Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 06.06.2019, Az.: 4 A 345/17

Eigentumrecht; kontrollierbarer Bereich; Mobilfunkanlage; Sicherheitsabstand; Standortbescheinigung; Wertminderung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
06.06.2019
Aktenzeichen
4 A 345/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69508
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen zu 1. erteilte Standortbescheinigung für den Betrieb einer Mobilfunksendeanlage.

Der Kläger ist zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks „I. 14“ in J.. Der I. ist eine beidseitig bebaute Straße, die den Hang des K. hinaufführt. An ihrem oberen Ende mündet die Straße in einen Wendeplatz, an dessen Stirnseite die Grundstücke „I. 16, 18 und 20“ liegen. Das Grundstück des Klägers liegt unterhalb dieser Grundstücke und grenzt an das Grundstück „I. 16“.

Das Grundstück „I. 16“ ist mit einem ca. 13 m hohen, zweigeschossigen Mietshaus bebaut. Auf dem Spitzdach befinden sich drei Schornsteinattrappen, in denen die Antennenanlagen der Beigeladenen installiert sind, und die den First um etwa 2,5 m überragen. An das Gebäude angebaut sind die jeweils eingeschossigen Wohnhäuser „I. 18 und 20“. Auf der Grenze zwischen den Häusern „I. 16 und 18“ ist ein mehrzügiger Schornstein errichtet worden, der den First des Daches „I. 18“ überragt.

Mit Bescheid vom 16.5.2016 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1. die Standortbescheinigung für eine Änderung der bereits bestehenden Mobilfunksendeanlage. Ausgehend von einer Montagehöhe der Bezugsantenne von 13,91 m über Grund legte die Standortbescheinigung den vertikalen Sicherheitsabstand auf 2,32 m und denjenigen der Hauptstrahlrichtung (horizontal) auf 11,74 m fest.

Gegen die Standortbescheinigung erhob der Kläger Widerspruch, den er wie folgt begründete:

Sein eigenes Grundstück sei von der Mobilfunkanlage 11,50 m entfernt. Der in der Standortbescheinigung angegebene Sicherheitsabstand rage damit 0,24 m in den Luftraum seines Grundstückes hinein und mindere dessen Wert. Potentielle Käufer würden abgeschreckt, zumal der Standort der Funkanlagen in der Internet-Datenbank der Beklagten bewusst falsch, nämlich näher an der Grenze zu seinem Grundstück, dargestellt werde. Dabei gehe die Beklagte von einem falschen Sicherheitsabstand aus. Tatsächlich ende dieser vor seinem Grundstück. Hinsichtlich der Berechnung des Sicherheitsabstands habe sich die Beklagte allein auf die Angaben der Mobilfunkbetreiber verlassen und z. B. nicht berücksichtigt, dass durch die Verkleidung der Antennen die Strahlung gestreut werde, so dass das Standardverfahren für freistehende, unverkleidete Anlagen nicht anwendbar sei. Durch die Festsetzung des Sicherheitsabstands sei er gezwungen, aufwendige Vorkehrungen zu treffen, um innerhalb des Sicherheitsabstandes künftig Arbeiten verrichten zu können. Eine Notwendigkeit hierfür ergebe sich z. B. durch den Rückschnitt von Pflanzen an der Grundstücksgrenze. Da das niedersächsische Nachbarschaftsrecht Wuchshöhen von maximal 15 m erlaube, müssten innerhalb der nächsten 20 Jahre Rückschnittarbeiten an der Grundstücksgrenze in einer Höhe von mehr als 11,59 m (Montagehöhe der Bezugsantenne minus vertikaler Sicherheitsabstand) und damit innerhalb des Sicherheitsabstands durchgeführt werden. Da Pflanzen durch die elektromagnetische Strahlung erwärmt würden, komme es zudem zu Trockenheitsschäden. Hierdurch werde nicht nur sein Eigentum beschädigt, er sei auch gezwungen, ggf. vom Grundstück „I. 16“ aus – dh. innerhalb des Sicherheitsabstands – Pflegemaßnamen an den Pflanzen durchzuführen.

