Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 21.11.2019, Az.: 11 UF 112/17
Invaliditätsvorsorge
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 21.11.2019
- Aktenzeichen
- 11 UF 112/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 69601
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 25.09.2017 - AZ: 4 F 3/17 VA
- nachfolgend
- BVerfG - AZ: 1 BvR 335/20
Rechtsgrundlagen
- § 28 VersAusglG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zu den Voraussetzungen von § 28 VersAusglG.
Tenor:
I. Die Beschwerde der Antragstellerin vom 31.10.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Osnabrück vom 25.09.2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht – Familiengericht – hat die am TT.MM.2011 geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten durch den am 12.05.2017 verkündeten Beschluss geschieden (Aktenzeichen: 4 F 3/17 S, Bl. 37 ff der Hauptakte) und die Folgesache Versorgungsausgleich abgetrennt. Mit Beschluss vom 25.09.2017 hat es den Versorgungsausgleich durchgeführt und die während der gesetzlichen Ehezeit vom TT.MM.2011 bis zum TT.MM.2016 erworbenen Anrechte der Ehegatten hälftig geteilt.
Das Anrecht des Antragsgegners bei der FF AG (EE AG) aus einer privaten Risikolebensversicherung wegen eines in der Ehezeit eingetretenen Versicherungsfalles bei Ehezeitende eine monatliche Rente in Höhe von 2.044,56 € hat es nicht ausgeglichen und hierzu ausgeführt, der Versicherungsfall sei bei der Antragstellerin nicht eingetreten. Die Voraussetzungen nach § 28 VersAusglG lägen nicht vor. Die Antragstellerin beziehe selbst keine Invaliditätsrente. Diese könne als Volljuristin in Vollzeit arbeiten. Es könne letztlich dahinstehen, ob der Begriff der Invalidität im Sinne des § 28 VersAuslgG für die Situation der Antragstellerin, nach der sie ausschließlich ihrer bisherigen Tätigkeit als Rechtsanwältin nicht mehr nachgehen könne, überhaupt Anwendung finde, da der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 21.06.2017 – Aktenzeichen: XII ZB 636/13 – klargestellt habe, dass sich aus § 28 VersAusglG ein allgemeiner Rechtsgedanke dahingehend entnehmen lasse, dass die Einbeziehung einer laufenden Invaliditätsrente in den Versorgungsausgleich grundsätzlich unbillig erscheine, wenn und soweit der Ausgleich dazu führe, dass dem ausgleichsberechtigten Ehegatten bei eigener fortbestehender Erwerbsfähigkeit der gesamte Ausgleichswert vollständig für die Altersversorgung zur Verfügung stehe, während das bei der ausgleichspflichtigen Person verbleibende Anrecht (auch) die Zeit seiner Invalidität bis zum Erreichen der Altersgrenze mit abdecken müsse. Die Antragstellerin sei unstreitig erwerbsfähig und auch erwerbstätig, was sich aus dem zum Versorgungsausgleich eingereichten Fragebogen ergebe, wonach diese bei der GG GmbH beschäftigt sei.
In den Versicherungsbedingungen der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (vgl. Bl. 108 Bd. I VA) des Antragsgegners ist ausgeführt:
„§ 1 Was ist versichert?
1. Wird die versicherte Person während der Dauer dieser Zusatzversicherung zu mindestens 50 Prozent berufungsunfähig, so entsteht der Anspruch auf … Versicherungsleistungen ….
2. …
§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?
1. a) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren Beruf auszuüben, es sei denn, sie übt eine andere, ihrer bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit aus oder könnte als Selbständiger, nach zumutbarer Umorganisation ihres Betriebes, eine ihrer bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit auszuüben.
b)
2. Teilweise Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die in Ziffer 1a) und b) genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen erfüllt sind ….“
Das Rechtsanwaltsversorgungswerk Niedersachsen hat den Antrag der Antragstellerin, ihr eine Berufsunfähigkeitsrente vom Versorgungswerk zu gewähren, mit Bescheid vom 28.11.2016 abgelehnt (Bl. 140 Bd. I VA) und sich dabei auf das Gutachten des Dr. HH vom 16.08.2016 gestützt, wonach die Antragstellerin durch die festgestellten Erkrankungen – einem Zustand nach erfolgreicher Behandlung einer depressiven Episode - definitiv und eindeutig nicht daran gehindert sei, beruflich juristische Sachverhalte zu würdigen, Mandanten in ihren Rechtsangelegenheiten zu beraten und ihre Interessen zielgerichtet nach außen zu vertreten. Die Antragstellerin könne vollschichtig kontinuierlich arbeiten (Bl. 142ff Bd. I VA). Die Antragstellerin könne als juristische Sachbearbeiterin bei einer Versicherung eine anwaltliche Tätigkeit ausüben und daher das Spektrum einer anwaltlichen Tätigkeit abdecken (Bl. 2 Bd. III VA).
