Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.04.1996, Az.: 2 Ss (OWi) 95/96
Anmeldepflicht einer Unternehmensberatung bei überwiegendem Tätigwerden als Subunternehmerin für eine andere Unternehmensberatung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.04.1996
- Aktenzeichen
- 2 Ss (OWi) 95/96
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 25201
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1996:0426.2SS.OWI95.96.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG ... - 11.01.1996
Rechtsgrundlagen
- § 6 GewO
- § 14 GewO
Verfahrensgegenstand
Eine Ordnungswidrigkeit nach der Gewerbeordnung
In der Bußgeldsache
...
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle
auf die mit einem Zulassungsantrag verbundene Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft
gegen das Urteil des Amtsgerichts ... vom 11. Januar 1996
nach Anhörung der Betroffenen und der Generalstaatsanwaltschaft
durch
...
am 26. April 1996
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts ... zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat die Betroffene von dem Vorwurf freigesprochen, fahrlässig entgegen § 14 Gewerbeordnung ihr Gewerbe "Unternehmensberatung" nicht angemeldet zu haben. Hierzu sind folgende Feststellungen getroffen worden:
Die Betroffene betreibt ... eine Unternehmensberatung. Sie ist überwiegend als Subunternehmerin für eine andere Unternehmensberatung tätig. Sie berät Firmen auf Grund ihrer wissenschaftlichen Ausbildung als Pädagogin.
Der Tatrichter ist der Auffassung, daß die Betroffene damit einen freien Beruf und kein anzumeldendes Gewerbe ausübt.
Gegen den Freispruch richtet sich die mit einem Zulassungsantrag verbundene Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft. Sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, um die Nachprüfung des Urteils sowohl zur Fortbildung des Rechts als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
Die Feststellungen im angefochtenen Urteil lassen die rechtliche Beurteilung, ob die Betroffene der Anmeldepflicht nach § 14 GewO unterliegt oder ob ihr Geschäft den nach § 6 GewO davon ausgenommenen Berufsgruppen zuzuordnen ist, nicht zu. Für diese Entscheidung bedarf es ergänzender Feststellungen.
Der Ausnahmekatalog des § 14 GewO nennt den Berufsstand des Unternehmensberaters zwar nicht, doch wird dadurch eine Zuordnung zu den freien Berufen, die von der Anmeldepflicht ausgenommenen sind, nicht ausgeschlossen. Die Aufzählung der ausgenommenen Berufsgruppen stellt keine abschließende Regelung dar; es bedarf allerdings der besonderen Prüfung anhand der von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien, um am Einzelfall zwischen freiem Beruf und Gewerbe entscheiden zu können.
Angehörige der freien Berufe üben freie wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeiten höherer Art aus oder erbringen Dienstleistungen höherer Art, die eine höhere Bildung aufgrund eines abgeschlossenen Studiums an einer Hoch- oder Fachhochschule erfordern (BVerfGE 10, 354, 364 = NJW 1960, 619 [BVerfG 25.02.1960 - 1 BvR 239/52]; 17, 232, 239; BVerwG GewA. 1973, 16; 1976, 293; DVBl. 1987, 1075). Kennzeichnend sind der persönliche Einsatz bei der Berufsausübung, der Charakter des jeweiligen Berufs, wie er sich in der allgemeinrechtlichen und berufsrechtlichen Ausgestaltung und in der Verkehrsanschauung darstellt, die Stellung und Bedeutung des Berufs im Sozialgefüge, die Qualität und Länge der erforderlichen Berufsausbildung (BVerfGE 46, 224, 242 [BVerfG 25.10.1977 - 1 BvR 15/75]).
Die freien Berufe unterliegen zwar in der Regel einer eigenen Standesaufsicht und Berufsgerichtsbarkeit, ohne, daß dies aber Voraussetzung für ihr Ausscheiden aus dem Pflichtenkreis und der Aufsicht des Gewerberechts ist (VGH Bad. Württ. GewA. 1968, 228; a.A. Hess. VGH GewA. 1994, 238 für den Unternehmensberater wegen Fehlens im Ausnahmekatalog des § 6 GewO; auch BVerwG GewA. 1973, 16 für den Kfz.-Sachverständigen im Hinblick auf das fehlende Merkmal der höheren Bildung). Es obliegt gegebenenfalls dem Gesetz- und Verordnungsgeber, durch den Erlaß von Sondervorschriften die Standesaufsicht und die Berufsgerichtsbarkeit zu regeln, wenn sich ein Berufsstand im Wandel der Verkehrsanschauungen zu einer entsprechenden Eigenständigkeit entwickelt hat (VGH Bad. Württ. a.a.O., S. 230).