Nach Überprüfung der Anlage vor Ort wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 23.6.2017, zugestellt am 26.6.2017, zurück. Sie führte aus:

Die Berechnung des Sicherheitsabstands sei nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgt und messtechnisch überprüft worden. Dabei seien keine Fehler festgestellt worden. Der Sicherheitsabstand befinde sich innerhalb des von dem Betreiber kontrollierbaren Bereichs. Denn aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse sei der Zugang von Personen zu diesem Bereich ausgeschlossen. Hierbei komme es auf die tatsächliche Bebauung und Bepflanzung an und nicht auf eine hypothetische. Sollten in Zukunft Arbeiten in dieser Höhe erforderlich werden, habe der Kläger diese mit dem Eigentümer des Hauses „I. 16“ abzustimmen, der aufgrund des Mietvertrages mit den Mobilfunkbetreibern ein Zeitfenster für die Abschaltung der Anlagen vereinbaren könne.

Am 26.7.2017 hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt er vor:

Das Verfahren zur Erteilung einer Standortgenehmigung sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. Die Beklagte lasse Widersprüche nur von unmittelbaren Anwohnern zu, obwohl auch Anwohner in zweiter oder dritter Reihe betroffen sein könnten. Dies zeigten die Antragsunterlagen der Beigeladenen zu 3. aus einem früheren Verfahren, die zunächst von einem Abstand von 30 m für ihre 2013 genehmigte Anlage ausgegangen sei. Darüber hinaus würden auch unmittelbar betroffene Anwohner nicht über die Erteilung einer Standortbescheinigung informiert. Die Ortsangaben in der Internet-Datenbank der Beklagten würden absichtlich verfälscht, so dass auch hierüber keine konkreten Informationen zu erlangen seien.

Die Berechnung des Sicherheitsabstands sei fehlerhaft, weil die Beklagte die konkrete Ausführung der Anlagen aufgrund der Verkleidung bei ihrer Kontrolle vor Ort nicht habe überprüfen können. Der Sicherheitsabstand hänge aber von den technischen Gegebenheiten ab. Die messtechnische Überprüfung könne die Kontrolle nicht ersetzen. Sie habe in unmittelbarer Nähe der Funkanlagen Feldstärken von maximal 1,493 % des Grenzwertes ergeben, so dass sie einen Sicherheitsabstand von 11,74 m nicht rechtfertigen könne. Die verschiedenen Antennenanlagen lägen auch nicht leicht versetzt, sondern bis zu 15 m voneinander entfernt, so dass eine Betrachtung für den gesamten Standort nicht erforderlich sei. Schließlich sei die Höhenangabe falsch, weil kein einheitliches Nullniveau bestimmt worden sei. Dies sei aber angesichts der Hanglage des Grundstücks erforderlich.

Nicht berücksichtigt worden sei das Vorhandensein eines Waldspielplatzes hinter dem Haus „I. 16“. Unzutreffend habe die Beklagte zudem angenommen, dass der Schornstein des Nachbarhauses „I. 18“ innerhalb des von dem Netzbetreiber kontrollierbaren Bereiches liege. Dies gefährde Handwerker, insbesondere Implantatträger, die auf dem Dach oder an dem Schornstein arbeiteten. Hierdurch sei er selbst zwar zunächst nicht betroffen, mit der Einbeziehung des Grundstücks „I. 18“ in den Sicherheitsbereich schaffe die Beklagte aber einen Präzedenzfall.

Zudem sei die Genehmigungsverordnung unzureichend, weil sie den Schutz von Pflanzen nicht vorsehe. Insbesondere Bäume ermöglichten aber den Zugang in den Sicherheitsbereich. Darüber hinaus seien auch die Pflanzen selbst vor elektromagnetischer Strahlung zu schützen.

