Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.04.1980, Az.: 10 UF 53/80
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.04.1980
- Aktenzeichen
- 10 UF 53/80
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1980, 20711
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1980:0408.10UF53.80.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 29.02.1980 - AZ: - 206 F 251/78
In der Familiensache
wegen Ehescheidung und Folgesachen
hier: wegen Versorgungsausgleichs
hat der 10. Zivilsenat Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 8. April 1980 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 29. Februar 1980 in der Sitzung vom 30. Dezember 1980 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... beschlossen:
Tenor:
Der Antragstellerin wird für die Beschwerdeinstanz das Armenrecht bewilligt. Zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte wird ihr der durch den Vorsitzenden ausgewählte Rechtsanwalt ... in ... beigeordnet.
Der angefochtene Beschluß wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zu Ziffer II. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsgegner ... hat als Beiträge zur Begründung von Anwartschaften auf ein Altersruhegeld in Höhe von 137,83 DM monatlich, bezogen auf den 30. November 1978, zugunsten der Antragstellerin ... auf deren Versicherungskonto Nr. ... bei der Landesversicherungsanstalt Hannover den Betrag von 24.721,70 DM zu zahlen.
Dem Antragsgegner wird gestattet, den Betrag von 24.721,70 DM in monatlichen Raten von 250 DM zu zahlen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner zu 12/13 und die Antragstellerin zu 1/13.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird mit Ausnahme des Wertes für die anwaltliche Beweisgebühr auf 4.886,16 DM, der Wert für die anwaltliche Beweisbühr wird auf 1.653,96 DM festgesetzt.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
Über die Beschwerde kann gemäß § 53 b Abs. 1 FGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da nur über Rechtsfragen zu befinden ist.
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet und im übrigen unbegründet.
Die Vorschriften über den Versorgungsausgleich sind mit dem Grundgesetz vereinbart. Das ergibt sich für das Splitting und Quasi-Splitting aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 (NJW 1980, 692 ff. [BVerfG 28.02.1980 - 1 BvL 17/77]). Auf der Grundlage dieser Entscheidung vertritt der Senat in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, daß auch der Wertausgleich durch Entrichtung von Beiträgen verfassungsgemäß ist.
Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Antragstellerin in der Ehezeit vom 1. Oktober 1957 bis zum 30. November 1978 Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 179,20 DM und der Antragsgegner solche von monatlich 717,90 DM erworben haben. Es hat deshalb zu Recht im Wege des Splitting nach § 1587 b Abs. 1 BGB von dem Rentenversicherungskonto des Antragsgegners Anwartschaften auf das Altersruhegeld in Höhe von monatlich 269,35 DM, bezogen auf den 30. November 1978, auf das Rentenversicherungskonto der Antragstellerin übertragen.
Ferner hat das Amtsgericht seiner Entscheidung rechtlich zutreffend zugrundegelegt, daß der Antragsgegner in der Ehezeit bei der ... in ... eine unverfallbare Anwartschaft auf dynamische Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erworben hat.
Nach § 12 des Tarifvertrages der ... mit der Gewerkschaft ÖTV über die Alterssicherung der Betriebsangehörigen der ... vom 10. Mai 1973 wird die dem Antragsgegner zugesagte Versorgungsleistung zu demselben Zeitpunkt und in dem gleichen Ausmaß erhöht oder vermindert wie die Bezüge der Versorgungsempfänger des Bundes, deren Bezügen ein Grundgehalt zugrundeliegt, infolge einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse allgemein erhöht oder vermindert werden. Der Wortlaut des § 12 des Tarifvertrages spricht zwar von Versorgungsempfängern des Bundes, deren Bezügen ein Grundgehalt nicht zugrundeliegt. Die Erwähnung des Wortes "nicht" beruht jedoch offenbar auf einem redaktionellen Versehen. Das zeigen einmal die Erläuterungen der ... gegenüber dem Senat vom 28. August 1980 und 9. September 1980 sowie deren abschließende Auskunft vom 17. November 1980. Des weiteren folgt dies daraus, daß es keine Versorgungsbezüge des Bundes gibt, denen kein Grundgehalt zugrundeliegt. Schließlich ergibt sich aus der Anpassung der Regelung des § 12 des Tarifvertrages an § 56 Abs. 1 VBL-Satzung, daß durch die tarifvertragliche Vereinbarung der ... mit der Gewerkschaft ÖTV eine in ihrer Dynamik der Versorgungsrente der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes gleichgestellte betriebliche Altersversorgung für die Arbeitnehmer der ... geschaffen werden sollte. Nach § 12 des Tarifvertrages steht somit fest, daß die Anwartschaften des Antragsgegners auf eine Leistung der, betrieblichen Altersversorgung i.S.v. § 1587 a Abs. 3 BGB in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigen wie der Wert einer Beamtenversorgung nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die gegenüber der ... erworbene Anwartschaft des Antragsgegners ist somit dynamisch.
