Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.03.2019, Az.: 11 U 160/18
Eintrittspflicht der privaten Krankenkostenversicherung für die Kosten einer Irreversiblen Elektroporation
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 11.03.2019
- Aktenzeichen
- 11 U 160/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 49868
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 30.10.2018 - AZ: 12 O 40/16
Rechtsgrundlage
- MB/KK 2009 § 1 Abs. 2
Amtlicher Leitsatz
Die Irreversible Elektroporation (IRE) stellt keine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne von § 1 Abs. 2 MB/KK 2009 dar.
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 30.10.2018 (12 O 40/16) durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
I.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankenkostenversicherung.
Wegen der Inhalt des Versicherungsvertrages gewordenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankenkosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (im Folgenden: MB/KK 2009) wird auf Anlage BLD1 Bezug genommen.
Nachdem bei dem Kläger ein Prostata-Karzinom mit einem Gleason-Score von 6 diagnostiziert worden war, ließ der Kläger nach einer vorangegangenen 3D-Biopsie am 10.11.2015 am 05.01.2016 im "Prof. Dr. S. Institut für Bildgebende Diagnostik" in F. eine dort entwickelte "NanoKnife-Therapie" durchführen, die eine Irreversible Elektroporation (IRE) verwendet, bei der mit Hilfe ultrakurzer Stromstöße bösartige Tumorzellen zerstört werden sollen. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, das in der aktuellen S3-Leitlinie zur Behandlung von Prostata-Karzinomen nicht enthalten ist. Der vor der Durchführung dieser Behandlung erhöhte PSA-Wert des Klägers ging in den Folgemonaten auf ein Normalmaß zurück.
Mit Schreiben vom 07.02.2016 (Anlagenband Kläger) reichte der Kläger bei der Beklagten insgesamt sieben Rechnungen in einem Gesamtumfang von 14.920,00 ? ein. Auf die Anlage BLD2 wird insoweit wegen der einzelnen Rechnungen Bezug genommen.
Die Beklagte erstattete in der Folge die vom Kläger eingereichten Rezepte über 19,04 ? und 16,33 ? unter Anrechnung auf den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt und einen Betrag in Höhe von 670,69 ? auf die Rechnung des Anästhesisten Dr. G. in Höhe von insgesamt 1.550,95 ?, nämlich den Anteil, der auf die von der Beklagten erstatteten Biopsien entfiel. Eine Übernahme der in Zusammenhang mit der durchgeführten Irreversiblen Elektroporation und den entsprechenden Vor- und Nachuntersuchungen angefallenen Kosten lehnte die Beklagte ab.
Mit Schriftsatz vom 26.07.2017 (Bl. 83f d.A.) hat die Beklagte mitgeteilt, dass in einem anderen Fall an einen Versicherungsnehmer der Beklagten, der an einem Prostatakarzinom gelitten habe, eine Erstattung der bei Durchführung einer Irreversiblen Elektroporation angefallenen Kosten "versehentlich ohne vorherige Prüfung" erfolgt sei; in drei anderen Fällen habe die Beklagte kulanzweise in Einzelfallentscheidungen Leistungen auf freiwilliger Basis zugesagt, wobei diese Leistungen auf das Kostenniveau einer gebotenen Radiotherapie unter Zugrundelegung eines 3,5-fachen Gebührensatzes begrenzt worden seien.
Der Kläger ist der Ansicht, die in Zusammenhang mit der "NanoKnife"-Behandlung angefallenen Kosten seien ihm aufgrund des Versicherungsvertrages zu erstatten. Hierzu behauptet er, es handele sich um eine medizinisch notwendige Heilbehandlungsmaßnahme, die gegenüber den herkömmlichen Therapieoptionen erhebliche Vorteile biete. Insbesondere könnten Tumorzellen gezielt angesteuert und zerstört werden, was die Therapie schonend für umliegendes Gewebe und Organe mache. Die Beeinträchtigungen seien auch deutlich geringer als bei einer operativen Entfernung der Prostata.
