Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.06.2016, Az.: 1 Ws 136/16

Verzicht des Angeklagten statt Verfallsanordnung; Beschränkung des staatlichen Auffangrechtserwerbs

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
22.06.2016
Aktenzeichen
1 Ws 136/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 29708
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2016:0622.1WS136.16.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 05.11.2015 - AZ: 12 KLs 4/11

Fundstellen

  • NStZ-RR 2017, 5
  • StraFo 2016, 378-382
  • wistra 2016, 507

Amtlicher Leitsatz

1. Der Ausspruch, dass der Staat nach § 111i Abs. 5 StPO gesicherte Vermögenswerte des Angeklagten erwirbt, kann von dem Geschädigten, zu dessen Gunsten Rückgewinnungshilfe betrieben wurde, mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden.

2. Der staatliche Auffangrechtserwerb nach § 111i Abs. 5 StPO ist um die Vermögenswerte zu kürzen, die der Geschädigte zwar bislang noch nicht im Wege der Zwangsvollstreckung in eigenes Vermögen übertragen konnte, deren Verwertung aber aufgrund einer bestehenden Sicherung im Wege der Zwangsvollstreckung dem Geschädigten bereits ermöglicht worden ist. Der fehlende Antrag nach § 111g Abs. 2 StPO steht der Verkürzung des staatlichen Anspruchs nicht entgegen.

3. Lässt sich die Werthaltigkeit eines solchen Vermögenswertes im Rahmen der bestehenden gerichtlichen Aufklärungspflicht nicht ermitteln, kann notfalls durch das Gericht auch eine Schätzung vorgenommen werden.

4. Die Anordnung einer Einziehung oder eines Verfalls ist entbehrlich, wenn der Angeklagte auf entsprechende Vermögenswerte verzichtet. Verzichtet der Angeklagte dabei zugunsten des Geschädigten auf die Wiedererlangung gesicherter Vermögenswerte, bedarf es für die Wirksamkeit dieses Rechtsgeschäfts der Einhaltung der zivilrechtlichen Voraussetzungen.

5. Ist Gegenstand eines solchen Verzichts der arrestierte Anspruch auf Leistung gegen einen Dritten, stellt dies das Angebot auf Abtretung einer Forderung dar, die der Annahme durch den Geschädigten und der Genehmigung des Staates als Arrestgläubiger bedarf.

6. Die Abtretung einer solchen Forderung allein führt nicht zu einer Minderung des staatlichen Auffangrechtserwerbs nach § 111i Abs. 5 StPO.

7. Die Durchsetzbarkeit des staatlichen Auffangrechterwerbs nach § 111i Abs. 5 StPO wird durch das Vorhandensein bereits bis zur Rechtskraft des Urteils sichergestellter Vermögenswerte des Angeklagten beschränkt.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird mit der Maßgabe, dass die Höhe des Anspruchs des Staates gegen die Angeklagte 102.926,28 € beträgt, als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beteiligte. Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird jedoch um 1/2 ermäßigt. Im selben Umfang trägt die Landeskasse die notwendigen Auslagen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Stade ordnete am 25. November 2010 den dinglichen Arrest in Höhe von 152.164 €, davon in Höhe von 15.947,40 € gesamtschuldnerisch haftend mit ihrer Tochter, in das Vermögen der Angeklagten zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe an, weil der Tatverdacht bestand, dass die Angeklagte als Angestellte der Beteiligten Firmengelder veruntreut und diese teilweise auf Konten ihrer Tochter eingezahlt hatte. Das Landgericht Stade hat mit Beschluss vom 21. Januar 2011 die Arrestsumme die Tochter der Angeklagten betreffend auf 7.036,02 € abgeändert. In Vollziehung des Arrestes wurden ein Konto der Angeklagten bei der Postbank sowie diverse Konten der Tochter der Angeklagten, u. a. eines bei der Sparkasse H.-B., das wirtschaftlich der Angeklagten zuzurechnen ist, gepfändet. Das Landgericht hat die Angeklagte am 4. Juli 2012 wegen Untreue in 190 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Zudem hat es festgestellt, dass Ansprüche der Beteiligten einer Verfallsanordnung gegen die Angeklagte entgegenstehen und dass die Angeklagte aus den Taten insgesamt einen Wert von 103.254,28 € erlangt hat. Mit Beschluss vom selben Tag hat die Kammer den dinglichen Arrest in das Vermögen der Angeklagten in Höhe von 103.254,28 € für die Dauer von 3 Jahren aufrechterhalten und im Übrigen die Arrestanordnung aufgehoben. Zuvor hatten die Angeklagte und ihre Tochter in der Hauptverhandlung erklärt, auf die Vermögenswerte aus der Pfändung des Kontos bei der Postbank sowie des Kontos bei der Sparkasse H.-B. für 3 Jahre zugunsten der Beteiligten und danach zugunsten der Staatskasse zu verzichten. Die Staatsanwaltschaft hielt die Pfändung des Kontos bei der Sparkasse H.-B. aufrecht, um sicherzustellen, dass von diesem Konto keine unberechtigte Auszahlung an die Angeklagte oder ihre Tochter erfolge. Das Urteil ist seit dem 12. Juli 2012 rechtskräftig.