Nach § 14 Abs. 1 der Satzung wird dem Mitglied eine Berufsunfähigkeitsrente gewährt, wenn es infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs unfähig ist und deswegen seine berufliche Tätigkeit einstellt (Bl. 5R Bd. III VA).
Gegen den Beschluss des Amtsgerichtes wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie den Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei der FF nach § 28 VersAusglG begehrt. Sie meint, sie erfülle die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Versorgung wegen Invalidität. Sie habe private Gutachten vorgelegt, in welchen ihre Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % festgestellt worden sei. Zudem führe sie einen gegen das Rechtsanwaltsversorgungswerk Niedersachen gerichteten Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück mit dem Ziel der Feststellung ihrer Berufungsunfähigkeit von 100 %. Das Familiengericht habe zudem verkannt, dass auch bei dem Antragsgegner keine Erwerbsunfähigkeit zu 100 % vorliege. Aus den Versicherungsbedingungen der Invaliditätsvorsorge des Antragsgegners reiche es für den Bezug einer Berufungsunfähigkeitsrente aus, wenn eine Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % vorliege.
Sie meint, es sei für den Ausgleich der Berufsunfähigkeitsrente unschädlich, dass sie bei Ehezeitende einer Erwerbstätigkeit bei der GG GmbH nachgegangen sei, da es sich bei dieser Teilzeiterwerbstätigkeit nicht um eine Tätigkeit gehandelt habe, die eine Ausbildung als Volljuristin voraussetze. Sie sei dort lediglich als Angestellte einer Versicherungsagentur tätig gewesen. Sie meint, es sei ausschließlich auf die Regelungen der Berufsunfähigkeitsversicherung abzustellen. Sie sei zu mehr als 50 % berufungsunfähig. Sie sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, den Beruf der Rechtsanwältin auszuüben. Vor ihrer Erkrankung während der Ehe habe sie den Beruf als Rechtsanwältin im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt, was ihr nicht mehr möglich sei. Sie habe deutliche Defizite im Bereich der Kognition, insbesondere der Konzentration. Ihr Gedankengang sei weitschweifig, wenig themenzentriert und ideenflüchtig. Zudem sei sie depressiv und eingeschränkt schwingungsfähig. Es bestehe ein Interessenverlust und Freudlosigkeit. Sie sei nicht mehr in der Lage, den Beruf der Juristin auszuüben. Soweit in der ärztlichen Stellungnahme vom 02.06.2016 ausgeführt werde, dass sie in der Lage sei, andere berufliche Tätigkeiten auszuüben, beziehe sich dieses auf nichtjuristische Berufe. Hätte sie einen identischen Vertrag wie der Antragsgegner abgeschlossen, würde sie die Versicherungsbedingungen für den Bezug der Invaliditätsrente erfüllen. Sie leide an einer Depression, die durch ihre berufliche Tätigkeit als Rechtsanwältin ausgelöst worden sei.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Osnabrück (Aktenzeichen: 4 F 3/17 VA) abzuändern und hinsichtlich der vom Antragsgegner bei dem Versorgungsträger FF AG (Aktenzeichen: (…)) in der Ehezeit erworbenen Anrechts den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gem. § 28 VersAusglG durchzuführen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 06.02.2018 (Bl. 31ff Bd. II VA) und vom 01.03.2018 (Bl. 44ff Bd. II VA) Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens darüber erhoben,
1. ob die Antragstellerin am 11.01.2017 (Zustellung des Scheidungsantrags) sowie andauernd wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes als
a. selbständige Rechtsanwältin
b. angestellte Rechtsanwältin
c. Juristin (bspw. als angestellte Juristin)
tätig zu sein sowie
2. ob die Antragstellerin vollständig unfähig ist, die unter Ziffer 1 a, b und c benannten Tätigkeiten auszuüben, ggf. in welchem Umfang die Unfähigkeit besteht die Tätigkeit/-en auszuüben.
Wegen des Ergebnisses der Begutachtung wird auf das Sachverständigengutachten nebst Ergänzungen des Sachverständigen Dr. med. Dipl. Psych. II vom 01.03.2018, 20.05.2018 und vom 15.08.2019 Bezug genommen (s. Sonderheft Gutachten).