Der Kläger beantragt,

die Standortbescheinigung Nr. L. für die Sendeanlage „I. 16“, J., vom 10.5.2016 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23.6.2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage für unzulässig, soweit der Kläger das Verfahren und die Angaben in der EMF-Datenbank bemängele sowie sich auf die Verletzung von Rechten Dritter berufe. Im Übrigen sei der Sicherheitsabstand zutreffend rechnerisch ermittelt worden. Die dabei gegenüber der messtechnischen Ermittlung erfolgte Überschätzung diene dem Schutz vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen und stelle sicher, dass an keinem Punkt außerhalb des Sicherheitsabstands die Grenzwerte überschritten würden. Eine Kontrolle der einzelnen Antennen sei nicht erforderlich gewesen, weil bereits die Messwerte ergeben hätten, dass die Grenzwerte nur im einstelligen Bereich ausgeschöpft würden. Der Schutz vor Schäden des Baumbestandes sei nicht Gegenstand der Standortbescheinigung, weil diese nur dem Schutz des Menschen vor gesundheitlichen Gefahren diene.

Die Beigeladene zu 1. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Beklagten für teilweise unzulässig, im Übrigen für unbegründet. Insbesondere ergebe sich für den Kläger kein Anspruch, vor jeglicher Wertminderung seines Grundstücks durch Anlagen auf dem Nachbargrundstück bewahrt zu werden. Die Inanspruchnahme des Luftraums über seinem Grundstück sei ihm unter Beachtung des Rücksichtnahmegebots zumutbar.

Die Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag.

Die Beigeladene zu 3. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist ergänzend zu dem Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. darauf hin, dass auch der Bereich des Schornsteins auf den Gebäuden „I. 16 und 18“ zum kontrollierbaren Bereich gehöre, weil nicht davon auszugehen sei, dass sich Personen ohne spezifische Unterweisung auf dem Dach aufhielten. Für Handwerker gälten besondere arbeitsschutzrechtliche Vorschriften, die von der Standortbescheinigung nicht erfasst seien. Ziel der Berechnung sei nicht eine möglichst genaue Berechnung der Feldstärken. Die Berechnung nach der DIN EN 50413 stelle vielmehr ein vereinfachtes Verfahren dar, mit dem die Überschreitung von Grenzwerten sicher ausgeschlossen werden könne. Dies hätten messtechnische Kontrollen immer wieder bestätigt. Auf die konkreten baulichen Eigenarten der Anlage komme es deshalb nicht an.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger klagebefugt.

Im Hinblick auf die Klagebefugnis genügt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die angegriffene Standortbescheinigung. Da die Standortbescheinigung dazu dient, die Einhaltung der gesetzlich festgelegten Grenzwerte sicherzustellen, um die Sicherheit von Personen im Bereich der von solchen Anlagen ausgehenden elektromagnetischen Strahlung zu gewährleisten, kommt den der Erteilung zugrundeliegenden Normen nachbarschützende Wirkung zu (Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.3.2004, - 21 CS 03.1053 -, juris). Da der Kläger Nachbar der Anlage ist und sich darüber hinaus der Sicherheitsabstand bis in den Luftraum seines Grundstücks erstreckt, besteht die Möglichkeit, dass die Standortbescheinigung seine Rechte verletzt.

In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg. Denn die der Beigeladenen zu 1. erteilte Standortbescheinigung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtlich relevante Verfahrensfehler bei der Erteilung der Standortbescheinigung sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger meint, das Verfahren zur Erteilung einer Standortbescheinigung genüge nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen, weil die Beklagte den Bescheid nicht sämtlichen Betroffenen bekanntgebe und Widersprüche nur von unmittelbaren Anwohnern zulasse, berührt dies den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat Kenntnis von der Standortbescheinigung erhalten und die Beklagte hat seinen Widerspruch für zulässig erachtet.

