Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 17.03.2023, Az.: 1 UF 2/23

Zulässigkeit der Beschwerde des Vaters gegen die Auswahl des Vormundes für sein Kind; Kriterien für die Auswahl des Vormundes

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
17.03.2023
Aktenzeichen
1 UF 2/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 52099
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Helmstedt - 12.12.2022 - AZ: 4 F 926/20

Fundstellen

  • NZFam 2023, 753
  • Rpfleger 2023, 480

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein nicht sorgeberechtigter Elternteil ist jedenfalls dann zur Beschwerde gegen die Auswahl und Bestellung des Vormunds berechtigt, wenn seinem bereits im Vorfeld des vorangegangenen Sorgerechtsentzugs unterbreiteten Vorschlag der Bestellung eines nahen Verwandten nicht gefolgt wurde.

  2. 2.

    Gemäß § 1778 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist bei der Vormundsauswahl auch der Wille eines nicht sorgeberechtigten Elternteils mit zu berücksichtigen.

  3. 3.

    Im Rahmen der Vormundsauswahl spielt der Kontinuitätsgrundsatz insbesondere dann eine gewichtige Rolle, wenn das Mündel bereits mehrere Beziehungsabbrüche erlebt hat. Zudem kann auch der Gesichtspunkt der Verhinderung einer Verunsicherung des Mündels durch widersprüchliche Darstellungen über den Grund der Inhaftierung seines Vaters zu berücksichtigen sein.

Redaktioneller Leitsatz

1. Der Kindesvater ist jedenfalls dann im Verfahren der Auswahl des Vormundes für das Kind, das eingeleitet werden musste, weil der Vater wegen der Ermordung der Mutter zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und ihm das Sorgerecht entzogen wurde, beschwerdeberechtigt, wenn er bereits im Rahmen des Sorgerechtsentzugs einen Vorschlag zur Bestellung eines Verwandten als Vormund unterbreitet hat, dem das Gericht bei seiner Entscheidung über die Vormundauswahl nicht gefolgt ist.

2. Die Bestellung der Großeltern mütterlicherseits zu Vormündern ist nicht zu beanstanden, wenn es dem Kind bei Ihnen gut geht und die Vormundschaft verantwortungsbewusst und zuverlässig geführt wird.

Tenor:

  1. 1.

    Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Helmstedt vom 12.12.2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

  2. 2.

    Der Beschwerdewert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

  3. 3.

    Der Antrag des Kindesvaters auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Verfahren betrifft die Auswahl des Vormunds für die am 03.12.2019 geborene, derzeit dreijährige, Z. S.

Seit der Ermordung ihrer Mutter am 09.11.2020 lebt Z. bei ihren Großeltern mütterlicherseits, den Eheleuten K. Aufgrund der Festnahme ihres Vaters am 15.12.2020 wurde das Ruhen seiner elterlichen Sorge festgestellt und Herr K. zum Vormund für Z. bestellt. Durch einstweilige Anordnung vom 07.07.2021 zum Az. 4 F 434/21 EASO wurde dem Vater die elterliche Sorge sodann zunächst vorläufig entzogen, wobei Herr K. Vormund blieb. Mit Schreiben vom 21.10.2021 beantragte der Vater im vorliegenden Vormundschaftsverfahren die Bestellung seiner Schwester, Frau L., zum neuen Vormund für Z., da Herr K. aufgrund seines Alters nicht geeignet sei, Z. Betreuung dauerhaft zu übernehmen. Auch würden die Eheleute K. Z. ständig einer Trauerkulisse aussetzen und es bestehe die Befürchtung, dass sie schlecht über ihn und seine Familie sprechen würden. Diesen Antrag nahm der Vater unter dem 16.03.2022 wieder zurück, nachdem sich sowohl der für Z. bestellte Verfahrensbeistand als auch das Jugendamt gegen eine Entlassung von Herrn K. als Vormund ausgesprochen hatten. Auf die Stellungnahme des Verfahrensbeistands vom 26.11.2021 und den Jugendamtsbericht vom 30.11.2021 wird wegen ihres Inhalts Bezug genommen.

Nach seiner am 20.04.2022 rechtskräftig gewordenen Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes durch das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 03.09.2021 wurde dem Vater mit Beschluss vom 30.08.2022 in dem vom Senat beigezogenen Verfahren zum Az. 4 F 865/20 SO die elterliche Sorge für Z. entzogen und eine Vormundschaft eingeleitet, wobei die Auswahl des Vormunds dem Rechtspfleger vorbehalten blieb. Zur Begründung hat das Amtsgericht insbesondere ausgeführt, der Sorgerechtsentzug sei erforderlich, um Z. die bevorstehende Traumaverarbeitung wegen der Ermordung ihrer Mutter durch ihren Vater zu ermöglichen. Die Auswahl des Vormunds sei dem Rechtspfleger vorzubehalten, da vorab noch zu prüfen sei, ob gemäß dem in diesem Verfahren erstmals im Verhandlungstermin vom 22.08.2022 vorgebrachten Vorschlag des Vaters eine Bestellung seiner Schwester als Vormund in Betracht komme. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der Vater mit Schriftsatz vom 26.12.2022 zurückgenommen und mitgeteilt, sich nicht gegen den Sorgerechtsentzug, sondern lediglich gegen die zwischenzeitlich erfolgte Vormundsbestellung wenden zu wollen.

Im Vormundschaftsverfahren hat das Jugendamt des Landkreises Helmstedt mit Schreiben vom 06.10.2022 zur Auswahl des Vormunds Stellung genommen und sich für die Bestellung der Eheleute K. als Vormünder ausgesprochen. Es entspreche Z. Wohl, ihren Lebensmittelpunkt bei den Eheleuten K. beizubehalten, bei denen sie sich gut eingelebt habe und altersgerecht gefördert werde. Wenngleich Frau L. Z. sehr zugewandt sei, könne ein erneuter Wechsel der primären Bezugspersonen des Kindes nicht unterstützt werden. Zudem sei nicht abzusehen, ob Z. mit zunehmender Reife vermehrt ein Bedürfnis nach Abstand zu der Familie ihres Vaters entwickeln werde, dem eine Ausübung der Vormundschaft durch Frau L. entgegenstehen würde.

Das Amtsgericht hat sowohl die Eheleute K. als auch Frau L. persönlich angehört. Insoweit wird auf die Anhörungsvermerke vom 07.12.2022 Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 12.12.2022 hat das Amtsgericht die Eheleute K. zu gemeinschaftlichen Vormündern für Z. bestellt. Diese seien uneingeschränkt zur Versorgung von Z. und zur Führung der Vormundschaft geeignet. Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung hätten sie den Eindruck gemacht, noch fit zu sein. Zudem erhielten sie Unterstützung durch den in der Nähe lebenden Bruder der Kindesmutter, der selbst vor kurzem Vater geworden sei. Trotz der rechtskräftigen Verurteilung ihres Schwiegersohnes hätten die Eheleute K. sachlich und neutral über diesen gesprochen. Besuchskontakte von Z. bei ihrem Vater lägen ihres Erachtens derzeit nicht im Kindesinteresse, sie würden diese jedoch unterstützen, soweit Z. dies wünsche. Frau L. sei grundsätzlich auch als Vormund für Z. geeignet. Zweifelhaft sei jedoch, wie sie den eventuell bevorstehenden Interessenkonflikt zwischen Z. und der Familie ihres Vaters handhaben werde. Sie sei ebenso wie ihre Eltern weiterhin von der Unschuld ihres Bruders überzeugt und wünsche sich auch Kontakte zwischen ihm und Z. Sie habe den Eindruck erweckt, eher das Wohl ihres Bruders als das des Kindes im Blick zu haben. Gegen ihre Bestellung zum Vormund spreche zudem, dass für Z. aus den vom Jugendamt dargelegten Gründen eine größtmögliche Stabilität anzustreben und ein erneuter Umzug zu vermeiden sei.

Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 15.12.2022 zugestellten Beschluss wendet sich der Vater mit seiner am 26.12.2022 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, die er mit Schriftsatz vom 15.02.2023 begründet hat. Er begehrt weiterhin die Bestellung seiner Schwester zum Vormund für Z. mit dem Ziel, dass das Kind in deren Haushalt aufwächst. Er macht geltend, deren Aufenthalt bei den Eheleuten K. stelle eine Kindeswohlgefährdung dar. Diese seien aufgrund ihres Alters und gesundheitlicher Probleme nicht in der Lage, mit ihr auf einem Spielplatz zu spielen und sie die Treppen im Haus hoch und runter zu tragen. Auch bekomme das Kind bei ihnen ständig ihre noch nicht verarbeitete Trauer um die ermordete Kindesmutter zu spüren und es werde negativ über ihn und seine Familie gesprochen. So habe Herr K. plötzlich beschlossen, den Kontakt von Z. zu ihren Großeltern väterlicherseits einzuschränken. Für die Eheleute K. sei er der Mörder der Kindesmutter, obwohl er selbst weiterhin seine Unschuld beteuere. In ihrem Haushalt könne Z. nicht unbescholten und fröhlich aufwachsen.

Beim Amtsgericht Helmstedt ist unter dem Az. 4 F 774/22 UG ein Verfahren wegen des Umgangs zwischen Z. und dem Vater anhängig, in dem das Gericht ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, dessen Erstellung die Sachverständige bis zum 31.05.2023 angekündigt hat.

Wegen der Umgänge der Großeltern väterlicherseits, den Eheleuten S., mit Z. ist beim Amtsgericht ferner das Verfahren zum Az. 4 F 93/23 UG anhängig. Zu diesem Verfahren hat das Jugendamt mit Schreiben vom 17.02.2023 berichtet, Z. sei ein altersgerecht entwickeltes, fröhliches und aufgewecktes Mädchen. Seit Januar 2023 besuche sie den Kindergarten und gehe einmal wöchentlich zum Feuerwehrspielkreis. Begleitete Umgangskontakte zu den Eheleuten S. fänden regelmäßig jeden Dienstag für zwei Stunden statt; Z. scheine diese zu genießen. Eine direkte Kommunikation zwischen den Großeltern K. und S. sei allerdings derzeit nicht möglich, so dass sämtliche Absprachen über die Hilfeerbringer erfolgen würden. Eine Umgangsausweitung werde nicht befürwortet, weil dadurch weitere Spannungen im Familiensystem entstehen könnten und außerdem unsicher sei, inwieweit ohne Umgangsbegleitung der Kindesvater thematisiert werden würde.

Der im Umgangsverfahren bestellte Verfahrensbeistand hat sich mit Schreiben vom 18.02.2023 aufgrund der zwischen den Großeltern bestehenden Spannungen und der Gefahr eines Loyalitätskonflikts ebenfalls gegen eine Umgangsausweitung ausgesprochen. Er hat berichtet, die Kontakte fänden nur begleitet statt, seitdem es im September 2022 während eines Umgangs ohne Absprache mit den Eheleuten K. einen Skype-Kontakt zwischen Z. und ihrem Vater gegeben habe. Problematisch sei, dass die Eheleute K. nach der Lektüre der Anklage und des Urteils von der Schuld des Kindesvaters überzeugt seien, wohingegen die Eheleute S. nach wie vor der Beteuerung seiner Unschuld glaubten und dies Z. auf eine etwaige Frage ihrerseits so auch sagen würden.

II.

Die Beschwerde des Kindesvaters ist zulässig, aber nicht begründet.

1.

Die Beschwerde ist gem. §§ 58 ff. FamFG zulässig. Insbesondere ist der Vater trotz des rechtskräftigen Entzugs seiner elterlichen Sorge beschwerdeberechtigt i.S.v. § 59 Abs. 1 FamFG.

Die Beschwerdeberechtigung nach § 59 Abs. 1 FamFG setzt eine unmittelbare Beeinträchtigung des Beschwerdeführers in einem ihm zustehenden subjektiven Recht voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 18.04.2012 - XII ZB 623/11, juris Rn. 8). Ein bloßes berechtigtes Interesse an der Änderung oder Beseitigung der Entscheidung genügt insoweit nicht. Ebenso wenig kann aus dem Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 GG eine generelle Beschwerdeberechtigung der Eltern hinsichtlich sämtlicher Entscheidungen in Kindschaftssachen hergeleitet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27.04.2016 - XII ZB 67/14, juris Rn. 8).

Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen nicht mehr zur Sorge berechtigte Eltern zur Beschwerde gegen einen Beschluss über die Auswahl- und Bestellung eines Vormunds für ihr Kind befugt sind, wird in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird in derartigen Fällen eine Beschwerdebefugnis der Eltern grundsätzlich verneint (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.09.2022 - 9 UF 117/22, juris Rn. 5; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2014 - II-6 WF 128/14, juris Rn. 2) oder aber auf Konstellationen beschränkt, in denen ihr Vorschlag der Bestellung eines Verwandten übergangen wurde oder ihre Anhörung unterblieben ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.05.2016 - 16 WF 519/16, juris Rn. 4; Staudinger/Veit, BGB, Neubearb. 2020, § 1779 Rn. 117; offenlassend OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.02.2012 - 9 UF 27/12, juris Rn. 4). Andere gehen generell von einer Beschwerdeberechtigung auch nicht sorgeberechtigter Eltern im Hinblick auf ihr Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG aus (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.12.2015 - 5 UF 235/15, juris Rn. 5). Überwiegend wird die Beschwerdebefugnis jedenfalls dann bejaht, wenn sich Eltern nach einem Sorgerechtsentzug im Beschwerdeverfahren nicht gegen den Entzug der elterlichen Sorge, sondern nur gegen die Auswahl des Vormunds wenden und dabei das Ziel der Bestellung eines nahen Verwandten weiterverfolgen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.04.2022 - 20 UF 16/22, juris Rn. 19; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17.07.2014 - 6 UF 48/14, juris Rn. 10 ff.; ohne Begründung ebenso OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.03.2012 - 9 UF 232/11, juris Rn. 14 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.12.2007 - 2 UF 290/07, juris Rn. 20 ff.). Hierfür spricht, dass die Auswahl des Vormunds unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit integraler Bestandteil der Entscheidung über einen Sorgerechtsentzug ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.09.2014 - 1 BvR 2108/14, juris Rn. 23; BeckOGK-BGB/B. Hoffmann, Stand 01.01.2023, § 1778 Rn. 154).

Vorliegend wurde zwar die Entscheidung über die Auswahl und Bestellung des Vormunds erst nach der Entziehung des Sorgerechts getroffen. Bereits im Rahmen des Sorgerechtsverfahrens hatte der Vater jedoch seinen Wunsch nach der Bestellung seiner Schwester zum Vormund seiner Tochter geäußert. Die hiesige Konstellation ist daher vergleichbar mit einer auf die Frage der Vormundsauswahl beschränkten Beschwerde nach einem Sorgerechtsentzug mit gleichzeitiger Vormundsbestellung. Hinzu kommt, dass das aus Art. 6 Abs. 2 GG folgende Recht der Eltern auf Berücksichtigung ihres Willens bei der Auswahl des Vormunds auch Ausdruck im Gesetz gefunden hat. So sieht § 1778 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausdrücklich vor, dass der wirkliche oder mutmaßliche Wille der Eltern bei der Vormundsauswahl zu berücksichtigen ist. Ob deshalb eine generelle Beschwerdebefugnis nicht sorgeberechtigter Eltern gegen die Auswahl und Bestellung des Vormunds anzunehmen ist, kann hier dahinstehen. Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ein Elternteil bereits im Rahmen des Sorgerechtsentzugs den Vorschlag der Bestellung eines Verwandten unterbreitet hat, dem das Gericht bei seiner Entscheidung über die Vormundauswahl nicht gefolgt ist, kann dem nicht mehr sorgeberechtigten Elternteil die Beschwerdeberechtigung nicht abgesprochen werden.

2.

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die vom Amtsgericht beschlossene Bestellung der Eheleute K. zu gemeinschaftlichen Vormündern für Z. hat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens Bestand.

