Landgericht Hildesheim
Urt. v. 16.01.1997, Az.: 4 O 489/96
Geltendmachung eines Vandalismusschadens bei einer Kaskoversicherung; Anspruch eines Versicherungsnehmers auf Ersatz eines geltend gemachten Kaskoschadens gegenüber seiner Versicherung; Beweiserleichterung eines Versicherungsnehmers wegen fehlender Nachweisbarkeit des Schadenseintritts; Voraussetzungen für einen Unfall im Sinne des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG); Leistungsfreiheit der Versicherung bei Anzeige eines Unfalls
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 16.01.1997
- Aktenzeichen
- 4 O 489/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 23971
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:1997:0116.4O489.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs. 1 IIf AKB
- § 12 Abs. 1 IIe AKB
- § 61 VVG
Fundstelle
- VersR 1997, 1096-1098 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechsstreitverfahren
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 1996
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
den Richter am Landgericht ... sowie
den Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.200,- DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Versicherungsunternehmen auf Ausgleich eines Kaskoschadens in Anspruch.
Die Klägerin ist Halterin eines Wohnmobils vom Typ Fiat Camp 46 mit dem amtlichen Kennzeichen ... welches sie mit Kaufvertrag vom 16.3.1996 gebraucht zum Preise von 29.900,- DM erworben hat. Ein Wohnmobil gleichen Typs ist bei dem Kauf für 17.900,- DM in Zahlung gegeben worden. Halter des in Zahlung gegebenen Wohnmobils war der Ehemann der Klägerin, ... welcher unter dem 21.7.1996 - rund 4 Monate nach Erwerb dieses Wohnmobils - einen Kaskoschaden an dem Fahrzeug geltend gemacht und entsprechend liquidiert hatte; das Fahrzeug wurde unrepariert in Zahlung gegeben.
Das Wohnmobil der Klägerin wurde unter dem 29.3.1996 bei der Beklagten haftpflicht- und kaskoversichert. Bereits am 10.4.1996 meldete die Klägerin bei der Polizei in Bad Nauheim eine Beschädigung ihres Wohnmobils. Sie gab an, das Fahrzeug am Abend des 9.4.1996 auf einem öffentlichen Parkplatz in der Nähe eines Eisstadions abgestellt und das Fahrzeug für etwa eine halbe Stunde verlassen zu haben. Nach der Rückkehr habe sie das Wohnmobil in beschädigtem Zustand vorgefunden; die Außenwände des Wohnmobils waren an mehreren Stellen leicht eingedellt, wobei die Beschädigungen gleichmäßig über alle Seiten des Fahrzeugs verteilt waren. Hinsichtlich des Schadensbildes wird auf Anlage B 1 der Klagerwiderung vom 27.11.1996 einschließlich der dortigen Fotos Bezug genommen.
Am 11.4.1996 wurde der Schaden der Klägerin gegenüber angezeigt und Ersatz in Höhe der Klagforderung auf Gutachtenbasis geltend gemacht. Die Beklagte hat ihre Einstandspflicht mit der Begründung abgelehnt, das äußere Schadensbild lasse nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Beschädigung durch Dritte schließen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 17.075,03 nebst 4 % Zinsen seit dem 24.7.1996 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, daß der geltend gemachte Schaden im Sinne von § 12 Abs. 1 II f AKB durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen hervorgerufen wurde.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Giesen 10 UJs 10582/96 sowie das Protokoll vom 19.12.1996 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz des von ihr geltend gemachten Kaskoschadens. Der Klägerin stehen insoweit Ansprüche aus § 12 Abs. 1 II f AKB nicht zu.
a)
§ 12 Abs. 1 II f AKB statuiert eine Beweiserleichterung zugunsten des Versicherungsnehmers, der in aller Regel nicht in der Lage ist nachzuweisen, wann, durch wen und auf welche Art und Weise der von ihm geltend gemachte Kaskoschaden hervorgerufen wurde. Ebenso wie in zahlreichen Diebstahlsfällen wäre der Versicherungsnehmer weitgehend schutzlos, müßte er hinsichtlich der Verursachung des Schadensfalles einen Vollbeweis erbringen. Zum Nachweis des Versicherungsfalles reicht es demnach grundsätzlich aus, wenn ein äußeres Bild vorliegt, das mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen läßt, daß die Schäden am Fahrzeug des Versicherungsnehmers auf ein mutwilliges Verhalten Dritter zurückzuführen sind (OLG Hamm, VersR 96, 881).
