Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 29.04.2010, Az.: 6 W 47/10
Erlöschen des Anspruchs des gerichtlichen Sachverständigen auf Vergütung seiner Leistungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 29.04.2010
- Aktenzeichen
- 6 W 47/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 41898
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2010:0429.6W47.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 15.03.2010
Rechtsgrundlage
- § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG
Redaktioneller Leitsatz
1. Nach Ablauf der Frist des § 2 Abs. 1 JVEG ist der Anspruch des Sachverständigen auf Vergütung seiner Leistung unwiederbringlich erloschen.
2. Die Frist des § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG beginnt bei gestaffelter Inanspruchnahme des Sachverständigen für jeden Auftragsteil mit dessen Erledigung.
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde der Landeskasse vom 30.03./01.04.2010 wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 15.03.2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur Festsetzung der Vergütung zu Gunsten der Sachverständigen H... nach Maßgabe dieses Beschlusses an das Amtsgericht Osnabrück zurückverwiesen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die weitere Beschwerde ist gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 JVEG zulässig, da das Landgericht sie in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich zugelassen hat.
An diese Zulassung war das Oberlandesgericht als zur Entscheidung über die weitere Beschwerde berufenes Gericht gebunden (§ 4 Abs. 5 Satz 3 und 4 i. V. m. § 4 Abs. 4 Satz 4 JVEG).
Sachlich ist das Rechtsmittel gerechtfertigt.
Die weitere Beschwerde kann gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 JVEG nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Der Bezirksrevisor als Vertreter der Landeskasse hat geltend gemacht, die Entscheidung des Landgerichts verstoße gegen die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG.
Der Vergütungsanspruch der Sachverständigen ist jedenfalls teilweise erloschen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG erlischt der Anspruch auf Vergütung des Sachverständigen, wenn er nicht binnen 3 Monaten bei der Stelle, die ihn beauftragt oder herangezogen hat, geltend gemacht wird. Nach Ablauf der Frist des § 2 Abs. 1 JVEG ist der Anspruch des Sachverständigen auf Vergütung seiner Leistung unwiederbringlich erloschen.
Nach den getroffenen zutreffenden Feststellungen des Landgerichts hat die Sach- verständige H... nach Erstellung des (Haupt-) Gutachtens vom 20.04.2009 - beim Amtsgericht Osnabrück eingegangen am 24.05.2009 - ihre Kostenrechnung vom 10.11.2009 (später der Höhe nach korrigiert) eingereicht. Die Rechnung ist am 19.11.2009 beim Amtsgericht eingegangen.
Mit Eingang des schriftlichen Gutachtens begann die in § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG bestimmte Frist zur Geltendmachung der Vergütung (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 16.09.2009 - 1 Ws 472/09, in juris Rn 13; OLG Koblenz, Beschluss vom 21.11.2007, 14 W 798/07 - MDR 2008, 173 in juris Rn 4). Die Frist war indes bei Eingang der Kostenrechnung bereits abgelaufen.
Soweit das Landgericht ausführte, die Ausschlussfrist beginne bei einer gestaffelten Inanspruchnahme eines Sachverständigen einheitlich mit der Erstattung des letzten Gutachtens, kann sich der Senat dieser Rechtsauffassung nicht anschließen. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG ist die Sicherstellung einer zeitnahen Abrechnung, weil dies eine größere Gewähr für deren Richtigkeit bietet und die Möglichkeit zur schnellen Durchsetzung einer etwaigen Nachzahlungspflicht des Kostenschuldners erheblich verbessert. Das Anliegen einer zeitnahen Abrechnung war dem Gesetzgeber so wichtig, dass er mit der Neuregelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG die Frist zur Geltendmachung der Vergütungs- bzw. Entschädigungsansprüche für alle Anspruchsberechtigten auf drei Monate vereinheitlicht hat, und zwar auch unter Beachtung der Schwierigkeiten, die sich für Sachverständige insbesondere dadurch ergeben können, dass die Frist zur Geltendmachung der Vergütung unabhängig davon beginnt, ob eine spätere Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens erfolgt (vgl. OLG Bamberg, aaO., in juris Rn 14). Im Falle einer mündlichen Erläuterung des Gutachtens oder Erstattung eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens beginnt die Frist des § 2 Abs. 1 JVEG für die Geltendmachung der Vergütung mit dem Eingang des schriftlichen Ergänzungsgutachtens bzw. mit der Beendigung der Hinzuziehung nach Erläuterung (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage (2009) § 2 JVEG Rn 8). Etwaigen Abrechnungsschwierigkeiten soll durch die Möglichkeit der Fristverlängerung und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begegnet werden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 JVEG). Nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung beginnt deshalb für jeden Auftragsteil die Frist mit dessen Erledigung (vgl. OLG Koblenz, aaO., in juris Rn 4; Hartmann, Kostengesetze, aaO., § 2 JVEG Rn 8). Die eindeutige Gesetzeslage ermöglicht dem Senat keine dem Sachverständigen günstige Entscheidung.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts war auch ein Hinweis des Gerichts auf die Frist des § 2 Abs. 1 JVEG an die Sachverständige nicht erforderlich. Die Landeskasse hat zu Recht darauf hingewiesen, dass ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, der für Gerichte gutachterlich tätig wird, sich mit den einschlägigen Vergütungsbestimmungen nach dem JVEG vertraut zu machen hat.
Gleichwohl kann die von der Sachverständigen beanspruchte Vergütung nicht vollständig abgelehnt werden, weil jedenfalls in Bezug auf das am 28.10.2009 eingegangene Ergänzungsgutachten - veranlasst durch den Beweisbeschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 26.06.2009 - die Frist von 3 Monaten gewahrt wurde. Jedenfalls für die im Rahmen der ergänzenden Beauftragung angefallenen Kosten ist die Sachverständige zu entschädigen. Das gesteht auch die Landeskasse zu. Im Hinblick auf die Festsetzung der Vergütung ist der Sachverständigen die Möglichkeit zu eröffnen, für ihre ergänzende Tätigkeit (Ergänzungsgutachten vom 26.10.2009) eine spezifizierte Kostenrechnung einzureichen.
Das Amtsgericht wird sodann aufgrund eigener Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit die berechtigte Vergütung festzusetzen haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 4 Abs. 8 JVEG.