Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 10.09.1985, Az.: 1 Ss 339/85
Anspruch auf rechtliches Gehör ; Einziehung von Gegenständen i.R. eines Strafverfahrens ; Irreführung des Publikums durch unwahre Werbeanzeigen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.09.1985
- Aktenzeichen
- 1 Ss 339/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1985, 31209
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1985:0910.1SS339.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- StA Hildesheim - 11.03.1985 - AZ: 14 Ls 17 Js 23692/84
Rechtsgrundlagen
- Art. 103 Abs. 1 GG
- § 4 UWG
- § 8 UWG
- § 74 StGB
Fundstelle
- NJW 1987, 78-80 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten
gegen das Urteil der 10. großen Strafkammer - 3. Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Hildesheim vom 11. März 1985
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
in der Sitzung vom 10. September 1985,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht ... als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht ... Richter am Oberlandesgericht ... als beisitzende
Richter,
Ltd. Oberstaatsanwalt ... als Beamter der Staatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt Dr. Dr. G., K. als Verteidiger - nur während der Verhandlung -,
Justizhauptsekretärin ... - während der Verhandlung -
Justizamtsinspektor ... - während der Verkündung - als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revisionen werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft fallen der Landeskasse zur Last, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, soweit sie durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft veranlaßt worden sind.
Gründe
I.
Das Schöffengericht in Hildesheim hatte den Angeklagten wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 ÜWG zu einer Geldbuße von DM 8.500,- verurteilt. Für die im Verlaufe des Verfahrens ausgesprochene Beschlagnahme einer größeren Anzahl von Uhren war eine Entschädigung angeordnet worden; die Beschlagnahme wurde durch gesonderten Beschluß aufgehoben.
Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat die 10. große Strafkammer - 3. Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Hildesheim das Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen eines Vergehens gem. § 4 UWG zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je DM 100,- verurteilt. Die erwähnten Uhren wurden entschädigungslos eingezogen.
Gegen dieses Urteil richten sich nunmehr die Revisionen sowohl der Staatsanwaltschaft - diese auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt - als auch des Angeklagten. Beide Beschwerdeführer rügen die Verletzung materiellen Rechts. Der Revision des Angeklagten läßt sich ferner entnehmen, daß er auch die Verfahrensrüge erhebt; er macht die Versagung rechtlichen Gehörs zugunsten des Zeugen Schäfer und damit offenbar die Verletzung des § 431 StPO geltend, der einem durch die Einziehung Betroffenen ausdrücklich die Verfahrensbeteiligung gewährt. Keines der beiden Rechtsmittel hat Erfolg.
II.
Nach den Feststellungen fand in der Zeit vom 25. Oktober bis 24. Dezember 1984 im Uhren- und Schmuckwarengeschäft B. in H. wegen Geschäftsaufgabe ein Totalausverkauf statt. Dieser Ausverkauf wurde unter der Verantwortung des Angeklagten durchgeführt, der an sich ein Ladengeschäft in D. betreibt, jedoch durch vertragliche Vereinbarung mit Frau B., der Inhaberin des erwähnten Uhren- und Schmuckgeschäfts in H., den Totalausverkauf für sie übernommen hatte. In einer Reihe von Werbeanzeigen wurde das Publikum auf den Totalausverkauf aufmerksam gemacht; u.a. enthielten die Anzeigen den Hinweis, daß die Ausverkaufsware "bis zu 50 % reduziert" sei.
Im Rahmen dieses Ausverkaufs stellte der Angeklagte nicht nur die Lagerbestände der Fa. B. sondern auch solche Waren - vor allem Damen- und Herrenarmbanduhren - zum Verkauf, die er besonders für diese Gelegenheit angeschafft und in die Geschäftsräume der Fa. B. gebracht hatte. Geliefert wurde die zusätzliche Ware - und zwar unter Eigentumsvorbehalt - durch den Zeugen S., mit dem der Angeklagte befreundet ist und seit längerer Zeit in ständiger Geschäftsverbindung steht; allerdings erfolgte die Lieferung an die Geschäftsadresse des Angeklagten in D., von wo aus sie der Angeklagte dann nach H. in den Laden der Fa. B. schaffte. Der Zeuge S. seinerseits betreibt in K. einen Großhandel mit Uhren und Schmuck und besitzt darüber hinaus in verschiedenen Städten des Bundesgebiets 14 Einzelhandelsgeschäfte. In der Durchführung von Ausverkäufen kann er auf eine zehnjährige Erfahrung zurückblicken, über 100 Räumungsverkäufe hat er schon durchgeführt.
