Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.11.1969, Az.: P B 1/69

Ungültigkeit der Wahl des Örtlichen Personalrats; Anfechtung der Wahl der Mitglieder des Personalrats; Voraussetzungen an eine wirksame Wahlanfechtung; Anforderungen für die Setzung einer Nachfrist für die Einlegung eines Wahlvorschlages

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.11.1969
Aktenzeichen
P B 1/69
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1969, 11306
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1969:1103.P.B1.69.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig-Holstein - AZ: PB 2/69

Verfahrensgegenstand

Wahlanfechtung

Redaktioneller Leitsatz

Ist kein gültiger Wahlvorschlag für eine Gruppe oder bei Gemeinschaftswahl innerhalb der gesetzten Fristen eingegangen, so soll in einer besonderen Nachfrist der letzte Versuch gemacht werden, einen gültigen Wahlvorschlag zu erhalten. Die Nachfrist muß somit strikt nach den gesetzlichen Bestimmungen gesetzt werden, da anderenfalls z.B. durch Manipulation von Anfangsdaten eine vierte Frist, also gleichsam eine Nachfrist für die Nachfrist des § 11 WO, die der Verordnungsgeber gem. § 11 Abs. 3 WO offenkundig ausschließen wollte, gesetzt werden würde.

In der Personalvertretungssache
hat der Fachsenat für Personalvertretungssachen bei dem Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
in seiner Sitzung am 3. November 1969,
an der teilgenommen haben:
Senatspräsident Lindner als Vorsitzender
Angestellter Cerwenka als ehrenamtlicher Beisitzer
Oberpostrat Dr. Lapp als ehrenamtlicher Beisitzer
Regierungsoberamtmann Pohl als ehrenamtlicher Beisitzer.
Regierungsdirektor Reicke als ehrenamtlicher Beisitzer
nach mündlicher Anhörung beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Örtlichen Personalrats wird zurückgewiesen.

Es wird ferner folgender Beschluß gefaßt:

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.000,- DM (in Worten: Zweitausend Deutsche Mark) festgesetzt,

Gründe

1

I.

Der Wahlvorstand beim Bundesbahn-Bahnhof ... erließ am 23. Dezember 1968 ein Wahlausschreiben, in dem es u.a. heißt: Nach § 12 PersVG sei bei der Dienststelle Bahnhof ... ein Personalrat zu wählen. Die Wahl finde am 3. Februar 1969 in der Zeit von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr, am 4. und 5. Februar 1969 in der Zeit von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr statt. Der zu wählende Personalrat bestehe gemäß § 12 Abs. 3 PersVG aus 3 Mitgliedern; davon entfielen auf die Gruppe der Beamten 2 Mitglieder, auf die der Arbeiter 1 Mitglied (nach dem Wählerverzeichnis waren am 20. Dezember 1968 bei der Dienststelle 37 Beamte und 10 Arbeiter wahlberechtigt, wobei bemerkt war, daß der Arbeiter ... ab 1. Februar 1969 Beamter sein werde). Die Beamten, Angestellten und Arbeiter hätten ihre Vertreter in getrennten Wahlvorgängen (Gruppenwahl; § 15 Abs. 2 PersVG) zu wählen.

2

Hinsichtlich der Einreichung von Wahlvorschlägen heißt es unter Ziffer 6 des Wahlausschreibens wörtlich:

"Die wahlberechtigten Bediensteten werden aufgefordert, innerhalb von 18 Kalendertagen seit Erlaß dieses Wahlausschreibens, spätestens bis zum 10.01.1969, 13.00 Uhr, dem Wahlvorstand Wahlvorschläge einzureichen (§ 8 WO),

Die Wahlvorschläge werden werktags (außer samstags) in der Zeit von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr, samstags von 8.00 Uhr bis 12,00 Uhr, vom Wahlvorstand entgegengenommen. Es können nur fristgerecht eingereichte Wahlvorschläge berücksichtigt werden. ..."

