Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 24.11.1976, Az.: 3 U 4/76
Gerechtfertigte Anfechtung eines Testaments; Wert einer Anwaltskanzlei; Frist bei der Anfechtung eines Testaments
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 24.11.1976
- Aktenzeichen
- 3 U 4/76
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1976, 11631
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1976:1124.3U4.76.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 26.11.1975 - AZ: 6 O 305/73
Rechtsgrundlagen
- § 2078 Abs. 2 BGB
- § 2080 BGB
- § 2081 BGB
Prozessführer
XXX
Prozessgegner
YYY
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Hegt ein Erblasser die irrtümliche Erwartung, eine Änderung der Erbeinsetzung in seinem Testament habe eine Steuerersparnis zur Folge, so kann dies einen Anfechungsgrund für die Verfügung zur Folge haben.
- 2.
Für den Beginn der Anfechtungsfrist kommt deshalb nicht allein darauf an, ab wann der Anfechtende das Motiv des Erblassers für die Testamentsänderung bekannt gewesen ist, sondern darauf, ab wann der Anfechtende wußte, daß sich der Erblasser hinsichtlich dieses Motivs in einem Irrtum befunden hat.
- 3.
Der innere Wert einer Anwaltspraxis kann je nach Lage, Art. und Umfang unterschiedlich groß sein und in Einzelfällen sogar völlig fehlen. Der Wert für den den Sachwert übersteigenden Preis bildet hierbei die Chance, die Klientel des seine Praxis veräußernden Anwalts zu übernehmen und den vorhandenen Bestand als Grundlage für den weiteren Ausbau der eigenen Praxis zu verwenden.
In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 1976
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufungen der Parteien wird das am 26. November 1975 verkündete Teilurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.103,80 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juli 1973 abzüglich am 19. Februar 1974 auf die Hauptforderung gezahlter 17.203,49 DM und auf die Zinsen gezahlter 455,43 DM sowie weiter abzüglich am 15. Juli 1974 auf die Hauptforderung gezahlter 130,44 DM zu zahlen.
In Höhe eines Betrages von 35.837,20 DM nebst Zinsen wird die Klage abgewiesen.
Das weitergehende Rechtsmittel des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten erster Instanz bleibt dem Schlußurteil des Landgerichts vorbehalten; von den Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin 7/13 und der Beklagte 6/13.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin 35.837,20 DM und für den Beklagten 30.769,87 DM.
Tatbestand
Die Parteien waren ab 5. Mai 1965 miteinander verheiratet. Auf eine dem Beklagten am 5, Februar 1973 zugestellte Klage der Klägerin wurde ihre Ehe am 20. März 1973 geschieden. Nunmehr verlangt die Klägerin von dem Beklagten Rückzahlung ihm während der Ehe zur Verfügung gestellter Beträge sowie Zahlung eines Zugewinnausgleichs.
Hinsichtlich des von der Klägerin auf 14.735,67 DM und weitere 26.000,00 DM bezifferten Rückzahlungsbegehrens hat der Beklagte den Empfang des Geldes und das Bestehen einer Rückzahlungsverpflichtung in Höhe von 17.333,93 DM anerkannt. Er hat diesen Betrag im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt. Hinsichtlich eines weiteren Betrages von 476,70 DM hat sich die Klägerin mit einer Aufrechnung hinsichtlich folgender Gegenforderungen des Beklagten einverstanden erklärt:
Tilgungsanteil für ein Darlehen | 245,26 DM, |
---|---|
erstattete Lebensversicherungsprämie | 91,44 DM, |
Wert eines von der Klägerin übernommenen Bücherregals | 140,00 DM. |
Streitig ist deshalb insoweit nur noch ein Betrag von 22.925,04 DM, bei dem es sich um einen dem Beklagten zugefallenen Anteil am Nachlaß der Stiefgroßmutter der Klägerin, Frau ... geb. ... handelt. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, der Anteil sei dem Beklagten nur treuhänderisch zugefallen. Die Erblasserin habe ursprünglich mit Testament vom 28.04.1966 nur sie, die Klägerin, zu 1/2 ihres Nachlasses als Erbin eingesetzt. Der Beklagte habe ihr, der Klägerin, dann jedoch erklärt, daß sie bei dieser Erbeinsetzung mit einer hohen Erbschaftssteuer zu rechnen habe und daß es besser sei, die Erbschaft aufzuteilen. Diesen Rat habe sie an die Erblasserin weitergegeben und diese habe sie dann mit einem weiteren Testament vom 14.05.1970 nur noch zu 1/6 als Erbin eingesetzt und zu weiteren je 1/6 den Beklagten und ihren gemeinsamen Sohn ... bedacht. Hierbei sei jedoch davon ausgegangen worden, daß wirtschaftlich der Erbanteil des Beklagten nach wie vor ihr, der Klägerin, habe zufallen sollen. Deshalb sei der Beklagte um 22.925,04 DM ungerechtfertigt bereichert.
