Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 24.08.2005, Az.: 6 A 3583/03
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 24.08.2005
- Aktenzeichen
- 6 A 3583/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 43274
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0824.6A3583.03.0A
Amtlicher Leitsatz
§ 55c Abs. 2 Satz 3 SVG lässt Änderungen des Kürzungsbetrags der Versorgungsbezüge nur bei Erhöhung oder Verringerung des Ruhegehalts zu, zu dem Sonderzuwendungen (nunmehr: Sonderzahlungen) - also das sog. Weihnachtsgeld - nicht gehören. Dies gilt selbst dann, wenn die spätere Verringerung der Sonderzuwendungen wegen Unwesentlichkeit nicht im sachnahen Bereich, nämlich durch Abänderung des familiengerichtlichen Urteils über den Versorgungsausgleich gemäß § 10a VersorgAusglHärteG, berücksichtigt werden kann.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten, dass diese bei der Kürzung seiner Versorgungsbezüge nach § 55 c SVG zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass sich die früher bei der Errechnung der Versorgungsanwartschaften für seine geschiedene Ehefrau angesetzten Sonderzuwendungen (Weihnachtsgeld) zwischenzeitlich verringert haben.
Der Kläger wurde als Berufssoldat der Bundeswehr mit Ablauf des 31. März 1992 in den Ruhestand versetzt. Seit dem 1. April 1992 erhält er Versorgungsbezüge in Höhe von 75 % seiner jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge.
Nach dem Eintritt des Klägers in den Ruhestand wurde seine Ehe mit Frau R. durch das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 21. Mai 1992 (51 F 7/92) geschieden. Das Gericht setzte darin zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Klägers monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 1.425,31 DM (728,75 Euro) - bezogen auf den 31. Dezember 1991 (Eheende) - zu Gunsten der geschiedenen Ehefrau fest. Bei der Berechnung der Versorgungsanwartschaft des Klägers im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurde ein Betrag in Höhe von 3.940,94 DM bestehend aus einem monatlichen Ruhegehalt in Höhe von 3.637,79 DM zuzüglich 1/12 der jährlichen Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) in Höhe von 303,15 DM (Schreiben des Wehrbereichsgebührnisamtes vom 18. März 1992, Nr. 2.6) zugrunde gelegt. Das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg wurde am 24. November 1992 rechtskräftig.
Seit dem 1. Januar 2003 bezieht die geschiedene Ehefrau des Klägers Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - BfA -. Daraufhin kürzte die Wehrbereichsverwaltung West mit Bescheid vom 9. Januar 2003 die Versorgungsbezüge des Klägers ab dem 1. Januar 2003 in Höhe von monatlich 951,63 Euro gemäß der anliegenden Berechnung. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass sich der Kürzungsbetrag künftig in demselben Verhältnis erhöht oder verringert, in dem sich das Ruhegehalt vor Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften durch Anpassung der Versorgungsbezüge erhöht oder vermindert. Zur Begründung führte sie aus, mit Beginn des Rentenbezugs der geschiedenen Ehefrau seien die Versorgungsbezüge nach § 55 c Abs. 1 Satz 2 SVG gemäß dem vom Familiengericht festgesetzten und nach § 55 c Abs. 2 SVG fortgeschriebenen Versorgungsausgleich zu kürzen. Die künftige Anpassung ergebe sich aus § 55 c Abs. 2 Satz 3 SVG.
Am 10. Februar 2003 erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, bei der Kürzung seiner Versorgungsbezüge werde nicht berücksichtigt, dass sich zwischenzeitlich die Höhe der Sonderzuwendungen erheblich verringert habe. Während seine geschiedene Ehefrau durch Berücksichtigung von 1/12 seiner jährlichen Sonderzuwendung bei Berechnung der Rentenanwartschaft profitiere, trage er allein die Verringerung dieser Zuwendungen durch die errechnete Kürzung. Das Missverhältnis sei besonders krass, wenn die Sonderzuwendungen künftig in voller Höhe wegfielen. Ein kosten- und zeitintensiver Antrag beim Familiengericht auf entsprechende Änderung des Fortschreibungsbetrags ließe sich durch eine Berücksichtigung von 1/12 der Sonderzuwendung jeweils beim Ruhegehalt neuer und alter Stand im Rahmen der Berechnung des Kürzungsbetrags vermeiden. Dadurch würde sich derzeit der Kürzungsbetrag um 10,02 Euro auf 941,61 Euro verringern.
Die Wehrbereichsverwaltung West wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27. August 2003 zurück. Ergänzend führte sie aus, sie sei an den rechtskräftig familiengerichtlich festgesetzten Ausgangsbetrag der begründeten Rentenanwartschaften (1.425,31 DM bezogen auf den 31. Dezember 1991) gebunden und könne die Verringerung der jährlichen Sonderzuwendung nicht berücksichtigen.