3

Am 3. Januar 1969 ging der Wahlvorschlag (Nr. 1) mit dem "Kennworts Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdEB)-Beamte" ein, mit dem die Beamten ..., ... und ... von 8 Beamten vorgeschlagen wurden, ferner am 8. Januar 1969 ein Vorschlag (Nr. 2) mit dem "Kennwort: Beamte Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdEB)", mit dem die Beamten ... und ... von 5 Beamten vorgeschlagen wurden, und am 9. Januar 1969 ein Wahlvorschlag (Nr. 3) - Gruppen Beamte - mit dem "Kennwort: GDBA", mit dem die Beamten ..., ... und ... von 4 Beamten vorgeschlagen wurden. Die Mitunterzeichner des Wahlvorschlages (Nr. 2) ..., ... und ... zogen mit Schreiben vom 9. Januar 1969 - mit dem Eingangsvermerk - 10.1.1969 - den Wahlvorschlag (Nr. 2) - Gruppe Beamte - zurück. Er wurde von dem Wahlvorstand nicht mehr berücksichtigt.

4

Am 12. Januar 1969 erging unter "Der Wahlvorstand gez. ... (Vorsitzender)" folgende -

"Bekanntmachung:

Für die Wahl zum Örtlichen Personalrat ist für die Gruppe der Arbeiter kein gültiger Wahlvorschlag termingerecht eingegangen. Es wird hiermit eine Nachfrist bis zum 20.01.1969 gewährt. Wird bis zu diesem Tag kein gültiger Wahlvorschlag eingereicht, erhält die Gruppe der Arbeiter keinen Sitz im Personalrat."

5

Am 19. Januar 1969, 15.00 Uhr, traf ein Wahlvorschlag für die Gruppe Arbeiter mit dem "Kennwort: Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands - GdEB - Arbeiter" ein, mit dem von drei Arbeitern die Beamten ... und ... vorgeschlagen wurden.

6

Am 20. Januar 1969 wurden die Wahlvorschläge Nr. 1 und 3 der Gruppe Beamte (Listenwahl) und der Wahlvorschlag Gruppe Arbeiter (Mehrheitswahl) bekanntgemacht. Gemäß der Wahlniederschrift vom 5. Februar 1969 haben bei der Wahl von 46 Bediensteten (37 Beamte, 9 Arbeiter) 45 Stimmzettel abgegeben; davon gültige Stimmen: in der Gruppe Beamte: 36, davon für den Wahlvorschlag Nr. 1: 25, für den Wahlvorschlag Nr. 3: 11; in der Gruppe Arbeiter: 8.

7

Von den Bediensteten hatten 16 Beamte und 4 Arbeiter im Wege der Briefwahl gewählt, 1 Stimme war in der Gruppe Beamte ungültig.

8

Die Teilung ergab für den Wahlvorschlag Nr. 1 Beamte - GdEG -: 25, 12 1/2, 8 1/2, für den Wahlvorschlag Nr. 3 Beamte - GDBA -: 11,5 1/2, 32/3. Der Wahlvorschlag Nr. 1 Beamte erhielt 2 Sitze, der Wahlvorschlag Nr. 3 Beamte keinen Sitz, der Wahlvorschlag Arbeiter 1 Sitz im Örtlichen Personalrat.

9

Die Antragstellerin (Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamten und Anwärter im Deutschen Beamtenbund - GDBA -) hat die Wahl mit dem 18. Februar 1969 eingegangenen Schriftsatz vom 17. Februar 1969 angefochten mit der Begründung: Bis zum 10. Januar 1969 sei kein Wahlvorschlag der Gruppe Arbeiter eingegangen gewesen. An diesem Tage - und nicht erst am 12. Januar 1969 - hätte der Wahlvorstand eine Nachfrist von sechs Kalendertagen setzen müssen (§ 11 WO). Diese bestimmungsgemäße Nachfrist hätte spätestens am Freitag, dem 17. Januar 1969 - und nicht am 20. Januar 1969 - geendet. Bis zum 17. Januar 1969 sei aber kein Wahlvorschlag der Gruppe Arbeiter eingegangen. Das Wahlergebnis wäre dann ein wesentlich anderes gewesen, mindestens wäre der dritte Sitz im Personalrat dem Wahlvorschlag Nr. 3 Beamte zugefallen.