Der Senat hat mit Beschluss vom 14.01.2019 (Bl. 29ff Bd. III VA) das vorliegende Verfahren gem. § 21 FamFG hinsichtlich des vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück unter dem Aktenzeichen 6 A 2/19 geführten Verfahren ausgesetzt.
Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat mit dem am 15.05.2019 verkündeten Urteil die gegen die Rechtsanwaltsversorgung Niedersachen auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente gerichteten Klage der Antragstellerin abgewiesen (vgl. Sonderheft Verwaltungsgericht Osnabrück). Das Verwaltungsgericht hat ein fachpsychiatrisches Gutachten eingeholt (vgl. Bl. 224ff Bd. II VA) und die weiteren - auch in diesem Verfahren - eingeholten Gutachten bei der Beurteilung einbezogen. Den Antrag auf Zulassung der Berufung vom 10.07.2019 hat die Antragstellerin unter dem 02.09.2019 zurückgenommen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 05.09.2019 das Zulassungsverfahren eingestellt (vgl. Sonderheft Verwaltungsgericht Osnabrück).
Mit Vorsitzendenverfügung vom 28.10.2019 hat der Senat das Verfahren nach rechtskräftigem Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wieder aufgenommen (Bl. 83 Bd. III VA) und darauf hingewiesen, dass die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Antragstellerin hatte Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme bis zum 13.11.2019.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss und die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Die Voraussetzungen des § 28 VersAusglG liegen nicht vor.
Nach § 28 VersAusglG ist ein Anrecht der Privatsorge wegen Invalidität nur auszugleichen, wenn der Versicherungsfall in der Ehezeit eingetreten ist und die ausgleichsberechtigte Person am Ende der Ehezeit eine laufende Versorgung wegen Invalidität bezieht oder die gesundheitlichen Voraussetzungen dafür erfüllt.
Voraussetzung des Ausgleichs ist also zunächst, dass der Versicherungsfall bei der ausgleichspflichtigen Person während der Ehezeit bereits eingetreten ist. Hintergrund dieser Regelung ist, dass bei solchen Anrechten versicherungsmathematisch in der Anwartschaftsphase nur ein geringes Deckungskapital aufgebaut wird. Dieses Deckungskapital wird erst nach Eintritt des Versicherungsfalles entsprechend erhöht. Mithin fehlt es in der Anwartschaftsphase solcher Anrechte an einer für den Versorgungsausgleich geeigneten Ausgleichsmasse (vgl. BT Drs. 16/10144 S. 69).
Der Versicherungsfall ist bei dem Antragsgegner bereits in der Ehezeit eingetreten.
Der Antragsgegner bezog bereits am Ende der Ehezeit eine laufende Versorgung wegen Invalidität. Ausweislich der Auskunft der FF vom 07.04.2017 (Bl. 37ff Bd. I VA) bezieht der Antragsgegner aufgrund eines während der Ehe eingetretenen Versicherungsfalles eine laufende Versorgung wegen Invalidität, die monatlich zum Ende der Ehezeit 2.044,56 € betrug und fortlaufend gezahlt wird (Bl. 105ff Bd. I VA).
Gleichwohl ist das Anrecht nicht schuldrechtlich gem. § 28 Abs. 3 VersAusglG nach den Regelungen der §§ 20 bis 22 VersAusglG auszugleichen, da die Antragstellerin weder eine Invaliditätsrente bezieht noch die gesundheitlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt.
Der Ausgleich eines Anrechts der Privatvorsorge wegen Invalidität ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die ausgleichsberechtigte Person selbst eine Invaliditätsrente bezieht oder aber die gesundheitlichen Voraussetzungen dafür erfüllen würde. Nur in diesen Fällen besteht nämlich – in Abwägung mit den für die ausgleichspflichtige Person verbundenen Folgen der Kürzung – ein Bedarf für die Teilhabe der ausgleichsberechtigten Person an der laufenden Versorgung der ausgleichspflichtigen Person (BT Drs. 16/10144 S. 69). Nach der gesetzgeberischen Intention muss also spiegelbildlich der Versorgungsfall auch bei der ausgleichsberechtigten Person als Voraussetzung für die Teilhabe vorliegen (BT Drs. 16/10144 S. 69).
Die Antragstellerin bezieht keine laufende Versorgung wegen Invalidität.