Der Kläger hat am 30. September 2003 unter Bezugnahme auf sein Vorbringen aus dem Vorverfahren Klage erhoben. Ergänzend trägt er vor: § 10 a des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich - VersorgAusglHärteG - lasse hier eine Abänderung der familiengerichtlichen Feststellungen nicht zu, weil die Abweichung nicht wesentlich sei. Die Rechtskraft des familiengerichtlichen Urteils beziehe sich nur auf den Ausgangsbetrag der Rentenanwartschaften, hinsichtlich der Fortschreibung könne die Beklagte Verringerungen der Sonderzuwendungen berechnen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung West vom 9. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2003 aufzuheben, soweit darin eine Kürzung der Versorgungsbezüge nach durchgeführtem Versorgungsausgleich ohne Berücksichtigung der tatsächlichen zwischenzeitlichen Verringerungen der Sonderzuwendungen erfolgt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und erwidert ergänzend, ohne Abänderung des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Oldenburg vom 21. Mai 1992 könne kein anderer als der dort genannte Versorgungsausgleich berücksichtigt werden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitgegenstandes wird auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die vom Kläger allein beanstandete Kürzung der Versorgungsbezüge nach § 55 c SVG ohne Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Verringerung seiner Sonderzuwendungen (nunmehr: Sonderzahlung) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die vorgenommene Kürzung der Versorgungsbezüge - ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung der Sonderzuwendungen - ist § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 55 Abs. 2 Satz 1 und 3 SVG. Sind - wie hier - Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587 b Abs. 2 BGB durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden, werden nach Wirksamkeit dieser Entscheidung gemäß § 55 Abs. 1 SVG die Versorgungsbezüge des verpflichteten Ehegatten und seiner Hinterbliebenen nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften um den nach Abs. 2 oder 3 berechneten Betrag gekürzt. Gemäß § 55 c Abs. 1 Satz 2 SVG tritt die Kürzung erst ein, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren ist. Der Kürzungsbetrag für das Ruhegehalt berechnet sich nach § 55 c Abs. 2 Satz 1 SVG aus dem Monatsbetrag der durch die Entscheidung des Familiengerichts begründeten Anwartschaften. Vom Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand an, bei einem Soldaten im Ruhestand vom Tage nach dem Ende der Ehezeit an, erhöht oder vermindert sich der Kürzungsbetrag in dem Verhältnis, in dem sich das Ruhegehalt vor Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften durch Anpassung der Versorgungsbezüge erhöht oder vermindert (§ 55 c Abs. 2 Satz 3 SVG).
Die genannten Vorschriften knüpfen aus Gründen der Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung in Massenverfahren an die durch rechtskräftige Entscheidung des Familiengerichts begründeten Rentenanwartschaften an und lassen keinen Spielraum für die zusätzliche Berücksichtigung einer nachträglichen Erhöhung oder Verringerung jährlicher Sonderzuwendungen. Insbesondere § 55 c Abs. 2 Satz 3 SVG legt gesetzlich fest, dass Änderungen des Kürzungsbetrags lediglich an die (spätere) Erhöhung oder Verringerung des Ruhegehalts (§ 18 Abs. 1 SVG) anknüpfen, zu dem Sonderzuwendungen als nicht ruhegehaltfähige sonstige Dienstbezüge nicht gehören (vgl. zur gleichlautenden Vorschrift in § 5 BeamtVG: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, § 5 BeamtVG Rn 5; Strötz, in: GKÖD, § 5 BeamtVG Rn 22). Im Übrigen müssen Veränderungen im sachnäheren Bereich, also im Versorgungsausgleichsrecht erwirkt werden. Schon wegen der Rechtskraft des zugrunde liegenden familiengerichtlichen Urteils müsste der Kläger eine Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich - VersorgAusglHärteG - beim zuständigen Amtsgericht beantragen. Hierauf hat ihn die Wehrbereichsverwaltung West im Widerspruchsverfahren auch durch Schreiben vom 12. Februar 2003 hingewiesen. Soweit sich der Gesetzgeber in § 10a VersorgAusglHärteG - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. November 1992 - 1 BvL 17/89 - BVerfGE 87, 348 und vom 29. Juni 1993 - 1 BvR 661/93 - juris) - entschieden hat, Änderungen bei unwesentlichen Abweichungen auszuschließen, sind die entsprechenden Konsequenzen im Interesse der Rechtssicherheit sowie der Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Gerichte und Versorgungsträger mit einer Vielzahl von Abänderungsverfahren auch im Rahmen der hier streitigen Kürzung der Versorgungsbezüge nach § 55 c SVG hinzunehmen. Anderenfalls ginge eine erfolgreiche (weitere) Kürzung zu Lasten des Dienstherrn, der der BfA gegenüber im Hinblick auf die Rentenleistung an die geschiedene Ehefrau des Klägers gemäß § 225 SGB VI erstattungspflichtig ist.
Folglich war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.