Nach Beginn des Totalausverkaufs in H. stellten Kontrollbeamte der Gewerbeaufsicht 173 Damen- und Herrenarmbanduhren sicher unter dem Vorwurf, sie besonders für den Ausverkauf angeschafft und damit unzulässigerweise - entgegen § 8 UWG im Rahmen des Räumungsverkaufs "nachgeschoben" zu haben. Die Strafkammer hat in der späteren Hauptverhandlung festgestellt, daß dieser Vorwurf für 42 dieser Uhren nicht zutraf, wohl aber für 131 Uhren mit einem Auszeichnungswert von insgesamt DM 224.699,-. Hinsichtlich der insgesamt im Verlaufe des Ausverkaufs "nachgeschobenen" Waren ist nach den Feststellungen der Strafkammer davon auszugehen, daß sie nach ihrem Auszeichnungspreis einen Betrag von DM 800.000,- ausmachten, während die Ware der Fa. B. - wiederum gemäß dem Auszeichnungspreis - einen Betrag von DM 1, 2 Mio. repräsentierte. Kalkuliert war die "nachgeschobene" Ware wie folgt: Der Angeklagte legte den von seinem Lieferanten S. zu zahlenden Großhändler-Einkaufspreis zuzüglich 40 % Gewinnspanne zugrunde, schlug auf den so ermittelten Betrag noch einmal 100 % auf und reduzierte die Gesamtsumme um einen "Ausverkauf srabatt" von 30 %, in Ausnahmefällen - bei "Ladenhütern" oder beschädigter Ware - auch um 50 %.
Bei der Erteilung der Genehmigung für den Ausverkauf wies die Industrie- und Handelskammer ausdrücklich darauf hin, daß es nach § 8 UWG verboten sei, "Waren zum Verkauf zu stellen, die eigens für den Ausverkauf herbeigeschafft worden sind (sogenanntes Vor- und Nachschieben von Waren)". Der Angeklagte seinerseits vereinbarte in dem mit Frau B. abgeschlossenen Vertrag u.a., daß die "Haftung für richtiges Wettbewerbsverhalten inkl. evtl. Prozeßrisiko ... voll zu Lasten von Herrn F. (gehen)". Ähnlich war auch in einem später in Bad Zwischenahn vom Angeklagten vorgesehenen Räumungsverkauf mit der dortigen Firma vereinbart: "Sofern bei dem Räumungsverkauf ... Verstöße mit Bußgeldern bzw. Konventionalstrafen geahndet werden, die ihren Ursprung im 'Nachschieben' von Waren haben, zahlt Herr F. sämtliche dieser Bußgelder bzw. Konventionalstrafen".
III.
Zur Revision des Angeklagten:
Die Verfahrensrüge ist zulässig, aber nicht begründet. Die Zulässigkeit ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angeklagte die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör für den Zeugen Schäfer als solche der "Verletzung materiellen Rechts" bezeichnet (BGH 19, 273, 279). Durch die Erklärung in der Revisionsschrift, für den Zeugen S. sei der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, ist genügend deutlich auf die Grundrechtsnorm des Art. 103 Abs. 1 GG hingewiesen, die für das Strafverfahren bestimmend ist.