Sie bezieht keine Versorgung wegen Berufungsunfähigkeit aus dem Rechtsanwaltsversorgungswerk Niedersachsen. Ihr hierauf gerichteter Antrag vom 17.05.2016 wurde rechtskräftig zurückgewiesen. Zunächst wurde ihr Antrag auf Gewährung einer Berufungsunfähigkeitsrente vom Versorgungswerk mit Bescheid des Rechtsanwaltsversorgungswerks Niedersachsen vom 28.11.2016 abgelehnt (Bl. 140 Bd. I VA). Ihre dagegen gerichtete Klage wurde durch das am 15.05.2019 verkündete Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück (Aktenzeichen: 6 A 2/199) zurückgewiesen (vgl. Sonderheft Verwaltungsgericht Osnabrück). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat nach Rücknahme des Antrags der Antragstellerin auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 05.09.2019 das Zulassungsverfahren eingestellt (vgl. Sonderheft Verwaltungsgericht Osnabrück).
Die Antragstellerin erfüllte am Ende der Ehezeit auch nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Invaliditätsrente. Auf welche Voraussetzungen im Einzelnen insoweit abzustellen ist, regelt das Gesetz nicht.
Es wird vertreten, dass es nicht erforderlich ist, dass die ausgleichsberechtigte Person dieselben im Versicherungsvertrag der ausgleichspflichtigen Person bestimmten Voraussetzungen für eine Erwerbs- oder Berufungsunfähigkeit erfüllt (vgl. Holzwarth in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. Auflage, § 28 VersAusglG Rn. 5; Breuers in Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 28 VersAusglG Rn. 17). Bezieht - wie vorliegend - die ausgleichsberechtigte Person selbst keine laufende Leistung wegen Invalidität, soll eine Orientierung an der Definition in § 43 SGB VI oder § 56 SGB VII bzw. aus dem Versorgungssystem, dem die ausgleichberechtigte Person selbst angehört, möglich sein (vgl. Wick, Der Versorgungsausgleich, 4. Auflage 2017, Rn. 351). Mithin kommen mehrere Maßstäbe in Betracht. Es kann auf die Versicherungsbedingungen der Berufsunfähigkeitsversicherung, auf das Regelsicherungssystem der ausgleichsberechtigten Person sowie auf die Regelungen der deutschen Rentenversicherung abgestellt werden.
Ausweislich der Bedingungen für die Invaliditätsversorgung des Antragsgegners muss mindestens eine 50-prozentige Berufungsunfähigkeit vorliegen. Eine Berufsunfähigkeit liegt nach den Versicherungsbedingungen vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren Beruf auszuüben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Versicherungsbedingungen (vgl. Bl. 108 Bd. II) Bezug genommen.
Das Rechtsanwaltsversorgungswerk Niedersachsen gewährt seinen Mitgliedern eine Berufsunfähigkeitsrente, wenn dieses infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs unfähig ist und deswegen seine berufliche Tätigkeit einstellt (vgl. Bl. 5R Bd. III VA). Dabei ist ausweislich des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 15.05.2019 und der in Bezug genommenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung die Frage der Berufsunfähigkeit am Maßstab des Rechtsanwaltsberufs zu messen. Eine Berufsunfähigkeit ist erst dann anzunehmen, wenn dem Mitglied jedwede anwaltliche Tätigkeit zur Erzielung eines mehr als nur unwesentlichen Einkommens nicht mehr möglich ist. Ob das Mitglied seine bisherige anwaltliche Tätigkeit noch weiter fortführen kann, spielt ebenso wenig eine Rolle, wie die Frage, ob das Mitglied in der Lage ist, das gesamte Spektrum anwaltlicher Tätigkeitsbereiche abzudecken. Erforderlich ist lediglich, dass die dem Mitglied verbleibende Betätigungsmöglichkeiten noch dem anwaltlichen Berufsbild entspricht, was jedenfalls dann der Fall ist, wenn die Betätigungsmöglichkeit noch als eigenverantwortliche Rechtsberatungstätigkeit qualifiziert werden kann und der sich aus ihnen ergebende Tätigkeitszuschnitt in der Berufswirklichkeit tatsächlich und nicht nur theoretisch oder in extremen Ausnahmefällen anzutreffen ist. Auch eine rein schriftliche Tätigkeit, wie die Erstellung von Schriftsätzen und Rechtsgutachten, kann nach den Umständen des Einzelfalls dem anwaltlichen Berufsbild entsprechen. Die Arbeit ist jedenfalls noch als eigenverantwortliche anwaltliche Rechtsberatungstätigkeit zu qualifizieren, solange diese frei von fachlichen Weisungen erfolgt und es sich nicht lediglich um wissenschaftliche Hilfsdienste handelt (vgl. Urteil des VG Osnabrück – Sonderheft Verwaltungsgericht Osnabrück – mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
In der gesetzlichen Rentenversicherung besteht ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente, wenn ein Versicherter, wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei (vollständige Erwerbsminderung) oder sechs (teilweise Erwerbsminderung) Stunden täglich erwerbstätig zu sein (vgl. § 43 SGB 6).