Hinsichtlich des von der Klägerin darüber hinaus geltend gemachten Zugewinnausgleichsanspruchs ist zwischen den Parteien im wesentlichen nur die Bewertung der Anwaltspraxis des Beklagten streitig. Die Klägerin hat den Wert dieser Praxis auf einen auch von dem Beklagten vorprozessual genannten Betrag von 50.000,00 DM beziffert und hat unter Berücksichtigung dieses Wertes sowie weiterer Vermögensgegenstände des Beklagten für sich einen Zugewinnausgleichsanspruch von 47.500,00 DM errechnet.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 88.261,00 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 1. Juli 1973 abzüglich am 19. Februar 1974 gezahlter 17.203,49 DM auf die Hauptforderung und 456,43 DM auf die Zinsen zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der Erbeinsetzung durch die Stiefgroßmutter der Klägerin hat er die Darstellung der Klägerin, der Erbanteil habe ihm nur treuhänderisch zufallen sollen, bestritten. Ferner hat er die Auffassung vertreten, seiner Praxis sei im Rahmen der Zugewinnberechnung kein zu berücksichtigender wirtschaftlicher Wert beizumessen.
Das Landgericht hat am 26. November 1975 ein Teilurteil verkündet, auf dessen Tatbestand einschließlich der dort in Bezug genommenen Aktenteile zur ergänzenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verwiesen wird.
In diesem Urteil hat das Landgericht das auf den sich im Besitz des Beklagten befindenden Erbanteil am Nachlaß der Frau Magdalene Nagel gerichtete Zahlungsbegehren der Klägerin abgewiesen. Hiergegen setzt sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sowie auch ordnungsgemäß begründeten Berufung zur Wehr. Sie hat nunmehr gegenüber dem zuständigen Nachlaßgericht die Anfechtung des Testaments der Frau Nagel vom 14.05.1970 erklärt. Zur Begründung dieser Anfechtungserklärung führt sie aus, Motiv der Erbeinsetzung des Beklagten im Testament sei das Ziel gewesen, den Erben Erbschaftssteuer zu ersparen. Insoweit habe sich die Erblasserin aber in einem Irrtum befunden, weil sich erst jetzt herausgestellt habe, daß das erste Testament noch steuergünstiger gewesen sei als das zweite. Hilfsweise hält die Klägerin das erstinstanzliche Vorbringen aufrecht, daß die Erbeinsetzung des Beklagten nur treuhänderisch gemeint gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 22.925,04 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.07.1973 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, wobei er der von der Klägerin erklärten Testamentsanfechtung entgegentritt.
Darüber hinaus hat auch er gegen das Urteil des Landgerichts form- und fristgerecht Berufung eingelegt und das Rechtsmittel ordnungsgemäß begründet. Er beanstandet den vom Landgericht mit 50.000,00 DM in die Zugewinnberechnung eingesetzten Wert seiner Anwaltspraxis und trägt vor, die Klägerin habe ein höheres Endvermögen als er selbst, so daß ihr schon deshalb kein Ausgleichsanspruch zustehe. Ferner macht er wegen angeblicher Ansprüche auf Herausgabe ihm persönlich gehörender Gegenstände (Bücher, Schreibmaschine, Armbanduhr) ein Zurückbehaltungsrecht geltend.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen,
hilfsweise,
Vollstreckungsnachlaß zu gewähren.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise,
Vollstreckungsnachlaß zu gewähren, auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder einer deutschen öffentlichen Sparkasse.
