Arbeitsgericht Göttingen
Urt. v. 09.02.1995, Az.: 1 Ca 496/93 E

Höhergruppierung einer Diplom-Pädagogin als Sozialarbeiterin; Erforderlichkeit, daß die qualifizierenden Tätigkeiten mehr als nur geringfügigen Umfang bei einem einheitlichen Arbeitsvorgang haben

Bibliographie

Gericht
ArbG Göttingen
Datum
09.02.1995
Aktenzeichen
1 Ca 496/93 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 11024
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGGOE:1995:0209.1CA496.93E.0A

Verfahrensgegenstand

Höhergruppierung

In dem Rechtsstreit
hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Göttingen
auf die mündliche Verhandlung vom 16.01.95
durch
den Direktor des Arbeitsgerichts von der Behrens als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter Haag und Kühnel als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Der Wert wird auf 28.800,00 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ausgebildete Diplom-Pädagogin. Sie ist seit dem 01.04.1978 im allgemeinen Sozialdienst des Jugendamtes des Beklagten beschäftigt. Die Parteien haben die Geltung des Bundesangestelltentarifvertrages vereinbart. Die Klägerin ist in die Vergütungsgruppe IV b BAT eingruppiert.

2

Von den Sozialarbeitern im allgemeinen Sozialdienst wird jeweils gleichrangig ein bestimmtes, räumlich begrenztes Gebiet des Landkreises bearbeitet. Die Mitarbeiter nehmen Aufgaben der allgemeinen Beratung, der Vormundschafts- und Familiengerichtshilfe.

3

Die Klägerin meint, bei den von ihr zu verrichtenden Tätigkeiten handele es sich um einen Arbeitsvorgang im Sinne von § 22 BAT. Dieser Arbeitsvorgang erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe III BAT. Es handele sich nämlich nicht nur um eine Tätigkeit, die sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b (16) BAT heraushebe, vielmehr hinsichtlich des Maßes der damit verbindenen Verantwortung hebe sich ihre Tätigkeit auch erheblich aus Tätigkeiten, die nach Vergütungsgruppe IV a (15) zu bewerten seien, heraus.

4

Die Klägerin behauptet, sie betreue einen Personenkreis wie er in der Protokollnotiz Nr. 12 genannt sei, darüber hinaus auch andere Personengruppen, deren Betreuung ähnlich schwierig sei, wie Obdachlose und von Obdachlosigkeit bedrohten Familien, straffällig gewordene Kinder. Außerdem sei sie zuständig für die Beratung und Begleitung seelisch Behinderter, von Asylanten, Aus- und Übersiedlern, sowie in Fällen von Kindesmißhandlung, sexuellem Mißbrauch und Kindesvernachlässigung.

5

Die Klägerin behauptet ferner, der Umfang der Aufgaben und die gestellten Anforderungen stellten an ihr Wissen und Können erhebliche Anforderungen im Sinne einer besonderen Schwierigkeit. Eine Heraushebung durch die Bedeutung der Aufgabe ergebe sich in Folge der Auswirkungen ihres Handelns auf die zu betreuenden Familien und Personen. Eine besondere Verantwortung ergebe sich daraus, daß die Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsmäßig auszuführen seien, was insbesondere auch bei Eilfällen gelte.

6

Die Klägerin ist aus diesen Gründen der Auffassung, daß sie mit ihrer Arbeit die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe III erfüllt.

Die Klägerin beantragt,

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festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab 01.01.1991 nach Vergütungsgruppe III BAT zu vergüten sowie bei Erfüllung dieser Verpflichtung die bis zum 31.08.1993 angefallenen monatlichen NettoDifferenzbeträge zwischen der Vergütungsgruppe IV b BAT und III BAT mit 4 % seit Rechtshängigkeit zu verzinsen, und die ab dem 15. eines jeden Monats fällige Differenz zwischen den Vergütungsgruppen IV b und III BAT mit 4 % seit dem 16. des jeweiligen Fälligkeitsmonates zu verzinsen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er meint, bei der Tätigkeit der Klägerin handele es sich nicht um einen einheitlichen Arbeitsvorgang, vielmehr um zumindest drei Arbeitsvorgänge (Familiengerichtshilfe, Vormundschaftsgerichtshilfe, allgemeine Beratung und Betreuung). Die von der Klägerin verrichtete Tätigkeit sei normale Tätigkeit eines Sozialarbeiters, als schwierige Tätigkeit sei sie nicht einzustufen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

12

Gemäß § 22 Abs. 1 und 2 BAT richtet sich die Eingruppierung eines Angestellten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung. Der Angestellte ist in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend ausgeübte Tätigkeit entspricht. Das ist dann der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderung eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen muß.

