Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.12.2023, Az.: 1 Ws 296/23 (StrVollz), 1 Ws 297/23 (StrVollz)

Sozialtherapie; Gefährlichkeit; Angezeigtheit; Therapiebedürftigkeit; Vollzugsziel; Leugnen; Lockerungen; Missbrauchsgefahr; Nachvollziehbarkeit; Verlegung in sozialtherapeutische Abteilung trotz fehlender Gefährlichkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.12.2023
Aktenzeichen
1 Ws 296/23 (StrVollz), 1 Ws 297/23 (StrVollz)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 45845
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - AZ: 79 StVK 104/23
LG Hannover - 05.10.2023 - AZ: 79 StVK 103/23

Amtlicher Leitsatz

Die Verlegung eines Gefangenen in eine sozialtherapeutische Abteilung kann auch dann auf § 104 Abs. 2 NJVollzG gestützt werden, wenn er zwar wegen einer in § 104 Abs. 1 NJVollzG aufgeführten Straftat verurteilt worden ist, von ihm aber keine erhebliche Gefährlichkeit ausgeht. Die Vollzugsbehörde muss dann in ihrer Entscheidung darlegen, weshalb eine Sozialtherapie zur Erreichung des Vollzugszieles trotzdem angezeigt ist.

In der Strafvollzugssache
des N. K.,
geboren am ...,
zurzeit in der Justizvollzugsanstalt H.,
- Antragstellers und Beschwerdeführers -
gegen die Justizvollzugsanstalt H.,
vertreten durch den Anstaltsleiter,
- Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -
wegen Sozialtherapie u. a.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Oberlandesgericht XXX am 4. Dezember 2023 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover vom 5. Oktober 2023 wird aufgehoben.

  2. 2.

    Der Vollzugsplan der Antragsgegnerin vom 1. September 2023 wird bezüglich seiner Regelungen zu Ziff. 2 (Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt oder Abteilung) und Ziff. 8 (Lockerungen) aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, über die aufgehobenen Regelungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Antragstellers trägt die Landeskasse.

  4. 4.

    Der Streitwert wird für beide Instanzen auf bis zu 500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller befindet sich im Vollzug einer Freiheitsstrafe, unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes. Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 10. September 2023 wendet er sich gegen seinen von der Antragsgegnerin erstellten Vollzugsplan vom 1. September 2023, soweit dieser eine Verlegung des Antragstellers in eine sozialtherapeutische Abteilung und die Nichtgewährung von Lockerungen vorsieht.

Die Antragsgegnerin hat die Verlegung in die sozialtherapeutische Abteilung auf § 104 Abs. 2 NJVollzG gestützt. Sie hat dazu ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer Verlegung gemäß § 104 Abs. 1 NJVollzG nicht vorlägen, weil vom Antragsteller nach dem Ergebnis eines von ihr eingeholten Gutachtens keine erhebliche Gefährlichkeit für die Allgemeinheit ausgehe und das Risiko für weitere erhebliche Sexualdelikte kurz- bis mittelfristig eher niedrig eingeschätzt werde. Die Verlegung sei aber gemäß § 104 Abs. 2 NJVollzG angezeigt, weil der Antragsteller die Anlasstat leugne und nur unter den Bedingungen der Sozialtherapie eine Auseinandersetzung mit der Tat ermöglicht werden könne. Die Gewährung von Vollzugslockerungen hat die Antragsgegnerin maßgeblich auf das Vorliegen einer Missbrauchsgefahr gestützt, weil beim Antragsteller eine deliktorientierte Behandlungsbedürftigkeit bestehe und er noch vollständig unbehandelt sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 5. Oktober 2023 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsgegnerin sowohl bei der Entscheidung über die Verlegung in die Sozialtherapie als auch bei der Entscheidung über Vollzugslockerungen ein Beurteilungsspielraum zukomme, den sie nicht überschritten habe.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat (jedenfalls vorläufig) Erfolg. Die Überprüfung auf die in zulässiger Form erhobene Sachrüge führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Antragsgegnerin gemäß § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG.

1.

Die form- und fristgerecht (§ 118 StVollzG) erhobene Rechtsbeschwerde ist zulässig. Es ist geboten, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen, um einer Wiederholung der nachfolgend aufgezeigten Rechtsfehler entgegenzuwirken. Sowohl die Versagung von Vollzugslockerungen als auch durch die Verlegung in die sozialtherapeutische Abteilung sind gemäß § 109 Abs. 1 StVollzG anfechtbar und beschweren den Antragsteller im vorliegenden Fall (vgl. zur Verlegung OLG Celle, Beschluss vom 6. April 2017 - 3 Ws 156/17 (StrVollz) -, juris).

2.

Die Entscheidung über die Versagung von Vollzugslockerungen erweist sich als rechtsfehlerhaft.

