Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 23.03.2023, Az.: 4 W 2/23
Streitwert; Widerruf; Zahlungsantrag; negative Feststellungsklage; Wertersatz; Finanzierungsgeschäft; Verbraucherdarlehensvertrag; Nettodarlehensbetrag; Widerklage; Herausgabe; Anzahlung; Gesamtstreitwert; verbundene Verträge; Kombination; wirtschaftliche Identität
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 23.03.2023
- Aktenzeichen
- 4 W 2/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 26490
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 24.08.2022 - AZ: 5 O 530/22 (098)
Rechtsgrundlagen
- GKG § 68 Abs 1
- GKG § 63 Abs 3 S 2
Fundstellen
- JurBüro 2023, 264-265
- VuR 2023, 319
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Bei einer Kombination aus negativem Feststellungsantrag und Zahlungsantrag in Verbraucherdarlehenswiderrufsfällen ist für die Streitwertbestimmung der von dem Verbraucher zugestandene, bereits im Antrag berücksichtigte Wertersatzanspruch von dem Brutto-Gesamtwert abzuziehen.
- 2.
Der Widerklage auf Herausgabe des finanzierten Fahrzeuges ist wegen wirtschaftlicher Identität kein eigener Wert beizumessen, wenn der Verbraucher mit seiner Klage grundsätzlich volle Rückabwicklung begehrt.
In der Beschwerdesache
P. V., .....,
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte W. und G. Rechtsanwalts GmbH, ......,
Geschäftszeichen: ....
gegen
V. Bank GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer, ............
Beklagte und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte G. Rechtsanwälte Abogados Advokat Steuerberater
Partnerschaft mbB, ....,
Geschäftszeichen: ....
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht X, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Y und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Z am 23. März 2023 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Klägers werden der Streitwertbeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 24. August 2022 und der Nichtabhilfebeschluss vom 7. Oktober 2022 abgeändert und der Streitwert erster Instanz auf die Wertstufe bis 35.000,00 Euro festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich im Wege der Beschwerde vom 21. September 2022 gegen die durch Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 24. August 2022 vorgenommene Streitwertfestsetzung auf die Wertstufe bis 65.000 Euro.
Durch das zugrunde liegende Urteil vom 24. August 2022 sind die Anträge des Klägers auf Feststellung, dass er der Beklagten infolge seines Widerrufs keine Zins- und Tilgungsleistungen mehr aus dem mit ihr zwecks Finanzierung eines Fahrzeugkaufvertrages geschlossenen Darlehensvertrages über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 30.338,38 Euro schulde, auf Zahlung von 14.037,90 Euro nebst Zinsen abzüglich Wertersatz in Höhe von 3.976,03 Euro nach Herausgabe des finanzierten Fahrzeuges sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten abgewiesen worden. Auf die Widerklage ist der Kläger zur Herausgabe des finanzierten Fahrzeuges verurteilt worden.
Das Landgericht hat der Streitwertbeschwerde des Klägers durch Beschluss vom 7. Oktober 2022 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Zur Begründung vertritt es die Ansicht, dass für den Streitwert zunächst der Nettodarlehensbetrag zuzüglich der Anzahlung in Höhe von 5.000,00 Euro, somit vorliegend ein Betrag in Höhe von 35.338,88 Euro, maßgeblich sei. Der von dem Kläger in dem Zahlungsantrag zu 2 angerechnete Wertersatz sei nicht in Abzug zu bringen, da der Wert des Streitgegenstandes maßgeblich durch den negativen Feststellungsantrag zu 1 bestimmt werde. Auf die Widerklage sei der Kläger zur Herausgabe des finanzierten Fahrzeuges verurteilt worden. Den Wert des Fahrzeuges hat das Landgericht auf 25.000,00 Euro geschätzt und den Streitwert entsprechend erhöht.
II.
Die Streitwertbeschwerde des Klägers ist gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässig, insbesondere sind die Frist des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG in Verbindung mit § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingehalten und der Beschwerdewert von 200 Euro gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG überschritten.
Die Streitwertbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Streitwert für den erstinstanzlichen Rechtsstreit ist zu reduzieren und auf die Wertstufe bis 35.000,- € festzusetzen.
Zunächst ist der von dem Kläger in Abzug gebrachte Wertersatzanspruch der Beklagten in Höhe von 3.976,03 Euro zu berücksichtigen gewesen.
Grundsätzlich bemisst sich der "Gesamtstreitwert" bei verbundenen Verträgen nach dem Nettodarlehensbetrag zuzüglich einer gegebenenfalls aus Eigenmitteln aufgebrachten Anzahlung, sofern der Kläger begehrt, so gestellt zu werden, als hätte er das Finanzierungsgeschäft nicht getätigt (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2015 - XI ZR 335/13 -, Rn. 3, juris; BGH, Beschluss vom 7. April 2015 - XI ZR 121/14, Rn. 3, juris).
Soweit der Kläger sich Wertersatz anrechnen lässt, reduziert sich sein Interesse an der Herstellung des status quo ante, was auch für den Streitwert nicht ohne Auswirkungen bleibt.
Bei einer Kombination aus negativem Feststellungsantrag und Zahlungsantrag ist der Wertersatzanspruch in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020 - XI ZR 389/19 -, juris) von dem Brutto-Gesamtwert abzuziehen.
Demnach verbleibt es nach Abzug des Wertersatzanspruchs vorliegend bei einem Gesamtstreitwert von 33.330,16 Euro.
Ferner ist der Widerklage kein eigener Wert beizumessen gewesen.
Denn zwischen dem grundsätzlich auf volle Rückabwicklung gerichteten Interesse des Klägers, das in der Kombination von negativem Feststellungsantrag und Zahlungsantrag zum Ausdruck kommt, und dem Interesse an der Herausgabe des Fahrzeuges besteht wirtschaftliche Identität (vgl. nur Grüneberg, WM 2023, 357 Rn. 30).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.