Die Invaliditätsversicherung des Antragsgegners sowie die Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen stellen bei der Bewertung der Invalidität auf den Beruf als zentralen Begriff ab. Im Vergleich zu den Regelungen der Erwerbsminderung in der gesetzlichen Rentenversicherung geht es bei der Invaliditätsversicherung und bei der Rechtsanwaltsversorgung also nicht um Erwerbsminderung, Krankheit oder bestimmte Unfallfolgen. Im Vergleich der Regelungen der Invaliditätsversicherung des Antragsgegners und der Rechtsanwaltsversicherung sichert das Versorgungswerk nur das Risiko der vollständigen Berufsunfähigkeit, dass der Invaliditätsversicherung des Antragsgegners bereits das Risiko einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % ab.
Da die Antragstellerin in keinem dieser Systeme die Voraussetzungen für den Leistungsbezug bei Invalidität erfüllt, kann es im Ergebnis dahinstehen, welcher Maßstab maßgeblich ist. Die Antragstellerin ist nämlich in der Lage jedenfalls als Syndikusanwältin vollschichtig zu arbeiten.
Ausweislich des von dem Senat eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten nebst den ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. med. Dipl. Psych. II vom Forensischen Institut (…) waren bei der Antragstellerin keinerlei gravierende Befunde zu erheben, die sich nennenswert auf deren Leistungsminderung in den Tätigkeitsfeldern als angestellte Rechtsanwältin oder als Juristin auswirken. Lediglich im Tätigkeitsfeld als selbständige Rechtsanwältin bestehe bei der Antragstellerin in Folge ihrer früheren Erfahrungen inzwischen habituierte und festgefahrene Aversion gegen eine solche Tätigkeit. Es sei nachvollziehbar, dass die Antragstellerin – wenn auch nicht im engeren Sinne krankheitsbedingt – aufgrund ihrer hochgradigen Impulsivität über kurz oder lang erneut in der Betreuung von Mandanten mit diesen oder anderen Beteiligten in eskalationsträchtige Verwicklungen geraten würde, die auf mittlere Sicht ihre berufliche Eignung in Frage stellen würde bzw. eine sinnvolle Ausübung des Berufs nahezu unmöglich machen würde. Unter anderen Bedingungen, nämlich unter Kontrolle und Möglichkeit durch Supervision und Korrekturen durch Vorgesetzte, sehe dies anders aus. So habe die Antragstellerin selbst nachvollziehbar geschildert, dass sie, wenn ihr die Last der Allein- und Letztverantwortung genommen werden würde, durchaus in ihrem eigenen Berufsfeld als Juristin suffizient in der Lage wäre, auch vollschichtig ihrer Tätigkeit nachzugehen. Der Sachverständige diagnostizierte eine leicht depressive Episode sowie eine emotional instabile Persönlichkeit, impulsiver Typ. Darüberhinausgehend stellte er keine Diagnosen und führte zu den zu früheren Zeitpunkten gestellten Diagnosen laut Auskunft insbesondere der ärztlichen Unterlagen fest, dass diese in den letzten Jahren weitgehend remittiert seien, so dass jedenfalls im Laufe des Jahres 2016 eine Besserung eingetreten sei.
Vor diesem Hintergrund steht fest, dass die Antragstellerin jedenfalls - so auch das verwaltungsgerichtliche Urteil - als Syndikusanwältin im Sinne des § 46 BRAO vollschichtig arbeiten könnte. In dem Urteil des Verwaltungsgerichts wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Klägerin bspw. auch als Rechtsanwältin in einer Versicherung im Bereich der Sachbearbeitung auf juristischer Ebene arbeiten könnte, zumal eine solche Tätigkeit deutlich weniger emotionsbelastet wäre, als ihre frühere Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin, die eine Kanzlei betreibt. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat vollumfänglich an.
Unter Berücksichtigung dessen, dass die Antragstellerin jedenfalls als Syndikusanwältin vollschichtig arbeiten könnte, erfüllt sie keiner der benannten Voraussetzungen für den Bezug einer Invaliditätsrente (s.o.). Vor diesem Hintergrund war die Beschwerde zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 150 Abs. 1, 4 und 5 FamFG. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 40, 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG.