Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.09.2019, Az.: 11 K 195/17

Bemessungsgrundlage für die Wärmeabgabe an andere Unternehmer trotz Zahlung eines sogenannten KWK-Bonus durch einen Netzbetreiber als unentgeltliche Wertabgabe

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
19.09.2019
Aktenzeichen
11 K 195/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69203
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: XI R 17/20

Tatbestand

Strittig ist im 2. Rechtsgang, ob und zu welcher Bemessungsgrundlage die Wärmeabgabe an andere Unternehmer trotz Zahlung eines sogenannten KWK-Bonus durch einen Netzbetreiber zu einer unentgeltlichen Wertabgabe führt.

Die Klägerin betreibt eine Biogasanlage zur Erzeugung von Biogas aus Biomasse in xxx im Landkreis xxx. Das erzeugte Biogas wird zur dezentralen Strom- und Wärmeproduktion in einem angeschlossenen Blockheizkraftwerk genutzt, indem es einem Verbrennungsmotor zugeführt wird, der einen Generator antreibt. Der so produzierte Strom wird überwiegend ins Netz eingespeist und nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2004) i.d.F. vom 7. November 2006 (BGBl I 2006, 2550) von dem Stromnetzbetreiber vergütet. Die dabei ebenfalls erzeugte Wärme dient zu einem Teil dem Produktionsprozess. Der überwiegende Teil der Wärme steht für andere Zwecke zur Verfügung oder bleibt ungenutzt. An ein Fernwärmenetz, über welches die Klägerin ihrerseits Wärme hätte beziehen können, war diese im Streitjahr nicht angeschlossen.

Die Klägerin überließ überschüssige Wärme im Streitjahr "kostenlos" mit Vertrag vom 29. November 2007 dem Unternehmer xxx zur Trocknung von Holz in Containern und mit Vertrag vom 29. Juli 2008 an die xxx GbR, die mit der Wärme ihre Spargelfelder beheizt. In beiden Verträgen ist geregelt, dass die Höhe der Vergütung je nach wirtschaftlicher Lage des Wärmeabnehmers individuell vereinbart und in den Verträgen nicht festgelegt werde. In den Verträgen ist außerdem geregelt, dass die Wärmeübergabe an der dafür vorgesehenen Schnittstelle der Rohrleitung zum Wärmetauscher der Trocknung erfolgt. Der Wärmeabnehmer ist für die Installation des Leitungsnetzes und eines eigenen Wärmetauschers zuständig und trägt auch deren Kosten.

Im Streitjahr erhielt die Klägerin für ihre Stromlieferung von 6.714.247 kWh von ihrem Stromnetzbetreiber neben der sog. Mindestvergütung nach § 8 EEG in Höhe von 1.054.337,85 € einen Erhöhungsbetrag nach § 8 Abs. 3 EEG (sog. KWK-Bonus), weil es sich bei dem von ihr erzeugten Strom um Strom i.S. von § 3 Abs. 4 des Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) i.d.F. vom 19. März 2002 (BGBl I 2002, 1092) handelte. Auch dieser KWK-Bonus in Höhe von 85.070,66 € wurde entsprechend der Umsatzsteuererklärung der Klägerin vom FA in die Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen Umsätze einbezogen.

Da die Klägerin den Wärmeabnehmern kein Entgelt in Rechnung stellte, ging der Betriebsprüfer von einer unentgeltlichen Zuwendung seitens der Klägerin i.S. des § 3 Abs. 1 b Nr. 3 UStG aus. Den von der Klägerin von ihrem Stromnetzbetreiber erhaltenen KWK-Bonus sah er nicht als Entgelt eines Dritten nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG an. Mangels eines Einkaufspreises berechnete er die Bemessungsgrundlage für die Wertabgaben nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nach den Selbstkosten.

Von den in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) aufgeführten Gesamtkosten in Höhe von 1.104.453,35 € entfielen nach der Berechnung des Prüfers auf die abgegebene Wärme 384.791,55 € (= 34,84 %), so dass er ausgehend von dieser Bemessungsgrundlage insoweit Umsatzsteuer in Höhe von 73.110,29 € ansetzte.

Der Beklagte, das Finanzamt (FA), setzte die Ergebnisse der Betriebsprüfung mit Bescheid vom 17. November 2011 entsprechend um. Mit Bescheid vom 1. August 2012 wies es den hiergegen gerichteten Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Mit ihrer ursprünglichen Klage machte die Klägerin u.a. geltend, der KWK-Bonus sei ein Entgelt von dritter Seite. Das Niedersächsische Finanzgericht gab der Klage der Klägerin in dem Verfahren 16 K 247/12 mit Urteil vom 28. November 2013 statt. Auf die Revision des FA hob der BFH mit Urteil vom 31. Mai 2017 XI R 2/14, BStBl II 2017, 1024 das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts auf und wies die Sache an das Niedersächsische Finanzgericht zurück. Der sog. KWK-Bonus, den der Stromnetzbetreiber an die Klägerin gezahlt habe, sei nicht als Entgelt von dritter Seite i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG für die "kostenlose" Wärmeabgaben der Klägerin zu beurteilen. Es handele sich dabei vielmehr um eine Vergütung des Stromnetzbetreibers für den von der Klägerin an ihn gelieferten Strom. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 31. Mai 2017 XI R 2/14, a.a.O. verwiesen. Die Sache sei nicht spruchreif, da nicht entschieden werden könne, in welcher Höhe die unentgeltlichen Wertabgaben der Klägerin versteuert werden müssen. Dies richte sich nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG gemäß den Grundsätzen der BFH-Urteile vom 12. Dezember 2012 XI R 3/10 (BFHE 239, 377 [BFH 26.09.2012 - V R 22/11], BStBl II 2014, 809) und vom 16. November 2016 V R 1/15 (BFHE 255, 354). Die dazu erforderlichen Feststellungen habe das Niedersächsische Finanzgericht nachzuholen.