Im Übrigen sei die Beklagte bereits aufgrund des sich aus § 21 VAG ergebenden Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Kostenübernahme verpflichtet, da die Beklagte bereits anderen Versicherungsnehmern gegenüber die Kosten für die hier streitgegenständliche Therapie erstattet habe.
Er hat erstinstanzlich beantragt,
1. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.249,60 ? nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn von der außergerichtlichen Geschäftsgebühr gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten in Höhe eines Betrages von 1.029,35 ? nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Kosten für die Irreversible Elektroporationsmethode seien nicht erstattungsfähig, da es sich hierbei nicht um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne der §§ 1 Abs. 3, 4 Abs. 6 MB/KK 2009 handele. Weder stelle die genannte Methode ein schulmedizinisch anerkanntes Behandlungsverfahren im Sinne von § 4 Abs. 6 S. 1 MB/KK 2009 dar, noch ein Verfahren, das in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt sei oder um ein Verfahren, das mangels schulmedizinischer Behandlungsoptionen herangezogen werden könne (§ 4 Abs. 6 S. 2 MB/KK 2009).
Eine Erstattungspflicht ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass in der Vergangenheit in Einzelfällen eine Erstattung von Kosten der Irreversiblen Elektroporation erfolgt sei, da - soweit überhaupt eine vorherige Prüfung der Erstattungsfähigkeit stattgefunden habe - die Erstattung insoweit mit dem ausdrücklichen Hinweis verbunden worden sei, dass diese nur im Kulanzwege erfolge.
Das Landgericht Göttingen hat, nach Einholung eines urologischen Fachgutachtens die Klage mit Urteil vom 30.10.2018 (Bl. 182 ff d.A.) abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der für die streitbefangene IRE-Behandlung nach dem Regime der sog. "NanoKnife-Therapie" aufgewandten Kosten ergebe sich weder aus dem Versicherungsvertrag noch aus dem versicherungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Inanspruchnahme der IRE-Behandlung stelle bereits keinen Versicherungsfall im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1 MB/KK 2009 dar. Ein die mögliche Leistungspflicht auslösender Versicherungsfall sei danach die medizinisch notwendige Heilbehandlung der versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.
Zur Krankheit habe der Sachverständige erläutert, dass bei dem damals ... Jahre alten, im Übrigen beschwerdefreien Kläger über einen Zeitraum von sechs Jahren hinweg ein mehr oder weniger ständiger Anstieg des PSA-Wertes beobachtet worden sei. Der zuletzt im August 2015 festgestellte Wert von 9,5 ng/ml sei in Anbetracht des Alters und der Größe der Prostata eindeutig zu hoch gewesen. Dies und der ständige Anstieg des PSA-Wertes über Jahre hinweg habe den Verdacht auf ein Karzinom nahegelegt, so dass eine weiterführende Abklärung indiziert gewesen sei. Die Kammer sei deshalb davon überzeugt, dass der Kläger im August 2015 unter einer Krankheit gelitten habe, zunächst in Form eines abklärungsbedürftigen Verdachts auf ein Prostatakarzinom, der sich später bestätigt habe. Jedoch habe der Kläger nicht den Beweis geführt, dass die von ihm konkret in Anspruch genommenen Leistungen ab dem 05.01.2016 eine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne der Versicherungsbedingungen dargestellt hätten. Der Sachverständige habe in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass aufgrund der durch die durchgeführte Biopsie erhobenen Befunde und der konkreten Situation des Klägers die zu empfehlende Behandlungsoption die sogenannte "active surveillance", also eine abwartende Haltung bei engmaschiger Beobachtung des weiteren Krankheitsverlaufs gewesen sei. Aus medizinischer Sicht habe am 05.01.2016 keine Notwendigkeit für eine kurative Behandlung des im Anfangsstadium diagnostizierten Prostatakarzinoms bestanden.