Die aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 12 Abs. 1 AKB folgende Beweiserleichterung kann der Klägerin im vorliegenden Fall nicht zugutekommen. Hierbei kann dahinstehen, ob die Klägerin ein Schadensbild dargetan hat, das den Erfordernissen des § 12 Abs. 1 AKB genügt, denn die Beklagte hat eine Reihe von Indizien vorgetragen, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Vortäuschen eines Versicherungsfalles begründen. Jedenfalls war aufgrund des Schadensbildes und der gesamten Umstände des Schadensfalles nicht davon auszugehen, daß das versicherte Fahrzeug durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen beschädigt wurde. Dies geht zu Lasten der Klägerin.
b)
Zunächst einmal sprechen bereits Art und Umfang der geltend gemachten Schäden gegen die von der Klägerin dargelegte Beschädigung durch Rowdys, die sich mit Eishockey- und Baseballschlägern in der Nähe des Parkplatzes, auf welchem das Fahrzeug abgestellt war, des öfteren aufhalten sollen. Das gesamte Schadensbild spricht gegen die Annahme, die einzelnen Schäden seien durch Vandalismus hervorgerufen worden. Dies ergibt sich bereits anschaulich aus den zu den Akten gereichten Fotos des beschädigten Fahrzeugs (Anlage B 1), ausweislich derer es sich bei dem als Schaden geltend gemachten Einkerbungen an dem versicherten Fahrzeug um solche handelt, die lediglich die Außenhaut des Wohnmobils beeinträchtigt haben, die tiefergelegenen Schutz- und Isolierschichten jedoch offensichtlich unversehrt gelassen haben. Nach Überzeugung der Kammer handelt es sich hierbei um Schäden, die mit Bedacht und Vorsicht hervorgerufen worden sein müssen und demnach nicht dem Vandalismus unbeteiligter Dritter zugerechnet werden können.
Es ist gerichtsbekannt, daß das von sog. Vandalismustätern hervorgerufene Schadensbild von dem von der Klägerin geltend gemachten Schaden erheblich abweicht, da derartige Täter gerade nicht mit Bedacht und Vorsicht agieren und ein Schadensbild verursachen, daß das Fahrzeug weder optisch noch technisch erheblich beeinträchtigt, jedoch zur Wiederherstellung einen unverhältnismäßig hohen Kostenaufwand erfordert (vgl. zu dieser Einschätzung bei einem vergleichbaren Schadensbild auch OLG Hamm a.a.O.).
Verstärkt wird diese Einschätzung weiter durch die Tatsache, daß die Einkerbungen gleichmäßig an allen vier Außenseiten des Fahrzeugs verteilt sind, was von Vandalismustätern wegen des größeren Risikos der Entdeckung nicht zu erwarten ist und was eine aufwendige und kostenintensive Erneuerung der gesamten Außenhaut des Wohnmobils erfordert, während die vorgefundenen Schäden ohne großen Aufwand - soweit überhaupt erforderlich - behoben werden können, um das Fahrzeug wieder herzustellen. Bezeichnend erscheint in diesem Zusammenhang, daß die Klägerin bereits kurze Zeit nach Meldung des Schadens um eine Regulierung "auf Gutachtenbasis" gebeten hat, eine Reparatur des Wohnmobils offensichtlich also gar nicht vorgesehen war.