10

Die Antragstellerin hat beantragt,

die Ungültigkeit der Wahl festzustellen.

11

Der Örtliche Personalrat hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

12

Er hat vorgetragen, der Lauf der Nachfrist habe erst am 13. Januar 1969 begonnen. Der Wahlvorschlag der Gruppe Arbeiter sei demgemäß rechtzeitig eingegangen.

13

Der Dienststellenleiter hat keine Anträge gestellt.

14

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 4. Juni 1969 die Personalratswahl für ungültig erklärt und in den Gründen ausgeführt: Der Wahlvorstand habe gegen wesentliche Wahlvorschriften im Sinne des § 22 PersVG verstoßen. § 11 WO bestimme ausdrücklich, daß die Nachfrist von 6 Tagen "sofort" zu setzen sei. Der Wahlvorstand habe die Bekanntgabe, der Nachfrist aber sogar mit Absicht bis zum Sonntag, dem 12. Januar 1969, hinausgezögert, um die Nachfrist an einem Tage in Lauf zu setzen, an dem möglichst viele Arbeiter Dienst hatten. Es sei nicht auszuschließen, daß bei bestimmungsgemäßem Handeln kein oder ein anderer Wahlvorschlag eingegangen wäre und die Wahl ein anderes Ergebnis gezeitigt hätte. Die Wahl müsse wiederholt werden.

15

Gegen diesen ihm am 17. Juli 1969 zugestellten Beschluß hat der Örtliche Personalrat mit der am 21. Juli 1969 eingegangenen Beschwerdeschrift vom 18. Juli 1969 Beschwerde eingelegt mit dem Antrage,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nach dem in erster Instanz gestellten Antrag zu erkennen.

16

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

17

Der Dienststellenleiter stellte keinen Antrag.

18

Der Beschwerdeführer wiederholt und vertieft sein Vorbringen I. Instanz und erklärt: Ein Verstoß im Sinne des § 22 PersVG liege nicht vor. Der Wahl vorstand habe ohne schuldhaftes Zögern - so sei der Begriff "sofort" des § 11 WO auszulegen - gehandelt. Im übrigen habe die Nachfrist nur Auswirkungen auf die Gruppe Arbeiter gehabt.

19

Die Antragstellerin tritt den Ausführungen des Beschwerdeführers entgegen, bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen und trägt vor:

20

Der Begriff "sofort" sei nicht mit dem Begriff "unverzüglich" gleichzusetzen. Auch der Sonnabend, der 11. Januar 1969, sei Dienst- und Arbeitstag für die Beamten und Arbeiter des Bahnhofs Preetz gewesen. Der Wahl vorstand habe nach Ablauf der Einreichungsfrist am 10. Januar 1969 auch "unverzüglich" feststellen müssen, daß kein Wahlvorschlag der Gruppe Arbeiter eingegangen ist.

21

Im Laufe des Verfahrens hat sich die Zahl und die Zusammensetzung der Bediensteten des Bahnhofs ... verändert (u.a. Zahl der ständigen Arbeiter nur noch vier).

22

Für die Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschriften verwiesen. Ein Hefter "Wahlvorgänge" hat vorgelegen und ist Gegenstand des mündlichen Anhörungstermins gewesen.

23

II.

Die form und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Örtlichen Personalrats ist zulässig (§ 76 Abs. 2 PersVG i.V.m. §§ 87 Abs. 1, 89 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1 ArbGG). Sie ist aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Personalratswahl bei dem Bundesbahn-Bahnhof ... vom Februar 1969 für ungültig erklärt.

24

Der bei dem Verwaltungsgericht gestellte Wahlanfechtungsantrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist bei dem Bahnhof in ... als Gewerkschaft vertreten und daher nach § 22 PersVG anfechtungsberechtigt; die zweiwöchige Anfechtungsfrist ist eingehalten.

