Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 19.12.2000, Az.: 4 A 92/00

Eingliederungshilfe; Heimkosten; Pflegesatzvereinbarung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
19.12.2000
Aktenzeichen
4 A 92/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 41266
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

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Der Kläger begehrt die Übernahme weiterer Heimkosten in der Zeit ab dem 1. Januar 1995. Er ist seit  dem Jahr 1968 in dem Langzeitbereich der Klinikum W.  GmbH untergebracht und erhält hierfür von dem Beklagten Eingliederungshilfe. Die Klinikum W.  GmbH berechnete dem Kläger in dem Jahr 1995 einen Pflegesatz in Höhe von täglich 253,64 DM, in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1999 einen Pflegesatz  in Höhe von 263,61 DM und ab dem 1. Januar 2000 einen Pflegesatz in Höhe von 255,74 DM. Der Beklagte zahlte hiervon lediglich Teilbeträge. Dies beruhte auf dem Umstand, dass es zwischen der Einrichtung und dem Niedersächsischen  Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben seit dem Jahr 1994 nicht mehr zum Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung gekommen war. Gegen die für den hier umstrittenen Zeitraum getroffenen Festsetzungen der Schiedsstelle nach § 94 BSHG für das Land Niedersachsen beim Niedersächsischen Sozialministerium  - Schiedsstelle - haben  die   Klinikum W.  GmbH  und das  Niedersächsische  Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben jeweils Klagen erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Auf die Anträge der Klinikum W.  GmbH, ihr vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, ergingen diverse Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Hannover sowie des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts. Aufgrund dieser Entscheidungen zahlte der Beklagte im Jahr 1995 Abschläge in Höhe von 187,56 DM und in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 29. Februar 1996 in Höhe von 178,40 DM. Für den nachfolgenden Zeitraum setzte die Schiedsstelle in Umsetzung der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschlüsse der genannten Gerichte die täglich zu entrichtenden Entgelte vorläufig fest und zwar in Höhe von 190,90 DM ab dem 1. März 1996 (Entscheidung vom 26.9.1996),  in Höhe von 192,81 DM für die Zeit vom 28. November 1997 bis zum 31. Dezember 1997 und in Höhe von 194,72 DM für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 1998 (Entscheidung vom 24. März 1998). Hiernach richtete der Beklagte dann seine Leistungen,  wobei er auch in der Zeit nach dem 31. Dezember 1998 pflegesatztäglich 194,72 DM an die Klinikum W.  GmbH zahlte.

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Mit Schreiben vom 13. Januar 2000, das am 18. Januar 2000 bei dem Beklagten einging, wandte sich der Kläger an den Beklagten und forderte ihn auf, ab dem 1. Januar 1995 das volle Heimentgelt zu zahlen, das er, der Kläger,  mit dem Einrichtungsträger vereinbart habe und die entstandenen Rückstände auszugleichen. Er verwies zur Begründung u.a. auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 1994 - 5 C 28.91 - (BVerwGE 97, 53).  Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 25. Januar 2000 mit, er sehe sich zu einer Änderung seiner Verfahrensweise nicht veranlasst. Was den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1998 angehe, so folge er dem Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 4. Juni 1998 - 3 A 3051/95 -, wonach ein Anspruch nicht bestehe. Für die Zeit ab dem 1. Januar 1999 regele § 93  Abs. 3 BSHG n.F. die Fälle, in denen eine Vergütungs- bzw. Leistungsvereinbarung nicht vorliege. Da bislang keine der genannten Vereinbarungen zustande gekommen sei, gelte nach  § 93 b Abs. 2 Satz 4 BSHG n.F. der von der Schiedsstelle im März 1998 vorläufig auf 194,72 DM festgesetzte Pflegesatz bis zu einer anderweitigen Festsetzung oder Vereinbarung weiter.

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Der Kläger erhob am 10. Februar 2000 Widerspruch. Die Entscheidung des Verwaltungsgericht Braunschweigs sei überholt; mittlerweile lägen mehrere anderslautende Gerichtsentscheidungen  vor. § 93 Abs. 3 BSHG n.F. regele lediglich das Verhältnis zwischen dem Einrichtungsträger und dem zuständigen Sozialhilfeträger und lasse nach dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen die individualrechtlichen Ansprüche der Hilfeempfänger unberührt.

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Mit Bescheid vom 3. Mai 2000 wies das Niedersächsische  Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben den Widerspruch zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Für die Zeit vor dem 1. Januar 1999 sei lediglich das durch die Schiedsstelle bzw. das Verwaltungsgericht zuerkannte Entgelt zu zahlen. Diese Entscheidungen seien zwar nicht rechtskräftig bzw. lediglich vorläufig, aber nach § 93 Abs. 3 Satz 4 BSHG a.F. hätten die erhobenen Klagen keine aufschiebende Wirkung. Im Übrigen handele es sich für die Zeit ab dem 1. Januar 1995 lediglich um vorläufige Zahlungen, d.h. um Vorschüsse gemäß § 42 Abs. 1 SGB I, weil noch keine abschließende Entscheidung über die Höhe der tatsächlich zu leistenden Sozialhilfe vorliege. Diese könne erst getroffen werden, wenn über die Höhe des an die Klinikum W.  GmbH zu zahlenden Entgeltes entschieden worden sei. Gegebenenfalls werde der Differenzbetrag nachgezahlt. Der Bescheid des Beklagten stelle deshalb lediglich einen Zwischenbescheid dar, der den Kläger rechtlich nicht beschwere. Da die Entscheidung der Schiedsstelle zur Zeit nicht rechtskräftig sei, komme eine Kostenübernahme nach § 93 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BSHG a.F. nicht in Betracht. Es könne nicht in der Hand des einzelnen Hilfeempfängers oder des Einrichtungsträgers liegen, an den Pflegesatzverhandlungen vorbei im Einzelfall Regelungen zu erzwingen. 

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Der Kläger hat am 10. Mai 2000 Klage erhoben. Es sei unstreitig, dass er Anspruch auf Gewährung der erforderlichen Hilfe in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe habe. Da der Beklagte ihm eine gleichermaßen geeignete, kostengünstigere und zumutbare Alternative  nicht angeboten habe, sei er dazu verpflichtet, die Kosten für seine, des Klägers, Unterbringung in der Behinderteneinrichtung der Klinikum W.  GmbH zu übernehmen. Dies folge aus den Grundsätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 20. Oktober 1994 - 5 C 28.91 - aufgestellt habe. §§ 93 ff BSHG regelten lediglich das Rechtsverhältnis zwischen der Einrichtung und dem Sozialhilfeträger, die individualrechtlichen Ansprüche des Sozialhilfeempfängers blieben hiervon unberührt. Er selbst  sei an Pflegesatzvereinbarungen bzw. Verhandlungen nicht beteiligt. Der Spruch der Schiedsstelle regele lediglich - vorläufig - was der Sozialhilfeträger als Abschlagspflegesatz zu zahlen habe. Auf das privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen ihm, dem Kläger, und dem Einrichtungsträger wirke er jedoch nicht ein. Auch begründe

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§ 93 Abs. 3 BSHG n.F. lediglich einen eigenen Anspruch des Einrichtungsträgers gegenüber dem Sozialhilfeträger und berühre das Verhältnis zum Hilfeempfänger nicht. Der Sozialhilfeträger sei nicht gezwungen, Leistungen von Einrichtungen in Anspruch zu nehmen, wenn ihm das Entgelt überhöht erscheine; er habe die Möglichkeit, dem Hilfebedürftigen eine anderweitige, gleich geeignete Unterkunft anzubieten. Es könne weiter nach § 4c HeimG das Entgelt zu beanstandet werden, wie es das Niedersächsische  Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben im Hinblick auf die von der Klinikum W.  GmbH in den Jahren 1994 und 1995 geforderten Entgelte getan habe. Allerdings  sei der hiergegen gerichteten Klage der Klinikum W.  GmbH stattgegeben worden, wobei das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 15. November 2000 - 7 L 3693/95 -  festgestellt habe, dass ein Missverhältnis zwischen angebotener Leistung und gefordertem Entgelt nicht bestanden habe. Daraus folge, dass seine, des Klägers,  Unterbringung in der Behinderteneinrichtung der Klinikum W.  GmbH nicht zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führe. Mithin habe er nach  § 3 Abs. 2 BSHG einen Anspruch auf Übernahme des vereinbarten Heimentgeltes. Der Beklagte könne sich weiter nicht auf § 42 Abs. 1 SGB I berufen und danach lediglich Vorschüsse nach pflichtgemäßem Ermessen zahlen. Zuletzt habe er, der Kläger, einen sozialhilferechtlichen Bedarf auf Übernahme der vereinbarten Heimentgelte. Er könne sich gegenüber dem Heimträger nicht auf Verjährung berufen. Auch sei kein sog. Stillhalteabkommen bis zur Entscheidung über die gegen die Festsetzungen der Schiedsstelle gerichteten Klageverfahren getroffen worden.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 25. Januar 2000 und den Widerspruchsbescheid des Niedersächsischen  Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom  3. Mai 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Eingliederungshilfe durch Übernahme des vollen mit der Klinikum W.  GmbH vereinbarten Heimentgeltes von pflegesatztäglich 253,64 DM für das Jahr 1995, 263,61 DM für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1999 und von 255,74 DM (41,07 DM Grundpauschale, 168,22 DM Maßnahmepauschale, 46,45 DM Investitionskosten) abzüglich geleisteter Abschläge zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2000.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides des Niedersächsischen  Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 3. Mai 2000 die Übernahme des vollen, von der Klinikum W.  GmbH verlangten Heimentgeltes verlangen.