Auch daß auf diese Weise ein Eingriff in die Rechte eines Dritten - eben des Zeugen S. - behauptet wird, macht die Revision des Angeklagten nicht unzulässig. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs wird für die Situation der Einziehung von Gegenständen im Rahmen eines Strafverfahrens u.a. durch § 431 StPO konkretisiert. Diese Bestimmung regelt die Beteiligung von Personen am Verfahren, wenn es "glaubhaft erscheint", daß diesen - und nicht dem Angeklagten - die möglicherweise einzuziehenden Gegenstände gehören. Im vorliegenden Verfahren war diese Situation deshalb gegeben, weil die Uhren, über, deren Einziehung zu entscheiden war, wegen des Eigentumsvorbehalts dem Zeugen S. gehören. Soweit der Angeklagte seine Revision darauf stützt, daß der Zeuge S. in dieser Beziehung nicht das rechtliche Gehör gehabt habe, daß also § 431 StPO mit seinen Beteiligungsmöglichkeiten verletzt sei, ist auch er nach seiner Behauptung in seinen prozessualen Rechten verletzt. Das folgt aus § 431 Abs. 5 StPO, der im Falle der Ablehnung der Verfahrensbeteiligung durch Gerichtsbeschluß die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde eröffnet. Diese Möglichkeit steht auch dem Angeklagten offen (vgl. Schäfer in Löwe/Rosenberg StPO, 23. Aufl., § 431 Rdn. 67; Karlsruher Kommentar zur StPO, 1982, § 431 Rdn. 27). Aus der Beschwerdemöglichkeit bei Ergehen eines ablehnenden Gerichtsbeschlusses ist zu schließen, daß der Angeklagte durch die Nichtbeteiligung einer zu beteiligenden dritten Person durch das Gesetz als in seinen Rechten verletzt betrachtet wird. Das muß ihm die Revisionsmöglichkeit eröffnen, falls das Gericht etwa zu Unrecht gar nicht über die Beteiligung des Dritten befunden hat.
Im vorliegenden Fall ist der Zeuge S. jedoch tatsächlich durch ausdrücklichen Gerichtsbeschluß am Verfahren beteiligt worden (Beschluß vom 11.3.85, Bl. 149 d.Akten). Die Möglichkeit der Einziehung der ihm gehörenden Uhren wurde ihm mitgeteilt, er hatte Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Das genügt den Anforderungen, die § 431 StPO zur Konkretisierung des rechtlichen Gehörs stellt. Die Verfahrensrüge ist demgemäß unbegründet.
Hinsichtlich der Sachrüge ergibt eine Nachprüfung des Urteils, daß die Verurteilung gem. § 4 UWG rechtlich nicht zu beanstanden ist. Allerdings ist die Rechtslage durch die Neufassung der §§ 4, 8 UWG in den Jahren 1969 und 1974 wenig klar gestaltet.
Zuvor war anerkannt, daß im Falle eines "Nachschiebens" von Wären im Rahmen eines Ausverkaufs sowohl der Tatbestand des § 4 als auch der des § 8 UWG als erfüllt anzusehen seien. Beide Tatbestände waren Straftaten; beide enthielten dieselben Strafdrohungen. Dabei nahm man Gesetzeskonkurrenz an mit Vorrang des § 8 UWG (RG 45, 49 ff; Rosenthal/Leffmann, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 9. Aufl. 1969, § 8 Rdn. 2).
Nachdem § 8 UWG zur Ordnungswidrigkeit heruntergestuft worden ist, hat sich die Sachlage kompliziert. Soweit das "Nachschieben" von Waren gem. § 8 UWG als Spezialfall der strafbaren Werbung gem. § 4 UWG auftritt, kommt einerseits der allgemeine Grundsatz "lex specialis derogat legem generalem" in Betracht, der aber andererseits durch die Vorschrift des § 21 OWiG wieder in Frage gestellt wird, da dort bei einer Konkurrenz zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit umgekehrt der Vorrang der Straftat angeordnet wird.