25

Der Antrag ist begründet. Die Voraussetzungen des § 22 PersVG für die Wahlanfechtung liegen vor.

26

Bei der Wahl der Mitglieder des Personalrats ist gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren bei der Setzung der Nachfrist des § 11 WO verstoßen worden, wobei hier unerörtert bleiben kann, ob noch weitere Wahlverstöße im Sinne des § 22 PersVG gegeben sind.

27

Gemäß § 6 Abs. 5 WO ist die Wahl mit Erlaß des Wahlausschreibens eingeleitet. Zu den wesentlichen Vorschriften über das Wahlverfahren rechnet die Bestimmung des § 11 WO über die Nachfrist für die Einreichung von Wahlvorschlägen. Der Gesetzgeber geht, wie aus § 15 PersVG ersichtlich ist, davon aus, daß die Wahl des Personalrats auf Grund von Wahlvorschlägen durchzuführen ist. In § 80 Buchst. c PersVG hat er demgemäß ausdrücklich bestimmt, daß die Bundesregierung durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Vorschlagslisten und die Frist für ihre Einreichung zu erlassen hat (vgl. hierzu u.a. BVerwGE 5, 348 [349].

28

Diesem Gesetzesbefehl folgend bestimmt § 7 Abs. 2 WO, daß die Wahlvorschläge innerhalb von achtzehn Kalendertagen nach dem Erlaß des Wahlausschreibens einzureichen sind (sog. Regelfrist). - Diese Frist hat die Gruppe Arbeiter vorliegend unbestritten nicht eingehalten. - Von dieser sog. Regelfrist des § 7 Abs. 2 WO hat der Verordnungsgeber nur für bestimmte Fälle Ausnahmen zugelassen. § 10 WO sieht, wenn ungültige Wahlvorschläge eingereicht sind, ein unverzügliches Handeln des Wahlvorstandes und von da ab Ausschlußfristen von 3 Kalendertagen vor, um die Mängel zu beseitigen (sog. Nachbesserungsfrist; vgl., hierzu BVerwG, Beschl. v. 14. Febr. 1969 - VII P 5.68 -). Schließlich bestimmt § 11 WO (sog. Nachfrist - oder letzte Frist):

"(1)
Ist nach Ablauf der in § 7 Abs. 2 und § 10 Abs. 5 Buchstaben a und b genannten Frist bei Gruppenwahl nicht für jede Gruppe ein gültiger Wahlvorschlag, bei gemeinsamer Wahl überhaupt kein gültiger Wahlvorschlag eingegangen, so gibt der Wahlvorstand dies sofort durch Aushang an den gleichen Stellen, an denen das Wahlausschreiben ausgehängt ist, bekannt. Gleichzeitig fordert er zur Einreichung von Wahlvorschlägen innerhalb einer Nachfrist von sechs Kalendertagen auf.

(2)
Im Falle der Gruppenwahl weist der, Wahlvorstand in der Bekanntmachung darauf hin, daß eine Gruppe keine Vertreter in den Personalrat wählen kann, wenn auch innerhalb der Nachfrist für sie kein gültiger Wahlvorschlag eingeht. Im Falle gemeinsamer Wahl weist der Wahlvorstand darauf hin, daß der Personalrat nicht gewählt werden kann, wenn auch innerhalb der Nachfrist kein gültiger Wahl Vorschlag eingeht.

(3)
Gehen auch innerhalb der Nachfrist gültige Wahlvorschläge nicht ein, so gibt der Wahlvorstand sofort bekannt

a.
bei Gruppenwahl, für welche Gruppe oder für welche Gruppen keine Vertreter gewählt werden können,

b.
bei gemeinsamer Wahl, daß diese Wahl nicht stattfinden kann."