Rechtsgrundlage für die Erteilung der Standortbescheinigung sind die Vorschriften der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) vom 20.8.2002 (BGBl. I S. 3366) in der bei Erlass des Widerspruchsbescheides geltenden Fassung der Verordnung vom 14.8.2013 (BGBl. I S. 3259), die aufgrund des § 12 des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen vom 31.1.2001 (BGBl. I S. 170), FTEG (gleichlautend jetzt: § 32 Funkanlagengesetz, FuAG), ergangen ist.

Gegenstand der Verordnung ist die Regelung des Nachweisverfahrens zur Gewährleistung des Schutzes von Personen in den durch den Betrieb von ortsfesten Funkanlagen entstehenden elektromagnetischen Feldern (§ 1 BEMFV). Nicht geregelt ist – in Übereinstimmung mit der Verordnungsermächtigung des § 12 Satz 1 FTEG – der Schutz von Pflanzen vor Beeinflussung durch elektromagnetische Strahlung.

Die Verordnung wird hierdurch nicht rechtswidrig. Es ist Sache des Gesetz- und Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um ggf. weitergehende Schutzmaßnahmen zu treffen. Dabei steht dem Gesetz- und Verordnungsgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, eine eigenständige Risikoeinschätzung auf der Grundlage einer gerichtlichen Beweiserhebung durchzuführen. Unzureichend ist eine Regelung des Verordnungsgebers erst dann, wenn evident ist, dass aufgrund neuer Erkenntnisse die Begrenzung des Schutzes auf die menschliche Gesundheit verfassungsrechtlich untragbar geworden ist (vgl. zur Festsetzung von Grenzwerten: BVerfG, Beschluss vom 28.2.2002, - 1 BvR 1676.01 -, juris; s. a. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.4.2010, - 13 B 162/10 -, und vom 9.1.2009, - 13 A 2023/08 -, juris; Sächsisches OVG, Beschluss vom 30.6.2009, - 1 A 483/08 -, juris; jeweils m. w. N.). Dies ist gegenwärtig nicht der Fall. Es liegen keine hinreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirkung elektromagnetischer Strahlung auf Pflanzen vor, die gesonderte Schutzbestimmungen zwingend erscheinen ließen (vgl. die Übersicht der wissenschaftlichen Arbeiten auf der Internetseite des Bundesamtes für Strahlenschutz: https://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/stellungnahmen/emf/emf-tiere-pflanzen/emf-tiere-und-pflanzen.html).

Gemäß § 5 Abs. 1 BEMFV ermittelt die Beklagte zur Erteilung der Standortbescheinigung vorzugsweise rechnerisch oder auch messtechnisch nach DIN EN 50413 (Ausgabe August 2009) auf der Grundlage der systembezogenen Sicherheitsabstände den zur Einhaltung der Grenzwerte nach § 3 BEMFV erforderlichen standortbezogenen Sicherheitsabstand. Sie bezieht dabei auch die relevanten Feldstärken von umliegenden ortsfesten Funkanlagen ein (standortspezifischer Umfeldfaktor).

Die Beklagte hat eine Standortbescheinigung zu erteilen, wenn der standortbezogene Sicherheitsabstand innerhalb des kontrollierbaren Bereichs liegt. Die Anlage darf nur betrieben werden, wenn sich innerhalb des standortbezogenen Sicherheitsabstands keine Personen aufhalten, es sei denn aus betriebstechnischen Gründen (§ 5 Abs. 2 BEMFV).

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.

Die Beklagte hat einen Sicherheitsabstand von 2,32 m vertikal und 11,74 m in der Hauptstrahlrichtung errechnet und nicht messtechnisch ermittelt. Sie hat damit die von dem Verordnungsgeber für vorrangig gehaltene Methode („vorzugsweise“) zur Festsetzung des Sicherheitsabstands gewählt. Die dabei erfolgte Berechnung nach der DIN EN 50413 (Ausgabe August 2009) schreibt die Verordnung zwingend vor. Auch § 5 der 26. BImSchV, in der die einzuhaltenden Grenzwerte geregelt sind, schreibt diese Methode als dem „Stand der Mess- und Berechnungstechnik entsprechend“ vor. Dass außerhalb des so ermittelten Sicherheitsabstands die gemäß § 3 BEMFV i. V. m. der 26. BImSchV zu beachtenden Grenzwerte nicht eingehalten werden können, behauptet auch der Kläger nicht. Die Beklagte hat die Einhaltung der Grenzwerte zudem messtechnisch überprüft und dabei eine deutliche Unterschreitung festgestellt. Auf die konkrete Ausführung der Anlage oder eine eventuelle Streuung aufgrund der Verkleidung der Antennen kommt es deshalb nicht an.

