Arbeitsgericht Göttingen
Beschl. v. 16.05.1988, Az.: 1 BV 4/87
Pflicht des Arbeitgebers einen Computer für die anfallenden Betriebsratstätigkeiten zur Verfügung zu stellen; Erforderlichkeit des Computers für die zu verrichtenden Tätigkeiten; Manuelle Bearbeitung als Alternative
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Göttingen
- Datum
- 16.05.1988
- Aktenzeichen
- 1 BV 4/87
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1988, 10704
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGGOE:1988:0516.1BV4.87.0A
Rechtsgrundlage
- § 40 Abs. 2 BetrVG
Fundstelle
- DB 1988, 2056-2057
In dem Beschlußverfahren
hat des Arbeitsgericht Göttingen - Gerichtstag Osterode -
auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 1988
durch
den Direktor des Arbeitsgerichts v.s. [XXXXX]ehrens als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter Binder und Kühnel als Beisitzer
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller einen Personal-Computer (PC) für die anfallenden Betriebsratstätigkeiten zur Verfügung zu stellen.
Der Antragsteller ist der im Werk Osterode gebildete Betriebsrat der Antragsgegnerin, einem Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie. Im Werk Osterode sind rund 1.200 Arbeitnehmer tätig, insgesamt beschäftigt die Antragsgegnerin ca. 1.700 Arbeitnehmer.
Im Rahmen der Betriebsratstätigkeit des Antragstellers fallen unter anderem folgende Arbeitsvorgänge an:
- Ausarbeitung eins "Kennziffernprogramms", in dem Kennziffern wie Personalbestand/-Struktur, Lohn je Arbeiter, Gehalt je Angestellter, Bildungsaufwand je Arbeitnehmer, strukturell wichtige Aufgaben, freigestellte Betriebsratsmitglieder, Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitszeit in tabellarischer Form (vgl. Bl. 41 ff. d. A,) zusammengefaßt und statistisch ausgewertet werden, um auf diese Weise eine Überwachung des Personalbestandes bzw. der Personalentwicklung sowie des Umfanges der Arbeitszeit zu ermöglichen
- Zuordnung von "Lohngruppenmerkmalen" und Überprüfung der Lohndaten. Die Tätigkeit des Antragstellers besteht hierbei darin, die in den Einstellungs-, Versetzungs- oder Entlohnungsunterlagen der einzelnen Arbeitnehmer enthaltenen Tätigkeitsmerkmale unter dem Gesichtspunkt der Eingruppierung in bestimmte Vergütungsgruppen einem Vergleich zu unterziehen. Hierdurch sollen Diskrepanzen bei der Tätigkeitsbewertung aufgedeckt werden.
- Aufbereitung der im "Betriebsleistungsprogramm" enthaltenen Daten in graphischer Form. Dabei erfolgt von Seiten des Antragstellers eine Umsetzung der monatlich von der Antragsgegnerin herausgegebenen Daten über die Betriebsleistung aufgeschlüsselt nach Summe und Kostenträger in Graphiken und Tabellen. Dem Antragsteller ist es hierdurch möglich, die für seine Tätigkeit relevanten Aussagen aus den überlassenen Daten zu ermitteln.
- Terminüberwachung der rund 100 im Betrieb bestehenden befristeten Arbeitsverhältnisse
- Überwachung der Ausbildungsgänge, um frühzeitig Aussagen über eine spätere Verwendung der Auszubildenden im Betrieb treffen zu können.
- interne Verwaltungsarbeiten wie Textverarbeitung, Terminüberwachung, Dokumentierung des Ausbildungsstandes der Betriebsratsmitglieder.
Diese Tätigkeiten werden vom Antragsteller, der über drei freigestellte Mitglieder verfügt, zur Zeit noch mit herkömmlichen bürotechnischen Mitteln angegangen, wobei ihm zur Unterstützung eine von der Antragsgegnerin gestellte Schreibkraft zur Verfügung gestellt wird. Deren Arbeitskraft wird jedoch vom Antragsteller nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen.
Die Datenbearbeitung mit herkömmlichen Mitteln bedeutet eine erhebliche zeitliche Beanspruchung der Mitglieder des Antragstellers. Die Auswertung der Lohngruppenmerkmale wurde aus zeitlichen Gründen vollständig eingestellt, da die angefallene Datenmenge nicht mehr bewältigt werden konnte. Durch Einsatz eines PC's könnte der zeitliche Aufwand für die eben genannten Tätigkeiten nicht unerheblich vermindert werden.