Mit Schreiben vom 6. September 2012 wies der Vorsitzende der Kammer die Beteiligte darauf hin, dass für die Dauer von drei Jahren ab Rechtskraft des Urteils ein Zugriff auf die gesicherten Vermögenswerte möglich sei und nach Ablauf von drei Jahren der Staat diese erwerbe. Die Beteiligte teilte am 8. Oktober 2012 mit, dass sie beabsichtige, auf die arrestierten Vermögenswerte zuzugreifen. Die von der Beteiligten eingeleiteten Vollstreckungsversuche verblieben jedoch erfolglos. Auf Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Vechta vom 6. November 2014 (Az.: 2 M 6565/14) an die Postbank teilte diese unter dem 14. November 2014 fehlerhaft mit, dass die Angeklagte dort kein Konto führe. Die Sparkasse H.-B. teilte nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgericht Vechta vom 20. März 2015 (Az.: 2 M 6984/14) am 13. April 2015 zutreffend mit, dass die Angeklagte als Vollstreckungsschuldnerin nicht Gläubiger des auf den Namen der Tochter der Angeklagten laufenden Kontos sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht nach Ablauf des Zeitraums von drei Jahren festgestellt, dass der Staat einen Zahlungsanspruch in Höhe von 103.254,28 € gegen die Angeklagte erworben habe. Grundlage hierfür sei § 111i Abs. 5 und 6 StPO. Einer Entscheidung über die Freigabe des Kontos bei der Sparkasse H.-B. bedürfe es nicht. Es obliege allein der Staatsanwaltschaft, ob sie zugunsten der Beteiligten auf ihr Vollstreckungspfandrecht verzichte.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beteiligten. Sie begehrt die Freigabe der gesicherten Vermögenswerte zu ihren Gunsten.

Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, dass durch die Verzichtserklärungen der Angeklagten und ihrer Tochter eine teilweise Befriedigung der Beteiligten i. S. von § 111i Abs. 5 erfolgt sei, weshalb der Zahlungsanspruch des Staates um die Beträge, die sich auf den beiden Konten befinden, verkürzt wäre.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat im ausgesprochenen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde folgt aus § 111i Abs. 6 Satz 3 StPO. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten folgt aus § 111i Abs. 6 Satz 2 i. V. m. § 111l Abs. 4 StPO. Auch wenn der Ausspruch, dass nunmehr dem Staat ein Zahlungsanspruch gegen die Verteilte zusteht, keine Auswirkungen auf den Anspruch der Geschädigten gegenüber der Angeklagten hat und diese nach wie vor ihre Ansprüche im Zivilrechtsweg gegen die Verurteilte verfolgen kann (vgl. LR-Johann, 26. Aufl., § 111i StPO, Rdnr. 38), entfaltet die angefochtene Entscheidung für die Geschädigte gleichwohl eine Beschwer, da dem Staat durch Verwertung seines Pfandrechts an den arrestierten Konten nunmehr gemäß § 111i Abs. 5 Satz 3 StPO der Erlös daraus zufallen würde, was die Geschädigte mit ihrer sofortigen Beschwerde abzuwehren sucht.

