Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.05.1998, Az.: 1 Ws 101/98 (StrVollz)

Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen die Richterablehnung als unbegründet zurückweisenden Beschluss ; Anfechtung einer den Antrag auf Ablehnung als erkennenden Richter zurückweisenden Entscheidung nur zusammen mit dem Urteil; Ausschluss der sofortigen Beschwerde im Beschleunigungsinteresse der Hauptverhandlung auch in Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz; Wirksamkeit der Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle bei fehlender Unterschrift des Urkundsbeamten aber feststehender Urheberschaft der Niederschrift

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.05.1998
Aktenzeichen
1 Ws 101/98 (StrVollz)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 17876
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1998:0526.1WS101.98STRVOLLZ.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG ... - 06.03.1998 - AZ: 17 StVK 522/97
LG - 17.03.1998

Fundstelle

  • NStZ-RR 1999, 62-63 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Ablehnung einer Schulterspiegelung

Prozessführer

...,

Prozessgegner

...
vertreten durch die Anstaltsleiterin,

In der Strafvollzugssache
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
nach Anhörung des Niedersächsischen Ministeriums der Justiz und für Europaangelegenheiten, vertreten durch die Generalstaatsanwaltschaft in Celle, am 26. Mai 1998
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Amtsgericht ...
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... in ... vom 6. März 1998 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

  2. 2.

    Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß der 2. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... in ... vom 17. März 199.8 wird als unzulässig verworfen.

  3. 3.

    Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen trägt der Antragsteller.

  4. 4.

    Der Streitwert wird auf 100 DM festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller befindet sich in der Justizvollzugsanstalt ... in Sicherungsverwahrung. Er leidet an einer Arthrose des rechten Schultergelenks. Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 18. November 1997 will er die Behandlung der Erkrankung mittels einer Schultergelenkspiegelung mit Glätten der Gelenkflächen erreichen. Am 5. Februar 1998 lehnte er den zuständigen Richter der Strafvollstreckungskammer wegen Besorgnis der Befangenheit ab, weil der Richter in einem früheren Beschluß ausgeführt habe: "Der wirr darauf losschreibende Antragsteller möchte ...". Durch Beschluß vom 6. März 1998 hat die Strafvollstreckungskammer die Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschluß ist ausweislich der Akten am 16. März 1998 an den Antragsteller abgesandt worden. Am 17. März 1998 wies die Strafvollstreckungskammer in der Besetzung mit dem erfolglos abgelehnten Richter den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück.

2

I.

Der Antragsteller verfolgt die Ablehnung mit der am 21. April 1998 beim Amtsgericht ... eingegangenen sofortigen Beschwerde weiter. Die Beschwerde ist unzulässig.

3

Nach § 120 Abs. 1 StVollzG sind die Bestimmungen der Strafprozeßordnung im gerichtlichen Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG entsprechend anzuwenden. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO ist gegen den Beschluß, durch den die Richterablehnung als unbegründet zurückgewiesen wird, die sofortige Beschwerde zulässig. Betrifft die Entscheidung einen erkennenden Richter, kann sie nach § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden. Erkennender Richter ist der zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung berufene Richter (LR-Wendisch StPO, 24. Aufl. § 28 Rdn. 12; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl. § 28 Rdn. 6). Die Eigenschaft als erkennender Richter beginnt mit dem Erlaß des Eröffnungsbeschlusses (BGHSt 31, 15; BGH NJW 1952, 234;  1962, 260, 261) [BGH 28.11.1961 - 1 StR 432/61]. Eine Entscheidung, durch die die Ablehnung eines erkennenden Richters als unbegründet zurückgewiesen wird, kann danach nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden. In gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz gibt es zwar keine Hauptverhandlung. Die Besonderheiten dieses Verfahrens gebieten es aber, § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend anzuwenden.

4

Der Zweck des vorläufigen Ausschlusses der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung von Ablehnungen und deren Verweisung auf die Anfechtung der Hauptentscheidung gilt auch im Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG (Beschluß des nies. 3. Strafsenats vom 22. Juli 1980 - 3 Ws 316/80 (StrVollz) -; a. A. KG NStZ 1983, 44; OLG Nürnberg NStZ 1988, 475). § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO dient der Beschleunigung des strafgerichtlichen Hauptverfahrens. Dessen Fortgang soll nicht durch Rechtsmittel aufgehalten werden. Es handelt sich dabei um einen allgemeinen Grundsatz, der nur wenige, in § 305 StPO ausdrücklich aufgeführte Ausnahmen hat. Das Beschleunigungsinteresse geht nicht nur dahin, die zügige Durchführung der bereits begonnenen Hauptverhandlung zu sichern. Denn die sofortige Beschwerde ist bereits ab Erlaß des Eröffnungsbeschlusses ausgeschlossen, auch wenn das Verfahren noch nicht terminiert oder eine Hauptverhandlung ausgesetzt worden ist. In diesem Sinne besteht ein Beschleunigungsinteresse auch in Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz.