Im Ausgangspunkt zutreffend geht die Strafvollstreckungskammer davon aus, dass der Vollzugsbehörde ein Beurteilungsspielraum zusteht, wenn sie einem Gefangenen Vollzugslockerungen gemäß § 13 NJVollzG wegen des Vorliegens von Flucht- oder Missbrauchsgefahr versagen will (BGH, Beschluss vom 22. Dezember 1981 - 5 AR (Vs) 32/81 -, BGHSt 30, 320-327). Das Gericht darf deshalb die Prognose der Vollzugsbehörde nicht durch seine eigene ersetzen (BGH a. a. O).

Dieser Beurteilungsspielraum entbindet die Vollzugsbehörde aber nicht davon, eine Gesamtwürdigung aller für die Entscheidung erheblichen Umstände vorzunehmen und diese nachprüfbar darzulegen (BVerfG, Beschluss vom 18. September 2019 - 2 BvR 681/19 -, juris). Die Entscheidung der Vollzugsbehörde muss erkennen lassen, dass sie alle Gesichtspunkte, die objektiv für die Entscheidung von maßgeblicher Bedeutung sind bzw. sein können, auch tatsächlich berücksichtigt hat (OLG Hamm, Beschluss vom 21. Juli 2021 - III-1 Vollz (Ws) 207 + 239/21 -, juris). Die Darstellung muss es dem Gericht ermöglichen, die Bewertung der Vollzugsbehörde nachzuvollziehen (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 17. April 2019 - 1 Ws 266/18 Vollz -, juris).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Vollzugsplan nicht gerecht. Die Antragsgegnerin hat in ihre Entscheidung über die Vollzugslockerungen nicht erkennbar auch das Prognosegutachten einbezogen, auf das sie an anderer Stelle des Vollzugsplans Bezug nimmt. Aus diesem Gutachten soll sich - wie die Antragsgegnerin im Rahmen der Prüfung der Verlegung in die sozialtherapeutische Abteilung mitteilt - ergeben, dass bei dem Antragsteller keine erhebliche Gefährlichkeit festgestellt werden könne und dass das von ihm ausgehende Risiko für weitere erhebliche Sexualdelikte kurz- bis mittelfristig als eher niedrig eingeschätzt werde. Diesen Umständen kann auch für die Entscheidung über Vollzugslockerungen maßgebliche Bedeutung zukommen, denn die Antragsgegnerin stützt ihre Annahme von Missbrauchsgefahr gerade auf die Gefahr, dass der Antragsteller "erneut im Feld der Anlassverurteilung tätig werde". Die Antragsgegnerin war deshalb aus Rechtsgründen gehalten, in ihrer Entscheidung nachvollziehbar darzustellen, weshalb sie trotz dieser gutachterlichen Einschätzung eine Missbrauchsgefahr für den Fall der Gewährung von Vollzugslockerungen annimmt.

3.

Auch die Verlegung des Antragstellers in eine sozialtherapeutische Abteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a)

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die Verlegung allerdings nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil er zu dem Personenkreis der Gefangenen gehört, die eine Katalogstraftat gemäß § 104 Abs. 1 NJVollzG begangen haben. Denn dies schließt eine Anwendung des § 104 Abs. 2 NJVollzG nicht aus.

§ 104 Abs. 1 NJVollzG schreibt die Verlegung eines Gefangenen, der wegen einer Katalogtat verurteilt worden ist, in eine sozialtherapeutische Anstalt vor, wenn die dortige Behandlung zur Verringerung einer erheblichen Gefährlichkeit der oder des Gefangenen für die Allgemeinheit angezeigt ist. § 104 Abs. 2 NJVollzG eröffnet der Vollzugsbehörde ein Ermessen, "andere Gefangene" in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, wenn die dortige Behandlung zur Verringerung einer erheblichen Gefährlichkeit der oder des Gefangenen für die Allgemeinheit angezeigt ist.

Der Wortlaut des § 104 Abs. 2 NJVollzG lässt die Auslegung zu, dass als "andere Gefangenen" nur solche in Betracht kommen, die keine der in § 104 Abs. 1 NJVollzG aufgeführten Katalogtaten begangen haben. Ein solches Verständnis hätte zur Folge, dass Katalogstraftäter, die im Vollzug die Gefährlichkeitsschwelle des § 104 Abs. 1 NJVollzG nicht erreichen, von einer fakultativen Verlegung in eine sozialtherapeutische Abteilung gemäß § 104 Abs. 2 NJVollzG ausgenommen wären.

