Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 22.11.2006, Az.: 4 A 1082/04

Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Umlagen zur Finanzierung der Altenpflegerausbildung; Korrekturfähigkeit eines Umlagebescheids vor Bestandskraft; Berechnung der Frist zur Frist zur Meldung des Bestandes an Pflegepersonal nach § 2 Abs. 3 Satz 1 der Umlageverordnung zum Altenpflege-Berufegesetz (UmlVO-APBG)

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
22.11.2006
Aktenzeichen
4 A 1082/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 27473
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2006:1122.4A1082.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 19.04.2007 - AZ: 8 LA 170/06

Verfahrensgegenstand

Umlage zur Finanzierung der Altenpflegeausbildung

Amtlicher Leitsatz

Die Frist zur Meldung des Bestandes an Pflegepersonal nach § 2 Abs. 3 Satz 1 der Umlageverordnung zum Altenpflege-Berufegesetz stellt keine Ausschlussfrist dar, so dass die Umlagestelle, solange der Umlagebescheid noch keine Bestands-/Rechtskraft erlangt hat, verpflichtet ist, abweichende/korrigierte Angaben des Einrichtungsträgers zum Pflegepersonalbestand auch noch nach Ablauf der Meldefrist zu berücksichtigen.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 4. Kammer -
ohne mündliche Verhandlung
am 22. November 2006
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Schröder,
die Richterin am Verwaltungsgericht Teichmann,
den Richter Tepperwien und
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Rechtsstreit durch Klagerücknahme und durch übereinstimmende Hauptsacheerledigung beendet wurde.

Im Übrigen wird der Bescheid der Beklagten vom 19. August 1999 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2004 aufgehoben, soweit für den Abrechnungszeitraum 1999/2000 eine Umlage von mehr als 3.451,92 EUR (entspricht: 6.751,37 DM) festgesetzt worden ist.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 7/10 und die Beklagte zu 3/10.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die jeweilige Kostenschuldnerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kostenforderung abwenden, wenn nicht die jeweilige Kostengläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Umlagen zur Finanzierung der Altenpflegerausbildung.

2

Die Klägerin betreibt in F. das "Private Senioren-Pflegeheim G.". Für diese Einrichtung erteilte ihr die Stadt F. durch Bescheid vom 29. August 1996 eine heimrechtliche Erlaubnis für ursprünglich fünf Pflegeplätze. Nach einem Umbau umfasst die Einrichtung der Klägerin seit August 2001 zwanzig heimrechtlich zugelassene Pflegeplätze. Ein Versorgungsvertrag mit den Verbänden der gesetzlichen Pflegekassen in Niedersachsen bestand zunächst bis zum 31. Dezember 2000 und wurde für die Zeit ab August 2001 aufgrund eines Vertragsangebotes der Pflegekassenverbände vom 13. Juni 2001 erneut abgeschlossen.

3

Nachdem die Klägerin erstmals durch Schreiben der Beklagten vom 2. Juli 1999 unter anderem darauf hingewiesen worden war, dass sie aufgrund dort vorliegender Unterlagen nach dem Gesetz über die Berufe in der Altenpflege (Altenpflege-Berufegesetz - APBG -) an dem Umlageverfahren zur Finanzierung der Ausbildungsvergütung in der Altenpflege zu beteiligen sei, meldete sie am 19. Juli 1999 der Beklagten ihren Bestand an Pflegepersonal per 15. Mai 1999 mit vier Vollzeitstellen. Während für den sich anschließenden Abrechnungszeitraum 1. August 2000 bis zum 31. Juli 2001 keine Meldung der Klägerin zum Pflegepersonalbestand bei der Beklagten einging, gab sie unter dem 17. August 2001 den Bestand an Pflegepersonal per 15. Mai 2001 mit 8,5 Vollzeitstellen an. Für den Abrechnungszeitraum 2002/2003 erfolgte erneut keine Meldung der Klägerin.