5

Des weiteren spricht auch die Ausgestaltung des Rechtsmittelverfahrens dafür, § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer in der Hauptsache ist nach § 116 StVollzG nur mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar. Diese ist nach § 116 Abs. 2 StVollzG der Revision nachgebildet. Nach § 120 Abs. 1 StVollzG sind auf das Rechtsbeschwerdeverfahren in erster Linie die Vorschriften der StPOüber die Revision entsprechend anzuwenden. Gemäß den §§ 338 Nr. 3, 28 Abs. 2 Satz 2 StPO ist daher der die Richterablehnung zurückweisende Beschluß nur zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache anfechtbar (OLG Hamm ZfStrVo SH 1979, 43; NStZ 1982, 352;  1983, 575; OLG Koblenz NStZ 1986, 384; OLG Stuttgart NStZ 1985, 523;AK. Volckart, StVollzG, 3. Aufl. § 118 Rdn. 8; Schwind/Böhm-Schuler StVollzG, 2. Aufl. § 115 Rdn. 9). Die Anfechtung des Ablehnungsbeschlusses muß dementsprechend als Verfahrensrüge mit ausreichendem Tatsachenvortrag im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfolgen. Die sofortige Beschwerde nach § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO zuzulassen, wäre auch nicht sinnvoll; denn es bestünde bei unterlassener Anfechtung oder Unanfechtbarkeit der Sachentscheidung keine rechtliche Möglichkeit, diese wegen Mitwirkung eines etwa zu Recht abgelehnten Richters zu korrigieren.

6

II.

Gegen den ihm am 6. April 1998 zugestellten Beschluß der Strafvollstreckungskammer vom 17. März 1998 hat der Antragsteller am 22. April 1998 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts ... Rechtsbeschwerde eingelegt.

7

1.

Das Rechtsmittel ist in zulässiger Weise eingelegt worden. Der Rechtspfleger als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle hat die Rechtsbeschwerde am 22. April 1998 auf Tonträger diktiert. Der Antragsteller hat durch Unterschrift auf einem Schriftstück bestätigt, daß er das Diktat gehört habe und es richtig sei. Dieses Schriftstück hat auch der Rechtspfleger unterzeichnet. Die Rechtsbeschwerde selbst trägt den Zusatz: "... Rechtspfleger nach Diktat verreist" und ist nur von der Justizangestellten "zugleich für die Richtigkeit der Übertragung vom Tonträger" unterschrieben worden. Zwar ist an sich die eigenhändige Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zur Wirksamkeit der Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle erforderlich (RG Recht 1903 Nr. 2416; OLG Königsberg JW 1930, 1526; LR-Hanack, StPO, 24. Aufl., § 345 Rdn. 34; Kleinkneckt/Meyer-Goßner, a.a.O, Einl, Rdn. 135; Schmid Rpfl. 1962, 301, 303). In der Kommentarliteratur wird aber die Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle auch dann für wirksam erachtet, wenn zwar die Unterschrift des Urkundsbeamten fehlt, aber feststeht, daß die Niederschrift vom zuständigen Urkundsbeamten herrührt und keinen bloßen Entwurf darstellt (LR-Gollwitzer, StPO, 24. Aufl.,§ 314 Rdn. 2, 4; SK-Frisch, StPO, vor § 296 Rdn. 206; Altenhain/Günther in AK StPO § 306 Rdn. 10; AK Dölling, StPO, § 314 Rdn. 5; vgl. auch OLG Düsseldorf VRS 54, 361 zur Niederschrift des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid bei der Verwaltungsbehörde). Zur Begründung wird darauf hingewiesen, daß die Formvorschrift des § 168 a StPO für die Niederschrift der Geschäftsstelle nicht gilt. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Die fehlende Unterschrift des Rechtspflegers ist danach hier unschädlich. Es steht fest, daß die Niederschrift von dem zuständigen Urkundsbeamten, der Geschäftsstelle stammt und daß die in der Niederschrift enthaltenen Erklärungen vom Antragsteller abgegeben worden sind. Dies ergibt sich aus der von dem Rechtspfleger und dem Antragsteller unterschriebenen Bestätigung vom 22. April 1998 im Zusammenhang mit der Versicherung der Richtigkeit der Übertragung vom Tonträger der Justizangestellten .... Für die Wirksamkeit der Rechtsmitteleinlegung sprechen auch praktische Gesichtspunkte. Hielte man die Rechtsbeschwerdeeinlegung für unwirksam, könnte der Antragsteller wegen Verschuldens des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, der bei formgerechter Nachholung der Rechtsmitteinlegung stattzugeben wäre.

8

2.

Die wirksam eingelegte Rechtsbeschwerde ist aber unzulässig nach § 116 Abs. 1 StVollzG, weil die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 100 DM festgesetzt.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 48 a, 13 GKG.