Ist die Vormundschaft nicht einer von den Eltern durch letztwillige Verfügung gem. § 1782 BGB benannten Person zu übertragen, so hat das Familiengericht nach § 1778 Abs. 1 BGB den Vormund auszuwählen, der am besten geeignet ist, für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen. Vorliegend stellt der Wunsch des Vaters, seine Schwester zum Vormund zu bestellen, keine Benennung im Sinne von § 1782 BGB dar, da eine solche voraussetzt, dass die elterliche Sorge durch den Tod der Eltern beendet wurde (vgl. Grüneberg/Götz, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1782 Rn. 2). Bei der damit durch das Familiengericht zu treffenden Auswahl ist aber trotz des Entzugs seines Sorgerechts gleichwohl der Wille des Vaters nicht völlig unbeachtlich, sondern gemäß § 1778 Abs. 2 BGB neben dem Willen des Mündels sowie seinen persönlichen Bindungen, seinen familiären Beziehungen, seinem kulturellen Hintergrund und seinen sonstigen Lebensumständen mit zu berücksichtigen (vgl. Grüneberg/Götz, a.a.O., § 1778 Rn. 5; zur Rechtslage bis 2022: Staudinger/Veit, BGB, Neubearb. 2020, § 1779 Rn. 59 m.w.N.; OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.03.2012 - 9 UF 232/11, juris Rn. 19). Gemäß § 1779 Abs. 1 BGB muss eine natürliche Person nach ihren Kenntnissen, Erfahrungen, persönlichen Verhältnissen und Eigenschaften sowie ihrer Fähigkeit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den anderen an der Erziehung des Mündels beteiligten Personen geeignet sein, die Vormundschaft so zu führen, wie es das Wohl des Mündels erfordert. Bei der Auswahl eines Vormunds unter mehreren geeigneten Vormündern ist neben dem Willen der Eltern und dem des Kindes letztlich darauf abzustellen, welche Person den Bedürfnissen des Kindes voraussichtlich am ehesten gerecht werden kann (OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.12.2007 - 2 UF 290/07, juris Rn. 27).

In Anbetracht dieser Auswahlkriterien ist die Bestellung der Eheleute K. zu Vormündern für Z. nicht zu beanstanden. Gegen ihre Eignung im Sinne von § 1779 BGB bestehen keine Bedenken. In Bezug auf Herrn K. haben sowohl das Jugendamt und als auch der frühere Verfahrensbeistand bereits in den im November 2021 eingereichten Berichten mitgeteilt, die Vormundschaft werde verantwortungsbewusst und zuverlässig geführt und Z. gehe es bei ihren Großeltern mütterlicherseits gut. In der mündlichen Verhandlung vom 22.08.2022 im Sorgerechtsverfahren zum Az. 4 F 865/20 SO hat der Verfahrensbeistand dies erneut bestätigt, sich für die Bestellung der Eheleute K. zu gemeinschaftlichen Vormündern ausgesprochen und angegeben, es lägen keine Zweifel an ihrer Eignung vor. Ebenso hat sich das Jugendamt geäußert und ergänzt, dass eine im Jahr 2021 durchgeführte Überprüfung durch den Pflegekinderdienst deren uneingeschränkte Erziehungsfähigkeit ergeben habe. Zudem bestünden bei ihnen nach den dem Jugendamt vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen keine körperlichen oder psychischen Erkrankungen. Auch seitens der in ihrem Haushalt tätigen Familienhelferin seien keine Einschränkungen festgestellt worden und ihrer Einschätzung nach auch mittelfristig nicht zu erwarten. Die Rechtspflegerin hat während der persönlichen Anhörung der Eheleute K. ebenfalls keine Anhaltspunkte festgestellt, die gegen ihre Geeignetheit als Vormünder sprechen.

Allein der Umstand, dass Frau K. beim Gehen etwas bewegungseingeschränkt ist, steht ihrer Eignung als Vormund nicht entgegen. Hierfür ist es nicht erforderlich, mit Z. auf ein Klettergerüst klettern und sie die Treppe hochtragen zu können. Selbst wenn Frau K. derartige Tätigkeiten nicht mehr ausüben kann, so kann sie hierzu ggf. die Hilfe anderer geeigneter Personen in Anspruch nehmen. Insoweit haben die Eheleute K. bei ihrer Anhörung unwidersprochen angegeben, sie würden regelmäßig Besuch durch ihren in der Nähe lebenden Sohn erhalten, der vor kurzem Vater geworden sei und sie mit der Betreuung von Z. unterstützen könne.