Die dynamische Anwartschaft des Antragsgegners ist auch unverfallbar. Der Antragsgegner erhält die zugesagte Versorgung auch dann, wenn er vor Erreichen der in § 3 Buchst. a des Tarifvertrages vorgesehenen Altersgrenze des 65. Lebensjahres bei der ... ausscheidet. Im Gegensatz zu § 37 Abs. 1 VBL-Satzung unterscheidet der Tarifvertrag nicht grundlegend zwischen pflichtversicherten Personen einerseits und freiwillig weiterversicherten oder beitragsfrei versicherten Personen andererseits. Vielmehr ergibt sich aus § 1 Abs. 1 und 3 des Tarifvertrages, daß zwischen Betriebsangehörigen und früheren Arbeitnehmern dann nicht unterschieden wird, wenn Letztere Altersruhegeld eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Da der Antragsgegner Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat, wird ihm bei Gewährung des Altersruhegeldes auch das Ruhegeld aus der betrieblichen Altersversorgung der ... gewährt werden. Denkbar ist lediglich, daß der Tarifvertrag dahin zu verstehen ist, daß der Antragsgegner im Falle seines Ausscheidens bei der ... vor Vollendung des 65. Lebensjahres bei einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit kein Ruhegeld erhält, sondern erst nach Bezug des Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Das würde jedoch nur bedeuten, daß der Antragsgegner im gegenwärtigen Zeitpunkt keine unverfallbare Anwartschaft auf eine dynamische Invalidenversorgung, sondern nur eine solche auf eine dynamische Altersversorgung hätte. Eine solche Einschränkung könnte jedoch zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen; denn nach § 1587 Abs. 1 S. 1 BGB "unterliegen auch solche Versorgungsanrechte in vollem Umfange dem Versorgungsausgleich, die nur für den Fall des Alters gewährt werden.
Nach § 8 Abs. 1 des Tarifvertrages wird das Ruhegeld nur als Zusatzleistung zur Rente eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt. Demzufolge bestimmt § 8 Abs. 2 Buchst. a des Tarifvertrages, daß das Ruhegeld ruht, soweit die Gesamtbezüge, die sich aus dem Ruhegeld und der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zusammensetzen, 75 % des versorgungsfähigen Entgelts übersteigen.
Das versorgungsfähige Entgelt des Antragsgegners beträgt nach der Auskunft der ... vom 10. November 1980 jährlich 39.538,41 DM. Daraus ergibt sich gemäß § 7 des Tarifvertrages ein Jahresruhegeld von 19.769,21 DM (50 % des versorgungsfähigen Entgelts). Da dieses Ruhegeld nach § 8 Abs. 2 Buchst. a des Tarifvertrages jedoch nur in Höhe der Differenz zwischen einem Anteil von 75 % des versorgungsfähigen Entgelts des Antragsgegners und seinem Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wird, müssen auch diese beiden Werte ermittelt werden.
Der Anteil von 75 % des oben genannten versorgungsfähigen Entgelts des Antragsgegners beträgt 29.653,81 DM. Bei der weiteren Frage, welcher Betrag als maßgebliche Anwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Ansatz zu bringen ist, kann der in Rechtsprechung und Schrifttum geführte Streit, ob diese Anwartschaft auf das 65. Lebensjahr hochgerechnet werden muß oder nicht, dahingestellt bleiben. Im Gegensatz zur VBL-Satzung, an der dieser Streit entbrannt ist, ist nämlich § 8 Abs. 2 Buchst. a des Tarifvertrages dahin zu verstehen, daß auch die Anwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf das 65. Lebensjahr hochzurechnen ist. Bei dieser Hochrechnung dürfen jedoch nicht entsprechend der Auskunft der ... vom 10. November 1980 die Werteinheiten hochgerechnet werden, die der Antragsgegner vom Eintritt in die gesetzliche Rentenversicherung bis zum Ende der Ehezeit erworben hat (so Voskuhl/Papai/Niemeyer, Versorgungsausgleich in der Praxis, Seite 163, Fischer DB 1976, 2351, 2353, MünchKomm/Maier ErgBd. § 1587 a Rz. 204). Diese Methode verkennt nämlich, daß diese Summe der Werteinheiten maßgeblich von geringen Einkünften in den ersten Jahren nach Eintritt in die gesetzliche Rentenversicherung mitgeprägt worden ist. Werden die durch diese geringen Einkünfte begründeten Rentenanwartschaften in die Hochrechnung einbezogen, muß sich zwangsläufig ein zu geringer Betrag ergeben; denn es ist zu erwarten, daß das Einkommen des Antragsgegners vom Ende der Ehezeit bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres nicht sinken wird. Es ist daher gerechtfertigt, die Werteinheiten der Hochrechnung zugrundezulegen, die gegen Ende der Ehezeit erworben worden sind (so OLG Saarbrücken FamRZ 1980, 595, 597, OLG Celle (18. Senat) FamRZ 1980, 804, 805, Trey NJW 1978, 307, 308, Heubeck BB 1977, Beilage 6, 19, Zimmermann, Der Versorgungsausgleich bei betrieblicher Altersversorgung, S. 268 ff. und 273). Da sich gemäß § 6 Abs. 1 des Tarifvertrages das versorgungsfähige Entgelt des Antragsgegners nach dem Durchschnittseinkommen des dem Versicherungsfall vorausgegangenen Kalenderjahres richtet, ist es gerechtfertigt, auch die Werteinheiten des Antragsgegners dieses Jahres auf das 65. Lebensjahr hochzurechnen. Das ergibt folgende Berechnung:
Werteinheiten (WE) vom Eintritt in die Versicherung bis Ende der Ehezeit | 3.684,92 (365 Mon.) |
---|---|
zusätzliche WE vom Ende der Ehezeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres = 229 Monate × 152,74 WE: 12 = | 2.914,79 (229 Mon.) |
insgesamt also | 6.599,71 (594 Mon. = 49,5 Jahre) |
persönliche Bemessungsgrundlage bei Vollendung des 65. Lebensjahres = 6.599,71: 49,5 = | 133,33 |
Jahresrentenanwartschaft des Antragsgegners bei Vollendung des 65. Lebensjahres nach der Rentenformel: | |
133,33 × 21.068/100 × 49,5/100 × 1,5/100 = | 20.856,80 DM. |
Somit beträgt der Jahresbetrag des Ruhegeldes des Antragsgegners 8.797,01 DM (29.653,81 DM 20.856,80 DM = 8.797,01 DM). Um den Eheanteil dieses Betrages zu errechnen, ist gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a BGB der Betrag von 8.797,01 DM mit den Monaten der Betriebszugehörigkeit des Antragsgegners bis zum Eheende zu multiplizieren und dieses Produkt durch die Jahre seiner Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu dividieren. Das ergibt folgende Berechnung:
8.797,01 DM × 138 | = | 3.307,87 DM. |
---|---|---|
367 |
Somit steht fest, daß der Antragsgegner eine monatliche Anwartschaft auf eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung von 275,66 DM (3.307,87 DM: 12 = 275,66 DM) erworben hat. Gemäß § 1587 b Abs. 3 muß er in Höhe der Hälfte dieses Betrages, also in Höhe von 137,83 DM auf dem Rentenversicherungskonto der Antragstellerin Anwartschaften auf das Altersruhegeld begründen. Dazu ist nach den Tabellen Nr. 1 und 3 der Rechengrößen zur Durchführung des Versorgungsausgleichs (Nds Rpfl. 1979, 263 f.) ein Betrag von gegenwärtig (1980) 24.721,70 DM erforderlich.
Dieser Durchführung des Versorgungsausgleichs kann seitens des Antragsgegners nicht entgegengehalten werden, es hätten die noch verfallbaren Anwartschaften der Antragstellerin auf eine Versorgungsrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zu seinen Gunsten in den Wertausgleich einbezogen werden müssen. Nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB findet auf noch verfallbare Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung, zu denen die Versorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder gehört, der schuldrechtliche Versorgungsausgleich statt. Wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 23. Mai 1980 zu 10 UF 25/80 ausgeführt hat, gilt diese Regelung auch für Anwartschaften des ausgleichsberechtigten Ehegatten (so auch der 17. Zivilsenat des OLG Celle BGH FamRZ 82, 1115 FamRZ 1980, 807 f, sowie OLG Hamm NJW 1980, 2357, 2359, MünchKomm/Maier ErgBd § 1587 a Rz 220, Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts § 28 III. 4 (Fn. 9 a) und VII 5 (Fn 3 a)). Die gegenteilige Ansicht des 12. Zivilsenats (FamRZ 1980, 801, 803) und des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle (FamRZ 1980, 804) ist, wie der beschließende Senat bereits in seinem vorgenannten Beschluß ausgeführt hat, mit dem Gesetz unvereinbar.
Aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist der Antragsgegner i.S.v. § 1587 d Abs. 1 BGB außerstande, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts die von ihm geschuldeten Beiträge aufzubringen. Ihm muß deshalb antragsgemäß die ratenweise Erfüllung seiner Beitragspflicht gestattet werden. Angesichts seines Einkommens von ca. 1. 900 DM netto, seiner aus der Ehe stammenden Schulden gegenüber der ... Bank und seiner Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind kann er ohne unbillig belastet zu sein, nur monatliche Raten von 250 DM aufbringen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 93 a Abs. 1 und 97 ZPO. Dabei hat der Senat berücksichtigt, daß der Antragsgegner die Entscheidung über den Versorgungsausgleich insgesamt angefochten hat. Der Beschwerdewert ergibt sich aus § 17 a Nr. 1 GKG.
Da die Entscheidung über die Bewertung der Gesamtversorgung des Antragsgegners von grundsätzlicher Bedeutung ist, war gemäß § 621 e Abs. 2 und 546 Abs. 1 ZPO die weitere Beschwerde zuzulassen.