Gegen eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 104 Abs. 2 NJVollzG spricht aber zunächst, dass kein sachlicher Grund dafür erkennbar wäre, Katalogstraftätern den Zugang zur fakultativen Verlegung in die Sozialtherapie gemäß § 104 Abs. 2 NJVollzG zu erschweren. Der gesetzlichen Regelung liegt die Annahme zu Grunde, dass bei Katalogstraftätern im Sinne des § 104 Abs. 1 NJVollzG bereits die begangenen Anlasstaten auf ein höheres Risiko für neue Straftaten und eine erhöhte Therapiebedürftigkeit der Gefangenen hindeuten. Wenn sich im Rahmen der Prüfung des § 104 Abs. 1 NJVollzG herausstellt, dass von einem solchen Gefangenen tatsächlich keine erhebliche Gefährlichkeit ausgeht, so fehlt damit zunächst lediglich die besondere Indikation für die obligatorische Sozialtherapie, also der Anlass für eine gegenüber den anderen Gefangenen abweichende Behandlung gemäß § 104 Abs. 1 NJVollzG. Der Gefangene ist damit aber nicht weniger potentiell behandlungsbedürftig als alle Nicht-Katalogstraftäter, für deren fakultative Verlegung in die Sozialtherapie gemäß § 104 Abs. 2 NJVollzG es auf eine erhebliche Gefährlichkeit nicht ankommt. Demnach ist es folgerichtig, die Möglichkeit des § 104 Abs. 2 NJVollzG auch auf Katalogstraftäter zu erstrecken.

Darüber hinaus spricht auch ein Vergleich der niedersächsischen Regelung mit anderen Vollzugsgesetzen dagegen, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der fakultativen Verlegung in die Sozialtherapie beschränken und Katalogstraftäter davon ausnehmen wollte. Die meisten anderen Vollzugsgesetze formulieren ebenfalls unterschiedliche Voraussetzungen für die obligatorische Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt einerseits und für eine vom Ermessen der Vollzugsbehörde abhängige fakultative Verlegung andererseits; in keinem dieser Gesetze wird aber die fakultative Verlegung in die Sozialtherapie ausgerechnet für Katalogstraftäter an strengere Voraussetzungen gebunden als für alle anderen Gefangenen. Stattdessen ergibt sich aus dem Wortlaut der meisten anderen Gesetze deutlich, dass die fakultative Verlegung gerade für solche Gefangenen in Betracht kommt, die nicht die Gefährlichkeit aufweisen, der für eine obligatorische Verlegung in die Sozialtherapie verlangt wird (§ 18 Abs. 2 Bln StVollzG, § 25 Abs. 3 BBgJVollzG, § 17 Abs. 3 BremStVollzG, § 17 Abs. 3 M-V StVollzG, § 24 Abs. 3 RhPf LJVollzG, § 17 Abs. 3 SLStVollzG, § 17 Abs. 3 SächStVollzG, § 24 Abs. 3 LSA JVollzGB, § 18 Abs. 2 SH LStVollzG, § 24 Abs. 3 ThürJVollzGB). Nach den Vollzugsgesetzen der übrigen Länder und des Bundes stellt sich die Frage nach einem Auffangtatbestand für weniger gefährliche Katalogstraftäter ohnehin nicht, denn sie verlangen entweder neben der Anlasstat keine besondere Gefährlichkeit (§ 9 StVollzG, § 10 HmbStVollzG, § 12 HStVollzG) oder machen auch für Nicht-Katalogstraftäter eine Gefährlichkeit zur Voraussetzung der Verlegung (§ 8 Abs. 1 JVollzG BW Buch 3, Art. 11 BayStVollzG , 13 Abs. 2 StVollzG NRW). Die Gesetzesmaterialien bieten keinen Anhaltspunkt dafür, dass der niedersächsische Gesetzgeber eine von den anderen Vollzugsgesetzen abweichende Sonderregelung bezweckt hat. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergibt sich vielmehr, dass die Landesregierung mit der fakultativen Verlegung in die Sozialtherapie im Wesentlichen dem Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 StVollzG folgen wollte (LT-Drs. 15/3565, S. 95). Eine Abkehr von dieser grundlegenden Vorstellung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ist trotz der Änderungen, die im parlamentarischen Verfahren gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf vorgenommen wurden, nicht ersichtlich.

b)

Die Entscheidung der Antragsgegnerin zur Verlegung des Antragstellers in eine sozialtherapeutische Abteilung gemäß § 104 Abs. 2 NJVollzG ist rechtlich indes nicht tragfähig begründet.

Auch bei der Feststellung der Voraussetzungen des § 104 Abs. 2 NJVollzG steht der Vollzugsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu. Die Prüfungskompetenz des Gerichts ist hiernach darauf beschränkt, ob die Vollzugsbehörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie ihrer Entscheidung die richtigen rechtlichen Voraussetzungen zugrunde gelegt und ob sie dabei die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten oder allgemeine Wertmaßstäbe missachtet hat oder ob sie sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 20. April 2007 - 1 Ws 91/07 (StrVollz) -, juris; KG, Beschluss vom 9. Oktober 2013 - 2 Ws 428/13 Vollz -, juris; OLG Celle, Beschluss vom 27. August 2015 - 1 Ws 352/15 (StrVollz) -, juris; BeckOK Strafvollzug Nds/Reershemius-Schulz, 21. Ed. 1.7.2023, NJVollzG § 104 Rn. 9).