Der weitere vom Vater gegen die Eignung der Eheleute K. als Vormünder erhobene Einwand, Z. sei in ihrem Haushalt einer sich negativ auf ihre Psyche auswirkenden ständigen Trauerkulisse ausgesetzt, hat sich nach den Berichten des Jugendamts und des Verfahrensbeistands als unzutreffend herausgestellt. Der damalige Verfahrensbeistand hat mit Schreiben vom 26.11.2021 über seinen Besuch im Haushalt der Eheleute K. berichtet, dass Haus und Garten kindgerecht ausgestattet seien und er Z. als fröhliches, aufgewecktes Mädchen in liebevoller Beziehung zu ihren Großeltern erlebt habe. In der Wohnung gebe es sowohl Bilder von Z. Mutter als auch von ihrem Vater, über den sich die Eheleute K. stets sehr fair und sachlich geäußert hätten. Auch das Jugendamt hat im Bericht vom 06.10.2022 sowie jüngst in der im Umgangsverfahren zum Az. 4 F 93/23 UG abgegebenen Stellungnahme vom 17.02.2023 mitgeteilt, Z. sei ein lebensfrohes, munteres und altersgerecht entwickeltes Mädchen, das die Welt neugierig erkunde. Insgesamt hat sich Z. demnach im Haushalt der Eheleute K. sehr gut entwickelt. Diesen gelingt es offensichtlich trotz ihrer Trauer um ihre Tochter, ihrer Enkelin ein entwicklungsförderndes Umfeld zu bieten, um ihr ein unbeschwertes, kindgerechtes Aufwachsen sowie auch soziale Kontakte - etwa im Kindergarten, beim Feuerwehrspielkreis und beim Schwimmkurs - zu ermöglichen.

Auch die Spannungen zwischen der Familie des Vaters und den Großeltern mütterlicherseits sprechen nicht gegen deren Auswahl als Vormünder. Zwar mag es im Hinblick auf einen zu befürchtenden Loyalitätskonflikt des Kindes ungünstig sein, dass eine Kommunikation zwischen beiden Großelternpaaren derzeit aufgrund ihrer unterschiedlichen Überzeugungen in Bezug auf die Schuld oder Unschuld des Kindesvaters nicht stattfindet, zumal Z. offenbar eine gute Beziehung zu den Großeltern väterlicherseits hat. Es sind aber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Eheleute K. Z. gegenüber schlecht über die Familie des Vaters sprechen und Kontakte zu Z. Verwandten väterlicherseits grundlos unterbinden. Wie der Verfahrensbeistand in dem Umgangsverfahren zum Az. 4 F 93/23 UG berichtet hat, haben sie vielmehr bis September 2022 wöchentlichen unbegleiteten Umgangskontakten zu den Großeltern väterlicherseits zugestimmt. Erst seit es während eines Umgangs zu einem nicht abgesprochenen Skype-Kontakt zwischen Z. und ihrem Vater gekommen ist, werden die Umgänge vom Jugendamt begleitet. Angesichts dieses Vorfalls ist eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Durchführung unbegleiteter Kontakte durchaus berechtigt und wird auch vom Jugendamt geteilt, jedenfalls solange bis in dem weiteren beim Amtsgericht anhängigen Verfahren zum Az. 4 F 774/22 UG durch das in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten näher geklärt ist, ob und in welcher Form Umgangskontakte zwischen Z. und ihrem Vater kindeswohldienlich sind. Im Übrigen haben die Eheleute K. bei ihrer persönlichen Anhörung am 07.12.2022 angegeben, sie würden sich Kontakten zwischen Z. und ihrem Vater nicht widersetzen, wenn diese solche wünsche. Ihre Äußerungen über den Vater und seine Familie blieben dabei sowohl nach dem Eindruck des im Sorge- und Umgangsverfahren bestellten Verfahrensbeistands als auch demjenigen der Rechtspflegerin immer sachlich und waren nicht von Wut oder Hass geprägt. Eine negative Beeinflussung des Kindes gegenüber der Familie des Vaters ist daher nicht zu befürchten.