Zutreffend hat die Beklagte auch die übrigen, auf dem Gebäude „I. 16“ befindlichen ortfesten Funkanlagen in die Berechnung einbezogen. Gemäß § 2 Nr. 3 BEMFV gehören zum Standort alle Funkanlagen, die auf demselben Mast oder in unmittelbarer Nähe voneinander betrieben werden. In unmittelbarer Nähe liegen die Anlagen nach § 2 Nr. 3 BEMFV, wenn sich die Sicherheitsabstände der einzelnen Antennen überschneiden. Nach der im Verwaltungsvorgang der Beklagten befindlichen Skizze sind die von den Beigeladenen betriebenen Anlagen mit einem Abstand von jeweils ca. 5 m auf dem Dach installiert. Da die horizontalen Sicherheitsabstände der einzelnen Antennen zwischen 3,98 m und 5,84 m betragen, überschneiden sich die jeweiligen Sicherheitsabstände bei sich kreuzenden Hauptstrahlrichtungen, und war ein gemeinsamer Sicherheitsabstand zu ermitteln. In Übereinstimmung mit § 2 Nr. 5 BEMFV wurde als Bezugsantenne die Antenne mit der geringsten Montagehöhe angegeben. Die Nulllinie für die Feststellung der Höhe der Bezugsantenne ist identisch mit dem Bodenniveau der Hausvorderseite. Dies ergibt sich aus den Antragsunterlagen der Beigeladenen zu 1. Die Höhe ist deshalb trotz der Hanglage hinreichend bestimmbar.

Die Standortbescheinigung war danach zu erteilen, weil der ermittelte standortbezogene Sicherheitsabstand innerhalb des kontrollierbaren Bereichs liegt.

Gemäß § 2 Nr. 7 BEMFV ist der kontrollierbare Bereich der Bereich, in dem der Betreiber über den Zutritt oder Aufenthalt von Personen bestimmen kann oder in dem aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse der Zutritt von Personen ausgeschlossen ist. Zwar gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass der standortbezogene Sicherheitsabstand nicht an der Grenze des Grundstücks „I. 16“ endet, sondern 24 cm in den Luftraum des Grundstücks des Klägers hineinragt, dennoch gehört auch dieser Bereich zum kontrollierbaren Bereich i. S. d. § 2 Nr. 7 BEMFV.

Der Sicherheitsabstand, dh. der Bereich, in dem mit einer Überschreitung der Grenzwerte nach der 26. BImSchV gerechnet werden kann, beginnt ab einer Höhe von 11,59 m (Bezugshöhe von 13,91 m abzgl. vertikaler Sicherheitsabstand von 2,32 m). In dieser Höhe bestehen innerhalb von 24 cm hinter der Grenze zum Grundstück des Klägers keine Einrichtungen, die den Aufenthalt von Personen ermöglichen. Die an der Grundstücksgrenze errichtete Garage ist maximal 2,5 m hoch, die Grenzbepflanzung erreicht nach der von der Beklagten durchgeführten Messung eine Höhe von 4,5 m. Selbst bei eventuell erforderlich werdenden Reparatur- oder Baumpflegearbeiten müssten sich Personen nicht in einer Höhe von 11,59 m aufhalten.