Der Senat ist der Ansicht, daß die Konkurrenz zwischen § 4 und § 8 UWG in der Tat im Sinne des Vorrangs des § 4 UWG zu lösen ist. Eine Privilegierung derjenigen Fälle, in denen die unlautere Werbung gem. § 4 UWG sich auf Waren bezieht, die im Rahmen eines Ausverkaufs "nachgeschoben" werden, wäre nur dann verständlich, wenn hierdurch ein - gegenüber den anderen Fällen des § 4 UWG geringeres Unrecht verwirklicht würde. Davon kann aber keine Rede sein (vgl. auch Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtl. Nebengesetze, Losebl. Stand 1985, § 4 UWG VI, 2). Der Unrechtsgehalt von Fallgestaltungen des § 8 UWG, die gleichzeitig auch den Tatbestand der strafbaren Werbung erfüllen, kann mit der Ahndung als Ordnungswidrigkeit auch nicht annähernd ausgeschöpft werden (Fuhrmann a.a.O., § 8 UWG, 1). Vielmehr verbleibt dem § 8 UWG nach der Neufassung lediglich die Funktion, als Auffangtatbestand bereitzustehen in jenen Fällen, in denen ausnahmsweise die zusätzlichen Merkmale der strafbaren Werbung gem. § 4 UWG nicht vorliegen öder doch nicht nachzuweisen sind. In aller Regel allerdings wird das "Nachschieben" von Waren gem. § 8 ÜWG zugleich den Tatbestand des § 4 UWG erfüllen (Fuhrmann a.a.O., § 8 UWG, 1; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 14. Aufl. 1983, § 8 ÜWG Rdn. 1; Meyer/Möhrenschlager, in: Wirtschaft und Verwaltung 1982, S. 26). Vom geschützten Rechtsgut her gesehen betreffen beide Vorschriften den Schutz sowohl des Verbrauchers als auch der Mitwettbewerber sowie das Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung eines leistungsfähigen Wettbewerbs. Für § 4 UWG wird dies in Rechtsprechung und Literatur ausdrücklich ausgesprochen (BGH 27, 293, 294; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 14. Aufl. 1983, § 4 UWG Rdn. 1; Fuhrmann a.a.O., § 4 UWG, 2). Für § 8 UWG könnte allein zweifelhaft sein, ob auch der Schutz des Verbrauchers bezweckt ist; jedoch folgt dies daraus, daß auch § 8 UWG Fälle im Vorfeld des Betruges erfassen soll (Tiedemann, ZStW 86, 1974, S. 1020), da die darin beschriebene Handlung des "Nachschiebens" von Ware die Suggestivwirkung der Räumungsverkaufsankündigung unlauteren Zwecken nutzbar macht (Baumbach/Hefermehl a.a.O., § 8 UWG Rdn. 1). Auch unter dem Blickwinkel der Schutzrichtung der Tatbestände stellt also § 4 UWG keine anderen Voraussetzungen auf als § 8 UWG. Zu Recht ist also die Strafkammer davon ausgegangen, daß im vorliegenden Fall § 4 UWG gegenüber § 8 UWG den Vorrang hat.
Die Erfüllung der einzelnen Merkmale des § 4 UWG hat die Strafkammer für den vorliegenden Fall zutreffend festgestellt. Daß - wie die Revision ausführt - die "nachgeschobene" Ware nicht speziell in der Anzeigenwerbung offeriert worden ist, hindert eine Bestrafung aus § 4 UWG nicht. Denn die Anzeigenwerbung machte allgemein auf den Räumungsverkauf in den Geschäftsräumen der Fa. Brinkop aufmerksam, wo dann u.a. die "nachgeschobene" Ware zum Verkauf gestellt war. Im Hinblick auf das Merkmal "Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen" rügt die Revision, daß im vorliegenden Fall tatsächlich die "nachgeschobenen" Waren ebenso kalkuliert gewesen seien wie die Ausverkaufsware. Zu Unrecht werde also das Merkmal von der Strafkammer bejaht. Demgegenüber erklärt jedoch das Urteil der Strafkammer, daß trotz des 30 %igen Preisnachlasses auf die "nachgeschobenen" Waren die für den Angeklagten verbleibende Gewinnspanne noch immer so hoch gewesen sei, daß von einem unter dem Zwang zur Lagerräumung kalkulierten besonders günstigen Angebot keine Rede sein könne (UA Bl. 21). Diesen Überlegungen liegt ersichtlich die Auffassung zugrunde, die Unwahrheit oder zur Irreführung geeigneten Angaben, die § 4 UWG ebenfalls voraussetzt, müßten sich gerade auf die Vorteilhaftigkeit des Angebots beziehen, derart, daß entgegen den Angaben des Wettbewerbers das Angebot in Wahrheit kein besonders günstiges sei. Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen.