4

Die Beklagte setzte durch Bescheid vom 19. August 1999 für das Umlagejahr 1999/2000 die von der Klägerin auf der Grundlage von vier Vollzeitstellen zu entrichtende Umlage auf 13.502,72 DM (= 6.903,83 EUR) fest. Für den Abrechnungszeitraum 2000/2001 betrug die gegenüber der Klägerin festgesetzte Umlage nach dem Bescheid der Beklagten vom 22. August 2000 insgesamt 8.568,48 DM (= 4.380,99 EUR), wobei wegen der fehlenden Meldung zum Personalbestand im Wege der Schätzung erneut vier Vollzeitstellen den Berechnungen zugrunde gelegt wurden. Die Festsetzung für das Umlagejahr 2001/2002 erfolgte durch Bescheid der Beklagten vom 24. August 2001. Für die 8,5 von der Klägerin per 15. Mai 2001 gemeldeten Vollzeitstellen ergab sich ein Betrag in Höhe von 7.701,17 DM (= 3.937,55 EUR). Hinsichtlich des Abrechnungszeitraumes 2002/2003 setzte die Beklagte durch Bescheid vom 20. August 2002 eine Umlage in Höhe von 503,37 EUR fest, wobei auch für dieses Umlagejahr aufgrund der fehlenden Angaben der Klägerin wiederum eine Schätzung der Vollzeitstellen auf der Grundlage ihrer Vorjahresmeldung mit 8,5 erfolgte.

5

Gegen die vier Festsetzungsbescheide der Beklagten legte die Klägerin am 27. August 1999, 8. September 2000, 7. September 2001 und 19. September 2002 jeweils Widerspruch ein, der zunächst nicht begründet wurde. Im Hinblick auf ein bereits aufgrund eines Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtes Lüneburg vom 10. März 1999 bei dem Bundesverfassungsgericht (u.a.) anhängiges Verfahren (BVerfG 2 BvL 1/99) zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der landesrechtlichen Abgaben zur Finanzierung von Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege ließ die Beklagte die Widersprüche der Klägerin ruhen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht unter dem 17. Juli 2003 entschieden hatte, dass die §§ 8 und 9 APBG mit dem Grundgesetz vereinbar seien, teilte die Klägerin der Beklagten am 29. September 2003 mit, dass die eingelegten Widersprüche dem Grunde nach zurückgenommen würden, sie aber eine Neuberechnung der festgesetzten Umlagen beantrage, weil in den Jahren 1999 und 2000 nur jeweils zwei Vollzeitbeschäftigte in der Pflege tätig gewesen seien. In dem Jahr 2001 seien es acht und im Jahr 2002 8,5 Vollzeitbeschäftigte gewesen. Insoweit halte sie ihre Widersprüche aufrecht.

6

Die Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin durch vier Widerspruchsbescheide vom 3. Mai 2004 zurück und lehnte eine Neuberechnung der festgesetzten Umlagen unter Berücksichtigung der nachträglich geltend gemachten Änderungen der Vollzeitstellen mit folgender Begründung ab: Bei der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 Umlageverordnung zum Altenpflege-Berufegesetz (UmlVO-APBG), wonach die Vollzeitstellen der Umlagestelle spätestens bis zum 1. Juli eines jeden Jahres zu melden seien, handele es sich um eine Ausschlussfrist, die von dem Verordnungsgeber bewusst gesetzt worden sei, um für das jeweilige Umlagejahr zu einer verbindlichen Berechnungsgrundlage der Umlage für alle am Umlageverfahren beteiligten Einrichtungen zu kommen und das Umlageverfahren somit praktikabel zu machen. Änderungen der Vollzeitstellen bei einem Einrichtungsträger würden sich auf die Höhe der Umlagebeträge aller am Umlageverfahren beteiligten Einrichtungen und in Folge der Refinanzierbarkeit über die Pflegevergütungen auch auf deren Pflegesätze nachträglich auswirken. Irrtümer bezüglich der gemeldeten Vollzeitstellen müssten daher zu Lasten der Einrichtung gehen, die die entsprechende Meldung abgegeben habe, zumal die Umlagestelle den Einrichtungen ausführliche Hinweise zur Berechnung der Vollzeitstellen gegeben und ihnen auch für Rückfragen zur Verfügung gestanden habe. Hätte der Verordnungsgeber die Möglichkeit schaffen wollen, Vollzeitstellenänderungen im Rahmen der Schlussrechnung zu Lasten der Rücklage zu berücksichtigen, so hätte er dies in § 6 UmlVO-APBG geregelt. Er habe dies jedoch nicht getan, so dass insoweit auch nicht von einer Regelungslücke ausgegangen werden könne, die zu füllen wäre. In der Begründung zu dem Entwurf der UmlVO-APBG sei hinsichtlich der Regelung zur Bildung einer Rücklage ausgeführt worden, dass sie sicherstelle, dass auch bei ausbleibenden Zahlungen der fälligen Umlageanteile Aufwendungsersatz geleistet werden könne.

7

Die Klägerin hat am 7. Juni 2004 entsprechend den den Widerspruchsbescheiden der Beklagten beigefügten Rechtsmittelbelehrungen Klage bei dem Verwaltungsgericht Lüneburg erhoben (5 A 109/04), das den Rechtsstreit durch Beschluss vom 18. Juni 2004 an das erkennende Gericht verwiesen hat.

8

Im Laufe des Klageverfahrens hat die Klägerin ihre Klage ganz oder teilweise ausdrücklich bzw. durch Einschränkung des Klageantrages zurückgenommen, und zwar in vollem Umfang durch Schriftsatz vom 27. August 2004 hinsichtlich des Umlagejahres 2002/2003 (= 503,37 EUR) und durch Schriftsatz vom 13. Oktober 2006 für den Abrechnungszeitraum 2001/2002 (= 3.937,55 EUR) sowie teilweise durch Schriftsatz vom 13. Oktober 2006 hinsichtlich des Umlagejahres 1999/2000 in Höhe von 2.451,92 EUR und durch Schriftsatz vom 24. Oktober 2006 für den Abrechnungszeitraum 2000/2001 in Höhe von 1.825,41 EUR. Im Übrigen hat die Beklagte durch Änderungsbescheid vom 21. September 2006 für das Umlagejahr 2000/2001 ihre Forderung um 2.555,58 EUR reduziert und insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

9

Hinsichtlich des allein noch für das Umlagejahr 1999/2000 streitigen Betrages in Höhe von 3.451,91 EUR macht die Klägerin zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen geltend:

10

Bei ihrer Meldung im Jahre 1999 über vier Vollzeitpflegekräfte habe sie sich selbst und ihren Ehemann in den Personalbestand einbezogen, obwohl sie ausschließlich als Heimleiterin und ihr Ehemann ausschließlich hauswirtschaftlich tätig gewesen seien. Tatsächlich habe sie bei fünf Pflegeplätzen daher nur zwei Vollzeitpflegekräfte gehabt. Sie sei erstmals durch Schreiben der Beklagten vom 2. Juli 1999 angeschrieben worden. In diesem Schreiben sei ihr weder eine Frist zum 1. Juli eines jeden Jahres noch, dass es sich hierbei um eine Ausschlussfrist handeln solle, mitgeteilt worden. Es sei lediglich allgemein auf § 2 Abs. 1 und 2 UmlVO-APBG hingewiesen worden. Hieraus folge, dass sie nicht habe wissen können, dass sie eventuelle Angaben fristgemäß machen müsse und diese auch im Widerspruchsverfahren nicht mehr korrigieren könne. Insoweit genieße sie Vertrauensschutz. Sie bestreite, dass die Beklagte ihr ausführliche Hinweise zur Ermittlung der Vollzeitstellen gegeben und ihr mitgeteilt habe, dass sie - die Beklagte - für eventuelle Rückfragen zur Verfügung gestanden habe. Darüber hinaus gehe aber auch aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 2 UmlVO-APBG nicht hervor, dass es sich um eine Ausschlussfrist handele. Es werde bestritten, dass Änderungen, die im Widerspruchsverfahren geltend gemacht würden, insbesondere über die Angaben von Vollzeitstellen, mit dem Umlageverfahren nicht vereinbar seien. Soweit sich die Beklagte auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Osnabrück (6 A 57/04) beziehe, setze sich diese insbesondere nicht damit auseinander, dass gemäß § 6 UmlVO-APBG die Umlagestelle berechtigt sei, nach abschließenden Angaben eines Trägers der praktischen Ausbildung die endgültige Berechnung des Aufwendungsersatzes zu ändern und eine eventuelle Differenz zu Lasten oder zu Gunsten der Rücklage zu erheben, während dies für die Erhebung der Umlage ausgeschlossen sein solle. Damit sei die Verordnung nicht verfassungskonform. Sie habe im Übrigen auch unmittelbar nach Ablauf des Ruhens des Verfahrens im Widerspruchsverfahren ihre Angaben nach § 2 UmlVO-APBG nachgeholt.

11

Die Klägerin hat schriftsätzlich zuletzt sinngemäß beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19. August 1999 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2004 aufzuheben, soweit für den Abrechnungszeitraum 1999/2000 eine Umlage von mehr als 3.451,92 EUR (entspricht: 6.751,37 DM) festgesetzt worden ist.

12

Die Beklagte hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Klage, soweit sie noch aufrechterhalten wird, abzuweisen.

13

Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend unter anderem vor:

14

Die Klägerin sei ausdrücklich auf § 2 Abs. 2 UmlVO-APBG hingewiesen worden. Dort sei von der Abgabe der Meldung "spätestens bis zum 1. Juli eines jeden Jahres" die Rede. Bei dieser klaren Formulierung bestehe keine Notwendigkeit, eine Einrichtung zusätzlich darüber aufzuklären, dass diese Frist tatsächlich einzuhalten sei und nachträgliche Änderungen nicht (mehr) möglich seien. Dies könne dem Verordnungstext bei verständiger Würdigung direkt entnommen werden. Eine Korrektur der Vollzeitstellen und damit der für die Klägerin festgesetzten Umlagebeträge sei weder geboten noch gerechtfertigt. Er verweise auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes Osnabrück vom 21. Juli 2001 (6 A 57/04), das entschieden habe, dass es sich bei der Mitteilungsfrist des § 2 Abs. 2 UmlVO-APBG um eine Ausschlussfrist handele. Die von der Klägerin behauptete Verfassungswidrigkeit der Verordnung wegen der nicht gegebenen Möglichkeit, nicht nur die Meldungen über die Ausbildungsverhältnisse, sondern auch die über den stichtagsbezogenen Personalbestand nachträglich zu korrigieren, sei nicht gegeben. Es sei gerechtfertigt, dass die Meldungen über die tatsächlich in einem Umlagejahr bestehenden Ausbildungsverhältnisse nach Ablauf des Umlagejahres gegebenenfalls korrigiert würden. Schließlich sei es der Zweck des ganzen Umlageverfahrens, dass lediglich die tatsächlichen Ausbildungskosten finanziert würden. Für die dadurch auftretenden Veränderungen der prognostizierten Ausgaben der Umlagestelle diene ausdrücklich die aus der Umlageerhebung gespeiste Rücklage, aber eben auch nur dafür.

15

Die Beteiligten haben durch Schriftsätze vom 13. Oktober 2006 (Klägerin) und vom 11. Oktober 2006 (Beklagte) auf die Durchführung einer (erneuten) mündlichen Verhandlung verzichtet.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte A) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Das Verfahren ist gemäß/entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für das Umlagejahr 2000/2001 in Höhe von 2.555,58 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt haben und die Klägerin darüber hinaus die Klage (ausdrücklich bzw. sinngemäß) für das Umlagejahr 1999/2000 in Höhe von 3.451,92 EUR, für das Umlagejahr 2000/2001 in Höhe von 1.825,41 EUR, für das Umlagejahr 2001/2002 in Höhe von 3.937,55 EUR und für das Umlagejahr 2002/2003 in Höhe von 503,37 EUR zurückgenommen hat.

18

Im Übrigen ist die Klage, über die nach § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne (erneute) mündliche Verhandlung entschieden werden kann, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

19

Der Bescheid der Beklagten vom 19. August 1999 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2004 erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit für den Abrechnungszeitraum 1999/2000 eine Umlage von mehr als 3.451,92 EUR (entspricht: 6.751,37 DM) festgesetzt worden ist. Für dieses Umlagejahr kann die Klägerin beanspruchen, dass nicht, wie von ihr zunächst angegeben, vier Vollzeitpflegestellen in die Berechnungen eingestellt werden, sondern dass die Umlage entsprechend der von ihr bereits im Widerspruchverfahren gemachten Angaben nur auf der Grundlage von zwei Vollzeitpflegestellen festgesetzt wird.

20

Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu der streitigen Umlage sind die §§ 8 und 9 des Gesetzes über die Berufe in der Altenpflege (Altenpflege-Berufegesetz - APBG -) vom 20. Juni 1999 (Nds. GVBl. S. 276), geändert durch Gesetz vom 15. Juli 1999 (Nds. GVBl. S., 158), in Verbindung mit der auf der Grundlage des § 11 APBG erlassenen Umlageverordnung zum Altenpflege-Berufegesetz (UmlVO-APBG) vom 2. Oktober 1996 (Nds. GVBl. S. 427), geändert am 5. August 1999 (Nds. GVBl. S. 319).

21

Für das vorliegende Verfahren sind dabei folgende Vorschriften von Bedeutung:

§ 8 APBG

(1)
Die Summe der Ausbildungsvergütungen einschließlich der Pflichtanteile der Arbeitgeber an den Beiträgen für die Sozialversicherungen und die Arbeitslosenversicherung werden nach einheitlichen Grundsätzen gleichmäßig auf alle Träger der Einrichtungen umgelegt, die

1.
eine Pflegeeinrichtung nach § 71 in Verbindung mit § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch oder

2.
ein Heim für alte Menschen im Sinne des § 1 Abs. 1 des Heimgesetzes, soweit es nicht schon in Nummer 1 erfasst ist, ausgenommen Altenwohnheime, betreiben.

(2)
...

(3)
...

(4)
Den Umlagemaßstab bildet der Bestand an Pflegepersonal.

(5)
...

§ 1 UmlVO-APBG

Abrechnungszeitraum für das Umlageverfahren ist die Zeit vom 1. August eines jeden Jahres bis zum 31. Juli des folgenden Jahres (Umlagejahr).

§ 2 UmlVO-APBG

(1)
Die Träger der praktischen Ausbildung nach § 6 Abs. 1 APBG beantragen bei der Umlagestelle bis zum 1. Juli eines jeden Jahres den Ersatz ihrer Aufwendungen für das folgende Umlagejahr und geben hierzu an:

...

Die Träger teilen der Umlagestelle ferner bis zum 1. September eines jeden Jahres die endgültigen Angaben nach Satz 1 für das abgelaufene Umlagejahr mit. Sofern der Umlagestelle bis zu diesem Zeitpunkt kein vollständiger Antrag vorliegt, kann der Anspruch auf Aufwendungsersatz nicht mehr geltend gemacht werden.

(2)
Die Träger der Einrichtungen nach § 8 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 APBG melden der Umlagestelle spätestens bis zum 1. Juli eines jeden Jahres nach dem Stand vom 15. Mai ihren Bestand an Pflegepersonal, umgerechnet in Vollzeitstellen. ...

(3)
Eine Einrichtung nach § 8 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 APBG, die ihren Betrieb im Laufe eines Umlagejahres aufnimmt, wird erstmals im folgenden Umlagejahr zur Entrichtung eines Umlageanteils herangezogen.

(4)
Alle Träger sind verpflichtet, der Umlagestelle den Zeitpunkt der Schließung einer Einrichtung innerhalb von sechs Wochen zu melden. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz und die Verpflichtung zur Zahlung der Umlage enden mit Ablauf des Monats, in dem die Einrichtung geschlossen worden ist.

§ 3 UmlVO-APBG

(1)
Die Umlagestelle ermittelt den Gesamtbetrag der Umlage aus

1.
der Summe der Ausbildungsvergütungen nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 bis 3 APBG sowie

2.
einem Zuschlag nach Maßgabe des Absatzes 2 zur Einstellung in die Rücklage.

(2)
Die Umlagestelle soll die Rücklage in Höhe von 25 vom Hundert der Summe des Betrages nach Absatz 1 Nr. 1 bilden. Hierzu ermittelt sie den Betrag, der auf der Grundlage der Schlussrechnung des vorangegangenen Umlagejahres zur Auffüllung in die Rücklage einzustellen ist.