Ob auch der Schornstein auf der Grenze zum Haus „I. 18“ im kontrollierbaren Bereich liegt und bei dem Waldspielplatz nordöstlich der Sendeanlage die Grenzwerte eingehalten werden, kann hier offenbleiben, weil der Kläger hiervon nicht betroffen ist. Soweit der Kläger meint, mit der Einbeziehung des Grundstücks „I. 18“ in den kontrollierbaren Bereich werde ein Präzedenzfall für die künftige Ausweitung des Sicherheitsbereichs auf sein Grundstück geschaffen, ist er auf Rechtsmittel gegen eine eventuelle künftige Regelung zu verweisen, die ihm in diesem Fall zur Verfügung stünden.

Der Zuordnung des Luftraums über dem Grundstück des Klägers zum kontrollierbaren Bereich steht auch nicht entgegen, dass die Bepflanzung im Grenzbereich unter Umständen zu einem späteren Zeitpunkt eine Höhe erreicht, die Arbeiten innerhalb des Sicherheitsabstandes erforderlich macht. Für die Feststellung des Sicherheitsabstands kommt es nur auf die gegenwärtigen tatsächlichen Verhältnisse an (VG Hamburg, Urteil vom 8.11.2004, - 19 K 5715/03 -, juris). Bei künftigen Veränderungen des Umfelds (ebenso wie bei einer Veränderung der technischen Parameter der Funkanlage), die dazu führen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Standortbescheinigung nicht mehr vorliegen, erlischt diese gemäß § 7 Abs. 2 BEMFV. Die Auffassung des Klägers, § 7 Abs. 2 BEMFV greife nicht ein, weil die Voraussetzungen für die Erteilung der Standortbescheinigung – aus seiner Sicht – von Anfang an nicht vorlagen, geht fehl. § 7 Abs. 2 BEMFV stellt klar, dass eine einmal erteilte Standortbescheinigung bauliche oder sonstige Veränderungen des Umfelds nicht verhindert, sondern die Anlage an veränderte Bedingungen anzupassen ist, um den Schutz vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu gewährleisten. Dem Sinn und Zweck der Bestimmung würde es widersprechen, zu Unrecht erteilte Standortbescheinigungen (die nach dem Gesetz ohnehin nicht vorgesehen sind) von dem Erlöschenstatbestand des § 7 Abs. 2 BEMFV auszunehmen.

Aber auch dann, wenn darauf abzustellen wäre, ob sich künftig Personen – z. B. im Rahmen von Baumpflegemaßnahmen – innerhalb des Sicherheitsabstands aufhalten könnten, gehörte der Luftraum hinter der Grenze zum Grundstück des Klägers zum kontrollierbaren Bereich. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in einem vergleichbaren Fall insoweit ausgeführt (Urteil vom 16.3.2010, - 6 A 10813/09 -, juris):

„Aber auch die Möglichkeit, dass Personen, die sich – etwa bei der Ausführung von Arbeiten – auf dem Dach des klägerischen Wohnhauses aufhalten und dabei in den Sicherheitsabstand geraten könnten, ließe die Standortgenehmigung nicht als rechtswidrig erscheinen, da der Luftraum über der Dachfläche des Wohnhauses der Kläger als kontrollierbarer Bereich anzusehen ist. Das ist nach § 2 Nr. 7 BEMFV der Bereich, in dem der Anlagenbetreiber über den Zutritt oder Aufenthalt von Personen bestimmen kann oder in dem aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse der Zutritt von Personen ausgeschlossen ist. Die Beigeladene hat zwar weder die Möglichkeit, den Aufenthalt von Personen auf dem Dach des klägerischen Wohnhauses zu verhindern, noch erscheint es völlig ausgeschlossen, dass sich gelegentlich Personen dort aufhalten, etwa um Arbeiten auszuführen.

Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV, auf die es bei der Standortgenehmigung entscheidend ankommt (vgl. o.), auf Gebäude und Grundstücke ausgerichtet sind, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind (vgl. § 2 der 26. BImSchV), wo also nach der bestimmungsgemäßen Nutzung Personen regelmäßig länger – mehrere Stunden verweilen (vgl. hierzu z. B. Länderausschuss für Immissionsschutz, Hinweise zur Durchführung der Verordnung über elektromagnetische Felder, II.2 zu § 2, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II Nr. 4.5). Im Hinblick darauf ist bei einer am Sinn und Zweck orientierten Auslegung des § 2 Nr. 7 BEMFV ein Bereich jedenfalls dann als kontrollierbar anzusehen, wenn aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse der Zutritt bzw. der nicht nur vorübergehende Aufenthalt von Personen ausgeschlossen ist (so bereits VG Berlin, Beschluss vom 17. Juli 2006 -3 A 851.05 -, juris; weitergehend VG Köln, Urteil vom 30. Mai 2008 - 11 K 7508/05 -). Für den nur vorübergehenden Aufenthalt in solchen Bereichen bedürfen Personen nämlich nicht des durch die Grenzwerte der 26. BImSchV gewährleisteten, für ein regelmäßiges längeres Verweilen erforderlichen Schutzniveaus.

‚Ausgeschlossen‘ ist dabei nicht im Sinne einer absoluten Unmöglichkeit zu verstehen. Angesichts der Möglichkeit, sich mittels technischer Hilfsmittel an nahezu jedem Ort länger aufzuhalten, würde ansonsten die 2. Alternative des § 2 Nr. 7 BEMFV weitgehend leerlaufen. Zudem kann ein Anlagenbetreiber selbst in dem Bereich, in dem er über den Zutritt oder Aufenthalt von Personen bestimmen kann, das Eindringen Unbefugter nicht mit absoluter Sicherheit verhindern. Daher ist der mehr als nur vorübergehende Aufenthalt von Personen in einem Bereich bereits dann als ausgeschlossen anzusehen, wenn mit einem regelmäßigen längeren Aufenthalt vernünftigerweise nicht zu rechnen ist.

Dieser Auslegung steht § 5 Abs. 2 Satz 2 BEMFV nicht entgegen. Danach darf die Anlage nur betrieben werden, wenn sich innerhalb des standortbezogenen Sicherheitsabstands – somit auch innerhalb des kontrollierbaren Bereichs – keine Personen aufhalten, es sei denn aus betriebstechnischen Gründen. Diese Regelung erweitert zwar das durch die Grenzwerte der 26. BImSchV gewährleistete, auf den regelmäßigen längeren Aufenthalt von Personen im Bereich elektromagnetischer Felder ausgerichtete Schutzniveau. Sie soll nämlich verhindern, dass Personen sich während des Anlagenbetriebs – abgesehen von einem Aufenthalt aus betriebstechnischen Gründen – auch nur kurzfristig dem innerhalb des Sicherheitsabstands entstehenden elektromagnetischen Feld aussetzen. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine beim Anlagenbetrieb und seiner Überwachung zu beachtende Regelung, von der die Standortbescheinigung als solche unberührt bleibt.

In dem Bereich oberhalb des Satteldachs des Wohnhauses der Kläger ist in dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Bereich mit einem mehr als vorübergehenden Aufenthalt von Personen vernünftigerweise nicht zu rechnen. Vielmehr handelt es sich hierbei allenfalls um seltene, unregelmäßige Ausnahmefälle, bei denen es nicht um Aufenthalte längerer Dauer geht. Für die Rechtmäßigkeit der Standortentscheidung kommt es daher auch nicht darauf an, unter welchen Bedingungen und in welchem Bereich des Daches eine Person in den fraglichen Sicherheitsabstand – sofern er sich auf das klägerische Grundstück erstrecken würde – hineinragen könnte. Sollte dies der Fall sein, hätten die Kläger die Möglichkeit, die vorübergehende Unterbrechung des Anlagenbetriebs ungeachtet der bestehenden Standortbescheinigung herbeizuführen.“

Dieser Auffassung schließt sich das Gericht auch für den vorliegenden Fall an.