Im zweiten Rechtsgang vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, der sogenannte KWK-Bonus, den der Betreiber einer Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk von seinem Stromnetzbetreiber erhalte, könne entgegen der Ansicht des BFH nicht als Entgelt für die Lieferung von Strom bewertet werden. Der BFH lasse bei seiner Begründung unbeachtet, dass die Klägerin gegenüber dem Stromnetzbetreiber stets nachweisen müsse, welche Wärmemenge gemessen in kWh nach dem EEG förderungswürdig genutzt werde. In welchem Umfang die beiden Wärmeabnehmer Wärme von der Klägerin erhalten haben, sei daher entgegen der Argumentation des BFH keineswegs unerheblich gewesen.

Was die Bestimmung der Höhe der unentgeltlichen Wertabgabe angehe, so habe der BFH hierzu in seinem Urteil vom 31. Mai 2017, mit dem er sie Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen habe, sowohl auf die Grundsätze der BFH-Urteile vom 12. Dezember 2012, XI R 3/10, a.a.O. und vom 16. November 2016, V R 1/15, a.a.O. verwiesen. Mit Urteil vom 16. November 2016 V R 1/15 habe der BFH zur Vorsteueraufteilung für ein Strom und Wärme produzierenden BHKW Stellung genommen. Darin halte der BFH für die Aufteilung der Vorsteuerbeträge i.S.v. § 15 Abs. 4 UStG das Verhältnis der Marktpreise der produzierten Strom- und Wärmemengen für sachgerecht. Dies werde damit begründet, dass die Produkte Strom und Wärme trotz der gleichen Bemessung als Kilowattstunden auf verschiedenen Märkten zu stark abweichenden Preisen angeboten würden. Hierbei sei für die Heranziehung eines Marktpreises für Wärme auch kein Anschluss an eine Fernwärmeleitung notwendig.

Die Auffassung des FA, dass im Streitfall zwingend die Selbstkosten zugrunde zu legen seien, weil die Klägerin nicht an ein Fernwärmenetz angeschlossen sei, basiere auf der Entscheidung des BFH vom 12. Dezember 2012, XI R 3/10. Der Urteilsfall der BFH-Entscheidung unterscheide sich aber vom hier vorliegenden, da die Klägerin Wärme mittels eines an eine Biogasanlage angeschlossenen BHKW erzeuge und liefere. Für Wärmelieferungen aus an Biogasanlagen angeschlossenen BHKW sei aber ein Marktpreis für Wärme im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland feststellbar. Anders verhalte es sich bei einem BHKW, das in ein Einfamilienhaus installiert sei, da dort ein Handel mit Wärme gar nicht stattfinde.

Das FA habe in seinem Einspruchsbescheid vom 1. August 2012 eine Bemessungsgrundlage für die Wärme nach den Selbstkosten i.H.v. 384.791,55 € ermittelt. Bei dieser Herangehensweise werde pro kWh eine Bemessungsgrundlage von 9 Cent/kWh angesetzt. Bei einer Bemessungsgrundlage in dieser Höhe werde gegen Sinn und Zweck der Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben durch Entnahmen verstoßen. Denn der Unternehmer solle nur mit der Umsatzsteuer belastet werden, die im Zeitpunkt des Verbrauchs tatsächlich auf dem entnommenen oder einem gleichartigen Gegenstand anhand der aktuellen Marktsituation gelastet habe. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf eine durchgeführte Wärmepreisumfrage des Fachverbandes Biogas e.V. in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Darin werde festgestellt, dass Biogasanlagenbetreiber durchschnittliche Arbeitspreise zwischen 0,9 Cent/kWh für Holztrocknung und 3,5 Cent/kWh für die Beheizung von Krankenhäusern erhielten. Im Durchschnitt erhielten die Betreiber - über alle Wärmekonzepte hinweg - einen durchschnittlichen Arbeitspreis von 2,6 Cent/kWh für die Wärme ihrer Anlage. Was den vorliegend einschlägigen Bereich der Holztrocknung angehe, würden laut der Studie Mittelwerte von unter 1 Cent/kWh gezahlt.

Die Klägerin habe im vorliegenden Fall außerdem aufgrund ihrer Erfahrungen mit der durch das FA durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre ab 2010 entgeltliche Wärmelieferungen an fremde Unternehmer durchgeführt. Die Klägerin habe hierbei gegenüber den Empfängern der Wärmelieferungen das höchstmöglich durchsetzbare Entgelt vereinbart. Je nach Verhandlungsgeschick der abnehmenden Unternehmer seien selbst hier allerdings Unterschiede festzustellen. Zum Nachweis hat die Klägerin 2 Rechnungen über Wärmelieferungen aus dem Jahre 2011 vorgelegt, in denen sie ihren Abnehmern einen Preis von 0,0015 €/kWh bzw. 0,002 €/kWh in Rechnung gestellt hat.

