Arbeitsgericht Oldenburg
Urt. v. 25.04.2019, Az.: 5 Ca 315/18

Stufenzuordnung; Tarifvertrag der Diakonie Niedersachsen (TV DN)

Bibliographie

Gericht
ArbG Oldenburg
Datum
25.04.2019
Aktenzeichen
5 Ca 315/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69553
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
LArbG - AZ: 8 Sa 413/19 E

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die bei der Studenzuordnung nach dem Tarifvertrag der Diakonie Niedersachsen (TV DN) mögliche Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern setzt keine sonderpädagogische Zusatzqualifikation voraus. Eine derartige Voraussetzung folgt nicht aus § 9 Abs. 3 der Werkstättenverordnung.

Tenor:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.02.2018 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.03.2018 zu zahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 zu zahlen.

4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.05.2018 zu zahlen.

5. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.06.2018 zu zahlen.

6. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.07.2018 zu zahlen.

7. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.08.2018 zu zahlen.

8. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.09.2018 zu zahlen.

9. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.10.2018 zu zahlen.

10. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.11.2018 zu zahlen.

11. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 zu zahlen.

12. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. Januar 2018 Vergütung nach der Entgeltgruppe E8 Stufe 5 des TV DN in der jeweils geltenden Fassung zu zahlen.

13. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

14. Der Streitwert wird auf 2.936,16 Euro festgesetzt.

15. Die Berufung wird gesondert zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die zutreffende Stufenzuordnung des Klägers im Rahmen seiner tarifgerechten Vergütung im Rahmen der als solche unstreitigen tariflichen Eingruppierung in die Entgeltgruppe E8.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.11.2009 als Gruppenleiter mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde geschlossen. In einer Änderung zum Arbeitsvertrag vom 30.6.2015 (Ablichtung, Bl. 7 d.A.) wurde zwischen den Parteien vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag Diakonie Niedersachsen (TV DN) sowie diesen ersetzenden oder ergänzenden Tarifverträge Anwendung finden. Mit Änderung zum Arbeitsvertrag haben die Parteien unter dem 29.04.2014 eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E8 vereinbart (Ablichtung, Bl. 8 d.A.).

In den Jahren 1973 bis 2008 war der Kläger bei A. als Meister (ab 1985) im Maschinenbau bzw. bei der Firma L. in B. als Meister tätig. Von 1973 bis 1976 hat er die Ausbildung zum Mechaniker absolviert. Anschließend war er Anlagenführer. Von 1979 bis 1985 war er als Mechaniker im Sondermaschinenbau tätig. Von 1985 bis 1989 war er nach Absolvierung der Prüfung zum Maschinenbaumeister/Ausbildereignungsprüfung als Maschinenbaumeister Sondermaschinenbau mit Lehrlingsausbildung tätig. Von 1989 bis 2008 arbeitete der Kläger als Technischer Angestellter/Maschinenbaumeister. Von 2008 bis 2009 war der Kläger als Maschinenbaumeister Fertigungstechnik bei der Firma L.-M. in B.-V. tätig. Diese Vorbeschäftigungszeiten hat der Kläger gegenüber der Beklagten nachgewiesen.

Der Kläger ist in die Entgeltgruppe 8 eingruppiert. Zwischen den Parteien ist die richtige Stufe streitig. Derzeit ist der Kläger in die Stufe 4 eingeordnet. Er begehrt die Einordnung in die Stufe 5.

Der Kläger behauptet, bereits bei seiner Einstellung sei er in die Entgeltgruppe 7, 5. Tätigkeitsjahr eingruppiert worden.

Er meint, er erfülle die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Stufe 5. Die Tätigkeitsjahre bei seinen vorherigen Arbeitgebern seien zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.02.2018 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.03.2018 zu zahlen;

3. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 zu zahlen;

4. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.05.2018 zu zahlen;

5. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.06.2018 zu zahlen;

6. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.07.2018 zu zahlen;

7. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.08.2018 zu zahlen;

8. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.09.2018 zu zahlen;

9. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.10.2018 zu zahlen;

10. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.11.2018 zu zahlen;

11. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 zu zahlen;

12. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. Januar 2018 Vergütung nach der Entgeltgruppe E8 Stufe 5 des TV DN in der jeweils geltenden Fassung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, erforderlich zur Eingruppierung bzw. zur Anerkennung von Vorbeschäftigungen sei eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation im Sinne des § 9 Abs. 3 Werkstättenverordnung. Diese Zusatzqualifikation hat der Kläger unstreitig nicht.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist auch der Feststellungantrag als sogenannte Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig. Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, der zufolge die Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig ist, wenn durch sie der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 05.09.2002 - 8 AZR 620/01, AP Nr. 93 zu § 22, 23 BAT Lehrer = NJOZ 2003, 2103, 2105; BAG, Urteil vom 19.03.1986 - 4 AZR 470/84, AP Nr. 114 zu § 22, 23 BAT 1975), wie es vorliegend der Fall ist. Hieraus ergibt sich das nach §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 495, 256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse. Es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass der Beklagte einer positiven Feststellung zugunsten des Klägers nachkommen wird (vgl. BAG, Urteil vom 05.11.2003 - 4 AZR 632/02, NZA-RR 2004, 442).

2.

Die Klage ist auch begründet.

a) Der Kläger hat für die Monate Januar bis November 2018 einen Anspruch auf Zahlung von jeweils 81,56 Euro. Der Kläger ist in die Stufe 5 der Entgeltgruppe 8 des Tarifvertrags Diakonie N. vom 19.09.2014 in der Fassung des 3. Änderungstarifvertrages vom 26.04.2017 eingruppiert.