Sie verteidigt hinsichtlich der Zugewinnberechnung das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens beider Parteien wird auf ihre im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung gutachterlicher Äußerungen der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk ... über die Höhe des Verkehrswerts der Rechtsanwaltspraxis des Beklagten im Zeitpunkt der Erhebung der Ehescheidungsklage sowie durch Einholung einer Auskunft der ... Lebensversicherungs AG ... über den Rückkaufswert einer von dem Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung. Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Gutachten der Anwaltskammer vom 16.07.1976 (Bl. 191 f d.A.) und 13.10.1976 (Bl. 264 f d.A.) sowie auf die Auskünfte der genannten Versicherung vom 27.09.1976 (Bl. 259 d.A.) und 02.08.1976 (Bl. 261 d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist begründet, die Berufung des Beklagten hat dagegen nur teilweise Erfolg.
Die Klägerin kann von dem Beklagten die Herausgabe des sich in seinem Besitz befindenden, der Höhe nach mit 22.925,04 DM unstreitigen Anteils am Nachlaß der Frau ... verlangen. Der Beklagte ist in diesem Umfang - 1/6 des Nachlasses - in dem Testament der Erblasserin vom 14.05.1970 zwar als Erbe eingesetzt worden, die Klägerin hat dieses Testament jedoch wirksam angefochten.
Der Senat hält es für erwiesen, daß die Erblasserin ihr früheres Testament vom 28.04.1966 nur deshalb geändert und durch die letztwillige Verfügung vom 14.05.1970 ersetzt hat, weil sie davon ausgegangen ist, eine Aufteilung des der Klägerin zugedachten Erbanteils sei steuerlich günstiger. Das hat der Beklagte vorprozessual selbst zugestanden, wie einem an den Anwalt der Klägerin gerichteten Schreiben seines erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vom 01.10.1972 (Bl. 239 d.A.) zu entnehmen ist. In diesem Schriftsatz heißt es wörtlich:
"Dazu darf ich vorweg anmerken, daß die Großmutter Ihrer Mandantin die Stiefgroßmutter war und mit Ihrer Mandantin nicht verwandt war.
Das war der Hauptgrund, weshalb die Großmutter aus steuerlichen Gründen seinerzeit das Testament umänderte, weil Ihre Mandantin sonst in erheblichem Umfange hätte Erbschaftssteuer zahlen müssen."
Auch wenn es sich hierbei um Ausführungen seines Prozeßbevollmächtigten und nicht des Beklagten selbst handelt, besteht kein Zweifel, daß diese Ausführungen auf einer entsprechenden Information durch den Beklagten beruhen, weil sein Prozeßbevollmächtigter anders keine Kenntnis von den Motiven für die Testamentsänderung haben konnte.
Aus der von der Klägerin in der zweiten Instanz dargelegten und von dem Beklagten nicht bestrittenen alternativen Berechnung der zu zahlenden Erbschaftssteuer - bei ihrer alleinigen Erbeinsetzung zu 1/2 des Nachlasses entsprechend dem Testament vom 28.04.1966 und einer Aufteilung der Hälfte des Nachlasses auf den Beklagten, den Sohn ... und sie selbst zu je 1/6 entsprechend dem Testament vom 24.05.1970 - ergibt sich, daß sich die Erblasserin bei der Errichtung des zweiten Testaments hinsichtlich der steuerrechtlichen Folgen in einem Irrtum befunden hat, wenn sie annahm, die zu zahlende Erbschaftssteuer sei bei einer Aufteilung der der Klägerin zugedachten Hälfte des Nachlasses geringer. Vielmehr ist die Steuerschuld bei der vorgenommenen Aufteilung der Erbschaft nach der Berechnung der Klägerin sogar noch um 460,00 DM höher als wenn es bei der alleinigen Erbeinsetzung der Klägerin zu 1/2 des Nachlasses im Testament vom 28.04.1966 geblieben wäre.