Unter Heranziehung des höchstmöglichen Marktpreises für Wärme in örtlicher Umgebung der Biogasanlage der Klägerin und dem Grundsatz, dass sich Kaufleute nichts verschenkten, sowie der durchgeführten Wärmepreisumfrage des Fachverbandes Biogas e.V. ließe sich im vorliegenden Fall ein (fiktiver) Einkaufspreis für Wärme i.H.v. 0,005 €/kWh ermitteln, welcher der Berechnung der Bemessungsgrundlage zugrundzulegen sei.

Für den Fall, dass sich die Bemessungsgrundlage nach den Selbstkosten richte, hat sich die Klägerin aus Vereinfachungsgründen insoweit mit einer Anknüpfung an die ertragsteuerlichen Werte einverstanden erklärt. Allerdings handele es sich bei den beiden in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgeführten Kostenpositionen "Haftungsvergütung" i.H.v. 2.500 € und "Zinsen und ähnliche Aufwendungen verbundene Unternehmen" i.H.v. 1.225 € ihrer Ansicht nach nicht um steuerlichen Aufwand.

Im Übrigen sei der Klägerin in einer anderen Angelegenheit aktuell eine Einspruchsentscheidung eines anderen Finanzamts aus März 2019 bekannt. Strittig sei auch in diesem Fall die Umsatzbesteuerung von Wärmelieferungen aus dem Betrieb einer Biogasanlage gewesen, wobei das Finanzamt ein vereinbartes Entgelt in Höhe von 2 Cent/kWh für Fernwärmelieferungen als angemessen angesehen habe. Aufgrund von Art. 3 Abs. 1 GG müsse das FA auch im vorliegenden Fall einen Betrag von 2 Cent/kWh als angemessen gelten lassen.

Hilfsweise hatte die Klägerin sich im finanzgerichtlichen Verfahren darauf berufen, dass die unentgeltliche Wärmeabgabe nach dem bundesweit einheitlichen durchschnittlichen Fernwärmepreis des jeweiligen Vorjahres auf der Basis der jährlichen Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zu bemessen sei. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass die nach dem EEG vergütete Wärmeenergie lediglich eine rechnerische Größe sei, die vom Wirkungsgrad und der sich daraus ergebenden Stromkennzahl abhänge. Die Stromkennzahl für das von der Klägerin eingesetzte BHKW betrage 1,22. Damit seien zwar 4.253.533 kWh Strom vergütet worden, aufgrund der Umrechnung seien allerdings nur 3.486.502 kWh Wärme erzeugt und verbraucht worden. Das FA hat hieraufhin am 26. März 2019 einen Änderungsbescheid erlassen, in welchem es die Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wärmeabgabe auf 216.163 € verminderte (3.486.502 kWh x 6,2 Cent).

Die Klägerin beantragt,

xxx

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dem Urteil des BFH vom 12. Dezember 2012 XI R 3/10, a.a.O. sei zu entnehmen, dass die am Markt bei Verkauf von eigener Wärme erzielten Verkaufspreise nicht als fiktive Marktpreise behandelt werden können. Vielmehr könne als Bemessungsgrundlage der Einkaufspreis von Fremdwärme nur dann herangezogen werden, wenn diese Fremdwärme auch praktisch erreicht und einsatzbar wäre. Voraussetzung hierfür sei der Anschluss das Versorgungsnetz des Fremdwärmeerzeugers. Wenn eine Bemessung der Wertabgabe anhand von Preis für Fremdwärme ausscheide, weil wie im vorliegenden Fall das Unternehmen nicht an ein entsprechendes Fremdversorgungsnetz angeschlossen sei, seien die Selbstkosten maßgeblich.

Das BFH-Urteil vom 16. November 2016 V R 1/15, a.a.O. befasse sich mit der Vorsteueraufteilung für ein Strom und Wärme produzierendes BHK. Das FG Baden-Württemberg erteile in seinem Urteil vom 9. Februar 2017 der analogen Anwendung von § 15 Abs. 4 UStG im Rahmen des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG bei der Zuordnung der Selbstkosten eine Absage.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet. Die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung ist insoweit rechtswidrig und die Klägerin in ihren Rechten verletzt als die in dem Änderungsbescheid vom 26. März 2019 festgesetzte Umsatzsteuer um 19.855,53 € herabzusetzen ist, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Diese Herabsetzung folgt daraus, dass sich die Umsatzsteuer für die unentgeltlichen Wertabgaben gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nach den nach der sogenannten Marktwertmethode zu berechnenden Selbstkosten bemisst; der Ansatz des bundesweit einheitlichen durchschnittlichen Fernwärmepreises durch das FA ist rechtswidrig.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG wird einer Lieferung gegen Entgelt jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des leistenden Unternehmens, gleichgestellt. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).

a) § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG entspricht Art. 16 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL-- (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Mai 2008 XI R 60/07, BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721, unter II.1.; vom 12. Dezember 2012 XI R 36/10, BFHE 239, 534, BStBl II 2013, 412, Rz 29).

Durch Art. 16 Satz 1 MwStSystRL wird einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben (Art. 16 Satz 2 MwStSystRL).

b) Im Streitfall handelt e sich um eine unentgeltliche Zuwendung.

aa) Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG).

