin, Beschluss vom 30.05.1997 - VG 14 A 200.96 -, abgedruckt bei: Eberbach/Lange/ Ronellenfitsch, Entscheidung Nr. 9 zu § 16 GenTG). Die Beeinträchtigung bloßer Marktchancen im Wirtschaftsleben unterfällt auch nicht der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ( OVG Berlin, Beschluss vom 09.07.1998 - OVG 2 S 9.97 -, abgedruckt bei Eberfach/Lange/ Ronellenfitsch, a.a.O., Entscheidung Nr. 10 zu § 16 GenTG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10 000,- EUR festgesetzt.