Der damit bewiesene Irrtum der Erblasserin rechtfertigt nach § 2078 Abs. 2 BGB die von der Klägerin erklärte Testamentsanfechtung, weil im Rahmen der genannten Bestimmung jede irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts eines bestimmten Umstandes zur Anfechtung ausreicht. Die Klägerin gehört nach § 2080 BGB zu dem zur Anfechtung berechtigten Personenkreis und hat die Anfechtung auch in der in § 2081 BGB vorgeschriebenen Form gegenüber dem als Nachlaßgericht hierfür zuständigen Amtsgericht ... erklärt. Zu Unrecht meint der Beklagte, daß das Nachlaßgericht auch zur Entscheidung der Wirksamkeit der Anfechtung berufen sei. Aufgabe des Nachlaßgerichts ist es lediglich, die Anfechtungserklärung entgegenzunehmen und sie den Betroffenen mitzuteilen (§ 2081 BGB). Die Berechtigung der Anfechtung ist dagegen in einem Erbscheinsverfahren oder aber in einem normalen Rechtsstreit zu klären und kann deshalb von der Klägerin auch hier geltend gemacht werden.
Schließlich ist auch die einjährige Anfechtungsfrist des § 2082 BGB gewahrt, obwohl die Klägerin die Anfechtung erst mit Schreiben vom 18.02.1976 erklärt hat und der Erbfall bereits im Mai 1971 eingetreten ist. Nach § 2082 Abs. 2 BGB beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrunde Kenntnis erlangt. Anfechtungsgrund ist hier die irrtümliche Erwartung, eine Änderung der Erbeinsetzung habe eine Steuerersparnis zur Folge. Es kommt deshalb nicht allein darauf an, ab wann der Klägerin das Motiv der Erblasserin für die Testamentsänderung bekannt gewesen ist, sondern darauf, ab wann die Klägerin wußte, daß sich die Erblasserin hinsichtlich dieses Motivs in einem Irrtum befunden hat. Hiervon hat sie jedoch nach ihrem insoweit von dem Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen erst im Februar 1976 erfahren.
Da die von der Klägerin erklärte Testamentsanfechtung mithin durchgreift, ist das angefochtene Testament vom 14. Mai 1970 unwirksam, soweit es von dem früheren Testament vom 28. April 1966 abweicht. Das aber bedeutet, daß weder der Beklagte noch der gemeinsame Sohn der Parteien Erben geworden sind, sondern - abgesehen von der durch die Anfechtung unberührt gebliebenen Erbeinsetzung anderer Personen zu 1/2 des Nachlasses - entsprechend dem früheren Testament nur die Klägerin. Der Beklagte ist als Erbschaftsbesitzer nach § 2018 BGB zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet, wobei die Klägerin abweichend von § 2039 BGB statt Leistung an alle Miterben Leistung nur an sich verlangen kann, weil sie mit der von ihr vorgelegten "Abtretungserklärung" der Miterben vom 28.02.1976 hierzu ermächtigt worden ist und ihr Begehren zudem das Ergebnis einer Auseinandersetzung vorwegnimmt (vgl. Palandt, Komm. zum BGB, 34. Aufl., § 2039 Anm. 1 c). Abweichend vom Urteil des Landgerichts war nach allem dem Verlangen der Klägerin auf Herausgabe des sich in Höhe von 22.925,04 DM in Händen des Beklagten befindenden Nachlasses der Frau ... stattzugeben.
Trotz dieses Erfolges ihres Berufungsbegehrens war der Klägerin im Ergebnis ein geringerer Betrag zuzuerkennen als ihr vom Landgericht zuerkannt worden ist, weil ihr Zugewinnausgleichsanspruch erheblich niedriger ist als vom Landgericht angenommen.
Eine nach §§ 1363 ff BGB durch einen Vergleich des Anfangs- und Endvermögens der Parteien vorzunehmende Zugewinnberechnung ergibt zunächst, daß die Klägerin während der Ehe keinen Zugewinn erzielt hat, selbst wenn man hinsichtlich streitiger Vermögenspositionen von den von dem Beklagten genannten Werten ausgeht. Die Klägerin hatte zu Beginn der Ehe unstreitig ein Barvermögen von 65.043,55 DM. Hinzu kam mit 1.789,97 DM die Hälfte des Wertes eines beiden Parteien zur Eheschließung geschenkten Bausparvertrages. Diesem Anfangsvermögen von 66.833,52 DM war gemäß § 1374 Abs. 2 BGB unter Berücksichtigung der erfolgreichen Testamentsanfechtung der Klägerin die ihr zugefallene Hälfte des Nachlasses ihrer im Jahre 1971 verstorbenen Stiefgroßmutter von 68.775,12 DM abzüglich 3.920,00 DM Erbschaftssteuer hinzuzurechnen, so daß das Anfangsvermögen der Klägerin mit insgesamt 131.688,64 DM der Zugewinnberechnung zugrunde zu legen war.
Das Endvermögen der Klägerin, bezogen auf den Zeitpunkt der Erhebung der Ehescheidungsklage, bestand aus dem später von dem Beklagten anerkannten, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllten Rückzahlungsanspruch von 17.333,93 DM sowie wegen der zurückwirkenden Testamentsanfechtung aus den Erbschaftsherausgabeansprüchen gegenüber dem Beklagten und gegenüber dem gemeinsamen Sohn ... in Höhe von insgesamt 45.850,08 DM (2 × 22.925,04 DM). Unter Berücksichtigung der Wertangaben des Beklagten über weiteres Vermögen der Klägerin mit 30.000,00 DM für ihre Eigentumswohnung, 2.000,00 DM für einen Pkw und 30.000,00 DM für sonstiges Vermögen, betrug das Endvermögen der Klägerin insgesamt aber allenfalls 125.184,01 DM. Pensionsansprüche der Klägerin waren entgegen der Ansicht des Beklagten bei der Berechnung des Endvermögens der Klägerin nicht zu berücksichtigen (vgl. OLG Karlsruhe in FamRZ 1974, 306; OLG Nürnberg in NJW 1976, 899; Erman, Komm. zum BGB, § 1375 Rdn 2 und Soergel-Siebert, Komm. zum BGB, § 1376 Rdn 15). Da das Endvermögen der Klägerin demnach in jedem Fall geringer war als ihr Anfangsvermögen, bedurfte es hinsichtlich der zwischen den Parteien streitigen Werte von Vermögensgegenständen der Klägerin keiner weiteren Aufklärung. Ein Zugewinn ist der Klägerin selbst nach den Wertangaben des Beklagten nicht entstanden.
Auf Seiten des Beklagten war nach dem Parteivorbringen als Anfangsvermögen im Zeitpunkt der Eheschließung lediglich die Hälfte des den Parteien geschenkten Bausparvertrages mit 1.789,97 DM und der Grundstock einer Sammlung, den die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend mit 2.500,00 DM angegeben haben, zu berücksichtigen, mithin ein Wert von insgesamt 4.289,97 DM.
Dem steht ein erheblich höheres Endvermögen des Beklagten gegenüber. Unstreitig sind zwischen den Parteien insoweit zunächst folgende Wertes
Bauplatz | 31.177,00 DM | , |
---|---|---|
Sammlungen | 5.000,00 DM | , |
Sparvertrag | 3.395,00 DM | , |
Sparvertrag | 12.700,00 DM | |
52.272,00 DM |
Hinzu kommt ferner der Rückkaufswert einer von dem Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung, der nach einer Auskunft der ... Lebensversicherungs AG in ... 2.201,00 DM betragen hat.
Streitig ist zwischen den Parteien vor allem der Wert, der der Rechtsanwaltspraxis des Beklagten bei der Berechnung Seines Endvermögens zuzumessen ist. Bei ihren vorprozessualen Verhandlungen sind die Parteien insoweit zwar übereinstimmend von einem Wert von 50.000,00 DM ausgegangen. Diese Wertannahme sollte aber erkennbar nur einer damals beiderseits angestrebten vergleichsweisen Regelung dienen, so daß sie nicht als auch für den eingetretenen Fall einer streitigen gerichtlichen Entscheidung für eine der beiden Parteien verbindlich angesehen werden kann. Vielmehr ist es dem Beklagten unbenommen, den Wert seiner Praxis nunmehr einer gerichtlichen Feststellung und Bewertung zu überlassen, ohne daß seine frühere Wertangabe Rückschlüsse auf den tatsächlichen Wert der Praxis zuläßt.