Eine Aufwendung (Zahlung) ist grundsätzlich (nur) dann Entgelt (Gegenleistung) für eine bestimmte Leistung, wenn sie "für die Leistung" bzw. "für diese Umsätze" gewährt wird bzw. der Leistende sie hierfür erhält. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem "Rechtsverhältnis", d.h. den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt (vgl. EuGH-Urteile Bally vom 25. Mai 1993 C-18/92, EU:C:1993:212, Der Betrieb --DB-- 1994, 25; Tolsma vom 3. März 1994 C-16/93, EU:C:1994:80, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1994, 357, Rz 14; Elida Gibbs vom 24. Oktober 1996 C-317/94, EU:C:1996:400, BStBl II 2004, 324; Primback vom 15. Mai 2001 C-34/99, EU:C:2001:271, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2001, 308; z.B. BFH-Urteile vom 19. Oktober 2001 V R 48/00, BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210, unter II.3.c, Rz 26; in BFHE 239, 534, BStBl II 2013, 412 [BFH 12.12.2012 - XI R 36/10], Rz 37).

bb) Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Beurteilung der Frage, ob die Zahlung eines Dritten für eine bestimmte Leistung des Leistenden gewährt wird bzw. ob der Leistende die Zahlung für diese Leistung erhält, denn die Entrichtung der Gegenleistung für Lieferungen oder sonstige Leistungen kann auch durch einen "anderen als den Leistungsempfänger" (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG) bzw. durch einen "Dritten" (Art. 73 MwStSyStRL) erfolgen, d.h. durch einen nicht mit dem Leistungsempfänger identischen Zahlenden (vgl. EuGH-Urteil Bally, EU:C:1993:212, DB 1994, 25, Rz 17; BFH-Urteil in BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210, unter II.3.c, Rz 27).

Maßgebend ist, dass der Dritte für die Leistung des Unternehmers an den Leistungsempfänger zahlt und der Unternehmer die Zahlung hierfür erhält, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Drittzahlung besteht. Ob die Zahlung des Dritten zugleich Teil eines anderen Geschäftsvorganges ist, ist unerheblich (vgl. BFH-Urteile in BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210 [BFH 19.10.2001 - V R 48/00], unter II.3.c, Rz 27; vom 16. Oktober 2013 XI R 39/12, BFHE 243, 77, BStBl II 2014, 1024, Rz 34). Bei der Zahlung des Dritten darf es sich aber nicht um ein Entgelt für eine an ihn erbrachte Leistung handeln (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 14/09, BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428, Rz 26).

c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze stellen die Wärmeabgaben der Klägerin nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG unentgeltliche Zuwendungen dar.

Der sog. KWK-Bonus, den der Stromnetzbetreiber an die Klägerin gezahlt hat, ist nicht als Entgelt von dritter Seite i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG für die "kostenlose" Wärmeabgaben bei der Klägerin an ihre beiden Abnehmer zu beurteilen. Es handelt sich dabei vielmehr um eine Vergütung des Stromnetzbetreibers für den von der Klägerin an ihn gelieferten Strom (im Ergebnis ebenso Bundesministerium der Finanzen im Schreiben vom 19. September 2014 IV D 2 - S 7124/12/10001-02, BStBl I 2014, 1287, unter IV.4.; Abschn. 2.5 Abs. 19 UStAE zum Stand 31. Dezember 2015; Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom 30. November 2010 S 7100-658-St 172, juris; vom 17. Juli 2012 S 7100-658-St 172, juris; Landesamt für Steuern und Finanzen Sachsen vom 17. Mai 2013 S 7200-311/2-213, juris; a.A. Schuhmann, HLBS-Report 2012, 97, 99; Reichert/Meier, UR 2016, 861).

Zur weiteren Begründung verweist das Gericht auf die Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 31. Mai 2017 XI R 2/14, a.a.O. an die es nach § 126 Abs. 5 FGO gebunden ist.

Auch die weitere Voraussetzung des § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, liegt vor. Denn den Beteiligten der Biogasanlage steht gem. § 15 Abs. 1 UStG aus den Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Erzeugung von Strom und Wärme der Vorsteuerabzug zu.

2. Die Bemessungsgrundlage bei Lieferungen i.S.v. § 3 Abs. 1b UStG wird gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes bemessen.

a) Mangels Vorliegens eines Einkaufspreises ist vorliegend auf die Selbstkosten der Klägerin abzustellen.

aa) Zwar kann bei selbst produzierten Gegenständen wie Wärme auch ein fiktiver Einkaufspreis zugrunde gelegt werden. Dies gilt aber nur dann, wenn es dem Unternehmer möglich war, diesen oder einen gleichartigen Gegenstand (d.h. Wärme) einzukaufen bzw. anderweitig zu beschaffen. Dabei ist eine andere als die selbst produzierte und gelieferte Wärme dann gleichartig, wenn sie grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst produzierte (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2012 XI R 3/10, BStBl II 2014, 809). Hierbei ist zum einen auf den Zeitpunkt des Umsatzes und zum anderen auf die Verhältnisse beim wärmeabgebenden Unternehmer abzustellen. Denn nach Sinn und Zweck von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 UStG ist darauf abzustellen, ob und zu welchem Preis dieser Unternehmer in der Lage ist, den von ihm gelieferten Gegenstand durch einen anderen zu ersetzen. Dies ist in Wärmelieferfällen etwa dann der Fall, wenn der Unternehmer an ein Fernwärmenetz angeschlossen ist. Dies kann ferner der Fall sein, wenn der Unternehmer eine weitere Heizungsanlage besitzt, mit der er aus z.B. Öl ebenfalls Wärme produzieren und statt der tatsächlich gelieferten Wärme liefern kann. Eine Substituierung der gelieferten durch eine anderweit selbst produzierte Wärme ist dem Unternehmer aber dann nicht möglich, wenn die anderweitige Wärmeproduktion daran scheitert, dass zunächst erhebliche Investitionen in eine Heizungsanlage nötig wären, oder dass der Bezug des anderen Energieträgers nicht ohne Weiteres bewerkstelligt ist (vgl. FG Baden-Württemberg-Urteil vom 9. Februar 2017 1 K 755/16, EFG 2017, 945).