§ 4 UmlVO-APBG

(1)
...

(2) Sofern ein Träger seine Mitteilungspflichten nach § 2 nicht termingerecht oder unvollständig erfüllt, kann die Umlagestelle die Höhe der Umlage schätzen oder den Aufwendungsersatz erst im Rahmen der Schlussrechnung nach § 6 festsetzen.

§ 6 UmlVO-APBG

(1)
Ergibt die endgültige Berechnung des Aufwendungsersatzes eines Trägers der praktischen Ausbildung nach den abschließenden Angaben (§ 2 Abs. 1 Satz 2) eine Änderung, setzt die Umlagestelle die Höhe entsprechend fest und erstattet oder erhebt die Differenz zu Lasten oder zu Gunsten der Rücklage. Danach erstellt die Umlagestelle die Schlussrechnung für das abgelaufene Umlagejahr.

(2)
...

22

Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben vermag die Kammer nicht festzustellen, dass es sich entsprechend der Argumentation der Beklagten und der Auffassung des Verwaltungsgerichtes Osnabrück in seinem Urteil vom 21. Juli 2001 (6 A 57/04) bei der Fristsetzung des § 2 Abs. 2 Satz 1 UmlVO-APBG (Meldung des Pflegepersonalbestandes nach dem Stand vom 15. Mai spätestens bis zum 1. Juli eines jeden Jahres) tatsächlich um eine Ausschlussfrist handeln soll. Dies erschließt sich zunächst schon nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift. Gerade im Hinblick auf die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 UmlVO-APBG ["Sofern der Umlagestelle bis zu diesem Zeitpunkt (Einfügung durch die Kammer: bis zum 1. September eines jeden Jahres) kein vollständiger Antrag vorliegt, kann der Anspruch auf Aufwendungsersatz nicht mehr geltend gemacht werden."], die zweifelsfrei als Festlegung einer Ausschlussfrist einzustufen ist, handelt es sich bei § 2 Abs. 2 Satz 1 UmlVO-APBG um eine "schlichte" Fristsetzung, an deren Nichteinhaltung der Verordnungsgeber als Ausfluss der Verletzung von Mitwirkungspflichten des Trägers der Einrichtung "lediglich" das Recht der Umlagestelle anknüpft, die Höhe der Umlage zu schätzen (vgl. § 4 Abs. 2 UmlVO-APBG). Im Übrigen hat sich aber auch die Beklagte beispielsweise im Jahre 2001 selbst in Widerspruch zu ihrer Behauptung, § 2 Abs. 1 Satz 3 UmlVO-APBG regele eine Ausschlussfrist, gesetzt, indem sie für das Umlagejahr 2001/2002 die erst am 17. August 2001 bei ihr eingegangene Pflegebestandsmeldung der Klägerin berücksichtigt hat. Schließlich überzeugt auch das Argument der Beklagten, dass es sich um eine Ausschlussfrist handeln müsse, um für das jeweilige Umlagejahr zu einer verbindlichen Berechnungsgrundlage der Umlage für alle am Umlageverfahren beteiligten Einrichtungen zu kommen und das Umlageverfahren somit praktikabel zu machen, weil Änderungen der Vollzeitstellen bei einem Einrichtungsträger sich auf die Höhe der Umlagebeträge aller am Umlageverfahren beteiligten Einrichtungen und in Folge der Refinanzierbarkeit über die Pflegevergütungen auch auf deren Pflegesätze nachträglich auswirken würden, nicht. Da der Umlagesatz für das am 1. August eines jeden Jahres beginnende Umlagejahr auf der Grundlage der der Umlagestelle zu diesem Zeitpunkt bekannten Daten (Summe der voraussichtlich anfallenden Ausbildungsvergütungen ./. Summe der nach dem Stand vom 15. Mai gemeldeten/geschätzten Vollzeitstellen) kalkuliert wird, haben nachträglich eintretende Änderungen - sei es hinsichtlich der Höhe der tatsächlich angefallenen Ausbildungsvergütungen, sei es hinsichtlich der Zahl der Vollzeitstellen - keinen Einfluss mehr auf die Verbindlichkeit dieser Kalkulation für alle übrigen am Umlageverfahren beteiligten Einrichtungen, insbesondere besteht keine Verpflichtung der Umlagestelle, eine Nachkalkulation vorzunehmen. Dies wird auch durch die