Auch unter Annahme des Vorliegens eines Versicherungsfalls träfe die Beklagte keine Leistungspflicht zur Übernahme der hier streitgegenständlichen Behandlungskosten. Diese Leistungspflicht erstrecke sich in erster Linie auf Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt seien (§ 4 Abs. 6 S. 1 MB/KK 2009). Bereits nach dem unstreitigen Parteivorbringen handele es sich aber hier nicht um eine schulmedizinisch überwiegend anerkannte Behandlung. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Behandlungsmethode zwar seit dem Jahr 2006 bekannt und nach den Ausführungen des Sachverständigen rein theoretisch zur fokalen Therapie von Prostatakarzinomen gut geeignet sei. Ein Beweis für die Effektivität der Methode stehe jedoch bislang aus. Bislang lägen keine Daten in Bezug auf Wirksamkeit und langfristige Heilungsraten dieses Verfahrens vor, weshalb auch insoweit eine Leistungspflicht der Beklagten gemäß § 4 Abs. 6 S. 1 MB/KK 2009 ausscheide.
Darüber hinaus ergebe sich auch keine Leistungspflicht der Beklagten aus § 4 Abs. 6 S. 2 MB/KK 2009. Um eine Leistungspflicht des Versicherers insoweit zu begründen, müssten diese Methoden in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich aufgrund praktischer Erfahrungen grundsätzlich genauso gut geeignet sein, den angestrebten Behandlungserfolg zu erreichen wie Methoden der Schulmedizin. Jedoch habe sich die IRE-Behandlung in der Praxis gerade nicht als "ebenso erfolgversprechend" bewährt. Eine Zulassung dieses Verfahrens bestehe jedoch bislang weder in Deutschland noch im europäischen Ausland. Die theoretischen Vorteile dieses Verfahrens gegenüber etablierten Behandlungsverfahren beim lokalisierten Prostatakarzinom seien bislang nicht durch geeignete Studien belegt. Das gelte sowohl im Hinblick auf die Wirksamkeit als auch hinsichtlich möglicher Langzeitkomplikationen. Aufgrund dessen sei die IRE nach wie vor als rein experimentelles Therapieverfahren anzusehen. Auch in der alternativen Medizin habe sich diese Methode weder bewährt, noch sei sie dort anerkannt.
Der Kläger könne die begehrte Kostenerstattung auch nicht aus einem Gleichbehandlungsgebot herleiten. Ein solches ergebe sich weder aus § 177 Abs. 1 VAG (= § 21 Abs. 1 VAG a.F.) noch aus § 11 VAG, denn insoweit komme allenfalls ein Einschreiten der zuständigen Aufsichtsbehörde in Betracht, ohne dass sich ein Anspruch des Versicherungsnehmers gegen die Versicherung ergebe. Deshalb könne auch dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot überhaupt vorlägen.
Gegen dieses, der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 06.11.2018 (Bl. 191 d.A.) zugestellte Urteil, wendet sich der Kläger mit seiner am 06.12.2018 eingelegten und zugleich begründeten Berufung, mit der er rügt, das Landgericht habe zu Unrecht die Klage abgewiesen. Das Landgericht berücksichtige in seiner Entscheidung nicht die Kriterien der medizinischen Notwendigkeit, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 29.03.2017 aufgestellt habe. Da es danach nur auf die medizinische Vertretbarkeit der Heilbehandlung ankomme, hätte das Landgericht bei der Vertretbarkeitsprüfung bei mehreren Behandlungsalternativen letztlich eine Abwägung vor allem von Risiko und Nutzen im Einzelfall vornehmen müssen. Das Landgericht hätte daher aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens sich nicht mit der vom Sachverständigen vorgenommenen Subsidiaritätserwägung begnügen dürfen, sondern hätte klären müssen, ob und inwieweit der Sachverständige die gewählte Behandlungsmethode außerhalb der bestehenden Alternativen als medizinisch indiziert und sinnvoll einstufe. Da nach den Feststellungen des Sachverständigen eine operative Entfernung der Prostata in dem Erkrankungsstadium offenbar nicht die Methode der Wahl gewesen wäre, so hätte der Sachverständige die hier gewählte IRE-Methode jedenfalls gegen die "active surveillance" abwägen müssen.