Bei der Ermittlung des für den Zugewinnausgleich hier allein maßgebenden Verkehrswerts der Anwaltspraxis des Beklagten ist der durch die vorhandenen Sachwerte gebildete Wert von dem sogenannten inneren Wert, dem Goodwill, der Praxis zu unterscheiden. Denn in Übereinstimmung mit der in dem eingeholten Gutachten vom 13.10.1976 zum Ausdruck gebrachten Ansicht des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk ... ist der Senat der Auffassung, daß Anwaltspraxen im allgemeinen einen Goodwill haben. Das folgt bereits aus dem Umstand, daß Anwaltspraxen tatsächlich gehandelt und hierbei Preise erzielt werden, die über den reinen Sachwert erheblich hinausgehen. Den Gegenwert für den den Sachwert übersteigenden Preis bildet hierbei die Chance, die Klientel des seine Praxis veräußernden Anwalts zu übernehmen und den vorhandenen Bestand als Grundlage für den weiteren Ausbau der Praxis zu verwenden (vgl. BGHZ 43, 46; BGH in NJW 1973, 98). Hierin ist ein echter Vermögenswert zu sehen, der auch im Rahmen eines Zugewinnausgleichs zu berücksichtigen ist. Es ist insofern unerheblich, daß es sich hierbei nicht um die Beurteilung eines Verkaufsvorgangs handelt, sondern nur ein nicht durch einen Verkauf oder auf andere Weise realisierter Vermögenswert unterstellt wird. Entscheidend ist allein, daß im Zeitpunkt der Erhebung der Ehescheidungsklage ein derartiger Wert vorhanden gewesen ist, der bei einem Verkauf in Geld hätte umgesetzt werden können. Die Sachlage unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht wesentlich von dem Fall des Erwerbs von Grundbesitz, dessen Wert bei einem Zugewinnausgleich in der Regel auch nicht durch Veräußerung realisiert, sondern mit dem bei einem lediglich unterstellten Verkauf erzielbaren Preis, dem Verkehrswert, berücksichtigt wird.
Nicht zu verkennen ist jedoch, daß der innere Wert einer Anwaltspraxis je nach Lage, Art. und Umfang unterschiedlich groß sein und in Einzelfällen sogar völlig fehlen kann.
Der Senat vermag sich im vorliegenden Fall insoweit nicht der Beurteilung zu verschließen, die den Vorstand der Rechtsanwaltskammer nach seinem Gutachten vom 13.10.1976 aufgrund der ermittelten und im einzelnen auch zwischen den Parteien nicht streitigen konkreten Verhältnisse zu der Feststellung veranlaßt hat, daß über das Anlagevermögen hinaus der Praxis des Beklagten ein realisierbarer innerer Vermögenswert jedenfalls für den Zeitpunkt der Erhebung der Ehescheidungsklage nicht beizumessen sei. Die von dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer für diese Beurteilung angeführten Gründe sind überzeugend. Zu dem maßgebenden Zeitpunkt betrieb der Beklagte seine Anwaltspraxis praktisch erst zwei bis drei Jahre. Er war zuvor im Angestelltenverhältnis als Anwalt tätig und hatte danach zunächst nur Mitglieder eines Mietervereins anwaltlich beraten und hierfür eine Beratungspauschale erhalten.
Bei seiner deshalb praktisch erst seit 1970 selbständig betriebenen Anwaltspraxis handelt es sich zudem um eine Großstadtpraxis mit einem vergleichsweise geringen Umsatz und einer Klientel, die weitgehend an die Person des Beklagten gebunden ist, ohne daß es sich hierbei um sogenannte Dauermandanten handelt, die von einem evtl. Praxisnachfolger übernommen werden könnten.
Bei einem derart starken Zuschnitt der Praxis auf den Praxisinhaber und dem verhältnismäßig geringen, mit nur 100.000,00 DM jährlich angegebenen Gesamtumsatz ist kein Anreiz erkennbar, der einen Interessenten hätte veranlassen können, im Zeitpunkt der Erhebung der Ehescheidungsklage die erst zwei Jahre alte Praxis zu einem die Sachwerte übersteigenden Preis zu erwerben. Unter diesen besonderen Umständen ist im vorliegenden Fall ausnahmsweise ein Goodwill der Praxis des Beklagten nicht als wertbildender Faktor zu berücksichtigen, so daß sich der Praxiswert auf die vorhandenen Sachwerte beschränkt.