Vorliegend fehlte es der Klägerin an einer derartigen Substituierungsmöglichkeit, d.h. es fehlte schon an der Grundvoraussetzung dafür, einen Einkaufspreis heranziehen zu können. Denn der Klägerin war es tatsächlich nicht möglich, an eine andere als die gelieferte Wärme zu gelangen. Sie war insbesondere nicht an ein (Fern-)Wärmenetz angeschlossen, über welches sie hätte Wärme beziehen können. Für weitere Wärmebezugsmöglichkeiten der Klägerin ist weder etwas vorgetragen worden, noch sind dafür Anhaltspunkte aus den Akten oder sonst wie ersichtlich.

bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin spricht gegen eine Maßgeblichkeit der Selbstkosten im vorliegenden Fall auch nicht der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, dass sich für Wärmelieferungen aus an Biogasanlagen angeschlossene BHKW anders als bei einem in einem Einfamilienhaus installierten BHKW ein Marktpreis für Wärme im Gebiet der Bundesrepublik feststellen lasse. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nimmt nicht auf einen Verkaufspreis, sondern auf einen Einkaufspreis Bezug. Ein solcher ist hier weder für die von der Klägerin gelieferte Wärme noch für einen gleichartigen Gegenstand bestimmbar, da die Klägerin weder an ein Fernwärmenetz angeschlossen war, noch über eine andere Substituierungsmöglichkeit verfügte. Anders als von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen, ergibt sich auch nicht Gegenteiliges aus der MwStSystRL. Steuerbemessungsgrundlage bei der Entnahme von Gegenständen ist nach Art. 74 MwStSystRL der Einkaufspreis für diese oder gleichartige Gegenstände oder mangels eines Einkaufspreises der Selbstkostenpreis, und zwar jeweils zu den Preisen, die zum Zeitpunkt der Bewirkung dieser Umsätze festgestellt werden. Soweit sich die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf berufen hat, dass vorliegend für die Bemessungsgrundlage die Definition des sogenannten Normalwerts nach Art. 72 Satz 1 MwStSystRL heranzuziehen sei, welcher auf die Preisverhältnisse in dem gesamten Gebiet eines Mitgliedstaats abstelle, verkennt sie bereits, dass diese Vorschrift vorliegend nicht anwendbar ist (vgl. zu den Anwendungsfällen dieser Vorschrift Art. 80 MwStSystRL).

cc) Aus demselben Grund kann zur Bestimmung eines fiktiven Einkaufspreises auch nicht auf die Ergebnisse der von der Klägerin angeführten Wärmepreisumfrage des Fachverbandes Biogas e.V. in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen abgestellt werden, zumal diese im Jahre 2016 durchgeführt wurde und somit nicht das Streitjahr betraf.

Um Verkaufspreise, und nicht wie nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG gefordert um Einkaufspreise, handelt es sich auch bei den von der Klägerin ab 2010 mit ihren Abnehmern vereinbarten Entgelten für Wärmelieferungen von 0,0015 €/kWh bzw. 0,002 €/kWh. Im Übrigen betrafen auch diese Preise nicht das Streitjahr.

Zur Bestimmung eines fiktiven Einkaufspreises kann schließlich auch nicht auf die im finanzgerichtlichen Verfahren eingeholten Fernwärmepreise lokaler Anbieter im Streitjahr abgestellt werden. Denn die Klägerin war unstreitig an keines der Fernwärmenetze eines dieser Unternehmen angeschlossen.

dd) Ist ein (fiktiver) Einkaufspreis nicht feststellbar sind die Selbstkosten als Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012, XI R 3/10, BStBl 2014 II, 809). Eine Rechtsgrundlage, die unentgeltliche Wärmeabgabe stattdessen aus Vereinfachungsgründen nach dem bundesweit einheitlichen durchschnittlichen Fernwärmepreis des jeweiligen Vorjahres auf der Basis der jährlichen Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zu bemessen (vgl. UStAE Abschnitt 2.5 Absatz 22 Satz 8), gibt es nicht. Die vom FA im Umsatzsteueränderungsbescheid vom 26. März 2019 vorgenommene Bestimmung der Bemessungsgrundlage ist daher rechtswidrig.

ee) Entgegen der Vorgehensweise des FA in dem ursprünglich angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom 17. November 2011 sind die Selbstkosten nicht nach der sogenannten energetischen Aufteilungsmethode aufzuteilen, welche die gesamten Selbstkosten nach demjenigen Schlüssel auf Wärme und Strom aufteilt, der dem Verhältnis von produzierter Wärmemenge zu produzierter Strommenge bezogen auf die insgesamt produzierte Energiemenge entspricht, sondern nach der sogenannten Marktwertmethode.

(1) Die Selbstkosten umfassen alle Kosten, die durch den betrieblichen Leistungsprozess entstanden sind und mit denen die Kostenrechnung des Unternehmers belastet worden ist (Bundestags-Drucksache 11/5970, S. 45; BFH-Urteil vom 19.6.2011 XI R 8/09, BStBl II 2016, 185;Urteil des FG Baden-Württemberg vom 9.2.2017 1 K 755/16, EFG 2017, 945). Es handelt sich damit um einen pagatorischen Kostenbegriff i.S.d. § 255 Abs. 2 Sätze 2 f. Handelsgesetzbuch (HGB), worunter keine kalkulatorischen Kosten fallen (z.B. Eigenkapitalzinsen, Unternehmerlohn), sondern nur sämtliche tatsächlich angefallene Kosten. Zu diesen Kosten gehören die Materialeinzelkosten, anteilige Materialgemeinkosten, die Fertigungseinzelkosten, anteilige Fertigungsgemeinkosten, der Wertverzehr, also insbesondere auch die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Anlage einschließlich Nebenkosten verteilt auf die voraussichtliche tatsächliche Nutzungsdauer, anteilige Verwaltungsgemeinkosten, die Energiekosten, die Finanzierungsaufwendungen und die Produktionskosten für das Gas (vgl. auch Handzik in: Offerhaus/Söhn/Lange, Stand: März 2015, § 10 Rn. 172 f. mit tabellarischer Übersicht).

Zu den Selbstkosten gehören danach auch die Haftungsvergütung i.H.v. 2.500 € sowie die GuV-Position "Zinsen und ähnliche Aufwendungen verbundene Unternehmen" i.H.v. 1.225 €, da es sich hierbei nicht um bloß kalkulatorische sondern tatsächlich angefallene Kosten handelt.

Was die Anschaffungs- oder Herstellungskosten angeht, ist mit Zustimmung des steuerpflichtigen Unternehmers im Sinne einer Vereinfachungsregelung eine Anknüpfung an ertragsteuerliche Werte möglich (vgl. BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 XI R 2/12, BStBl II 15, 785). Eine entsprechende Zustimmung ist vorliegend seitens der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren erteilt worden.

(2) Mithin ist das FA zur Bestimmung der Selbstkosten in dem ursprünglich mit der Klage angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom 17. November 2011 zu Recht von einem Gesamtaufwand der Klägerin laut GuV im Streitjahr von 1.104.453,35 € ausgegangen. Das FA hat aber bei der Berechnung der Selbstkosten zu Unrecht die sogenannte energetische Aufteilungsmethode angewandt, bei der die Kosten nach demjenigen Schlüssel auf Wärme und Strom aufgeteilt werden, der dem Verhältnis von produzierter Wärmemenge zur produzierten Strommenge bezogen auf die insgesamt produzierte Energiemenge entspricht (so zu § 10 Abs. 4 UStG auch A 2.5 As. 22 UStAE). Stattdessen ist die sogenannte Marktwertmethode anzuwenden, wonach die gesamten Selbstkosten nach demjenigen Schlüssel auf Wärme und Strom aufzuteilen sind, der dem Verhältnis der Marktpreise der produzierten Wärmemenge zur produzierten Strommenge entspricht (so zu § 15 Abs. 4 UStGBFH-Urteil vom 16. November 2016 V R 1/15, BFH/NV 2017, 413; BFH-Urteil vom 20. September 2018 IV R 6/16, BStBl II 2019, 160; Urteil des FG Baden-Württemberg vom 7. Juli 2014 9 K 3180/11, juris). Nach der Begründung des BFH in seinem Urteil vom 31. Mai 2017 XI R 2/14, BStBl II 2017, 1024, Rn. 44, an welche der erkennende Senat nach § 126 Abs. 5 FGO gebunden ist, ist diese sogenannte Marktwertmethode auch bei der Bestimmung der Selbstkosten nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG anzuwenden.

Wie der BFH in seinem Urteil vom 16. November 2016 V R 1/15, a.a.O ausgeführt hat, ist eine Aufteilung der entstandenen Kosten nach der produzierten Leistung in kWh nicht sachgerecht, weil die durch den Betrieb des BHKW erzeugten Produkte (Strom und Wärme) nicht miteinander vergleichbar sind. Dafür spricht bereits, dass Hauptaufgabe eines BHKW die Produktion von Strom ist, während es sich bei der zwangsläufig entstehenden Wärme lediglich um das Nebenprodukt eines BHKW handelt. Die beiden Erzeugnisse unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich ihrer Nutzbarkeit und Verwertbarkeit. Elektrische Energie (Strom) ist multifunktional nutzbar, lässt sich gut in andere Energieformen umwandeln und kann in großen Mengen über weite Strecken transportiert werden. Die Nutzung von Wärme ist dagegen stark eingeschränkt, zumal eine Umwandlung in Strom nur unter technischen Schwierigkeiten und zu einem geringen Prozentsatz möglich war. Diese Unterschiede führen dazu, dass die Produkte "Strom" und "Wärme" trotz der gleichen Bemessung als "kWh" auf verschiedenen Märkten und zu stark voneinander abweichenden Preisen angeboten werden. Der auf Abschn. 2.5 Abs. 20 Satz 1 i.Vm. Abs. 12 Satz 3 UStAE beruhenden gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung ist insoweit nicht zu folgen (ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Juli 2014, 9 K 3180/11, juris). Dass der Betreiber eines BHKW dabei tatsächlich nicht an ein Fernwärmenetz angeschlossen war, ist nach der zitierten Rechtsprechung nicht zu berücksichtigen.