Soweit das Landgericht eine Anwendbarkeit des versicherungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Verhältnis der Parteien verneine, so übersehe es, dass zu Gunsten des Klägers gegenüber der Beklagten, bei der es sich um einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit handele, bereits ein mitgliedschaftsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz bestehe. Insoweit hätte die Beklagte dem Kläger zumindest die anderen Mitgliedern gewährten Kulanzleistungen zukommen lassen müssen.
Unter Reduzierung des ursprünglichen Klageantrages im Hinblick auf den ursprünglich ärztlicherseits geltend gemachten Gebührensatz von 21,5 auf den nunmehr 3,5-fachen Gebührensatz
beantragt er,
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.129,51 ? nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger in gleicher Weise Kulanzleistungen zu erbringen wie in den drei Fällen laut Schriftsatz vom 26.07.2017, in denen Kulanzleistungen erbracht wurden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung, auch hinsichtlich des nun hilfsweise gestellten Feststellungsantrags, zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat nach derzeitiger Beurteilung der Sach- und Rechtslage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.
1.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der ihm in Zusammenhang mit der Irreversiblen Elektroporation entstandenen Kosten aus § 1 Satz 1 VVG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 3 MB/KK 2009 zu.
a.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 MB/KK 2009 erbringt der Versicherer im Versicherungsfall Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 2009 ist Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Was den Versicherungsfall ausmacht, wird damit inhaltlich zum einen durch die Bezeichnung eines die Behandlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes ausgefüllt, zum anderen dadurch festgelegt, dass es sich bei der Behandlung um eine "Heilbehandlung" handeln und diese "medizinisch notwendig" sein muss. Nicht der Eintritt eines unter den Krankheitsbegriff fallenden Zustandes oder ein Unfall allein begründet demgemäß den Anspruch auf Versicherungsleistungen, sondern erst eine wegen dieses Zustandes oder Ereignisses vorgenommene medizinisch notwendige Heilbehandlung (BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 133/95 -, BGHZ 133, 208-219, Rn. 11).
Steht es - wie hier - außer Streit, dass die ärztliche Behandlung wegen einer Krankheit im Sinne dieser Klausel durchgeführt worden ist, muss der Versicherungsnehmer deshalb darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, dass es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung gehandelt hat (BGH, Urteil vom 10. Juli 1996, a.a.O.; Urteil vom 29. Mai 1991 - IV ZR 151/90 -, juris, Rn. 8; OLG Köln, Urteil vom 18. Mai 2012 - 20 U 253/11 -, juris, Rn. 6).
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Heilbehandlung i. S. v. § 1 Abs. 2 MB/KK medizinisch notwendig ist, ist ein objektiver Maßstab anzulegen (BGH, Urteil vom 10. Juli 1996, a.a.O., Rn. 15). Diese objektive Anknüpfung bedeutet zugleich, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers und auch nicht allein auf die des behandelnden Arztes ankommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2017 - IV ZR 533/15 -, juris, Rn. 28 m.w.N.). Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein (BGH, Urteil vom 21. September 2005 - IV ZR 113/04 -, BGHZ 164, 122-132, Rn. 16). Demgemäß liegt eine "medizinisch notwendige" Heilbehandlung jedenfalls dann vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Das ist im allgemeinen dann der Fall, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen oder zu lindern (BGH, Urteil vom 12. März 2003 - IV ZR 278/01 -, BGHZ 154, 154-171, Rn. 27; Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 133/95 -, BGHZ 133, 208-219, Rn. 16; Urteil vom 29. Mai 1991 - IV ZR 151/90 -, juris, Rn. 8; OLG Nürnberg, Urteil vom 23. November 2015 - 8 U 935/14 -, juris, Rn. 21).
b.
Von diesen, auch der von der Prozessbevollmächtigten des Klägers in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.03.2017 (IV ZR 533/15) zugrundeliegenden Maßstäben ausgehend, liegt ein Versicherungsfall im Sinne von § 1 Abs. 1, Abs. 2 MB/KK 2009 nicht vor. Denn es ist nicht nachgewiesen, dass die bei dem Kläger zur Anwendung gelangte Behandlungsmethode medizinisch notwendig gewesen ist.
Zwar ist zwischen den Parteien im Ergebnis unstreitig, dass der Kläger ab August 2015 unter einer Krankheit im Sinne von § 1 Abs. 2 MB/KK 2009 in Form eines (begründeten) Verdachts auf das Vorliegen eines Prostatakarzinoms litt. Dass die durchgeführte Behandlung nach der "NanoKnife-Methode" unter Anwendung der Irreversiblen Elektroporation eine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne der genannten Vertragsbedingung darstellt, hat der Kläger nicht zu beweisen vermocht.
aa.
Nach den Ausführungen des vom Landgerichts bestellten Sachverständigen Prof. Dr. M. ist die beim Kläger angewandte Irreversible Elektroporation außerhalb von Studien als ein rein experimentelles Therapieverfahren anzusehen, das sich in der alternativen Medizin weder bewährt habe noch dort anerkannt sei. Zur Begründung führt der Sachverständige aus, dass der theoretische Vorteil dieser Methode zwar in der hohen Gewebeselektivität liege, wodurch kritische Strukturen geschützt würden. Es lägen jedoch keine Beweise der tatsächlichen Wirksamkeit dieser Methode vor. Zu möglichen Langzeitkomplikationen könnten keine Aussagen getroffen werden. Des Weiteren seien bisher weder geeignete Behandlungsparameter noch entsprechende Zielparameter etabliert.
Gestützt auf diese Bewertung des Sachverständigen stellt die Irreversible Elektroporation keine medizinisch notwendige Heilbehandlung dar, da es sich insoweit nicht um eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode, sondern um ein rein experimentelles Therapieverfahren handelt. Einer Abwägung der Irreversiblen Elektroporation mit anderen Behandlungsmethoden, wie der Kläger meint, bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.
bb.
Zwar kann bei einer lebensbedrohenden oder gar lebenszerstörenden, unheilbaren Erkrankung des Versicherungsnehmers, bei der es selbst für eine auf die Verhinderung einer Verschlimmerung abzielende Heilbehandlung keine in der Praxis angewandte Behandlungsmethode gibt, nicht mehr darauf abgestellt werden, ob sich die gewünschte Behandlung zur Erreichung des vorgegebenen Behandlungsziels tatsächlich eignet. Vielmehr ist in solchen Fällen die objektive Vertretbarkeit der Behandlung bereits dann zu bejahen, wenn sie nach medizinischen Erkenntnissen im Zeitpunkt ihrer Vornahme als wahrscheinlich geeignet angesehen werden konnte, auf eine Verhinderung der Verschlimmerung der Erkrankung oder zumindest auf ihre Verlangsamung hinzuwirken. Dabei ist nicht einmal zu fordern, dass der Behandlungserfolg näher liegt als sein Ausbleiben. Vielmehr reicht es aus, wenn die Behandlung mit nicht nur ganz geringer Erfolgsaussicht die Erreichung des Behandlungsziels als möglich erscheinen lässt (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2013 - IV ZR 307/12 -, juris, Rn. 15, 17; Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 133/95 -, BGHZ 133, 208-219, Rn. 21). Leidet der Versicherungsnehmer an einer fortgeschrittenen, lebenszerstörenden Erkrankung, hängen die Anforderungen, die an die Erfolgsaussichten der von ihm gewünschten Behandlung zu stellen sind, maßgeblich davon ab, ob auch geeignete schulmedizinische Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2013, a.a.O., Rn. 20).