29

Aus dem Hinweis des § 11 WO auf die Regelfrist des § 7 Abs. 2, WO (innerhalb von achtzehn Kalendertagen nach dem Erlaß des Wahlausschreibens) und auf die sog. Nachbesserungsfrist des § 10 WO (unverzügliches Handeln des Wahlvorstandes und von da ab Frist von 3 Kalendertagen) ist die Bedeutung der Nachfrist des § 11 WO zu erkennen: Ist trotz allem kein gültiger Wahlvorschlag (für eine Gruppe oder bei Gemeinschaftswahl) innerhalb der gesetzten Fristen eingegangen, so soll in einer besonderen Nachfrist der letzte Versuch gemacht werden, einen gültigen Wahl Vorschlag zu erhalten. In Abs. 3 des § 11 WO hat dabei der Verordnungsgeber ausdrücklich die Folgen bestimmt, die sofort eintreten, falls auch diese Nachfrist ungenutzt geblieben ist: die säumige Gruppe erhält keinen Vertreter; eine Gemeinschaftswahl findet nicht statt.

30

All das läßt nur den Schluß zu, daß diese Nachfrist des § 11 WO strikt nach den Bestimmungen gesetzt werden muß, da anderenfalls z.B., durch Manipulation von Anfangsdaten eine vierte Frist - also gleichsam eine Nachfrist für die Nachfrist des § 11 WO -, die der Verordnungsgeber gemäß § 11 Abs. 3 WO offenkundig ausschließen will, gesetzt werden würde. So ist es verständlich, daß z.B. die zweite Frist, die sog. Nachbesserungsfrist des § 10 WO, mit dem unverzüglichen Handeln des Wahlvorstandes, daß aber die dritte Frist, die Nachfrist des § 11 WO, mit dem sofortigen Handeln des Wahl Vorstandes beginnt. Es spricht nichts dafür, daß der Gesetz- oder Verordnungsgeber diese beiden Begriffe "sofort" und "unverzüglich" gleichsetzt oder der zweimalige Gebrauch des Wortes "sofort" in § 11 WO ein Redaktionsversehen darstellt. Für die Verschiedenheit der Begriffe spricht ferner, daß die Wahlordnung nur den Begriff "unverzüglich" je nach Sachzusammenhang und Zweck allein oder mit Zusätzen verwendet (vgl. u.a. §§ 1 Abs. 3; 2 Abs. 3, 3 Abs. 2 (hier: "unverzüglich, spätestens jedoch einen Tag vor Beginn der Stimmabgabe"), § 13 (hier: "unverzüglich ..., spätestens jedoch fünf Kalendertage vor Beginn der Stimmabgabe"); § 20 (hier: "unverzüglich, spätestens am dritten Kalendertage nach Beendigung der Stimmabgabe"); §§ 22; 35; 42). Da § 47 WO für die Berechnung der Fristen die entsprechende Anwendung der §§ 186 bis 193 BGB bestimmt, sieht es der Senat als zulässig an, die herrschende Meinung, wie sie sich im Anfechtungsrecht zu § 121 BGB gebildet hat, zur Auslegung der in der Wahlordnung gebrauchten Begriffe "sofort" und "unverzüglich" entsprechend heranzuziehen. Das Reichsgericht hat in RGHZ 124 auf Seite 118 hierzu ausgeführt:

"Zum Begriff der Unverzüglichkeit gehört nach der letztgenannten Entscheidung grundsätzlich ein nach den Umständen des Falles zu bemessendes beschleunigtes Handeln, durch das dem Interesse des Anfechtungsgegners an Klarstellung des durch die Anfechtung in Frage gestellten Rechtsverhältnisses Rechnung getragen wird. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Erklärung bedeutet also nicht, daß der Berechtigte die Anfechtungserklärung "sofort" abzugeben hat. Es kommt nicht darauf allein an, welcher Zeitraum zwischen Erlangung der Kenntnis vom Anfechtungsgrund und der Person des Anfechtungsgegners einerseits und der Abgabe der Anfechtungserklärung andererseits liegt. So hat das Reichsgericht im Urteil vom 28. Februar 1908 III 289/07 eine über einen Monat nach Erlangung solcher Kenntnis erklärte Anfechtung noch für zulässig erklärt, weil der Prozeßbevollmächtigte der Partei, auf dessen Kenntnis es ankam, noch eine Entschließung der Partei selbst für notwendig hielt (vgl. auch RG Urt. vom 8. November 1907 VII 47/07). Ein Zögern schließt die Anfechtung nur aus, wenn es schuldhaft ist. Letzteres trifft nur zu, wenn das Zuwarten nicht durch die Umstände des Falles geboten ist. Die Rücksicht auf den Anfechtungsgegner, zu dessen Schutze das Gesetz die unverzügliche Abgabe der Anfechtungserklärung vorschreibt, braucht nicht so weit zu gehen, daß dadurch das Anfechtungsrecht selbst vereitelt wird."

31

Diese Deutung ist in Lehre und Rechtsprechung im Grundsatz herrschend (vgl. u.a. Palandt, BGB, 28. Aufl. 1969 Anm. 3 zu § 121 BGB; Staudinger, BGB 11. Aufl. 1957 Rand-Nr. 3 zu § 121; Soergel-Siebert, BGB 10. Aufl. 1967 Rand-Nr. 6 zu § 121). Der erkennende Senat übernimmt diese Unterscheidung der Begriffe "unverzüglich" und "sofort" für die Auslegung des Begriffs "sofort" im Sinne des § 11 WO: Der Wahlvorstand muß zur Erfüllung seiner Pflicht des § 11 WO bei Ablauf der sog. Regelfrist (§ 7 Abs. 2) ohne jedes Zögern prüfen (§ 11 Abs. 1), ob die Voraussetzungen für eine Nachfristsetzung gemäß § 11 WO gegeben sind. Sobald der Wahlvorstand bei dieser pflichtgemäßen Prüfung die Kenntnis von dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine Nachfristsetzung erlangt hat, muß er ohne Zeitverlust und Zögern die Bekanntmachung und gleichzeitig die Aufforderung zur Einreichung von Wahlvorschlägen innerhalb einer Nachfrist von sechs Kalendertagen aushängen. Erkennen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 11 WO und Aushang schließen sich also unvermittelt an. Das Wort "sofort" duldet keine zusätzlichen Erwägungen über die Zweckmäßigkeit eines späteren Aushangs und damit einer Ausweitung der Nachfrist des § 11 WO, (So im Ergebnis: GDBA: "Die Personalratswahl", 2. Aufl. 1963 Anm. 5 zu § 11 WO: "Das Eingreifen des Wahlvorstandes hat nicht "unverzüglich", sondern "sofort" zu geschehen, d.h. augenblicklich. In dieser Lage ist jedes Zögern ein schuldhaftes Zögern; GdEB: "Handbuch für Personalräte" S. 176 zu § 11 WO: "Der Wahlvorstand hat noch am Tage des Auslaufs der Einreichungsfrist festzustellen, daß keine gültigen Wahlvorschläge eingegangen sind".).

32

Es liegt mithin ein Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift des Wahlverfahrens vor, wenn der Wahlvorstand zwischen Erkennen der Voraussetzungen für eine Nachfristsetzung einerseits und der Bekanntmachung und Aufforderung zur Einreichung von Wahlvorschlägen innerhalb einer Frist von sechs Kalendertagen andererseits aus irgendwelchen Gründen einen Zeitraum einschiebt, um den Beginn der Nachfrist hinauszuschieben und, damit die Nachfrist geräumiger (Sonnabend, Sonntag) und später zu setzen, als § 11 WO bestimmt.

33

Ein solcher Verstoß liegt im vorliegenden Fall offenkundig vor.