2. Die sofortige Beschwerde ist hinsichtlich des Kontos der Angeklagten bei der Postbank begründet. Der dem Staat zugefallene Anspruch gegen die Angeklagte war nämlich um den Wert des Guthabens auf dem Konto zu mindern. Hingegen hatte der Wert des bei der Sparkasse H.-B. geführten Kontos der Tochter der Angeklagten außen vor zu bleiben.

a. Mit Ablauf der Frist des § 111i Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO hat der Staat grundsätzlich einen Zahlungsanspruch in Höhe des nach § 111i Abs. 2 StPO im Urteil des Landgerichts Stade vom 4. Juli 2012 festgestellten Betrages gegen die Verurteilte erworben (§ 111i Abs. 5 StPO).

b. Von diesem Betrag war aber gem. § 111 i Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StPO ein Betrag in Höhe des Betrages in Abzug zu bringen, den die Beteiligte voraussichtlich durch die Verwertung des gepfändeten Kontos der Angeklagten bei der Postbank erzielen wird. Denn die Beteiligte hat insoweit wegen ihrer Ansprüche im Wege der Zwangsvollstreckung verfügt.

aa. In der Rechtsprechung ist - soweit ersichtlich - bislang keine Entscheidung darüber getroffen worden, was eine "Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung" erfordert, nämlich ob es ausreicht, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen konkret durchgeführt worden sind, oder ob es bereits zu einer Verwertung des gesicherten Vermögenswertes gekommen sein muss. Der Senat hat bislang lediglich festgestellt, dass die Beauftragung des Vollstreckungsorgans zur Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen jedenfalls nicht ausreicht [(vgl. OLG Celle, wistra 2011, 438 (439)[OLG Celle 16.08.2011 - 1 Ws 322/11]]. Die Ausführungen des BGH in wistra 2011, 430, könnten darauf hindeuten, dass von einem Abzug nur auszugehen ist, wenn der Gläubiger Schadensersatzleistungen erhält. Eindeutig ist dies jedoch nicht, da der BGH in derselben Entscheidung ausführt, dass die Kammer bei der Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO einzelnen Vollstreckungsversuchen einer Vielzahl von Gläubigern nicht nachgehen muss, sondern dies dem Verfahren nach Abs. 6 vorbehalten bleibt. In der Literatur finden sich hierzu teilweise Ausführungen, die eine Befriedigung des Gläubigers für notwendig erachten (vgl. LR-Johann, 26. Aufl., § 111i StPO, Rn. 40; Graf-Huber, 2. Aufl., § 111i StPO, Rn. 8; Radtke/Homann-Kiethe, § 111i StPO, Rn. 5; SSW-Burghart, § 111i Rn. 15: Auffangrechtserwerb nur, soweit Ansprüche des Geschädigten noch "bestehen"). Teilweise wird aber auch vertreten, dass der Abzug auch im Umfang erhaltener Sicherheitsleistungen vorzunehmen sei (SK-Rogall, 4. Aufl., § 111i StPO, Rn. 24 und 44; MK-Bittmann, § 111i StPO, Rn 17; Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Aufl., § 111i StPO, Rn. 9b).