Regelung des § 4 Abs. 4 Satz 2 UmlVO-APBG bestätigt. Wird eine Einrichtung im Laufe des Umlagejahres geschlossen, endet die Verpflichtung zur Zahlung der Umlage mit Ablauf des Monats, in dem die Einrichtung geschlossen wird. Dies bedeutet zugleich, dass sich vom Schließungszeitpunkt an die Gesamtsumme der voraussichtlich anfallenden Ausbildungsvergütungen und die Zahl der Vollzeitstellen nachträglich verändert (= verringert) haben, gleichwohl muss aber keine Neuberechnung der Umlage erfolgen, sondern die durch Schließung einer Einrichtung entstehende Einnahmeausfälle werden über die zu bildende Rücklage aufgefangen. Darüber hinaus ist die Kammer aber auch davon überzeugt, dass die Beklagte, sofern sich nach Erlass der Umlagebescheide, also nach Kalkulation des Umlagesatzes, herausstellen sollte, dass ein Einrichtungsträger bei den Vollzeitstellen - bewusst oder irrtümlich - zu wenige Stellen fristgemäß gemeldet haben sollte, diesen Fehler - bei Bestandskraft durch eine Nachveranlagung oder im Widerspruchsverfahren durch eine Neufestsetzung - berücksichtigen würde und auch müsste, und zwar ohne dass eine Verpflichtung bestünde, die Umlageverfahren der übrigen Träger wieder aufzugreifen. Sind aber für den Einrichtungsträger belastende Umstände nachträglich noch zu berücksichtigen, so muss dies auch für ihn begünstigende gelten, zumal gerade auch das Widerspruchsverfahren die Aufgabe hat, die Sach- und Rechtslage nochmals umfassend zu überprüfen. Daher ist die Kammer der Auffassung, dass betroffene Einrichtungsträger irrtümlich gemachte Angaben, solang#e der Umlagebescheid nicht bestands-/rechtskräftig geworden ist, korrigieren können und dass die Umlagestelle einer solchen Korrektur durch Neuberechnung und -festsetzung der Umlage für den jeweiligen Einzelfall Rechnung zu tragen hat. Der Bescheid der Beklagten vom 19. August 1999 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2004 ist hier demnach aufzuheben, soweit für den Abrechnungszeitraum 1999/2000 eine Umlage von mehr als 3.451,92 EUR (entspricht: 6.751,37 DM) festgesetzt worden ist.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Soweit die Beklagte für den Abrechnungszeitraum 2000/2001 die Umlage durch Änderungsbescheid vom 21. September 2006 um 2.555,58 EUR reduziert hat, ist die Klägerin zwar klaglos gestellt worden. Dies rechtfertigt es gleichwohl nicht, die Beklagte hierfür mit den Verfahrenskosten zu belasten, weil die Klägerin sich erstmals im gerichtlichen Verfahren darauf berufen hat, dass sie in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Juli 2001 nur ein Altenwohnheim betrieben habe, und nachprüfbare Unterlagen auch erst nach der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2006 der Beklagten vorgelegt worden sind. Hierauf hat die Beklagte umgehend durch den Änderungsbescheid vom 21. September 2006 reagiert, so dass es unter Berücksichtigung des § 156 VwGO (Kosten bei sofortigem Anerkenntnis) billigem Ermessen entspricht, die Klägerin mit den Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreites zu belasten.

24

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

25

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 13 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung zunächst auf 15.725,74 Euro, und ab dem 24. Oktober 2006 (nach Klagerücknahme bzw. Hauptsacheerledigung für das Umlagejahr 1999/2000 in Höhe von 3.451,92 EUR, für das Umlagejahr 2000/2001 in Höhe von 4.380,99 EUR, für das Umlagejahr 2001/2002 in Höhe von 3.937,55 EUR und für das Umlagejahr 2002/2003 in Höhe von 503,37 EUR) auf 3.451,91 Euro festgesetzt.

Schröder
Teichmann
Tepperwien