Die Eingruppierung ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag i.V.m.Teil A. § 22, Teil. B des TV DN.

aa) Der Kläger ist nicht bereits auf seiner behaupteten Eingruppierung ins 5. Tätigkeitsjahr bei Aufnahme seiner Tätigkeit seit dem 1.11.2017 im 13. Tätigkeitsjahr. Diese Behauptung konnte der Kläger in der Kammerverhandlung nicht vertiefen. Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob diese Tätigkeitsjahre denen der erst zum 01.01.2018 eingeführten Stufenzuordnung nach Teil B. I. § 5 des TV DN entsprechen.

bb) Maßgeblich für die Eingruppierung des Klägers sind zunächst die vertraglichen und tarifvertraglichen Regelungen. Hinsichtlich der Entgeltgruppe ist der Kläger aufgrund des Änderungsvertrages vom 29.04.2015 (Ablichtung, Bl. 8 d.A.) in die Entgeltgruppe 8 eingruppiert. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Zuordnung der zutreffenden Stufe ergibt sich aus Teil B. § 5 Abs. 2, 4, 5 TV DN. Danach werden Arbeitnehmer derjenigen Stufe ihrer Entgeltgruppe zugeordnet, die dem jeweiligen Tätigkeitsjahr entspricht. Eine Zuordnung zur Stufe 5 erfolgt ab dem 13. Tätigkeitsjahr. Auf die Tätigkeitszeit angerechnet werden bei in Entgeltgruppe E6 bis E 14 eingruppierten Arbeitnehmern Zeiten beruflicher Tätigkeit nach ordnungsgemäßem Ausbildungsabschluss bei mehr als geringfügiger Beschäftigung auf Arbeitsplätzen, deren Anforderungen in der Regel die spezifische Berufsausbildung der Arbeitnehmer voraussetzen und die nachgewiesen worden sind. Für die Überleitung der bereits vor dem 01.01.2018 beschäftigten Arbeitnehmer trifft die Anmerkung zu § 5 in Teil B TV DN weitere Regelungen. Danach erfolgt eine Zuordnung zur Stufe 5, wenn der Arbeitnehmer am 01.01.2018 mindestens zwölf gemäß § 5 Abs 4 des Teil B TV DN zu berücksichtigende Tätigkeitsjahre nachweist.

Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen. Der Kläger hat jedenfalls zwölf anzurechnende Tätigkeitsjahre bei anderen Arbeitgebern nachgewiesen. Dies betrifft jedenfalls die Zeiten nach Abschluss seiner Ausbildung. Dies ist an sich zwischen den Parteien auch unstreitig.

Eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation ist entgegen der Meinung der Beklagten nicht Voraussetzung für die Anerkennung von Tätigkeitszeiten bei früheren Arbeitgebern. Eine solche Voraussetzung ergibt sich aus den zunächst maßgeblichen Regelungen zur Eingruppierung im TV DN nicht.

Eine solche Voraussetzung ergibt sich auch nicht aus § 9 Abs. 3 der Werkstättenverordnung. Die Werkstättenverordnung trifft keine Regelung zur Eingruppierung, sondern regelt Voraussetzungen für die Anerkennung von Werkstätten für Behinderte (vgl. §§ 55 Abs. 3 Schwerbehindertengesetz i.d.F. vom 08.10.1979, heute entsprechend §§ 225 Satz 1, 227 Abs. 1 SGB IX). Hieraus ergeben sich fachliche Anforderungen an die eingesetzten Arbeitnehmer in Werkstätten für Behinderte, die eine Anerkennung nach § 225 Satz 1 SGB IX anstreben. Danach müssen Fachkräfte pädagogisch geeignet sein und über eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation verfügen. Eine Verknüpfung zu den tariflichen Eingruppierungsregeln ist nicht ersichtlich.

Darüber hinaus muss diese Qualifikation nach § 9 Abs. 3 Satz 5, Abs. 2 Satz 3 Werkstättenverordnung nicht bereits bei der Einstellung vorliegen, sondern kann in angemessener Zeit durch Teilnahme an geeigneten Fortbildungsmaßnahmen nachgeholt werden. Auch dies spricht gegen ein Erfordernis des Vorliegens der sonderpädagogischen Zusatzqualifikation für die Berücksichtigung von Tätigkeitsjahren bei früheren Arbeitgebern.

cc) Die weiteren Voraussetzungen zur Stufenzuordnung, insbesondere ein rechtzeitiger Antrag gemäß Teil. B, Anmerkung zu § 5 lit. d. des TV DN liegen vor. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

dd) Die Höhe des monatlichen Differenzbetrages ergibt sich aus den Entgelttabellen in Teil B. Ziffer III. des TV DN und ist zwischen den Parteien unstreitig.

b) Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus Verzug des Beklagten gemäß der §§ 288, 286 BGB. Die Fälligkeit der Vergütung ergibt sich aus Teil A. § 22 Abs. 2 des TV DN.

c) Da der Kläger gemäß den Ausführungen unter I. 2. a) in die Stufe 5 einzuordnen ist, war auch dem Feststellungsantrag stattzugeben.

II.

Als unterlegene Partei hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß der §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen.

III.

Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Dabei wurde gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG insgesamt der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung in Ansatz gebracht.

IV.

Die Berufung war gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 2 lit. b.) ArbGG gesondert zuzulassen.