Die im Lichte der Vorschriften über die Rückgewinnungshilfe vorzunehmende Auslegung des § 111i Abs. 5 S. 1 Nr. 1 StPO ergibt, dass auch solche Vermögenswerte den staatlichen Auffangrechtserwerb mindern, die der Geschädigte bislang noch nicht im Wege der Zwangsvollstreckung in eigenes Vermögen übertragen konnte, deren Verwertung aufgrund einer bestehenden Sicherung im Wege der Zwangsvollstreckung dem Gläubiger aber bereits ermöglicht worden ist. Zwar lassen der Wortlaut der Norm ("verfügt hat") und auch der gesetzgeberische Wille ("auf den Vermögensgegenstand zugegriffen", BT-Drs. 16/700, S. 17) Spielraum für unterschiedliche Interpretationen. Die gewählte Systematik des § 111i Abs. 5 StPO, bei dem eine Differenzierung nach Vermögenswerten, die gesichert worden sind (Nr. 1) und freiem Vermögen (Nr. 2) vorgenommen wird, wäre aber letztlich nicht erforderlich gewesen wäre, wenn allein die Befriedigung des Gläubigers entscheidend sein sollte. Es besteht auch kein Anlass, erst bei einer solchen von einer Kürzung des staatlichen Auffangrechtserwerbs auszugehen. Durch die Sicherung von Vermögenswerten im Wege des Arrestes oder der Zwangsvollstreckung hat der Geschädigte die Möglichkeit, diese zu verwerten und den Erlös auf seine Forderung gegen den Schädiger anzurechnen. Im Fall der Forderungspfändung wäre auch nicht einzusehen, dass im Fall der Weigerung des Drittschuldners, den Anspruch gegenüber dem Gläubiger zu bedienen, dieser das Risiko nicht fristgerechter gerichtlicher Durchsetzung tragen sollte. Sieht der Gläubiger hingegen von einer Verwertung ab oder verzichtet gar auf sein Sicherungsrecht, würde der Vermögenswert zwar - stellt man allein auf die Sicherung als anspruchsmindernden Faktor ab - zugunsten des Verurteilten an diesen in freier Form zurückfließen, was den Regelungen der §§ 73 ff. StGB, §§ 111b ff. StPO widersprechen würde, die neben dem Opferschutzgedanken auch das Ziel verfolgen, dass der Täter einer Tat keine Vorteile aus dieser behalten soll (vgl. BT-Drs. 16/700, S. 9). Die Sachlage wäre aber mit der Situation vergleichbar, dass der Gläubiger aus welchen Gründen auch immer nach erfolgter Verwertung und damit eingetretener Befriedigung dem Verurteilten den Erlös zurückübertragen würde, ohne dass diesem mit den Mitteln des Strafprozessrechts begegnet werden könnte.

Der hier vertretenen Auffassung stehen letztlich auch keine unüberwindbaren Hindernisse entgegen. Auch wenn bei Bestehen eines Sicherungsrechtes noch nicht absehbar sein sollte, wie hoch der wahrscheinlich dem Gläubiger zufließende Erlös ausfällt - etwa bei der Pfändung von zukünftigen Ansprüchen (§ 832 ZPO) - kann die Höhe des bei der Feststellung des staatlichen Auffangrechtserwerbs in Abzug zu bringenden Betrages konkret benannt werden. Diese richtet sich nämlich nach der Werthaltigkeit des Sicherungsrechtes. Da es sich bei der Rückgewinnungshilfe der Sache nach um zivilrechtliche Ausgleichsforderungen handelt, kann notfalls auch durch das Gericht eine Schätzung nach § 287 ZPO vorgenommen werden (vgl. MK- Bittmann, a.a.O.).

bb. Dies zugrunde gelegt genügt für die Anwendbarkeit des § 111i Abs. 5 S. 1 Nr. 1 StPO eine wirksame Pfändung der der Angeklagten zustehenden Forderung gegen die Postbank. Dass diese nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Wirksamkeit der Zwangsvollstreckungsmaßnahme zunächst verneint hat, steht dem Eintritt der Wirksamkeit der Maßnahme nicht entgegen. Es kommt allein auf die Zustellung des Beschlusses an den Drittschuldner an, die hier am 14. November 2014 erfolgt ist (§ 829 Abs. 3 ZPO).

