Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.01.1998, Az.: 3 Ws 410/97

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.01.1998
Aktenzeichen
3 Ws 410/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 34095
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1998:0116.3WS410.97.0A

Tenor:

  1. Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Tatbestand:

1

1.

Der Angeschuldigte hat Mitglieder der 12. großen Strafkammer des Landgerichts ..., nämlich den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... und die Richterin am Landgericht ... sowie den Richter am Landgericht ... der geschäftsplanmäßiger Vertreter in dieser Strafkammer ist, mit dem Gesuch vom 28. November 1997 in zwei gegen ihn geführten Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. In dem Verfahren StK 12/46 a 47/96 hatte die Strafkammer ihn am 23. Oktober 1997 verurteilt, und er befand sich in jenem Verfahren, in dem er Revision eingelegt hatte, in Untersuchungshaft. Für die Entscheidungen bezüglich der Untersuchungshaft war somit die Strafkammer bzw. deren Vorsitzender weiterhin zuständig. Das Verfahren StK 12/46 a 47/97 war bei der 12. Strafkammer anhängig, die über eine Eröffnung noch nicht entschieden, jedoch mit Beschluß vom 17. November 1997 unter Mitwirkung des Richters am Landgericht ... den in jenem Verfahren ergangenen Haftbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 29. August 1997 (272 Gs 3341/97) teilweise abgeändert und unter Angleichung an die zu ihr erhobene Anklage neu gefaßt hatte. Auf die Ausführungen in dem Beschluß vom 17. November 1997 hat der Angeklagte sein sich auf beide Verfahren beziehendes Ablehnungsgesuch gestützt. Die Strafkammer hat das Gesuch mit Beschluß vom 8. Dezember 1997 verworfen. An der Entscheidung hat die Richterin am Landgericht ... mitgewirkt, die der Angeschuldigte bereits am 17. November 1997 abgelehnt hatte. Gegen die Verwerfung jenes Gesuchs mit Beschluß der Strafkammer vom 25. November 1997 hatte der Angeschuldigte am 27. November 1997 sofortige Beschwerde eingelegt, über die der Senat am 8. Dezember 1997 noch nicht entschieden hatte; sie wurde mit Beschluß vom 15. Dezember 1997 verworfen (3 Ws 392/97).

Gründe

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2.

Die nach § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO zulässige sofortige Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg.

3

a)