Das in die Praxis eingebrachte Anlagevermögen besteht nach einer Zusammenstellung des Klägers (Bl. 53 d.A.) im wesentlichen aus einem Pkw, einem Aktenregal, drei elektrischen Schreibmaschinen, einem Chef Schreibtisch mit Sessel sowie einer Schrankwand mit einem Anschaffungswert von insgesamt 22.285,63 DM. Da die genannten Gegenstände in dem für die Feststellung des Endvermögens maßgebenden Zeitpunkt im Februar 1973 aber bereits zwei bis drei Jahre benutzt worden waren, hatte sich ihr Wert nach Auffassung des Senats um etwa 20 % vermindert, so daß insoweit nur noch von Sachwerten in Höhe von 18.000,00 DM auszugehen war.
Als darüber hinaus noch vorhanden gewesene Sachwerte hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung lediglich weitere Büromöbel - drei Büroschreibtische und ein Aktenregal - sowie die für einen Anwalt erforderliche Fachliteratur genannt. Den Wert dieser Gegenstände schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände auf weitere 2.500,00 DM, so daß sich ein Praxiswert von insgesamt 20.500,00 DM ergibt.
Diesem Wert konnten nicht die von der Klägerin behaupteten Außenstände der Praxis von 17.000,00 DM hinzugerechnet werden, weil davon auszugehen war, daß etwaigen Außenständen Verpflichtungen des Beklagten in der Form von Bürounkosten in etwa gleicher Höhe gegenübergestanden haben. Daß ein Status der Anwaltspraxis für den 5. Februar 1973 einen Überschuß von 17.000,00 DM ergeben hatte, wird auch von der Klägerin nicht behauptet und ist mit Rücksicht auf den von dem Beklagten angegebenen jährlichen Gesamtumsatz von etwa 100.000,00 DM und den auf der Grundlage dieses Umsatzes von ihm geschätzten Jahresbuttogewinn von etwa 45.000,00 DM zudem im höchsten Maße unwahrscheinlich. Ein etwa doch vorhandener gewisser Überschuß am 05.02.1973 ist deshalb dem allgemeinen Verkehrswert der Praxis zuzurechnen und muß wegen eines aus den dargelegten Gründen fehlenden Goodwills außer Ansatz bleiben.
Aus den unstreitigen Vermögenswerten von 52.272,00 DM, dem Rückkaufswert der Lebensversicherung von 2.201,00 DM und dem auf insgesamt 20.500,00 DM geschätzten Praxiswert folgt nach allem für die Berechnung des Endvermögens des Beklagten ein Gesamtvermögenswert von 74.973,00 DM, der sich jedoch noch durch die bestehenden Verbindlichkeiten vermindert.
Als Verbindlichkeiten waren zunächst die von dem Beklagten der Klägerin am 05.02.1973 außerhalb des Zugewinnausgleichs geschuldeten Beträge zu berücksichtigen. Hierzu gehört nicht nur die unstreitige und zwischenzeitlich beglichene Forderung von 17.333,93 DM, sondern auch die durch die erfolgreiche Testamentsanfechtung rückwirkend entstandene Erbschaftsherausgabeforderung von 22.925,04 DM. Daß sich beide Beträge noch über die genannten Vermögenswerte hinaus am 05.02.1973 im Besitz des Beklagten befunden haben, hat die Klägerin nicht behauptet und der Beklagte hat zudem auf Befragen in der mündlichen Verhandlung erklärt, die im Verlaufe des Rechtsstreits von ihm gezahlten Beträge habe er unter Verwertung (Belastung oder Veräußerung) vorhandener und bei der Berechnung des Zugewinns als Aktivposten berücksichtigter Vermögensgegenstände aufgebracht. Bei dieser Sachlage müssen aber die zur Begleichung der Verbindlichkeiten erforderlichen und im Zeitpunkt der Erhebung der Ehescheidungsklage nicht gesondert vorhandenen Beträge im Rahmen der Zugewinnberechnung als Passivposten eingesetzt werden und können entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht außer Betracht bleiben.