cc. Dass die Beteiligte bislang keinen Antrag nach § 111 g Abs. 2 StPO auf Zulassung der Zwangsvollstreckung gestellt hat, der aufgrund der Anordnung nach § 111 i Abs. 2 StPO trotz rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens erforderlich gewesen wäre (vgl. KG, NStZ-RR 2010, 180), war bei der Beurteilung, ob der Verkürzungstatbestand des § 111 i Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StPO greift, ohne Bedeutung. Denn auch wenn die Zwangsvollstreckung ohne einen Zulassungsbeschluss nach § 111 g Abs. 2 StPO dem Staat gegenüber relativ unwirksam ist, wäre eine Geltendmachung der relativen Unwirksamkeit mit dem Sinn und Zweck der Vermögensabschöpfungsregeln unvereinbar (vgl. LR-Johann, a. a. O., § 111 i StPO Rdnr. 22). Anstelle des Geschädigten würde sich nämlich der Staat aus einer Sicherung bereichern, die allein dem Ziel gedient hat, Ansprüche des Beteiligten zu sichern (§§ 111 b Abs. 5 i. V. m. Abs. 2, 111 d StPO).

dd. Nach Mitteilung der Postbank vom 21. Juni 2016 beträgt das aktuelle Guthaben auf dem arrestierten Konto 328,00 €. Vorrangige durch AGB entstandene Pfandrechte der Postbank sind trotz entsprechender Anfrage nicht mitgeteilt worden. Damit war der staatliche Auffangrechtserwerb um 328 € zu kürzen.

c. Hinsichtlich des sich auf dem Konto der Tochter der Angeklagten bei der Sparkasse H.-B. befindlichen Betrages war der staatliche Auffangrechtserwerb hingegen nicht zu kürzen.

aa. Eine wirksame Zwangsvollstreckungsmaßnahme durch die Beteiligte hat bislang nicht stattgefunden (§ 111i Abs. 5 S. 1 Nr. 2 StPO). Denn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Vechta vom 20. März 2015 hat auf das Konto der Tochter der Angeklagten keine Wirksamkeit entfalten können, weil nicht die Vollstreckungsschuldnerin, sondern ihre Tochter Anspruchsinhaberin aus dem Kontovertrag mit der Sparkasse B. ist.

bb. Auch hat eine Befriedigung der Beteiligten durch Vermögenswerte, die von dem angeordneten dinglichen Arrest nicht betroffen sind, nicht stattgefunden (§ 111i Abs. 5 S. 1 Nr. 2 StPO). Eine solche könnte nur dann angenommen werden, wenn der von der Angeklagten und ihrer Tochter erklärte Verzicht zugunsten der Beteiligten mit einer Befriedigung gleichzusetzen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.

(1) Die im Gesetz nicht vorgesehene Möglichkeit eines Angeklagten, in einem Ermittlungs- oder Strafverfahren auf Vermögensgegenstände zu verzichten, stellt trotz der erhobenen Kritik in der Literatur (etwa Hüls/Reichling, StraFo 2009, 198 (199); Thode, NStZ 2000, 62 (67)) eine von der Rechtsprechung anerkannte Form der Vermögensübertragung dar, die der Verfahrensvereinfachung dient und ein förmliches Einziehungs- oder Verfallverfahren entbehrlich macht (vgl. BGH, NJW 1965, 1871 [BGH 07.07.1965 - 2 StR 210/65]; BayOblG, NStZ-RR 1997, 51; OLG Düsseldorf, NStZ 1993, 452; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., vor § 430 StPO, Rn. 4a). Der Anordnung einer Einziehung oder eines Verfalles bedarf es dann nicht mehr, wenn der betroffene Vermögenswert des Angeklagten bereits außerhalb des förmlichen Verfahrens dem Staat zufällt.

(2) Verzichtet der Betroffene allerdings wie hier nicht zugunsten der Landeskasse, sondern zugunsten eines Dritten, kann die beabsichtigte Vermögensverschiebung nicht durch einseitige Erklärung des Angeklagten erfolgen, sondern bedarf der Einhaltung der hierfür erforderlichen Regelungen, die sich aus dem Zivilrecht ergeben (vgl. OLG Frankfurt am Main, BeckRS 2011, 19395). Der "Verzicht" auf eine Forderung zugunsten eines Dritten stellt sich rechtlich als Abtretung des Anspruchs gegenüber dem Drittschuldner dar, die für ihre Wirksamkeit den zivilrechtlichen Erfordernissen der §§ 398 ff. BGB genügen muss. Der hierfür erforderliche wirksame Vertragsschluss zwischen der Angeklagten bzw. ihrer Tochter und der Beteiligten liegt vor.

(a) Die in der Hauptverhandlung abgegebene Erklärung, zugunsten der Beteiligten auf die Forderung gegen die Sparkasse H.-B. zu verzichten, stellt das Angebot im Sinne des § 145 BGB dar. Dass den Zedentinnen vorliegend eine Annahmeerklärung der Beteiligten nicht zugegangen ist, insbesondere weil die Beteiligte im Zeitpunkt der Verzichtserklärung nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat, war für das Zustandekommen des Abtretungsvertrages unerheblich. Denn die Beteiligte hat durch ihr Schreiben vom 8. Oktober 2012 ihren Annahmewillen betätigt und den Umständen nach war eine Annahmeerklärung gegenüber der Zedentin nicht zu erwarten (§ 151 BGB).

(b) Zwar stand der Übertragung des Anspruchs gegen die Sparkasse H.-B. zunächst entgegen, dass die Tochter der Angeklagten über diesen Anspruch aufgrund des durch den Staat erwirkten dinglichen Arrestes, der zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung das Vermögen der Tochter der Angeklagten noch erfasst hat, gar nicht verfügen konnte (§§ 111f Abs. 3 S. 3, 111d Abs. 2 StPO i.V.m. §§ 928, 930, 829 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. §§ 135, 136 BGB). Diese Pfändungsanordnung besteht auch trotz Aufhebung des dinglichen Arrestes gegenüber dem Vermögen der Tochter der Angeklagten am 4. Juli 2012 bis heute und ist nicht gegenstandslos geworden (§ 775 Nr. 1 ZPO). Indem das Landgericht aber die Beteiligte auf die Möglichkeit des Zugriffs auf das Konto der Tochter der Angeklagten mit Schreiben vom 6. September 2012 hingewiesen hat, hat sich das Landgericht als in diesem Moment zuständige Stelle entsprechend § 185 Abs. 2 BGB mit der Übertragung auf der Forderung auf die Beteiligte einverstanden erklärt. Dass weitere Pfändungspfandrechte anderer Gläubiger der Angeklagten bzw. ihrer Tochter an der Forderung bestehen, die eine Übertragung unwirksam machen könnten, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat auch die Sparkasse H.-B. mit Schreiben vom 27. Mai 2016 erklärt, keine Forderungen, die aufgrund von AGB vorrangig zu befriedigen gewesen sein könnten, zu haben. Mithin kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob die vorläufige Sicherung durch den Staat auch die rechtsgeschäftliche Übertragung des Vermögenswertes an die Beteiligte sichern konnte und sollte, oder ob diese nur die Aufgabe hat, dem durch die Straftat Geschädigten die Möglichkeit einer vorrangigen Befriedigung aus einem Vollstreckungstitel zu verschaffen.

(c) Schließlich stand der Wirksamkeit der Übertragung auch kein Abtretungsverbot im Sinne des § 399 BGB entgegen. Die insoweit um Mitteilung gebetene Sparkasse H.-B. hat nicht erklärt, dass die Möglichkeit der Abtretung durch entsprechende Vereinbarung ausgeschlossen oder eingeschränkt worden sei.

(d) Die demnach wirksame Übertragung der Forderung von Seiten der Angeklagten bzw. ihrer Tochter gegenüber der Sparkasse H.-B. auf die Beteiligte ist auch nicht durch eine auflösende Bedingung rückgängig gemacht worden. Zwar ist die Frist von drei Jahren, die Gegenstand der Erklärung geworden ist, mittlerweile abgelaufen. Die Erklärung, zugunsten der Beteiligten für drei Jahre zu verzichten, war nach dem objektiven Empfängerhorizont aber so auszulegen, dass innerhalb von drei Jahren die Annahme des Abtretungsangebots zu erfolgen hatte, nicht hingegen auch die Einziehung und Verwertung der Forderung. Denn die Erklärung der Zedentinnen erfolgte erkennbar im Hinblick auf den § 111i Abs. 3 S. 1 StPO entsprechenden Regelungsgehalt, wonach vermieden werden sollte, dass nach Nichtzugriff der Beteiligten innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Zedentinnen wieder über die Forderung gegen die Sparkasse H.-B. verfügen konnten. Mit der erfolgten Annahme des Angebots war für den Eintritt der vereinbarten Bedingung kein Raum mehr.

(3) Die demnach wirksam erfolgte Abtretung der Forderung an die Beteiligte hat aber nicht zu einer Befriedigung der Beteiligten geführt. Denn dass die Angeklagte bzw. ihre Tochter und die Beteiligte sich darüber einig gewesen sein sollen, dass die Abtretung der Forderung in ihrem Nennwert als Leistung an Erfüllungs statt gem. § 365 BGB wirken sollte, ist nicht erkennbar. Aus Sicht der Beteiligten konnte vor allem nicht abgesehen werden, ob an der Forderung Rechte Dritter bestehen, die zwar nicht der Übertragung, aber der Verwertung der Forderung zum Nennwert entgegenstünden. Insoweit erfolgte die Abtretung der Forderung lediglich erfüllungshalber und Erfüllung wäre erst bei Verwertung der Forderung in der dann erzielten Höhe des Erlöses anzunehmen gewesen.

cc. Eine analoge Anwendung der Vorschriften des § 111i Abs. 5 S. 1 Nrn. 1 - 4 StPO auf die vorliegende Konstellation kam nicht in Betracht. Zwar besteht eine scheinbare Vergleichbarkeit insbesondere zu Ziff. 1, da in beiden Fällen der Geschädigte auf das Vermögen des Angeklagten zugreifen kann, ohne dass dieser noch Einwirkungsmöglichkeiten auf die Verwertung hat. Es mag daher nur schwer einzusehen sein, warum ein Verurteilter bei lediglich erfolgter Pfändung im Wege der Zwangsvollstreckung eines nach § 111i Abs. 5 S. 1 Nr. 1 StPO arrestierten Vermögenswertes im Verhältnis zum Staat besser stehen soll, als wenn er den Vermögenswert dem Geschädigten bereits vollständig übertragen hat. Für eine analoge Anwendung fehlt es aber zunächst an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Möglichkeit einer Gewinnabschöpfung außerhalb des förmlichen Rechts war dem Gesetzgeber aufgrund der Auffassung der Rechtsprechung bekannt (vgl. BGH a.a.O.), ohne dass ein entsprechender Anrechnungstatbestand in § 111i Abs. 5 S. 1 StPO geschaffen worden ist. Auch ansonsten ist die Regelung des § 111i Abs. 5 StPO insoweit unvollkommen. Ist der Gläubiger nämlich Pfändungspfandinhaber an einem Vermögenswert, den der Staat zuvor nicht mit Hilfe der §§ 111b ff. StPO gesichert hat, hat auch dieser Vermögenswert bis zu seiner Verwertung nach dem Wortlaut des § 111i Abs. 5 StPO nicht die Kürzung des staatlichen Auffangrechtserwerbs zur Folge. Auch insoweit käme eine analoge Anwendung des § 111i Abs. 5 StPO nicht in Betracht, da ansonsten die ausdrückliche Unterscheidung zwischen nach §§ 111b ff. StPO gesicherten und sonstigen Werten ins Leere liefe. Entsprechende Konstellationen denen gleichzustellen, die in § 111i Abs. 5 StPO bedacht worden sind, kann deshalb allein Aufgabe des Gesetzgebers sein.

Im Übrigen ist auch eine Vergleichbarkeit bei näherer Betrachtung nicht ohne weiteres gegeben. Nur im Fall der Befriedigung des Gläubigers wie auch bei einer vorgenommenen Pfändung im Wege der Zwangsvollstreckung eines zuvor durch den Staat gesicherten Vermögenswertes sind Unwägbarkeiten, wie sie im Fall einer rechtsgeschäftlichen Abtretung auftreten und eine Unwirksamkeit dieser zur Folge haben könnten, ausgeschlossen.

Dieses Ergebnis, wonach die Forderung gegenüber der Sparkasse H.-B. den staatlichen Auffangrechtserwerb nicht schmälert, widerspricht vorliegend auch nicht Billigkeitserwägungen. Die Beteiligte kann als Inhaberin der Forderung diese gegenüber der Sparkasse H.-B. auch ohne Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geltend machen und nach Aufhebung der Sicherungsmaßnahme durch den Staat den ihr entstandenen Schaden im Umfang der Erlöserzielung ausgleichen. Die Angeklagte wird dann in dieser Höhe von der staatlichen Forderung befreit (§ 111i Abs. 7 StPO). Erfolgt die Verwertung nicht innerhalb der Frist von drei Jahren, ist eine Anrechnung zwar ausgeschlossen (§ 111i Abs. 7 S. 2 Nr. 2 StPO), die Angeklagte hätte aber gleichwohl keine Geltendmachung der Forderung durch den Staat in dieser Höhe mehr zu befürchten. Eine Sicherung anderer Vermögenswerte im Wege des dinglichen Arrestes wegen der hier abgeurteilten Taten ist seit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils nicht mehr möglich (vgl. BT-Drs. 16/700, S. 16). Der festgestellte Ersatzanspruch des Staates ist infolgedessen auch nicht weiter realisierbar.

Zwar ist streitig, ob der Staat aufgrund seines Anspruchs gegen den Angeklagten auf andere Vermögenswerte, die nicht der Sicherung unterlegen haben, zurückgreifen darf (bejahend etwa MK-Bittmann, § 111i StPO, Rn. 12). Eine solche Interpretation erscheint indessen wenig nachvollziehbar. Gemäß § 111i Abs. 5 S. 4 StPO erlischt der staatliche Ersatzanspruch bei Verwertung der im Verfahren gesicherten Vermögenswerte, auch wenn die Erlöse hinter der Höhe der staatlichen Forderung zurückbleiben. Die Staatsanwaltschaft wäre dann aber gehalten, Forschungen über vermeintliche weitere Vermögenswerte des Verurteilten vorzunehmen, bevor sie die weitere Zwangsvollstreckung in die gesicherten Vermögenswerte betreibt. Sie liefe damit Gefahr, dass aufgrund der mitunter erforderlichen zeitaufwändige Tätigkeit der Wert der gesicherten Vermögenswerte abnimmt und zu einem geringeren Erlös zugunsten der Landeskasse führt. Eine solche Konsequenz ist weder dem Gesetzesinhalt noch dem Willen des Gesetzgebers zu entnehmen.

d. Unter Berücksichtigung der erfolgten Kürzung war demnach ein staatlicher Auffangrechtserwerb in Höhe von 102.926,28 € festzustellen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.