c)
Gegen die Vermutung, daß der geltend gemachte Schaden durch betriebsfremde Dritte hervorgerufen wurde, sprechen ferner die teilweise abweichenden Angaben der Klägerin im Rahmen der gesamten Schadensmeldung. Während die Klägerin bei der polizeilichen Strafanzeige vom 10.4.1996 angegeben hatte, der Spaziergang, während dessen der Schaden hervorgerufen worden sei, habe in der. Zeit zwischen 19.30 Uhr und 20.00 Uhr stattgefunden, hat sie der beklagten Versicherung gegenüber angegeben, der Schaden sei zwischen 18.00 Uhr und 18.30 Uhr erfolgt, hiernach habe sie den Schaden festgestellt. In weiterem Widerspruch hierzu steht die Angabe der Klägerin in der Strafanzeige, sie habe den Schaden erst am Morgen des 10.4.1996 gegen 8.30 Uhr festgestellt.
d)
Die Vermutung einer Drittverursachung wird schließlich durch den Umstand erschüttert, daß der Ehemann der Klägerin als Halter eines Wohnmobils gleichen Typs erst kurze Zeit vor dem hier in Rede stehenden Schadensfall einen Kaskoschaden vergleichbarer Art seiner Versicherung gegenüber geltend gemacht, in Höhe von ca. 12.000,- DM abgerechnet hat und auch in diesem Falle eine Reparatur des Fahrzeugs nicht erfolgte, dieses vielmehr in unrepariertem Zustand für 17.900,- DM für das im Anschluß hieran von der Klägerin versicherte Wohnmobil in Zahlung gegeben wurde. Wenn das auf den Namen der Ehefrau versicherte Wohnmobil nur einige Tage nach dessen Zulassung in ähnlicher Weise beschädigt wurde und sogleich erneut auf Gutachtenbasis abgerechnet werden soll, widerspricht es jeglicher Lebenserfahrung, daß der geltend gemachte Schaden erneut durch betriebsfremde Dritte verursacht wurde. Dies wäre zur Überzeugung der Kammer eine jeder Lebenswahrscheinlichkeit entgegenstehende Duplizität der Ereignisse.
e)
Kann nach alledem der Klägerin die aus § 12 Abs. 1 AKB folgende Beweiserleichterung nicht zugutekommen, so hätte sie die Beschädigung ihres Wohnwagens durch Dritte im einzelnen darlegen und beweisen müssen, was nicht geschehen ist.
2.
Die Einstandspflicht der Beklagten folgt auch nicht aus § 12 Abs. 1 II e AKB. Zwar stellen die Schäden am Wohnmobil der Klägerin einen Unfall im Sinne dieser Vorschrift dar, die Beklagte bleibt jedoch nach Maßgabe des § 61 VVG leistungsfrei.
a)
Der Begriff des Unfalls setzt im versicherungsrechtlichen Sinne nicht voraus, daß dieser unfreiwillig erfolgte. Ausreichend und erforderlich ist vielmehr ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis. Ein Unfall in diesem Sinne ist demnach auch gegeben, wenn die Klägerin als Versicherungsnehmerin die Beschädigung selbst herbeibeführt oder in Auftrag gegeben haben sollte (vgl. hierzu BGH VersR 81, 450).
b)
Die Beklagte als Versicherer ist jedoch leistungsfrei. Sie hat zur Überzeugung der Kammer im Sinne von § 61 VVG hinreichend dargetan, daß der Versicherungsfall durch die Klägerin herbeigeführt wurde. Insoweit ist eine besonders hohe oder gar 100%ige Wahrscheinlichkeit für das Herbeiführen des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer nicht erforderlich, vielmehr ist eine hohe Wahrscheinlichkeit für die maßgebliche Überzeugungsbildung ausreichend (BGH VersR 85, 330). Eine derartig hohe Wahrscheinlichkeit aber gründen die zu Nr. 1. der Entscheidungsgründe dargelegten Indizien durchweg. Positive Beweise sind insofern nicht erforderlich, insoweit kamen auch der beklagten Versicherung im Rahmen von § 61 VVG bestimmte Beweiserleichterungen zugute (vgl. hierzu OLG Hamm, BGH, a.a.O.).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.