Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 05.10.2005, Az.: 8 A 1289/05
Anspruch auf Auflösung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ; Überleitung des Weiterbeschäftigungsberechtigten vom Berufsausbildungsverhältnis in das durch gesetzliche Fiktion begründete Arbeitsverhältnis; Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung eines Personalvertreters
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 05.10.2005
- Aktenzeichen
- 8 A 1289/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 23721
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2005:1005.8A1289.05.0A
Rechtsgrundlagen
Verfahrensgegenstand
Auflösung Arbeitsverhältnis nach § 58 NPersVG
Amtlicher Leitsatz
Unzumutbar ist ein Abgehen vom Konsolidierungsprogramm des Rat für die unbefristete Weiterbeschäftigung eines Mitgliedes der Jugend- und Auszubildendenvertretung.
In der Personalvertretungssache hat
die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Stade - Fachkammer für Personalvertretungssachen der Landes -
durch
den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts M. Schulz,
den Richter am Verwaltungsgericht Fahs,
den Richter am Verwaltungsgericht Lassalle sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen H. und I. nach Anhörung der Beteiligten am 05. Oktober 2005 beschlossen:
Tenor:
- 1.)
Das nach § 58 Nds. PersVG begründete unbefristete Arbeitsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Beteiligten zu 1.) wird aufgelöst.
- 2.)
Der Gegenstandswert beträgt 4.000,- Euro.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Auflösung des (unbefristeten) Arbeitsverhältnisses mit der Beteiligten zu 1).
Die im Oktober 1983 geborene Beteiligte zu 1) wurde gemäß Ausbildungsvertrag bei der Antragstellerin vom 01. September 2002 bis zum Ablegen der Prüfung am 28. Juni 2005 zur Verwaltungsfachangestellten ausgebildet. In einem Vertragszusatz hatte sie am 13. September 2002 anerkannt, dass mit ihrer Ausbildung kein Anspruch auf Übernahme verbunden sei. Im März 2004 war die Beteiligte zu 1) zum Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung bei der Antragstellerin (= Beteiligte zu 3)) gewählt worden. Am 18. Januar 2005 kündigte die Antragstellerin ihr an, dass eine unbefristete Übernahme nach Prüfungsabschluss nicht möglich sein werde, und am 17. Mai 2005 verlangte die Beteiligte zu 1) entsprechend § 58 Abs.2 Nds.PersVG ihre unbefristete Weiterbeschäftigung bei der Antragstellerin. Den ihr am 29. Juni 2005 angebotenen und zum 30. April 2006 befristeten Arbeitsvertrag lehnte sie ab, weil nunmehr bereits von Gesetzes wegen ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet gelte.
Mit dem am 08. Juli 2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz beantragte die Antragstellerin die Feststellung gemäß § 58 Abs. 4 Nr. 1 NdsPersVG, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten zu 1) nicht begründet wird. Dieses sei ihr unzumutbar. Entsprechend dem strikt befolgten Konsolidierungsprogramm, welches von einer "Arbeitsgemeinschaft Finanzen" aus dem Rat erarbeitet und dann von diesem im Rahmen der Haushaltsverabschiedung zum Beschluss erhoben worden sei, würden frei werdende Stellen nur bei Leitungspositionen neu besetzt und das auch nur dann, wenn nicht ein bisheriger Mitarbeiter der Antragstellerin mit entsprechender Qualifikation zur Verfügung stehe. Andere Personalabgänge würden bis auf weiteres durch Umsetzungen und Zusammenlegungen kompensiert. Im Übrigen belege der vorgelegte Stellenbesetzungsplan, dass eine unbefristete Stelle entsprechender Qualifikation (weder BAT VII und VIII, noch VI b) zum Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses frei gewesen, noch jetzt frei sei.
Die Antragstellerin beantragt zuletzt,
das gemäß § 58 Nds. PersVG begründete Arbeitsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Beteiligten zu 1) aufzulösen.
Die Beteiligten zu 1.) und zu 3.) beantragen,
den Antrag abzulehnen
und tragen vor: Ein Zeitvertrag mit der Frau J. über eine volle Stelle sei ausgelaufen. Frau K. (mit halber Stelle bei der Stadtkasse und mit halber Stelle als "Springerin") habe zu 30. Juni 2005 "gekündigt". Vor diesem Hintergrund könne und dürfe ein Konsolidierungsprogramm nicht zu Lasten von Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung vollzogen werden. Ihre Weiterbeschäftigung sei der Antragstellerin zumutbar. Am Fehlen einer "freien Stelle" könne es schon deswegen nicht scheitern, weil ihr doch ein befristeter Vertrag angeboten worden sei.
Der Beteiligte zu 2) beantragt ebenfalls
den Antrag abzulehnen
und meint, dieser sei nicht zulässig, weil die Umdeutung vom Feststellungsantrag in einen Auflösungsantrag außerhalb der Zweiwochenfrist des § 58 Abs. 4 Nds. PersVG erfolgt sei. Die Antragstellerin habe eine tatsächliche Beschäftigungsmöglichkeit für die Beteiligte zu 1), wie sich aus dem angebotenen Zeitvertrag ergebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
Er ist zulässig, insbesondere fristgerecht gestellt. Aufgrund des Verlangens der Beteiligten zu 1) vom 17. Mai 2005, und damit fristgerecht innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung der Ausbildung durch das Bestehen der Prüfung am 28. Juni 2005, gilt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Antragstellerin als begründet (§ 58 Abs. 2 Nds. PersVG ). Im Hinblick auf dieses Arbeitsverhältnis hatte die Antragstellerin am 08. Juli 2005 und damit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 58 Abs. 4 Nds. PersVG zwar (nur) den Feststellungsantrag nach § 58 Abs. 4 Nr. 1 NdsPersVG gestellt, obwohl die gesetzliche Fiktion bereits eingetreten war. Die spätere und sinngemäße Umstellung bzw. Umdeutung in einen Auflösungsantrag nach § 58 Abs. 4 Nr. 2 Nds. PersVG ist aber problemlos. Denn beide Alternativen des § 58 Abs. 4 Nds. PersVG knüpfen an den denselben Vorgang an, nämlich die Überleitung des Weiterbeschäftigungsberechtigten vom Berufsausbildungsverhältnis in das durch gesetzliche Fiktion des § 58 Abs. 2 Nds. PersVG begründete Arbeitsverhältnis und zielen übereinstimmend darauf ab, den Arbeitgeber von der Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs von vornherein, jedenfalls aber alsbald freizustellen, wenn ihm die Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten ist. Wird über einen rechtzeitig gestellten Feststellungsantrag bis zur Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtskräftig entschieden, so wandelt dieser sich seinem Gegenstand nach in einen Auflösungsantrag um, ohne dass es einer förmlichen Antragsänderung bedarf. So gesehen hat die Antragstellerin sich innerhalb der Frist lediglich in der Formulierung "vergriffen". Das Gewollte war von vornherein erkennbar. (vgl. BVerwG B. v. 30. 10. 1987 - 6 P 25.85 - zur Parallelvorschrift § 9 BPersVG in ZBR 1988, 171).
Der Antrag ist auch begründet.
Es liegen Tatsachen vor, auf Grund derer der Antragstellerin unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann (§ 58 Abs. 4 S. 1 Nds. PersVG). Die Antragstellerin hat glaubhaft dargestellt, dass zum Zeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung, auf den hier abzustellen ist, ein freier Dauer- und Vollzeitarbeitsplatz für die Beteiligte zu 1) nicht vorhanden war. Zwar führt die Regelung des § 58 Nds. PersVG - ebenso wie die entsprechende Vorschrift des § 9 BPersVG, vgl. Nds. OVG, Beschluss v. 16.02.2000, 18 L 1717/98 - zu einer Verschiebung der materiellen Beweislast mit der Folge, dass der Arbeitgeber die Gründe für die Nichteinstellung bzw. Auflösung des Arbeitsverhältnisses darlegen und beweisen muss und im Falle der Nichterweislichkeit den Nachteil der tatsächlichen Unklarheit trägt (ebenso VG Frankfurt, B. v. 22.05.94, 22 K 4/94 (V), zitiert nach juris). Das führt jedoch nicht dazu, dass der Arbeitgeber von sich aus das Fehlen eines Arbeitsplatzes in allen Einzelheiten darstellen muss, sondern zunächst müssen sich, ggf. auch aus dem Vortrag des Arbeitnehmers, Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine freie Stelle vorhanden sein könnte, auf die sich die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers sodann bezieht. Mit der Forderung zumindest nach Anhaltspunkten in diesem Sinne ist auch der betroffene (ehemalige ) Auszubildende nicht überfordert, denn immerhin ist - auch in seinem Interesse - der Personalrat (hier der Beteiligte. zu 2)), der diesbezüglich über dieselben Erkenntnisse verfügt wie die Dienststelle, von Gesetzes wegen am Verfahren beteiligt (§ 58 Abs. 4 S. 2 Nds. PersVG).
Anhaltspunkte in diesem Sinne fehlen hier. Aus dem Vortrag der Beteiligten zu 1) bis 3) ergibt sich im Kontext des vorgelegten Stellenbesetzungsplanes und des unwidersprochen geltenden und verfolgten Konsolidierungsprogramms des Rates der Antragstellerin nichts, was den Rückschluss auf die zumutbare dauerhafte Besetzung einer Arbeitsstelle mit entsprechender Qualifikation der Beteiligten zu 1) zuließe. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Tatsache, dass der Beteiligten zu 1.) eine befristete Weiterbeschäftigung angeboten worden ist. Als Indiz für eine bestehende Möglichkeit auf unbefristete Weiterbeschäftigung war dieses Angebot ohnehin nicht geeignet, denn in einer größeren Dienststellen wird häufig die Situation bestehen, dass vorübergehende personelle Ausfälle befristet überbrückt werden müssen. Eine solche lag hier vor, weil Frau L., um bei der Agentur für Arbeit in M. arbeiten zu können, Sonderurlaub genommen hat oder sich entsprechend hat abordnen lassen - mit Rückkehrgarantie nach einem Jahr auf "ihre" Stelle. Zudem sind solche befristeten Vertragsangebote an ehemalige Auszubildende aus Gründen der nachklingenden Fürsorge inzwischen üblich - als Übergang und als "verlängerte" Chance, einen neuen Arbeitsplatz nicht aus der Arbeitslosigkeit heraus suchen zu müssen. Die der Beteiligten zu 1) zunächst angebotene Übertragung der Stelle, befristet bis zum Ende von deren Mitgliedschaft in der Jugend- und Auszubildendenvertretung, entkräftet zudem jeden Benachteiligungsverdacht (§ 41 Abs. 1 Nds. PersVG).
Ungeachtet dessen, dass es auf den Zeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung ankommt, ist die Stelle inzwischen nach der eindeutigen Ablehnung durch die Beteiligte zu 1) unwidersprochen mit einer "Rückkehrerin" aus dem Erziehungsurlaub tatsächlich besetzt worden (mit Frau N.) und damit auch für eine Übergangslösung "verloren".
Auch die im Rahmen der Anhörung weiter erörterten Stellenbesetzungen lieferten keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer freien Arbeitsstelle - nicht einmal gemessen an dem Vortrag der Beteiligten zu 1): Frau J. hatte einen Zeitvertrag und die Antragstellerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass deren Stelle tatsächlich nicht nachbesetzt worden ist. Das Beispiel belegt zugleich, dass die Antragstellerin sich an das Haushaltskonsolidierungskonzept durch Stelleneinsparung/Nichtwiederbesetzung hält. Zwar sind andere Einsparungen etwa im Bereich der Sachmittel denkbar. Abgesehen davon, dass erfahrungsgemäß die Personalkosten im Verwaltungshaushalt jeweils anteilig die Höchsten sind und folglich dort am wirksamsten gespart werden kann, kann sich die Beteiligte zu 1.) sich darauf jedoch nicht berufen, denn - unabhängig von der Frage, ob im Bereich der Sachmittel Einsparungen in der erforderlichen Höhe überhaupt möglich sind - sie kann keinen Eingriff in die Entscheidungsfreiheit und die Organisationshoheit der Antragstellerin in Personal-, Finanz- und Sachfragen in dem Sinne beanspruchen, dass Einsparungen im Personalbereich zu Lasten des Sachbereichs unterlassen werden müssten.
Damit steht insgesamt fest, dass die Antragstellerin im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (Beendigung der Ausbildung) über keinen freien Arbeitsplatz für die Beteiligte zu 1) verfügte und ihr ein Abgehen von dem Sparkonzept unzumutbar ist. Dem Antrag war zu entsprechen und das fiktiv begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen.
Gerichtskosten werden im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nach den § 83 Abs. 2 Nds. PersVG i.V.m. §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 2 Abs. 2 GKG nicht erhoben.
Einer Kostenentscheidung ist im Übrigen bedarf es nicht, weil in dem als objektives Verfahren ausgestalteten Beschlussverfahren für den Ersatz außergerichtlicher Kosten kein Raum ist. Diese fallen - gehört der Rechtsstreit zur ordnungsgemäßen Durchführung der Personalratsaufgaben - ohnehin der Dienststelle zur Last (§ 37 Abs. 1 Nds. PersVG).
Streitwertbeschluss:
Der Gegenstandswert beträgt 4.000,- Euro.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus den §§ 2, 33 Abs. 1, 23 Abs. 3 S. 2 RVG.
Fahs
Lassalle