34

Der Wahlvorstand hat bei pflichtgemäßer Prüfung bei Ablauf der sog. Regelfrist (18 Kalendertage) des § 7 WO am 10. Januar 1969 um 13.00 Uhr erkennen können und müssen, daß für die Gruppe Arbeiter kein Wahlvorschlag eingegangen war. Da in dem Wahlausschreiben als Endzeitpunkt für die Einreichung 13.00 Uhr genannt war, brauchte er nicht den Ablauf des 10. Januar 1969 bis 24.00 Uhr abzuwarten und mit der Prüfung am 11. Januar 1969 zu beginnen. Es ist bei der gegebenen Sachlage - insbesondere Zahl der Wahlberechtigten, rechtzeitige Bekanntmachung des Endzeitpunktes im Wahlausschreiben, Annahme, daß Freitag 13.00 Uhr für den wesentlichen Teil der Bediensteten als Dienstschluß bezeichnet werden konnte - nichts gegen diese Festsetzung des Endzeitpunktes auf 13.00 Uhr einzuwenden (vgl. zu dieser Frage u.a.: BVerwG, Beschl.v. 3. Febr. 1969 - VII P 2.68 -; OVG Münster, Beschl, v. 26. Okt. 1956 - VI B 481/56 - = AP Nr. 1 zu § 7 WO; Ballerstedt-Engelhard, Bay. PersVG, 2. Aufl. 1963 Anm. 5 zu § 7 WO). Sie verstößt nicht gegen die Fristbestimmung des § 47 WO, § 47 WO bestimmt nur die entsprechende Anwendung der §§ 186 bis 193 BGB, so daß Besonderheiten eines Wahl Verfahrens Berücksichtigung finden können. Sinn und Zweck eines Wahlverfahrens für den Personalrat machen es nicht erforderlich, daß Einreichungsfristen pp. ab 0,00 Uhr bis 24.00 Uhr laufen müssen und der Wahlvorstand sich in dieser Zeit z.B. zur Annahme der Wahlvorschläge zur Verfügung halten muß. Den Wahlberechtigten kann zugemutet werden, innerhalb von bekanntgemachten bestimmten - zumutbaren und ausreichenden - Tageszeiten den jeweiligen Wahlpflichten nachzukommen. Das erweisen auch z.B. die Wahlordnungen für die Bundestags-, Landtags-, Kreis- und Gemeindewahlen (vgl. z.B. §§ 18 Abs. 1 Ziff. 1 ("wo, wie lange und zu welchen Tagesstunden das - Wählerverzeichnis ausliegt"); 24 Abs. 4 Satz 1 ("Wahlscheine, können bis zum Tage vor der Wahl 12.00 Uhr beantragt werden"); 25 Abs. 3 letzter Satz; 29 Abs. 1 ("Sie geben bekannt, wo und bis zu welchem Zeitpunkt die Wahlvorschläge ... eingereicht werden müssen"); 43 Abs. 1 ("Die Wahl dauert von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr"); 57 Abs. 4, 58 Abs. 2 BWahlO; §§ 14 Abs. 2 Nr. 1; 20 Abs. 6; 21 Abs. 3; 25, 35 Abs. 2; 41; 42; 53 Abs. 4 ("Wahldauer nach dem tatsächlichen Bedürfnis"), 54 Abs. 2 Schl.-H. LWO; §§ 13 Abs. 1a; 19 Abs. 6;, 20 Abs. 3; 42; 53 Abs. 4; 54 Abs. 2; 81 Schl.-H. GKWO). Für eine Dienststelle mit 47 Bediensteten, denen die Fristsetzung 13.00 Uhr im Wahlausschreiben bekanntgemacht war, war es ausreichend, wenn die Frist von 18 Kalendertagen am Endtag um 13.00 Uhr endete. Dieser Zeitpunkt war auch zweckdienlich und sachlich gerechtfertigt, weil er dem Wahlvorstand Raum ließ, seinen Pflichten nach § 11 WO zu einer zumutbaren Tageszeit nachzukommen.