Zwar hätte die Richterin am Landgericht ... an der Entscheidung über die Ablehnung am 8. Dezember 1997 nicht mitwirken dürfen, weil das gegen sie gerichtete Ablehnungsgesuch noch nicht erledigt war. Der Senat teilt nicht die in dem Beschluß vertretene Auffassung, die Erledigung des Ablehnungsgesuches trete bereits mit seiner Verwerfung in erster Instanz ein. Er folgt vielmehr der in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung, wonach das Ablehnungsgesuch erst mit der rechtskräftigen Entscheidung darüber i. S. von § 29 Abs. 1 StPO erledigt ist (ebenso OLG München MDR 1982, 773 [OLG München 07.05.1982 - 2 Ws 501/82]; OLG Stuttgart MDR 1994, 499; hiesiger 1. Strafsenat Beschluß vom 9. Mai 1995 - 1 Ws 98/95 -; LR-Wendisch 25. Aufl. § 29 Rdnr. 10-12; KK-Pfeiffer 3. Aufl. § 29 Rdnr. 4; KMR-Paulus 9. Lieferung § 29 Rdnr. 5; Kleinknecht/Meyer-Goßner 43. Aufl. § 29 Rdnr. 3; offen gelassen in BGHSt 4, 208, 209; 5, 155; für § 47 ZPO vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 52. Aufl. § 47 Anm. 1 A m.w.N.). Die gegenteilige Auffassung (vgl. z.B. KG JR 1968, 28, 29; Roxin, Strafverfahrensrecht 22. Aufl. § 9 II 5; Schorn GA 1963, 178 sowie zu § 47 ZPO z.B. OLG Frankfurt/M. MDR 1992, 409; OLG Celle 1. Zivilsenat bei Kumme NdsRpfl. 1971, 230; siehe auch Günther MDR 1989, 691, 695 m.w.N.; für das Verwaltungsrecht: OVG Münster NJW 1990, 1749 zu § 54 Abs. 1 VwGO der auf § 47 ZPO verweist), die sich zum Teil auf den Wortlaut ("Erledigung" und nicht "rechtskräftige Entscheidung") sowie darauf stützt, daß die Einlegung der Beschwerde nach § 307 Abs. 1 StPO keinen Suspensiveffekt entfaltet und daß Verfahrensverzögerungen eintreten könnten, wenn die Erledigung erst mit der Rechtskraft der Entscheidung einträte, berücksichtigen nach Auffassung des Senats nicht hinreichend, daß es sich bei § 28 Abs. 1 und 2 StPO um eine Sonderregelung für die Behandlung von Rechtsmitteln im Ablehnungsverfahren handelt. § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO ist nach Auffassung des Senats eine eng auszulegende Ausnahmeregelung. Wenn aber die Verwerfung oder Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs ansonsten mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist, so hat dies nur einen Sinn, wenn der abgelehnte Richter bis zu dem Zeitpunkt, in dem feststeht, daß kein Rechtsmittel eingelegt wird - ansonsten bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Rechtsmittel -, keine Handlungen vornimmt, es sei denn, diese seien unaufschiebbar. Würde bereits die nicht rechtskräftige Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ausreichen, um dem abgelehnten Richter wieder Handlungen in der Sache zu gestatten, müßte entweder bei zwischenzeitlich ergangener Hauptentscheidung die Beschwerde gegen die Verwerfung des Ablehnungsantrages als überholt angesehen werden. Dadurch würde jedoch das Beschwerderecht nach § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO weitgehend ausgehöhlt werden. Anderenfalls müßte bei erfolgreichem Rechtsmittel im Ablehnungsverfahren die zwischenzeitlich vorgenommene Handlung in der Hauptsache in Frage gestellt werden. Das würde den gewonnenen Zeitvorteil wieder zunichte machen und erscheint als inkonsequent. Darüber hinaus erscheint es als wünschenswert, für den abgelehnten Richter eine klare und eindeutige Regelung zu schaffen. Diese liegt erst dann vor, wenn der Richter weiß, daß er erst nach rechtskräftig abgeschlossener Entscheidung über das Ablehnungsgesuch wieder in der Sache entscheiden darf.

4

b)

Bei der Mitwirkung der Richterin am Landgericht ... an der Entscheidung vom 8. Dezember 1997 handelt es sich nicht um eine unaufschiebbare Handlung i. S. von § 29 Abs. 1 StPO; an ihrer Stelle hätte ein anderer Ersatzrichter mitwirken können.

5

c)

Allein die Tatsache, daß über das gegen die Richterin am Landgericht ... gerichtete Ablehnungsgesuch noch nicht rechtskräftig entschieden war, so daß sie nicht über das Ablehnungsgesuch des Angeschuldigten vom 28. November 1997 hätte mitentscheiden dürfen, führt jedoch nicht zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr hat der Senat gemäß § 309 StPO in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. OLG Hamm JMBl.NW 1982, 222 unter Hinweis auf BGHSt 18, 200 ff. m.w.N.; hiesiger 1. Strafsenat a.a.O.; Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. § 28 Rdnr. 4; LR-Wendisch a.a.O. § 28 Rdnr. 9).

6

d)

Das Rechtsmittel ist nicht begründet. Die Mitwirkung der mit dem Gesuch vom 28. November 1997 abgelehnten Richter an der Haftentscheidung vom 17. November 1997 rechtfertigt die Ablehnung nicht, wie in Absatz 3 des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt worden ist. Die in dem Haftbefehl übernommene Fassung der Anklage und der Erwähnung der Sicherungsverwahrung entspricht Nr. 110 Abs. 2 c RiStBV i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 8, 66 StGB. Die Erwartung der Anordnung der Sicherungsverwahrung ist als wesentlicher Gesichtspunkt für die Anordnung der Untersuchungshaft im Haftbefehl anzuführen und zu begründen. Darauf, daß das geschehen ist, kann Besorgnis der Befangenheit nicht gestützt werden. Die Ausführungen des Beschwerdeführers ergeben insoweit auch, daß ihm die Vorschrift des § 246 a StPO bekannt ist, aus der sich ergibt, daß mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung auch vor der Einschaltung eines Sachverständigen bereits "zu rechnen" sein kann - d.h. aufgrund des Vorliegens der Anordnungsgründe nach § 66 StGB.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.