Prüfungsmaßstab ist, ob ein Berufsstand einem anerkannten freien Beruf so nahe steht, daß die Nichtanerkennung sachlich nicht zu rechtfertigen wäre. Das wäre der Fall, wenn diese Berufsgruppe nach ihrer Struktur und Funktion soviel Parallelen zu einer der als Freiberufe anerkannten Gruppen aufweist, daß es willkürlich wäre, sie nicht gleichzubehandeln (vgl. BVerfGE 47, 224, 242 für die steuerliche Gleichbehandlung von Ausnahmen nach § 18 EStG). Unter dem Gesichtspunkt einer Gleichbehandlung (Art. 3 GG) kann - trotz unterschiedlichen Schutzzwecks - im Gewerbeordnungsrecht insoweit nichts anderes gelten als im Gewerbesteuerrecht (hierzu Anmerkung B. Maiwald zu BFH GewA. 1989, 17).
Eine Gleichbehandlung des Unternehmensberaters mit dem anerkanntermaßen freien Beruf des beratenden Volks- und Betriebswirts bietet sich an. Die wirtschaftsberatenden Berufe, insbesondere die beratenden Ingenieure und die beratenden Volks- und Betriebswirte zählen zu den freien Berufen. Für diese Berufsgruppen ist charakteristisch, daß sie die Beratung ihrer Klienten auf Grund von Verträgen durchführen, nach denen die Beratungstätigkeit die geschuldete Leistung ist und das Honorar grundsätzlich nicht nur bei erfolgreicher Beratung geschuldet wird (BVerfGE 46, 224, 243 [BVerfG 25.10.1977 - 1 BvR 15/75]). Für den Beruf des beratenden Betriebswirts gibt es noch kein fixiertes Berufsbild. Seine Tätigkeit ist dadurch kennzeichnet, daß sich eine Beratungstätigkeit auf eines oder mehrere der anerkannten Hauptgebiete der Betriebswirtschaftslehre erstreckt. Zu diesen Hauptgebieten gehören die Bereiche der Führung, der Produktion, der Materialwirtschaft, des Vertriebs und des Verwaltungs- und Rechnungswesens (BFH GewA. 1989, 17). Der beratende Betriebswirt ist der Gruppe der freien Berufe zuzuordnen, wenn er nach einem entsprechenden Studium - oder (so der BFH) nach einem vergleichbaren Selbststudium - und praktischer Erfahrung mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft und nicht nur mit einem Spezialgebiet vertraut ist und von dieser fachlichen Breite auch bei seiner praktischen Tätigkeit tatsächlich Gebrauch macht (BFH BStBl. 1986, 15; 1975, 665). Durch eine breitgefächerte beratende Tätigkeit erfüllt der beratende Betriebswirt die Merkmale des freien Berufs. Es darf sich nicht nur um eine geringfügige Randtätigkeit handeln. Die. Berufstätigkeit muß sich andererseits, wenn sie die Qualifikation der Freiberuflichkeit nicht einbüßen soll, auf beratende Funktionen beschränken (BVerfGE 46, 244).
Dieses von der Rechtsprechung anerkannte Berufsbild läßt sich auf den Unternehmensberater übertragen. Der Unternehmensberater, der wie der beratende Volks- oder Betriebswirt tätig wird und der sich insbesondere auf die Beratung in Grundsatzfragen beschränkt, erfüllt die Voraussetzungen des freien Berufs (vgl. Blümlich, EStG, § 18 Rdn. 117 "Unternehmensberater"; Littmann/Grube, EStG, § 18 Rdn. 180; auch BFH BStBl. II 1974, 293, 294). In der Regel wird sich seine Tätigkeit auf die Bereiche Unternehmensführung/Organisation, Personalberatung/Personalwesen, Weiterbildung und Training, Marketing, Technik, Datenverarbeitung und Logistik erstrecken (vgl. Beraterverzeichnis des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater, abgedruckt im Bonner Handbuch für Steuerberatung Fach L Rdn. 12). Je umfassender diese beratende Tätigkeit ist, um so sicherer wird sie anhand der durch Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien den freien Berufen zugerechnet werden können.
Die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil lassen es indessen nicht zu, Tätigkeit und Ausbildung der Betroffenen denen des beratenden Betriebswirts gleichzusetzen. Ihnen zufolge ist sie überwiegend als Subunternehmerin für eine andere Unternehmensberatung tätig und berät Firmen auf Grund ihrer wissenschaftlichen Ausbildung als Pädagogin. Hinter diesen pauschalen Feststellungen kann sich eine umfassende inner- und außerbetriebliche Beratung, aber auch eine spezialisierte, untergeordnete Randtätigkeit verbergen. Ebenso wenig wird deutlich, ob ihre berufliche Aus- und Vorbildung die Voraussetzung eines abgeschlossenen Hochschul- oder Fachhochschulstudiums erfüllt. Sollte die Betroffene dem Erfordernis einer umfassenden Dienstleistung höherer Art auf der Grundlage einer qualifizierten Ausbildung genügen, wird der Anwendung des § 6 GewO auf ihre Tätigkeit nichts im Wege stehen.