Ein gewichtiges Argument für die Auswahl der Eheleute K. als Vormünder liegt in dem Grundsatz der Kontinuität der kindlichen Lebensverhältnisse. Z. lebt seit der Ermordung ihrer Mutter vor mehr als zwei Jahren bei deren Eltern und fühlt sich dort nach allen vorliegenden Berichten sehr wohl. In aller Regel dient es dem Wohl eines Kindes, möglichst gleichmäßige, stabile Erziehungsverhältnisse und ebensolche äußeren Umstände zu gewährleisten (vgl. Grüneberg/Götz, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1671 Rn. 38). Dies gilt vorliegend ganz besonders, da Z. bereits vor ihrem ersten Geburtstag ihr Zuhause und ihre Mutter verloren hat und kurz darauf wegen der Inhaftierung auch die Beziehung zu ihrem Vater abgebrochen ist. Mittlerweile sind die Eheleute K. zu ihren Hauptbezugspersonen geworden, so dass es dem Kindeswohl entspricht, diese Bindungen aufrechtzuerhalten. Insgesamt teilt der Senat die Einschätzung des Jugendamts, dass für Z. weiteres Aufwachsen die größtmögliche Kontinuität und Stabilität angestrebt werden sollte. Eine Bestellung von Frau L. zum Vormund, die mit einem Wechsel des Lebensmittelpunkt des Kindes in deren Haushalt verbunden wäre, würde diesem Ziel zuwiderlaufen.

Vor diesem Hintergrund führt auch die Mitberücksichtigung des Willens des Vaters nicht dazu, dass die Abwägung zu Gunsten der Bestellung seiner Schwester zum Vormund ausfällt. Hiergegen spricht neben dem Kontinuitätsgrundsatz auch die Gefahr einer zunehmenden Verunsicherung des Mädchens durch widersprüchliche Darstellungen ihrer erwachsenen Bezugspersonen über den Grund der Inhaftierung ihres Vaters und den Tod ihrer Mutter. Da sowohl Frau L. als auch die Großeltern S. den Kindesvater trotz seiner rechtskräftigen Verurteilung für unschuldig halten, ist zu befürchten, dass sie Z. ein von der Realität abweichendes Bild von ihm vermitteln. Zudem hat das Jugendamt nachvollziehbar ausgeführt, es könne nicht eingeschätzt werden, ob das Mädchen künftig mit zunehmender Reife im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Tod ihrer Mutter ein Bedürfnis nach Abstand zur Familie ihres Vaters verspüren werde. Falls jedoch eine solche - in Anbetracht der Umstände nicht fernliegende - Entwicklung eintreten sollte, würde es nach der Einschätzung des Senats eine erfolgreiche Traumaverarbeitung erschweren, wenn sie im Haushalt der Schwester ihres Vaters aufwachsen würde.

Nach alledem hat es bei der Bestellung der Eheleute K. als Vormünder zu verbleiben und die Beschwerde des Vaters ist zurückzuweisen.

III.

Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, gem. § 68 Abs. 3 FamFG ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Das Amtsgericht hat die in Betracht kommenden Vormünder persönlich angehört. Der Vater ist bereits im Rahmen des Sorgerechtsverfahrens zum Az. 4 F 865/20 SO zur Frage der Vormundsauswahl persönlich angehört worden. Anhaltspunkte dafür, dass von einer erneuten persönlichen Anhörung zusätzliche Erkenntnisse zu erwarten sind, liegen nicht vor und lassen sich auch dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Danach soll das Gericht die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Gründe zur Abweichung von dieser Sollvorschrift sind nicht ersichtlich.

Der Verfahrenswert ergibt sich aus §§ 40, 42 Abs. 1 FamGKG in Anlehnung an § 45 Abs. 1 FamGKG (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.04.2016 - 11 WF 413/16, juris Rn. 9).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

IV.

Der Antrag des Kindesvaters auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist zurückzuweisen, da seine Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO. Zur Begründung wird auf die obigen Darlegungen zu Ziff. II. verwiesen.