So liegt der Fall hier aber nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das beim Kläger befundete Prostatakarzinom im hier konkreten Einzelfall bereits den Tatbestand einer lebensbedrohenden oder gar lebenszerstörenden unheilbaren Erkrankung erfüllt hat. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen standen zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen Behandlung ab dem 05.01.2016 andere geeignete, schulmedizinische Behandlungsmethoden zur Verfügung. Insoweit hat der Sachverständige ausgeführt, dass bei einem PSA-Wert von unter 10 und einem Prostatakarzinom mit einem Gleason-Score von 6 - wie hier beim Kläger - die zu empfehlende Behandlungsoption die sog. "active surveillance" gewesen wäre, also eine abwartende Haltung bei engmaschiger Beobachtung des Krankheitsverlaufs. Zur Begründung führt der Sachverständige dabei aus, dass etwa 50% der über 50-jährigen Männer histologisch ein Prostatakarzinom aufwiesen. Groß angelegte Verlaufsstudien würden zeigen, dass von den 65-jährigen Männern mit einem Prostatakarzinom nur 10 % im Laufe der weiteren Jahre und Jahrzehnte daran auch erkrankten und 3% verstürben. Daneben seien - je nach weiterem Verlauf - weitere in der Schulmedizin etablierte Behandlungsmethoden (z. B. radikale Operation, Strahlentherapie) vorhanden gewesen.
Auch die im Vorfeld der Irreversiblen Elektroporation durchgeführte 3D-Biopsie - deren Kosten ebenfalls von der Beklagten nicht erstattet worden sind - sei in diesem Sinne keine medizinisch notwendige Maßnahme gewesen, da entsprechend den damaligen Leitlinien und wissenschaftlichen Erkenntnissen unter Kenntnis des MRT-Befundes eine gezielte kognitive oder apparativ-fusionsgestützte transrektale Stanzbiopsie der verdächtigen Herde, ergänzt durch eine 12-fach Random-Biopsie der Prostata, indiziert gewesen wäre.
2.
Ein Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus dem aus § 177 Abs. 1 VAG (= § 21 Abs.1 VAG in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung) folgenden Gleichbehandlungsgrundsatz aller Mitglieder der Beklagten.
Dieser Grundsatz kann nicht als Verankerung eines allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes im Versicherungsrecht angesehen werden. Er besagt nur, dass die Mitglieder als solche bei gleichen Voraussetzungen nach gleichen Grundsätzen bemessene Vereinsleistungen erhalten dürfen. Aus ihm folgt indessen nicht, dass Gleichheit der Mitglieder besteht. Nur innerhalb der Gruppe derjenigen, die die gleichen Voraussetzungen erfüllen, gilt der Grundsatz, und zwar in der Weise, dass einzelne Gruppenangehörige weder schlechter noch besser als die übrigen Mitglieder der Gruppe behandelt werden dürfen. Verboten ist somit nur die ungleichartige Behandlung gleicher Tatbestände (OLG Frankfurt, Urteil vom 13. November 2015 - 7 U 110/14 -, juris, Rn. 39, zu § 21 VAG a.F.).
Eine derartige ungleichartige Behandlung gleicher Tatbestände ist hier aber nicht ersichtlich. Die Beklagte hat nach ihrem, seitens des Klägers nicht substantiiert bestrittenen Vortrag in drei Fällen Leistungen in Zusammenhang mit der Durchführung einer Irreversiblen Elektroporation erbracht, jedoch in keinem Fall die Leistungsvoraussetzungen gemäß den einschlägigen Vertragsbedingungen bejaht.
Soweit die Beklagte eine Kostenerstattung im Kulanzwege vorgenommen hat, ergibt sich hieraus kein subjektiver Anspruch des Klägers auf ebensolche Kulanzleistungen. Da es sich bei im Kulanzwege erbrachten Leistungen des Versicherers immer um freiwillige Leistungen handelt, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erbracht werden (vgl. Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 10. Januar 2001 - 5 U 737/00 -, juris, Rn. 63), erscheint bereits zweifelhaft, ob überhaupt aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ein Anspruch auf Kulanzleistungen folgen kann. Derartige Einzelfallentscheidungen des Versicherers hängen aber immer von den Umständen des konkreten Sachverhalts einschließlich des bisherigen Verlaufs des Versicherungsvertrages ab (vgl. Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 4 MB/KK 2009, Rn. 64 zu einem Anspruch des Versicherungsnehmers auf eine Leistungszusage gemäß § 4 Abs. 5 MB/KK 2009). Daher vermag der Senat schon nicht zu erkennen, dass für den Kläger die gleichen Voraussetzungen gelten wie für diejenigen Versicherungsnehmer, denen eine zumindest anteilige Kostenerstattung zuteil geworden ist. Eine ungleichartige Behandlung gleicher Tatbestände ist vor diesem Hintergrund nicht festzustellen.
3.
Da nach den vorstehenden Ausführungen ein Anspruch des Klägers bereits dem Grunde nach nicht besteht, bedarf es weiterer Ausführungen, ob die in Zusammenhang mit der Irreversiblen Elektroporation entstandenen Kosten vom Umfang der Leistungspflicht gemäß § 4 MB/KK 2009 umfasst werden, nicht.
4.
Mangels Hauptforderung steht dem Kläger auch kein Anspruch hinsichtlich der geltend gemachten Nebenforderungen zu.
5.
Es besteht für den Senat kein Anlass, sich mit dem erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag des Klägers und dessen Erfolgsaussicht zu befassen. Mit der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO wird der Hilfsantrag wirkungslos.
Zwar ist die prozessuale Situation einer (erst) in zweiter Instanz vorgenommenen Klageerweiterung bei gleichzeitiger Aussichtslosigkeit der Berufung im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO in der Zivilprozessordnung nicht geregelt. Weder § 522 ZPO noch § 533 ZPO enthalten insofern eine ausdrückliche Bestimmung. Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich hierzu nichts entnehmen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 - III ZR 403/12 -, BGHZ 198, 315-327, Rn. 22 m.w.N.). Sowohl der Normzweck des § 522 Abs. 2 ZPO, die zügige Erledigung des Rechtsstreits zu fördern, als auch der Umstand, dass die Berufungsinstanz vornehmlich der Fehlerkontrolle dienen soll, gebieten es allerdings, diese Regelungslücke durch eine analoge Anwendung des § 524 Abs. 4 ZPO zu schließen. Mit beidem ist es nicht vereinbar, in die Prüfung der Erfolgsaussicht gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO auch die Frage der Begründetheit einer zweitinstanzlichen Klageerweiterung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 03. November 2016 - III ZR 84/15 -, juris, Rn. 15 m.w.N.).
Das gilt auch in dem Fall, in dem der Kläger seine Klage um erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsanträge erweitert, weil es sonst der Kläger im Falle der erstinstanzlichen Klagabweisung regelmäßig in der Hand hätte, auf diese Weise zur Verhandlung auch der offensichtlich unbegründeten Berufung zu zwingen. Damit liefe das gesetzgeberische Anliegen, aussichtslose Berufungen im Beschlusswege zurückzuweisen, leer (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 21. Juli 2006 - 9 U 117/06 -, juris, Rn. 8; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. November 2006 - I-24 U 89/06 -, juris; Rn. 3; Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 522 Rn. 37.).
III.
Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung oder Rücknahme der Berufung binnen einer Frist von drei Wochen.