Den Anforderungen an die Entscheidungsbegründung, die sich aus diesen Prüfungsmaßstäben ergeben, genügt die Entscheidung der Antragsgegnerin nicht. Der Senat kann aufgrund der Entscheidungsbegründung nicht feststellen, dass die Antragsgegnerin bei der Prüfung der Angezeigtheit der Sozialtherapie von zutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist.

Grundvoraussetzungen dafür, dass eine Sozialtherapie zur Erreichung des Vollzugszieles gemäß § 104 Abs. 2 NJVollzG angezeigt ist, sind die Therapiebedürftigkeit und die Therapiefähigkeit des Gefangenen (vgl. Arloth, StVollzg § 9 Rn. 9 u. 16; BeckOK Strafvollzug Bbg/Goers BbgJVollzG § 25 Rn. 7; BeckOK Strafvollzug Hamburg/Lohmann, 18. Ed. 1.10.2023, HmbStVollzG § 10 Rn. 8 u. 14; BeckOK Strafvollzug Hessen/Euler HStVollzG § 12 Rn. 3; Rettenberger/Hoffmann/Egg in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 7. Aufl. 2020, 3. Kapitel, Rn. 16). Bezugspunkt der Therapiebedürftigkeit ist dabei gemäß § 104 Abs. 2 NJVollzG das Vollzugsziel. Die Person des Gefangenen muss deshalb Anlass dazu geben, mittels der Sozialtherapie seine Fähigkeit zu einer sozial verantwortlichen und straffreien Lebensführung zu verbessern (§ 5 Satz 1 NJVollzG).

Die Begründung der Antragsgegnerin lässt nicht sicher erkennen, dass sie ihrer Entscheidung diesen Maßstab zu Grunde gelegt hat. Ihre Erwägungen beschränken sich darauf, die Notwendigkeit der Sozialtherapie für eine Auseinandersetzung mit den Taten des Antragstellers und deren Aufarbeitung darzulegen. Allein hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Sozialtherapie auch für das Vollzugsziel angezeigt ist. Die fehlende Tataufarbeitung durch einen Sexualstraftäter stellt zwar ein ungünstiges prognostisches Kriterium dar (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29. September 2015 - III-1 Vollz (Ws) 411/15 -, juris). Dies schließt aber die Einbeziehung auch günstiger Prognosegesichtspunkte im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht aus. Auch bei einem leugnenden Sexualstraftäter kann unter Umständen eine positive Prognose für seine künftige Lebensführung bestehen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. März 2000 - 3 Ws 114/00 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Februar 1988 - 2 Ws 26/88 -, juris; OLG Celle, Beschluss vom 11. Februar 2008 - 1 Ws 64/08 -, juris). Die Ausführungen im Vollzugsplan lassen besorgen, dass die Antragsgegnerin dies verkannt hat und neben der fehlenden Tataufarbeitung keine anderen Umstände in ihre Beurteilung einbezogen hat, die sich möglicherweise günstig auf die Prognose auswirken könnten. Insbesondere fehlt wiederum eine Auseinandersetzung mit dem Gutachten, auf das sich die Antragsgegnerin bei der Ablehnung der Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 NJVollzG bezogen hat, wonach vom Antragsteller gegenwärtig keine erhebliche Gefährlichkeit ausgehen soll. Angesichts dieser gutachterlichen Einschätzung hätte die Antragsgegnerin in ihrer Entscheidung darlegen müssen, ob und ggf. aus welchen Gründen sie davon ausgeht, dass sich die fehlende Tatbearbeitung durchgreifend ungünstig auf die künftige Fähigkeit des Antragstellers zu einer sozial verantwortlichen und straffreien Lebensführung auswirkt. Auch eine mögliche Abweichung ihrer Entscheidung von dem ihr vorliegenden Gutachten hätte sie dabei begründen müssen, um eine rechtliche Nachprüfung ihrer Beurteilung zu ermöglichen.

3.

Aufgrund der vorgenannten Rechtsfehler hebt der Senat nicht nur den angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer, sondern auch die entsprechenden Regelungen im Vollzugsplan auf und verpflichtet die Antragsgegnerin, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden, weil die Sache insoweit spruchreif ist (§ 102 NJVollzG i. V. m. § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 4 StVollzG i. V. m. § 467 Abs. 1 StPO.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 1 Nr. 8, 63 Abs. 3, 65 GKG.