Als weitere Verbindlichkeit war die der Höhe nach mit 4.589,20 DM unstreitige Einkommenssteuerschuld des Beklagten für das Jahr 1971 zu berücksichtigen und für das Jahr 1972 ein sich aus den von dem Beklagten vorgelegten Unterlagen ergebender vorläufiger Steuerbetrag von insgesamt 6.005,20 DM. Über diese Steuerschuld hat sich allerdings das Landgericht die Entscheidung noch bis zu einer Höhe von 4.500,00 DM vorbehalten, so daß sich im Rahmen dieses Betrages bei der Endentscheidung des Landgerichts noch Veränderungen ergeben können. Hierbei kann zugleich auch die von dem Beklagten in der Berufungsinstanz erklärte, aber mangels einer der Höhe nach noch nicht bezifferbaren Gegenforderung auf Erstattung des auf die Klägerin entfallenden Steueranteils substantiierte Aufrechnung berücksichtigt werden, so daß der Senat davon abgesehen hat, in dieser Hinsicht bereits jetzt auf eine weitere Substantiierung hinzuwirken. Der Entscheidungsvorbehalt des Landgerichts hindert den Senat auch nicht, den dargelegten vollen Einkommenssteuerbetrag auch soweit er die vorbehaltene Summe um 1.505,20 DM übersteigt, in die Zugewinnberechnung einzubeziehen. Es ist mit hinreichender Sicherheit anzunehmen, daß der Beklagte zumindest diesen übersteigenden Betrag schuldet, so daß der noch ausstehenden Entscheidung des Landgerichts insoweit nicht vorgegriffen wird.
Als Verbindlichkeit zu berücksichtigen war schließlich auch eine Erbschaftssteuerschuld von 4.140,00 DM. Infolge der erfolgreichen Testamentsanfechtung ist der Beklagte zwar von dieser Schuld befreit, dennoch war sie noch als Verbindlichkeit in die Zugewinnberechnung einzusetzen, weil sich das Landgericht auch insoweit eine Entscheidung vorbehalten hat.
Nach allem stehen den Aktiva des Endvermögens des Beklagten von 74.973,00 DM Passiva in Höhe von 54.993,37 DM gegenüber, so daß ein reales Endvermögen von nur 19.979,63 DM verbleibt und die Differenz zum Anfangsvermögen von 4.289,97 DM (Zugewinn) 15.689,66 DM beträgt. Gemäß § 1378 Abs. 1 BGB steht der Klägerin die Hälfte dieses Zugewinns als Ausgleichsforderung zu, so daß ihr der Beklagte weitere 7.844,83 DM zu zahlen hat.
Zusammen mit dem Erbschaftsherausgabeanspruch von 22.925,04 DM und den von dem Beklagten anerkannten und im Verlauf des Rechtsstreits gezahlten Rückzahlungsanspruch von 17.333,93 DM folgt hieraus eine der Klägerin zuzuerkennende Gesamtforderung von 48.103,80 DM, nebst einer nach § 284, 286, 288 BGB gerechtfertigten Verzinsung in der vom Landgericht bisher zugebilligten Höhe von 4 % ab Eintritt des Verzuges am 1. Juli 1973.
Für den Fall, daß der Beklagte nicht mit den vom Landgericht offengelassenen und im weiteren Verlauf des Rechtsstreits noch zu klärenden Steuerforderungen von 4.500 und 4.140,00 DM belastet sein sollte, wäre der Klägerin eine weitere Ausgleichsforderung von 4.320,00 DM zuzuerkennen. Unbegründet und mithin abzuweisen ist ihr auf einen Gesamtbetrag von 88.261,00 DM gerichtetes Klagbegehren jedoch bereits jetzt in Höhe von 35.837,20 DM nebst Zinsen.
Gegenüber dem der Klägerin zuerkannten Anspruch steht dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu. Er stützt sein Zurückbehaltungsbegehren auf die von ihm beanspruchte Herausgabe persönlichen Eigentums, hat jedoch nicht hinreichend dargetan, daß die Klägerin nicht freiwillig zur Herausgabe der von ihm beanspruchten Gegenstände bereit ist. Vielmehr hat sie ihm angeboten, bestimmte Gegenstände bei ihr abzuholen, so daß insoweit für die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts kein Rechtsschutzinteresse besteht. Im übrigen hat die Klägerin bestritten, weitere von dem Beklagten als sein Eigentum bezeichnete Sachen in Besitz zu haben, ohne daß der Beklagte sein gegenteiliges Vorbringen unter Beweis gestellt hat. Die weitergehende Berufung des Beklagten war demnach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz war dem Landgericht vorzubehalten, die Entscheidung über die Kosten zweiter Instanz beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7, 713 a ZPO, die Wertfestsetzung auf § 546 Abs. 2 ZPO.