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Für die Zeit bis zum 31. Dezember 1998 folgt sein Anspruch aus §§ 39, 40 BSHG i.V.m. § 93 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz  BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl. I,  S. 646) - BSHG a.F.-.  Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG a.F.  ist der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme von Aufwendungen für die Hilfe in einer Einrichtung nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband eine Vereinbarung über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen sowie über die dafür zu entrichtenden Entgelte besteht; in anderen Fällen soll er die Aufwendungen übernehmen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist. Da  eine Vereinbarung im Sinne des

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§ 93 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz BSHG a.F. zwischen dem Niedersächsischen  Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben und der Klinikum W.  GmbH nicht getroffen wurde, ist hier der Anwendungsbereich des  § 93 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BSHG a. F. eröffnet.  Dies gilt auch mit Rücksicht auf den Umstand, dass die Schiedsstelle für den fraglichen Zeitraum  nach § 93 Abs. 3 Satz 2 BSHG a.F. über die umstrittenen Entgelte entschieden hat, denn nach dem Wortlaut des § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG liegt ein sog. "anderer Fall" bereits dann vor, wenn  - wie hier - eine Pflegesatzvereinbarung fehlt. Festsetzungen der Schiedsstelle können an deren Stelle nur treten, soweit sie bestandskräftig sind, weil nur dann die Höhe des zu entrichtenden Entgeltes in einer der Vereinbarung entsprechenden Weise endgültig geregelt ist.  Dementsprechend stehen auch die vorläufigen Festsetzungen der Schiedsstelle in ihren Entscheidungen vom September 1996 und vom März 1998 einer Anwendung des § 93 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz nicht entgegen (vgl. zum Vorstehenden auch Urt. der 6. Kammer des erkennenden Gerichts v. 29.1.1999 - 6 A 8/95 -, VG Stade, Urt. v. 18.11.1999 - 1 A 1661/98 -, a.A. VG Braunschweig, Urt. v. 4.6.1998 - 3 A 3051/95 -, Urt. v. 1.11.2001 - 3 A 299/99 -).