Der Antragsteller meint daher, ihm stehe gemäß § 40 II BetrVG ein Anspruch auf Überlassung eines PC's gegenüber der Antragsgegnerin zu. Angesichts der anfallenden Tätigkeiten im Bereich der Datenverarbeitung sei dieses Hilfsmittel zur Bewältigung der Betriebsratsarbeit erforderlich. Dies müsse um so sehr gelten, da die Antragsgegnerin in ihrem Osteroder Betrieb verstärkt Computer einsetze.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm einen Personalcomputer IBM PC AT 02, [XXXXX]2 KB RAM, 20 MB Platte zuzüglich IBM PC Tastatur Deutsch, Juli[XXXXX]Bildschirm, IBM PC Grafikdrucker II und die Software Framework Deutsch oder einen vergleichbaren Computer ähnlicher Bauart zur Verfügung zu stellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, der beantragte PS sei für beim Antragsteller anfallende Tätigkeiten nicht erforderlich. Darüber hinaus würde der Antragsteller mit der Einrichtung einer Kennzifferndatei seine betriebsverfassungsmäßigen Rechts das §§AO II. 92 I. 106 II. 108 III BetrVGüberschreiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Der Antrag ist unbegründet. Der Antragsteller hat trotz Auflage durch das Gericht Tatsachen, die einen Anspruch auf Überlassung des begehrten PC's aus § 40 II BetrVG rechtfertigen würden, nicht in der erforderlichen substanziierten Form dargetan.
Gemäß § 40 II BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die sachlichen Mittel für die Bewältigung der Betriebsratsaufgaben im erforderlichen Umfang zur Verfügung zu stellen. Dabei ist der Begriff der Erforderlichkeit nicht abstrakt zu definieren, sondern anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Der Umfang der den Arbeitgeber treffenden Verpflichtung bestimmt sich daher anhand der konkreten Bedürfnisse des jeweiligen Betriebsrates: dieser muß nach den betrieblichen Verhältnissen zur ordnungsgemäßen Erledigung der anfallenden Aufgaben in der Lage sein (GK-BetrVG-Wiese 4 Aufl. § 40 Rdn. 64). Die Erforderlichkeit eines bestimmten sächlichen Mittels ist folglich dann zu bejahen, wenn ohne dieses eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit nicht möglich wäre. Als nicht erforderlich im Sinne des § 40 II BetrVG ist es demnach anzusehen, wenn ein bestimmtes Hilfsmittel lediglich zu einer Erleichterung bei der Abwicklung der anfallenden Tätigkeiten führt, diese jedoch auch ohne das betreffende Mittel in zumutbarer Weise erledigt werden können. Der Antragsteller hätte demgemäß detailliert darlegen müssen, inwiefern eine ordnungsgemäße Abwicklung der anfallenden Betriebsratstätigkeiten mit den bisher genutzten Arbeitsmitteln nicht mehr möglich ist. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Antragstellers nicht.
1.
Hinsichtlich der Ausarbeitung eines Kennziffernprogramms ist dem Vortrag des Antragstellers nicht zu entnehmen, warum in Zukunft eine herkömmliche Bearbeitung nicht mehr durchgeführt werden kann. Der Antragsteller weist in diesem Zusammenhang vielmehr darauf hin, daß er bereits seit 1985 über ein "manuelles" System zur Verarbeitung der anfallenden Kennziffern verfügt und mit Hilfe dieses Systems auch effektive Arbeit leisten konnte. So war es ihm immerhin gelungen, Verbesserungen im betrieblichen Lohn- und Gehaltsystem durchzusetzen. Andererseits läßt sich aus dem Vertrag nicht entnehmen, daß nunmehr mit diesem System -beispielsweise durch qualitative oder quantitative Veränderungen der zu bearbeitenden Daten- eine effektive Datenerfassung nicht mehr möglich ist. Der pauschale Verweis auf die Unmöglichkeit bzw. Dazumutbarkeit der Fortführung der herkömmlichen Auswertemethode kann keinesfalls als ausreichend angesehen werden. Dem Antragsteller hätte es insoweit ablegen, im einzelnen den Zeitaufwand bei herkömmlicher Datenverarbeitung im Vergleich zu dem bei Einsatz eines PC's entstehenden Aufwandes und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Abwicklung der übrigen Tätigkeiten darzulegen.
2.
Der Antragsteller hat weiterhin keine nachvollziehbaren Gründe für den Verzicht auf manuelle Auswertung der Lohngruppenmerkmale genannt. Der pauschale Hinweis auf die Unmöglichkeit der Auswertung und den im Einzelfall für den Auswertung erforderlichen hohen Zeitaufwand kann nicht als hinreichend substantiierter Vertrag gewertet werden. Auch insoweit hätte der Antragsteller detaillierte Angaben über die bisher angewendete Arbeitsmethode und den damit verbundenen zeitlichen Aufwand machen müssen.
3.
Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend hinsichtlich der Auswertung des Betriebsleistungsprogramms. Zwar kann aus dem Vortrag des Antragstellers der Schluß auf eine durch Einsatz eines PC's zu erzielende Arbeitserleichterung bei der Anfertigung von graphischen Darstellungen gezogen werden. Die in § 40 II BetrVG vorausgesetzte Erforderlichkeit wird damit jedoch nicht begründet. Es fehlen insoweit Angaben zu den mit der manuellen Auswertung verbundenen Schwierigkeiten, insbesondere darüber, ob hierdurch eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit unmöglich gemacht oder doch wesentlich beeinträchtigt wird.