35

Die Bekanntmachung vom 12. Januar 1969 mit der Gewährung einer Nachfrist bis zum 20. Januar 1969 stellt einen Verstoß gegen § 11 WO dar. Der Wahlvorstand war offenkundig in der Lage, ohne Zeitverlust am 10. Januar 1969 um 13.00 Uhr den Nichteingang eines Wahlvorschlages für die Gruppe Arbeiter zu erkennen. Demgemäß begann die Nachfrist am 11. Januar 1969 und endete mit Donnerstag, dem 16. Januar 1969. Die erst am 12. Januar 1969 erfolgte Bekanntmachung, die - bei Nichtanrechnung des Sonnabends und Sonntags - bis zum 20. Januar 1969 gesetzte Nachfrist und die Berücksichtigung des erst am 19. Januar 1969 eingegangenen Wahlvorschlages der Gruppe Arbeiter stellen demgemäß einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens dar. Es kann hier unerörtert bleiben, ob eine Berücksichtigung eines trotz unrichtiger Bekanntmachung innerhalb der Frist des § 11 WO - hier bis zum 16. Januar 1969 - eingegangenen Wahlvorschlages zulässig gewesen wäre; bis zum Ablauf des 16. - und auch des 17. - Januar 1969 war hier kein Wahlvorschlag der Gruppe Arbeiter eingegangen.

36

Mit dem Verwaltungsgericht vermag bei der gegebenen Sach- und Rechtslage auch der Senat nicht zu erkennen, daß durch diesen Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt werden könnte. Es ist vielmehr möglich (vgl. BVerwGE 25, 120 [121]), daß bis zum 16. Januar 1969 kein Wahlvorschlag der Gruppe Arbeiter eingegangen und der Sitz dieser Gruppe Arbeiter der Gruppe Beamte zugefallen wäre (vgl. Ballerstedt-Engelhard a.a.O. Anm. 7 zu § 11 Bay.WO mit weiteren Hinweisen). Ferner ist möglich, daß auch die Wahl der Gruppe Beamte ein anderes Ergebnis gehabt hätte, wenn kein Wahlvorschlag der Gruppe Arbeiter in der Frist des § 11 WO eingegangen wäre. Es ist zu beachten, daß der am 19. Januar 1969 eingegangene Wahlvorschlag der Gruppe Arbeiter die Beamten ... und ... als Personalratsmitglieder vorschlug und daß diese beiden Beamten auch auf dem am 10. Januar 1969 zurückgenommenen Wahlvorschlag Nr. 2 der Gruppe Beamte benannt waren, obwohl die Wahlvorschlage Nr. 1 und 2 - und auch der Vorschlag der Gruppe Arbeiter - die Gewerkschaftszugehörigkeit zur GdED ausweisen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß insbesondere bei Fehlen oder Ungültigkeit des Wählvorschlages der Gruppe Arbeiter Meinungsverschiedenheiten auch in der Gruppe Beamte zu einem anderen Ergebnis der Wahl geführt hätten, wenn man weiter berücksichtigt, daß in der Gruppe Beamte 1 Stimme ungültig war, der Abstand der Teilungszahlen: Wahlvorschlag Nr. 1 (25: 2) = 12 1/2 und Wahl Vorschlag Nr. 3 (11: 1) = 11 gering und eine Veränderung der Sitzzuteilung bei einer oder zwei Stimmen möglich ist.

37

Nach alledem war wie geschehen zu beschließen.

38

Für eine Kostenentscheidung ist im Beschlußverfahren kein Raum (BVerwGE 4, 35, 9) [BVerwG 04.07.1956 - V C 199/55].

39

Die Bewertung des Verfahrensgegenstandes, der nicht vermögensrechtlicher Art ist, erfolgt nach § 8 Abs. 2 BRAGebO (vgl. NJW 1961 S. 938). Im Hinblick auf die Zahl der Wahlberechtigten, den Umfang und die Bedeutung der Sache und bei Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Einzelfalles war der Wert nach billigem Ermessen auf 2.000,- DM anzunehmen.

40

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 PersVG in Verbindung mit § 91 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen.

41

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist unanfechtbar (BVerwGE 4, 357).

Lindner
Pohl
Dr. Lapp
Reicke
Cerwenka