Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.09.1998, Az.: 3 Ws 200/98

Freigabe einer geleisteten Sicherheit für eine Haftverschonnung; Verfall der Sicherheit wegen Nichteinhaltung der erteilten Meldeauflage

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.09.1998
Aktenzeichen
3 Ws 200/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 20383
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1998:0917.3WS200.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AZ: 133 Js 1449/97
LG ... - 02.07.1998

Fundstellen

  • NStZ-RR 1999, 178-179 (Volltext mit amtl. LS)
  • StraFo 1999, 163-164

Verfahrensgegenstand

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
am 17. September 1998
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluß der 3. großen Strafkammer des Landgerichts ... vom 2. Juli 1998 insoweit aufgehoben, als durch ihn die geleistete Sicherheit in Höhe von 5.000 DM freigegeben worden ist.

  2. 2.

    Zur Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft, festzustellen, daß die Sicherheit verfallen sei, wird die Sache an die 3. große Strafkammer des Landgerichts ... zurückverwiesen, die auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden haben wird.

Gründe

1

Die Strafkammer hat den Angeklagten, der sich in Untersuchungshaft befand, am 2. Juli 1998 zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Mit dem noch in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluß hat sie den Haftbefehl vom 2. April 1998 aufrechterhalten und die anläßlich einer zwischenzeitlich gewährten Haftverschonung gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 StPO geleistete Sicherheit in Höhe von 5.000 DM freigegeben. Dagegen richtet sich die am 17. August 1998 eingegangene Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Sie macht geltend, die Sicherheit sei verfallen, weil der Angeklagte nach der Außervollzugsetzung des Haftbefehls der ihm erteilten Meldeauflage nicht nachgekommen und seine Wohnung ohne Hinterlassung einer neuen Anschrift aufgegeben habe, so daß er erst aufgrund einer nach Wieder-Invollzugsetzung des Haftbefehls erfolgten Fahndung festgenommen werden konnte. Die Staatsanwaltschaft hat daher beantragt, den angefochtenen Beschluß über die Freigabe aufzuheben und festzustellen, daß die Sicherheit gemäß § 124 Abs. 1 StPO verfallen sei.

2

Die Beschwerde ist als einfache Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig. Soweit das Oberlandesgericht Stuttgart in dem Beschluß vom 30. Januar 1984 (abgedruckt in Die Justiz 1984, 213) ausgeführt hat, gegen die Freigabe der Sicherheit stehe der Staatsanwaltschaft - ebenso wie dem Verurteilten und dem Sicherungsgeber - (nur) die sofortige Beschwerde offen, vermag der Senat dieser Ansicht in der diesem Wortlaut nach angenommenen allgemeinen Form nicht zu folgen. Die Beschränkung der Anfechtbarkeit durch die Zulassung nur der sofortigen Beschwerde betrifft nach § 124 Abs. 2 Satz 2 StPO lediglich die nach Durchführung eines Verfahrens nach § 124 Abs. 2 Satz 1 StPO getroffene Entscheidung darüber, ob eine noch nicht frei gewordene Sicherheit nach § 124 Abs. 1 StPO der Staatskasse verfallen ist. Nur gegen diese Entscheidung steht nach dem Wortlaut der Vorschrift dem Verurteilten und dem Sicherungsgeber, nach herrschender Meinung aber auch der Staatsanwaltschaft (vgl. LR-Hilger 24. Aufl. § 124 Rdn. 40; KK-Boujong § 124 Rdn. 11, 14; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 124 Rdn. 12; SK-Paeffgen § 124 Rdn. 11), allein die sofortige Beschwerde zur Verfügung. Das gilt indessen nicht für die - ohne Durchführung eines Anhörungsverfahrens nach § 124 Abs. 2 Satz 1 StPO - durch gerichtlichen Beschluß auszusprechende (lediglich deklaratorische - vgl. OLG Hamburg RPfleger 1962, 220, 221; KK-Boujong a.a.O. Rdn. 7) Feststellung des Freiwerdens der Sicherheit nach § 123 Abs. 1 und 2 StPO. Gegen diese, allein an die in § 123 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO genannten, von Amts wegen leicht festzustellenden äußeren Vorgängen anknüpfende Feststellung durch gerichtlichen Beschluß steht den Beteiligten - und hier ebenfalls der Staatsanwaltschaft - die einfache Beschwerde zu (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. § 123 Rdn. 11; KK-Boujong a.a.O. § 123 Rdn. 12).

3

Zwar hat die Strafkammer die Freigabe der Sicherheit nicht begründet. Sie hat aber kein Verfahren nach § 124 Abs. 2 Satz 1 StPO durchgeführt, und im Anschluß an die Verkündung des Urteils und den die Sicherheit freigebenden Beschluß ist in der Hauptverhandlung sogleich Rechtsmittelverzicht in bezug auf das Urteil protokolliert worden. Aus diesem Ablauf ergibt sich für den Senat, daß es sich hier um die Feststellung des Freiwerdens der Sicherheit nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 StPO gehandelt hat, gegen die der Staatsanwaltschaft die einfache Beschwerde zusteht.

4

Die Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an die Strafkammer zur Durchführung des Verfahrens nach § 124 Abs. 2 Satz 1 StPO. Das Verfahren der Strafkammer war fehlerhaft. Eine Feststellung nach § 123 Abs. 2 StPO kommt nur dann in Betracht, wenn kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß der Verfall der Sicherheit nach § 124 Abs. 1 StPO eingetreten ist und entsprechende Anträge auch nicht gestellt worden sind. Anderenfalls ist ein Verfahren nach § 124 Abs. 2 Satz 1 StPO durchzuführen. Für die Entscheidung ist dann grundsätzlich das zuerst eingetretene Ergebnis maßgebend (vgl. LR-Hilger § 124 Rdn. 1).

5

Anhaltspunkte dafür, daß ein Verfall eingetreten sein könnte, lagen nach den obigen Ausführungen vor (vgl. dazu OLG Düsseldorf NStZ 1990, 97 [OLG Düsseldorf 05.09.1989 - 1 Ws 788/89] und Beschluß vom 8. Dezember 1995 - 1 Ws 921 und 972 - 973/95 - in DRsp-ROM Nr. 1996/4803; OLG Hamm NStZ RR 1996, 270).

6

Ein Verfahren nach § 124 Abs. 2 Satz 1 StPO hat die Strafkammer jedoch nicht durchgeführt. Das führt, weil es sich insoweit um einen schwerwiegenden Verfahrensfehler handelt und die Anhörung eine Entscheidungsvoraussetzung darstellt, dazu, daß - abweichend von § 309 Abs. 2 StPO - das Beschwerdegericht nicht selbst entscheiden kann, sondern die Sache auch nach Rechtskraft des Urteils an den letzten Tatrichter, hier die Strafkammer (vgl. OLG Stuttgart a.a.O. S. 214; KK-Boujong a.a.O. § 124 Rdn. 8) - zurückverweist (vgl. OLG Hamm StV 1995, 594; OLG Düsseldorf DRsp-ROM 1996/4803).