Gegen eine Anwendung der Marktwertmethode zur Bestimmung der Selbstkosten nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG sprechen auch nicht die unterschiedlichen Wortlaute von § 15 Abs. 4 UStG und § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG (a.A. FG Baden-Württemberg vom 9. Februar 2017 1 K 755/16, EFG 2017, 945). Vielmehr lässt der weit gefasste Wortlaut in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG, der sich mit der Nennung des Begriffs "Selbstkosten" begnügt, jede wirtschaftlich vernünftige Aufteilung von Selbstkosten zu. Hinzu kommt, dass es steuerrechtlich keine generelle Maßgabe dafür gibt, wie Selbstkosten auf gleichzeitig entstehende Güter aufzuteilen und ihnen zuzuordnen sind. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Aufteilung vernünftigen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entspricht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21.10.1993 IV R 87/92, BStBl II 1994, 176, Rn. 9). Es kann durchaus betriebswirtschaftlich vernünftig sein, bei einer gleichzeitigen Produktion eines Hauptprodukts und eines Nebenprodukts die angefallenen Produktionskosten nach dem Verhältnis der Marktpreise von Hauptprodukt einerseits und Nebenprodukt andererseits aufzuteilen (vgl. FG Baden-Württemberg-Urteil vom 2. August 2019 9 K 3145/17, juris).

(3) Dass die Produkte "Strom" und "Wärme" trotz der gleichen Bemessung als "kWh" auf verschiedenen Märkten und zu stark voneinander abweichenden Preisen angeboten werden, ist dabei auch im vorliegenden Fall für das Streitjahr am konkreten Ort der Leistungserbringung feststellbar. So sahen nach den im finanzgerichtlichen Verfahren von der Klägerin bzw. dem Gericht eingeholten Informationen die Preise der im Einzugsgebiet der Klägerin liegenden Stadtwerke xxx bei einer abgenommenen Energiemenge von über 236.000 kWh durchschnittlich 0,054 €/kWh für Fernwärme zuzüglich eines Leistungspreises von 24,90 € /kW vor. Die ebenfalls in räumlicher Nähe zur Biogasanlage der Klägerin liegenden Stadtwerke xxx sahen ab dem 1. Januar 2008 einen Fernwärmepreis von 0,03696 €/kWh zzgl. eines Bereitstellungspreises von 28,81 €/kW vor, welcher ab dem 1. Juli 2008 auf 0,04286 € zzgl. eines Bereitstellungspreises von 29,06 €/kWh anstieg. Hingegen hat die Klägerin für ihre Stromlieferung von 6.714.247 kWh eine Vergütung inklusive KWK-Bonus von 1.139.408,51 € erhalten, was einem Preis von 0,1845 €/kWh entspricht. Vor dem Hintergrund, dass die Stadtwerke xxx einen Preis für Strom i.H.v. 0,16706 €/kWh berechneten und der KWK-Bonus gemäß dem BFH-Urteil vom 31. Mai 2017 XI R 2/14, a.a.O. eine Vergütung des Stromnetzbetreibers für den an ihn gelieferten Strom darstellt, erscheint die Vergütung, welche die Klägerin von ihrem Stromnetzbetreiber erhielt, dabei als marktgerecht.

(4) Unter Zugrundelegung der Marktwertmethode betragen die Selbstkosten für die von der Klägerin gelieferten Wärmemengen vorliegend 111.660,25 €.

Als Marktpreis für die produzierte Strommenge ist dabei für die Berechnung - wie bereits ausgeführt - ein Preis von 0,1845 €/kWh zugrunde zu legen.

Das Gericht hält aufgrund der vorliegenden Informationen zu Fernwärmepreisen am Ort der Klägerin einen Marktpreis von 0,04 €/kWh für angemessen. Dabei orientiert sich der Senat an den Preisinformationen für Fernwärme der beiden sich in räumlicher Nähe zur Biogasanlage der Klägerin befindenden Anbieter, der Stadtwerke xxx sowie der Stadtwerke xxx. Danach lagen die Preise für Fernwärme am Ort der Klägerin bezogen auf das Gesamtjahr 2008 zwischen 0,0399 €/kWh und 0,054 €/kWh. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Klägerin gegenüber ihren Abnehmern keine Versorgungsgarantie abgegeben hat und die Abnehmer die Kosten für die Installation eines Leitungsnetzes tragen mussten. Ferner sind auch die sehr hohen Abnahmemengen von Wärme bei der Klägerin von ihm Streitjahr 3.486.502 kWh zu berücksichtigen. Von den Mittelwerten der Fernwärmepreise der Stadtwerke xxx und der Stadtwerke xxx für das Streitjahr ist deshalb ein Abschlag vorzunehmen, so dass ein Marktpreis von 0,04 €/kWh sachgerecht ist.

Dass die Klägerin selbst nicht an ein Fernwärmenetz im Streitjahr angeschlossen war, ist nicht zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 2016 V R 1/15, a.a.O.).

Der Berechnung der Klägerin mit einem Preis von 0,005 €/kWh für die Fernwärme, war nicht zu folgen. Diese Preisangabe der Klägerin ist zum einen auf die Wärmepreisumfrage des Fachverbandes Biogas e.V. aus dem Jahre 2016 gestützt, wonach für den hier einschlägigen Bereich der Holztrocknung ein Mittelwert von unter 1 Cent/kWh gezahlt werde, und zum anderen auf die ab 2010 von der Klägerin entgeltlich durchgeführten Wärmelieferungen an ihre Abnehmer, bei denen sie diesen 0,0015 €/kWh bzw. 0,002 €/kWh in Rechnung stellte. Diese Preise betreffen zum einen jedoch nicht das Streitjahr. Zum anderen hält der Senat die von der Klägerin ab 2010 für Wärmelieferungen in Rechnung gestellten Preise jedenfalls in 2008 aufgrund der vorliegenden Preise der beiden lokalen Anbieter für das Streitjahr auch nicht für marktgerecht. Was die Wärmepreisumfrage des Fachverbandes Biogas e.V. betrifft, so geht aus dieser außerdem nicht hervor, ob möglicherweise auch Lieferungen an nahestehende Personen von der Studie mitumfasst waren, was im Vergleich zu Preisen unter fremden Dritten zu niedrigeren durchschnittlichen Abgabepreisen geführt haben kann. Im Übrigen kann bei der Ermittlung der Selbstkosten nicht auf bundesweit ermittelte Durchschnittspreise abgestellt werden, da die tatsächlich angefallenen Kosten sich nur nach den konkreten Verhältnissen am Ort des gelieferten Gegenstandes bestimmen lassen (vgl m.w.N. FG Baden-Württemberg-Urteil vom 2. August 2019 9 K 3145/17, juris). Aus diesem Grund kann auch hier nicht der bundesweit einheitliche durchschnittliche Fernwärmepreis des jeweiligen Vorjahres auf Basis der jährlichen Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, welcher im Streitjahr bei 0,062 €/kWh lag, herangezogen werden.

Bei der von der Klägerin eingereichten Auskunft der Firma xxx vom 29. April 2019, die einem Industriekunden im Jahre 2008 für Fernwärmelieferungen 0,0266 €/kWh in Rechnung stellte, steht nicht fest, dass diese sich auf die konkreten Verhältnisse am Ort der Lieferungen der Klägerin bezieht.

(5) Die Selbstkosten für die Wärmelieferungen der Klägerin nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG berechnen sich danach wie folgt:

Gesamtaufwand1.104.453,35 €
Wert kWh Strom0,1846 €
Wert kWh Wärme0,04 €
Wert der erzeugten Strommenge6.714.257 x 0,18451.238.780 €
Wert der erzeugten Wärme3.486.502 x 0,04139.460 €
Gesamtwert Strom und Wärme1.378.240 €
Anteil Wärme bezogen auf Gesamtwert139.460.00 / 1.378.24010,11 %
Selbstkosten Wärme1.104.453,53 x 0,1011111.660,25 €

(6) Eine niedrigere Bemessungsgrundlage ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG, weil nach dem Vortrag der Klägerin ein anderes Finanzamt in einem vergleichbaren Fall bei der Umsatzbesteuerung von Wärmelieferungen aus dem Betrieb einer Biogasanlage ein vereinbartes Entgelt in Höhe von 2 Cent pro kWh für Fernwärmelieferungen für angemessen hielt. Dabei kann offen bleiben, ob es sich hierbei wirklich um einen vergleichbaren Fall und insbesondere nicht um eine Wärmelieferung an nahe Angehörige nach § 10 Abs. 5 UStG gehandelt hat. Denn nach den dargestellten Grundsätzen wäre der Ansatz einer anderen Bemessungsgrundlage fehlerhaft erfolgt: Soweit eine Biogasanlage tatsächlich trotz gleicher Gesamtumstände anders (günstiger) behandelt worden sein sollte, wäre darin eine gesetzeswidrige Begünstigung zu sehen, auf deren entsprechende Anwendung die Klägerin auch unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch hätte ("keine Gleichheit im Unrecht", st. Rspr., vgl. m.w.N. BFH-Urteil Urteil vom 17. Mai 2017 V R 52/15, Rn. 37, juris; FG Baden-Württemberg-Urteil vom 19. Januar 2018 5 K 500/17, Rn. 36, juris).

3. Die Steuerneufestsetzung berechnet sich wie folgt:

Umsatzsteuer für die unentgeltliche Wertabgabe lt. Bescheid vom 26.03.2019216.163 x 0,1941.070,97 €
Umsatzsteuer für die unentgeltliche Wertabgabe neu111.660,25 x 0,1921.215,44 €
Differenz19.855,53 €
Umsatzsteuer lt. Bescheid vom 26.03.2019150.686,93 €
Umsatzsteuer neu150.686,93 ./. 19.855,53130.831,40 €

3. Die Kostentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO. Für die Berechnung des Obsiegens der Klägerin war dabei nicht auf den Teilabhilfebescheid des FA vom 26. März 2019, sondern den ursprünglich mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 17. November 2011 abzustellen. Die Kostenentscheidung beinhaltet auch die Kosten des BFH-Verfahrens XI R 2/17.

5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

6. Die Revision war nicht zuzulassen. Das Urteil beruht auf der Begründung des BFH-Urteils vom 31. Mai 2017 XI R 2/14, a.a.O., an welche der Senat nach § 126 Abs. 5 FGO gebunden ist.