13

Nach der Protokollnotiz zu dieser tarifvertraglichen Regelung sind Arbeitsvorgänge, Arbeitsleistungen einschließlich der Zusammenhangsarbeit, die, bezogen auf den Aufgabenkreis des Angestellten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen.

14

Es spricht viel dafür, daß die Tätigkeit der Klägerin in diesem Sinne nicht in mehrere Arbeitsvorgänge aufgeteilt werden kann, wie der beklagte Landkreis es sieht, da sinnvollerweise eine einheitliche Betreuung derjenigen Personen im Bezirk, bei denen eine solche notwendig ist, erfolgt. Letztlich kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, da auch bei der Betrachtungsweise der Klägerin die begehrte Höhergruppierung nicht gerechtfertigt ist.

15

Bei einem einheitlichen Arbeitsvorgang ist erforderlich, daß die qualifizierenden Tätigkeiten mehr als nur geringfügigen Umfang haben. Das ist nicht feststellbar.

16

In die Vergütungsgruppe V b (10) BAT sind Angestellte in der Tätigkeit von Sozialarbeitern/Sozialpädagogen mit entsprechender Tätigkeit eingruppiert, sowie solche Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Kenntnisse und Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten verrichten. Die Klägerin ist keine ausgebildete Sozialpädagogin oder Sozialarbeiterin. Aufgrund ihrer Ausbildung zur Diplompädagogin und ihrer langjährigen Tätigkeit ist jedoch davon auszugehen, daß sie über entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, was auch der beklagte Landkreis nicht in Abrede nimmt. Die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe V b (10) BAT sind mithin erfüllt.

17

In die Vergütungsgruppe IV b (16) BAT sind Sozialarbeiter/-pädagogen mit entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, eingruppiert, wenn sie schwierige Tätigkeiten verrichten. Die Protokollnotiz Nr. 12 nennt für die schwierigen Tätigkeiten einige Beispiele. Ob die Tätigkeit der Klägerin die Merkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllt, mag ebenfalls dahinstehen, da die Klägerin im Wege der Bewährung ohnehin in die Vergütungsgruppe IV b (17) BAT eingruppiert ist.

18

In die Vergütungsgruppe IVa BAT sind Sozialarbeiter/-Pädagogen sowie sonstige Angestellte eingruppiert, wenn sich ihre Tätigkeit zumindest zu 1/3 (Fallgruppe 16) oder zur Hälfte (Fallgruppe 15) durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IVb (16) BAT heraushebt. Das ist nicht feststellbar.

19

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsrechts muß die Heraushebung hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades aus der schwierigen Tätigkeit der Vergütungsgruppe IVb BAT eine deutliche sein. Das vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Sozialarbeiter und Sozialpädagogen es in aller Regel mit einem Personenkreis zu tun hat, der sich in entwicklungs-, konflikt- oder notbedingten Situationen befindet, in dem ihm geholfen werden soll. Der Umgang mit diesem Personenkreis wird in aller Regel kein einfacher sein. Für die schwierigen Tätigkeiten, wie sie in Vergütungsgruppe IVb BAT gefordert sind, gibt die Protokollnotiz Nr. 12 einige Beispiele. Wenn die Klägerin meint, ihre Tätigkeit hebe sich in Bezug auf den Schwierigkeitsgrad von den dort genannten Beispielen noch einmal deutlich ab, so läßt sich das aus ihrem Vortrag nicht nachvollziehen. Daß der Umgang mit den in der Protokollnotiz Nr. 12 genannten Beispielsgruppen im Vergleich zu anderen Personen schwierig sein kann, ist unproblematisch nachvollziehbar. Warum aber der Umgang mit der von der Klägerin betreuten Klientel, die im übrigen teilweise in der Protokollnotiz Nr. 12 genannt ist nochmals erheblich schwierig sein soll, ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht für die Kammer nachvollziehbar dargelegt.

20

Damit lassen sich Voraussetzungen der Vergütungsgruppe IVa (15/16) BAT nicht feststellen, so daß auch eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe III BAT nicht in Betracht kommt. Der Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO der Erfolg zu versagen.

21

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 61 Abs. 1, 12 Abs. 7 ArbGG. Der Wert beläuft sich auf den dreifachen Jahresdifferenzbetrag, den das Gericht gemäß § 3 ZPO mit monatlich 800,00 DM in Ansatz gebracht hat.

Streitwertbeschluss:

Der Wert wird auf 28.800,00 DM festgesetzt.