4.
Als ebenfalls nicht nachvollziehbar für die Kammer ist der Vortrag des Antragstellers zu dem Punkt "Überwachung von befristeten Arbeitsverhältnissen" einzustufen. Es ist nicht dargelegt worden, weshalb diese Tätigkeit nicht auf herkömmlichem Wege - z. B. mit Hilfe eines Terminkalenders - erfolgen kann. Inwieweit bei Verwendung eines "elektronischem Notizkalenders" sich die Arbeit des Betriebsrates "aktueller und effektiver" gestalten läßt, kann aus den in diesem Zusammenhang verwendeten Schlagwörtern nicht entnommen werden.
5.
Soweit der Antragsteller als Einsatzgebiet eines PC's auf die Überwachung von Ausbildungsgängen verweist, fehlt es bereits an einem hinreichend substantiierten Vortrag, auf we[XXXXX]eise die EDV bei der Bewertung von bestimmten Ausbildungsgängen eingesetzt werden soll. Berücksichtigt man insoweit die bei den Betriebsratsmitgliedern vorhandenen betriebsorganisatorischen Fachkenntnisse, so erscheint es der Kammer möglich, eine Bewertung der betrieblichen Eignung bestimmter Ausbildungsgänge auch ohne die Hilfe eines Computers mit akzeptablem Arbeitsaufwand treffen zu können.
6.
Schließlich kann auch der vom Antragsteller beabsichtigte Einsatz des PC's für interne Verwaltungstätigkeiten einen Anspruch aus § 40 II BetrVG nicht begründen. Der Antragsteller hat insoweit eingeräumt, daß eine Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf die von der Antragsgegnerin gestellte Sachbearbeiterin durchaus möglich ist. Zwar ist dem Antragsteller zuzugeben, daß einer Übertragung im Hinblick auf die Qualifikation der Schreibkraft bestimmte Grenzen gesetzt sind. Diese sind jedoch nach Überzeugung der Kammer bezüglich der vom Antragsteller genannten Tätigkeiten wie Ablage, Textverarbeitung und Terminüberwachung nicht erreicht. Es handelt sich hierbei vielmehr um Tätigkeiten, die typischerweise zum Aufgabenbereich einer Schreibkraft zu zählen sind. Der Einsatz eines PC's für diese Tätigkeiten mag zwar zu einer "aktuelleren Gestaltung" der Betriebsratstätigkeit führen. Damit ist aber nicht gesagt, daß bei Einsatz einer Sachbearbeiterin und der Anwendung herkömmlicher Bürotechnik eine ordnungsgemäße Verwaltung des internen Geschäftsbetriebes nicht gewährleistet ist. Dies gilt um so mehr, als die besagte Sachbearbeiterin mit den bisher vom Antragsteller auf sie übertragenen Aufgaben nur zu einem Teil ihrer Arbeitskraft ausgelastet ist.
7.
Auch aus dem Umstand, daß die Antragsgegnerin in ihrem Unternehmen bestimmte Bereiche der Produktion und auch der Verwaltung auf Computertechnik umgestellt hat, kann für den Rechtsstandpunkt des Antragstellers nichts hergeleitet werden. Bei der Frage der Erforderlichkeit eines bestimmten Hilfsmittels sind zwar auch die betrieblichen Gegebenheiten zu berücksichtigen (GK-BetrVG-Wiese a.a.O.). Hieraus kann jedoch nicht der Schluß darauf gezogen werden, daß das technische Ausstattungsniveau des Arbeitgebers Art. und Umfang des Anspruchs aus § 40 II BetrVG bestimmt. Nach den klaren Wortlaut dieser Vorschrift richtet sich das Maß der Ausstattung des Betriebsrates vielmehr nach Art. und Umfang der beim Betriebsrat anfallenden Aufgaben. Die daraus folgenden Sachzwänge bilden den Rahmen für die Ausgestaltung des Anspruchs gegen der Arbeitgeber. Den jeweiligen betrieblichen Gegebenheiten kommt nur insoweit Bedeutung zu, wie es um die Ausfüllung dieses Rahmens geht. Hierbei sind dann als Ausprägung des Gebets der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 I BetrVG) die im Einzelfall bestehenden Besonderheiten bei der Ausgestaltung des Anspruchs aus § 40 II BetrVG heranzuziehen. Ein allgemeiner Anspruch des Betriebsrates auf Überlassung solcher technischer Mittel, über die auch der Arbeitgeber verfügt, unabhängig vom betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabenbereich, ergibt sich folglich aus § 40 II BetrVG gerade nicht.
Nach alledem war der Antrag schon dem Grunde nach zurückzuweisen. Auf die Frage, welcher Computertyp für die Betriebsratsarbeit als erforderlich anzusehen wäre, kam es mithin nicht mehr an.