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Die Übernahme der Aufwendungen des Klägers ist nach den Besonderheiten des Einzelfalls im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BSHG a. F. geboten. Dem steht nicht entgegen, dass der hieraus folgende Hilfeanspruch grundsätzlich den Schranken des § 3 Abs. 2 BSHG (Angemessenheit des Wunsches, die Hilfe in einem Heim zu erhalten; Erforderlichkeit dieser Hilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles; keine unverhältnismäßigen Mehrkosten durch die Nichterfüllung des Wunsches) sowie des § 93 Abs. 2 Satz 2 u. 3 BSHG a.F. (Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit) unterliegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 20.10.1994 - 5 C 28.91 - BVerwGE 97, 53) ergibt sich vor allem aus dem im BSHG allgemein geltenden Bedarfsdeckungsgrundsatz (§ 3 Abs. 1 BSHG), dass die genannten gesetzlichen Beschränkungen der Kostenübernahme einem Hilfebedürftigen, der sich bereits in einer Einrichtung befindet, nur entgegengehalten werden dürfen, wenn ihm der Wechsel in eine für ihn geeignete, kostengünstigere Einrichtung zugemutet werden kann und ihm der Sozialhilfeträger diese Einrichtung auch konkret anbietet (so auch Nds. OVG, Urteil vom 23.10.1996 - 4 L 959/95 -). Die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist zwar zu § 93 in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 (G. v. 22.12.1983, BGBl. I S. 1532) ergangen. An den darin aufgestellten Grundsätzen ist aber auch für die hier maßgebliche Rechtslage festzuhalten (so auch die 6. Kammer des erkennenden Gerichts Urt. v. 29.1.1999 - 6 A 8/95 -; VG Münster, Urt. v. 19.4.1999 - 5 K 1549/95 -; VG Stade, Urt. v. 18.11.1999 - 1 A 1661/98 -; VG Freiburg, Urt. v. 27.7.2001 - 8 K 924/00; VG Arnsberg, Urt. v. 29.11.2001 - 9 K 628/00 -). Der Beklagte hat dem Kläger in dem streitigen Zeitraum bereits nicht angeboten, ihn in einer anderen als der von ihm bewohnten, dieser gleich geeigneten Einrichtung unterzubringen. Der unstreitig bestehende Hilfebedarf des Klägers konnte damit allein durch Übernahme des Entgeltes gedeckt  werden, das der Kläger an die Klinikum W.  GmbH  zu entrichten hatte.

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Dieses betrug täglich 253,64 DM  im Jahr 1995 und  263,61 DM bis zum 31. Dezember 1998. Ein Heimvertrag, insbesondere eine Einigung über das geschuldete Entgelt war zustande gekommen, denn der Kläger hatte die ihm mit Schreiben vom 23. November 1994 und vom 30. November 1995 durch die  Klinikum W.  GmbH unterbreiteten Angebote dadurch  konkludent angenommen, dass er in der Einrichtung verblieben war und deren Leistungen entgegengenommen hatte. Von einer (stillschweigenden) Nebenabrede in dem Sinne, dass in Wahrheit nur ein Entgelt in Höhe der von dem Beklagten gezahlten Abschlagsbeträge bzw. derjenigen Pflegesätze geschuldet sein sollte, die sich aus den gerichtlichen Entscheidungen über die anhängigen Klagen der Klinikum W.  GmbH  bzw. des Niedersächsischen  Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben ergeben werden, kann nicht ausgegangen werden. Dies zeigen die von dem Kläger vorgelegten Schreiben der Einrichtung vom 10. Juni 1999, 26. Oktober 1999 und vom 19. November 1999, mit denen die  Klinikum W.  GmbH dem Kläger angekündigt hatte, das rückständige Entgelt zur Unterbrechung der Verjährung einzuklagen, wenn er nicht den Beklagten auf Übernahme des vollen Heimentgeltes in Anspruch nehme werde sowie der Umstand, dass die  Einrichtung am 22. Dezember 1999 den Erlass eines Mahnbescheides wegen der im Jahr 1997 aufgelaufenen Rückstände beantragt hatte.

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Der Kläger kann der Einrichtung auch nicht im Hinblick auf die Regelung des § 196 Abs. 1 Nr. 11 BGB (in der bis zum 31. 12. 2001 geltenden Fassung - BGB a.F. - ), wonach Ansprüche u. a. der Inhaber von Privatanstalten für die Gewährung von Unterricht, Verpflegung oder Heilung und die damit zusammenhängenden Aufwendungen in zwei Jahren verjähren, die Einrede der Verjährung entgegenhalten. Eine mögliche Verjährung der Entgeltforderungen für einen Teil des hier zu betrachtenden Zeitraumes wäre jedenfalls gemäß § 208 BGB a.F. durch die dem Kläger zuzurechnenden Abschlagszahlungen des Beklagten  unterbrochen.