Der Umstand, dass der Sicherheitsbereich teilweise im Luftraum über dem Grundstück des Klägers liegt, bewirkt keine Eigentumsverletzung. Zwar erstreckt sich gemäß § 905 Satz 1 BGB das Eigentum an einem Grundstück auf den Raum über der Oberfläche, der Kläger kann Einwirkungen aber nicht verhindern, die in solcher Höhe vorgenommen werden, dass an ihrer Ausschließung kein Interesse besteht (§ 905 Satz 2 BGB). In welchen Fällen ein Eigentümer sein Verbietungsrecht gemäß § 905 Satz 2 BGB einbüßt, weil er kein schutzwürdiges Interesse an einem Verbot hat, richtet sich nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse (Bayerischer VGH, Beschluss vom 27.7.2010, - 15 CS 10.37 -, juris). Umstände, die ein solches schutzwürdiges Interesse des Klägers gegenwärtig begründen könnten, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Auch ein höherer Bewuchs des Grenzbereichs ist nach dem bereits Ausgeführten nicht ausgeschlossen, soweit ihm nicht ohnehin bereits nachbarrechtliche Vorschriften entgegenstehen.

Soweit der Kläger meint, die Pflanzen im Grenzbereich seines Grundstücks würden durch die elektromagnetische Strahlung erwärmt, was aufgrund von Trockenheitsschäden zu einer Verletzung seines Eigentums führe, fehlt es an einem entsprechenden Nachweis. Der Kläger selbst hat angegeben, dass die Pflasterung auf dem Grundstück „I. 16“ sowie die vermehrte Trockenheit aufgrund des Klimawandels die durch einen starken Rückschnitt bereits beeinträchtigten Pflanzen geschwächt habe. Für eine (alleinige) Kausalität der elektromagnetischen Strahlung für Trockenheitsschäden an den Pflanzen bestehen deshalb keine Anhaltspunkte.

Schließlich kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf eine Minderung des Wertes seines Grundstücks berufen. Der Fortbestand einer bestimmten Grundstückssituation stellt eine als solche nicht geschützte Chance dar. Veränderungen in der Umgebung infolge der Ausnutzung behördlicher Genehmigungen entziehen daher keine Rechtsposition (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 11.10.2006, - 1 ZB 06.1395 -, juris). Im Übrigen berühren hoheitlich bewirkte Minderungen des Marktwertes eines Vermögensgutes in der Regel nicht den Schutzbereich des Eigentumsrechts. Dies gilt insbesondere auch für Wertverluste an einem Grundstück, die durch die behördliche Zulassung einer Mobilfunkanlage in der Nachbarschaft eintreten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.1.2007, - 1 BvR 382.05 -, juris, m. w. N.).

Der Kläger wird deshalb auch durch die nach seiner Auffassung zu große Bemessung des Sicherheitsabstands in seinem Eigentumsrecht nicht verletzt. Die seiner Ansicht nach falsche Angabe des Standortes in der EMF-Datenbank (https://emf3.bundesnetzagentur.de/karte/) berührt die Rechtmäßigkeit der Standortbescheinigung nicht. Im Übrigen ist auch ohne Lesen des Hinweises, dass die Standorte nicht maßstabsgetreu angegeben werden, erkennbar, dass eine genaue Grundstückzuordnung nicht vorgenommen wurde. Denn aus der Karte gehen weder Grundstücks- noch Bebauungsgrenzen hervor. Erkennbar ist unter Zuhilfenahme einer Straßenkarte lediglich, dass der Standort sich in dem Quartier zwischen der Straße „I.“ und der parallel dazu verlaufenden Stichstraße „M.“ befindet.

Da der Kläger unterliegt, hat er gemäß §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 3. zu tragen. Letztere waren aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, weil die Beigeladenen mit der Folge eines eigenen Kostenrisikos (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) einen Antrag gestellt haben. Dagegen sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2., die keinen Antrag gestellt hat, von ihr selbst zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.