Es genügt vielmehr, daß der Wettbewerber unwahre Angaben macht und beabsichtigt, durch dieses Mittel die Vorteile seines Angebots in den Augen des Publikums besonders in Erscheinung treten zu lassen - mögen die Vorteile tatsächlich bestehen oder nicht (so schon die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts zu § 4 UWG a.F.: RG 35, 235; 38, 269; 39, 169; 47, 280; ebenso KG JR 1973, 428; Baumbach/Hefermehl a.a.O.,§ 4 UWG Rdn.9; Fuhrmann § 4 UWG III 2 a) Der Ausdruck "Anschein eines günstigen Angebots", den § 4 UWG verwendet, bedeutet nicht, daß das Angebot nur scheinbar günstig sein müsse. Da der Schutzzweck des § 4 UWG sich auch auf die Konkurrenten erstreckt, genügt es, daß ein tatsächlicher Vorteil in Aussicht gestellt wird, sofern nur durch unlautere Mittel zum Kauf verlockt wird (BGH LRE 1, 19, 20). Ob die "nachgeschobenen" Waren im vorliegenden Fall tatsächlich ebenso günstig verkauft wurden wie die Ausverkaufsware, kann also unentschieden bleiben. Die Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, hatte der Angeklagte in jedem Falle; daß er unwahre Angaben machte, indem er in Anzeigen den Totalausverkauf auf die Waren der Fa. B. - und nur auf diese - bezog, kann nicht zweifelhaft sein.
Hat demgemäß der Angeklagte den Tatbestand des § 4 UWG voll verwirklicht, so kann er sich auch nicht - wie im Verfahren geschehen - mit Erfolg darauf berufen, ihm habe insoweit das Unrechtsbewußtsein gefehlt, da ihm nur die Möglichkeit der Ahndung mit einem Bußgeld wegen Verletzung des § 8 UWG bewußt gewesen sei; nur auf die Möglichkeit einer solchen Ahndung habe ihn die Industrie- und Handelskammer bei der Genehmigung des Totalausverkaufs hingewiesen. Bezugspunkt für das Unrechtsbewußtsein ist die materiale rechtliche Wertwidrigkeit des Täterhandelns. Das bedeutet, daß das Unrechtsbewußtsein weder die Kenntnis des formalen Gesetzes, gegen das verstoßen wurde, voraussetzt, noch daß andererseits das Bewußtsein einer vorrechtlichen sozialen Wertwidrigkeit ausreicht (vgl. BGH 2, 194, 196, 202; 2, 234, 239; 10, 35, 38; 11, 263, 266; 15, 377; Senatsurteil in JZ 1967, 503, 504 [BGH 20.03.1967 - 2 StR 51/67]; eingehend Rudolphi, Unrechtsbewußtsein, Verbotsirrtum und Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums, 1969, S. 56 ff; 74 ff). Im Hinblick auf das Problem der sog. Teilbarkeit des Unrechtsbewußtseins hat daher der Bundesgerichtshof folgerichtig das Unrechtsbewußtsein davon abhängig gemacht, ob dem Täter bewußt war oder bewußt sein konnte, mit seiner Handlung gegen verschiedene materielle Rechtswerte zu verstoßen, da nur vom materiellen Rechtswert der Normappell zur Unterlassung der inkriminierten Handlung ausgehen kann (BGH 10, 35; dazu wieder Rudolphi, a.a.O., S. 79 f).
Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte unwiderlegt angenommen, für sein Verhalten komme nur eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit gem. § 8 UWG in Betracht. Andererseits waren ihm aber die Rechtswerte durchaus bewußt, gegen die sein Verhalten verstieß: die Irreführung des Publikums durch die unwahren Werbeanzeigen, der unlautere Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenten, die Beeinträchtigung des Allgemeininteresses an einem leistungsfähigen Wettbewerb. Er wußte, daß sein Verhalten im Hinblick darauf Unrecht war. Ebensowenig nun, wie es für die Strafbarkeit eines Täters relevant ist, wenn er irrtümlich für sein - als strafbar erkanntes - Handeln einen geringeren Strafrahmen annimmt, als das Gesetz es vorsieht, ebensowenig kann am Vorhandensein des vollen Unrechtsbewußtseins ein Zweifel bestehen, wenn der Täter - wie hier - davon ausgeht, sein im Unrechtsumfang zutreffend erfaßtes Verhalten sei entgegen der Beurteilung durch das positive Gesetz nur eine Ordnungswidrigkeit, nicht aber eine Straftat. Daher ist die Strafkammer zu Recht unter Berufung auf BGH 11, 266, wo dieser Standpunkt ebenfalls vertreten wird, vom Vorliegen des Unrechtsbewußtseins beim Angeklagten ausgegangen.