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Auch für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2000 kann der Kläger die Übernahme des vollen, von ihm geschuldeten Heimentgelts verlangen, das sich bis zum 31. Dezember 1999 auf 263,61 DM  und danach auf 255,74 DM belief. Grundlage für seinen Anspruch sind insoweit §§ 39, 40 BSHG i.V. mit § 93 Abs. 3 Satz 1  BSHG in der am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes v. 23. Juli 1996 (BGBl. I, S. 1088) - BSHG n.F. -.  Ist eine der in § 93 Abs. 2 BSHG n.F. genannten Vereinbarungen  über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Leistungsvereinbarung),  die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt (Vergütungsvereinbarung) und die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung)  mit dem Träger der Einrichtung nicht abgeschlossen, so kann der Sozialhilfeträger nach § 93 Abs. 3 Satz 1 BSHG n.F.  Hilfe durch diese Einrichtung nur gewähren, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist. Hierzu hat der  Träger der Einrichtung ein Leistungsangebot vorzulegen, das die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 1 BSHG erfüllt und sich schriftlich zu verpflichten, Leistungen entsprechend diesem Angebot zu erbringen (§ 93 Abs. 3 Satz 2 BSHG). Vergütungen dürfen nur bis zu der Höhe übernommen werden, wie sie der Sozialhilfeträger am Ort der Unterbringung oder seiner nächsten Umgebung für vergleichbare Leistungen nach mit anderen Einrichtungen abgeschlossenen Vereinbarungen trägt (§ 93 Abs. 3 Satz 3  BSHG).

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Hier haben die Klinikum W.  GmbH  und das Niedersächsische  Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben auch für den an dieser Stelle  zu betrachtenden Zeitraum weder eine der in § 93 Abs. 2 BSHG n.F. genannten Vereinbarungen getroffen noch existieren in der Vergangenheit geschlossene Vereinbarungen oder endgültige Festsetzungen der Schiedsstelle, die nach § 93 b Abs. 2 Satz 4 BSHG n.F. weiter gelten könnten. Der Beklagte hat mithin gemäß  § 93 Abs. 3 Satz 1 BSHG n.F. über die Übernahme der Aufwendungen des Klägers nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei ist einerseits u.a. die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 2 BSHG n.F. zu berücksichtigen, wonach Wünschen des Hilfeempfängers, die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung zu erhalten, nur entsprochen werden soll, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls erforderlich ist, weil andere Hilfen nicht möglich sind oder nicht ausreichen und wenn mit der Anstalt, dem Heim oder der gleichartigen Einrichtung Vereinbarungen nach Abschnitt 7 bestehen. Andererseits hat sich die  Ermessensausübung auch im Rahmen des § 93 Abs. 3 Satz 1 BSHG letztlich am Bedarfsdeckungsgrundsatz (§ 3 Abs. 1 BSHG n.F.) zu orientieren, so dass die durch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20. Oktober 1994 (a.a.O.) aufgestellten Grundsätze auch für die ab dem 1. Januar 1999 geltende Rechtslage Anwendung finden. Soweit der Sozialhilfeträger  - wie hier der Beklagte - dem Hilfesuchenden, der sich wie der Kläger bereits in einer Einrichtung befindet, keine konkrete, zur Behebung seiner Notlage ebenfalls geeignete, anderweitige Hilfemöglichkeit nachweist oder wenn dem Hilfesuchenden die Wahrnehmung dieser Möglichkeit nicht zuzumuten ist, so muss der Sozialhilfeträger die Heimkosten in der tatsächlich entstehenden Höhe übernehmen, auch wenn eine der Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG n.F. oder die Voraussetzungen des § 93 Abs. 3 Satz 2 BSHG n.F. nicht vorliegen. Anderenfalls bliebe der Bedarf des Hilfesuchenden ungedeckt.

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Nach allem kann der Kläger von dem Beklagten für den gesamten Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides die Übernahme der entstehenden Heimkosten in voller Höhe verlangen. Der Beklagte kann sich demgegenüber nicht auf § 42 Abs. 1 SGB I berufen, wonach der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen kann, deren Höhe er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen nicht vor; denn die Höhe des Anspruches des Klägers steht aus den oben dargelegten Gründen fest und bedarf keiner weiteren Feststellungen. Insbesondere kommt es hierfür nicht auf den Ausgang des Streits zwischen der Klinikum W.  GmbH  und dem Niedersächsischen  Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben über die Höhe der Pflegesätze in dem hier betrachteten Zeitraum  an.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung zur  vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.