Diese Auffassung steht übrigens auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung des 3. Strafsenats des erkennenden Gerichts vom 17. Juli 1984 (3 Ss 75/85). In jener Entscheidung, in der es um einen Verstoß gegen das FernmeldeanlagenG geht, wird zwar ein Verbotsirrtum in Betracht gezogen" weil der Angeklagte sein Verhalten im Hinblick auf § 8 Abs. 2 der FernmeldeO, nicht aber im Hinblick auf § 15 Abs. 1 FernmeldeanlagenG für unerlaubt hielt. Aber der Irrtum des Angeklagten betraf die Einordnung eines automatischen Anrufbeantworters unter das gesetzliche Merkmal einer "Fernmeldeanlage", also unter ein konkretes Tatbestandsmerkmal. Ein Subsumtionsirrtum dieser Art ist dagegen im vorliegenden Fall ausgeschlossen, da der Angeklagte hier sowohl wußte, daß er im Sinne des Gesetzes Ware "nachschob" -, als auch, daß er durch die Ausverkaufswerbung das Publikum für ein günstiges Angebot interessierte; er kannte also alle Tatbestandsmerkmale.
Die Höhe der gegen den Angeklagten verhängten Strafe ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, ebenfalls nicht die Einziehung der 131 beschlagnahmten Uhren, deren Großhandels-Einkaufspreis etwa DM 80.000,-beträgt. Zutreffend führt die Strafkammer aus, daß für die Höhe der verhängten Geldstrafe zusätzlich die pönale Wirkung der Einziehung zu berücksichtigen ist, die den Angeklagten selbst - und nicht nur den Eigentümer der Uhren, S. - deshalb treffen kann, weil er möglicherweise für den Verlust der Uhren im Innenverhältnis Regreß leisten muß (UA Bl. 28). Auch im Hinblick auf diesen Umstand entspricht die Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu DM 100,- den Grundsätzen des § 46 StGB.
Die Zulässigkeit der Einziehung ergibt sich aus § 74 StGB. Daß der Zeuge S. im Sinne von § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB Teilnehmer an der Tat des Angeklagten ist, hat die Strafkammer ausdrücklich festgestellt und aus einer Anzahl von Indizien rechtsfehlerfrei geschlossen. Zwar hat der Zeuge S. die "nachgeschobenen" Uhren nach Dortmund geliefert. Aber er war an der Organisation des Ausverkaufs bei der Fa. B. und an der Werbung dafür beteiligt.(UA Bl. 5), der Zeuge S. stellte die Vorlagen für die Werbeanzeigen zur Verfügung (UA Bl. 8), er bezeichnete sich während der Durchsuchungsaktion gegenüber dem Ordnungsamt für den Ausverkauf verantwortlich (UA Bl. 11), er war mit dem Angeklagten befreundet und stand mit diesem in ständiger Geschäftsverbindung (UA B1.5). Daß aus diesen Indizien der Schluß gezogen wird, er habe gewußt oder zumindest damit gerechnet, daß der Angeklagte die nach Dortmund gelieferte Ware in Hildesheim anbieten werde, ist jedenfalls denkmöglich.
Zusätzlich hat die Strafkammer noch die Einziehungsvoraussetzungen des § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB festgestellt, da die Gefahr bestehe, daß die Uhren erneut bei Ausverkäufen "nachgeschoben" werden könnten. Insoweit hat sie auf die eigenen Angaben des Zeugen S. hingewiesen, er habe in den letzten 10 Jahren über 100 Ausverkäufe durchgeführt und dabei - professionell arbeitend - regelmäßig Ware "nachgeschoben"; das sei - wie er behauptet - allgemein üblich. Auch in dem erwähnten Ausverkauf in Bad Zwischenahn, der auf den Ausverkauf für die Fa. B. folgen sollte, hatte der Zeuge S. schon einen größeren Posten Ware zur Aufstockung des Lagers im Wege des "Nachschiebens" geliefert (UA Bl. 25). Die Annahme, auch die beschlagnahmten Uhren könnten bei Freigabe wieder zu derartigen Zwecken genutzt werden, ist daher nicht zu beanstanden.
Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
Das Ziel der Revision der Staatsanwaltschaft ist eine Erhöhung der Strafe. Im Hinblick auf die zusätzliche pönale Wirkung der Einziehung der Uhren ist die Schuldangemessenheit der verhängten Geldstrafe gem. § 46 StGB jedoch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1, 2 Satz 1 StPO.