Amtsgericht Westerstede
Urt. v. 13.01.2023, Az.: 48 OWi 695/22

Bibliographie

Gericht
AG Westerstede
Datum
13.01.2023
Aktenzeichen
48 OWi 695/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 12542
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In der Bußgeldsache
gegen
#
Verteidiger:
#
wegen Ordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht Westerstede - Bußgeldrichter - in der öffentlichen Sitzung vom 13.01.2023, an der teilgenommen haben:
#
als der Bußgeldrichter
als Verteidiger #
- gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 226 Abs. 2 StPO wurde von der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgesehen -
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Betroffene wird wegen vorsätzlicher Nichtvorlage eines Nachweises nach § 20a Abs. 2 S. 1 IfSG zu einer Geldbuße von 250,00 € verurteilt.

Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Die in # wohnhafte Betroffene war zur Tatzeit # Jahre alt. Sie ist # und von Beruf zahnmedizinische Fachangestellte. Ausweislich ihrer weiteren freiwilligen Angaben hat sie einen # Sohn und verfügt über ein Bruttomonatseinkommen von # €; netto sind es weniger als # €.

II.

Aufgrund der Einlassung der Betroffenen und der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts der folgende Sachverhalt fest:

Die Betroffene arbeitete bereits vor und auch nach dem 15.03.2022 als zahnmedizinische Fachangestellte in der Zahnarztpraxis # in # in einer Halbtagsstelle mit 20 bis 23 Arbeitsstunden pro Woche. Anfang des Jahres 2022 erkrankte sie am Coronavirus SARS-CoV-2, was ein positiver PCR-Test vom 24.01.2022 bestätigte. Die Betroffene verfügt auch über ein EU-Genesenenzertifikat mit Gültigkeit vom 21.02.2022 bis 23.07.2022.

Am 24.05.2022 forderte das Gesundheitsamt des Landkreises Ammerland die Betroffene auf, gem. § 20a Abs. 5 S. 1 IfSG in den vom 09.03.2022 bis 31.12.2022 geltenden Fassungen (im Weiteren: § 20a IfSG a.F.) innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt seines Schreibens einen Nachweis i. S. d. § 22a Abs. 1 IfSG in den vom 09.03.2022 bis 31.12.2022 geltenden Fassungen (im Weiteren: § 22a IfSG a.F.) über eine Erstimpfung sowie innerhalb von einer weiteren Frist von 28 Tagen auch einen Nachweis über eine Zweitimpfung zu erbringen. Die Berechnung der zweiten Frist sollte hierbei ab dem Tag der verabreichten Erstimpfung zu laufen beginnen. Ebenfalls wurde mitgeteilt, dass anstatt dieses Nachweises jeweils innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt des Schreibens auch ein gültiger Genesenennachweis nach § 22a Abs. 2 IfSG a. F. durch ein mindestens 28 Tage und höchstens 90 Tage zurückliegendes positives PCR-Test-Ergebnis, ein ärztliches Zeugnis darüber, sich im dritten Schwangerschaftsdrittel zu befinden, oder ein ärztliches Zeugnis mit nachprüfbarer Diagnose, dass aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden könne, vorgelegt werden könne. Dieses Schreiben hat die Betroffene ausweislich ihrer Antwort vom 07.06.2022 (Bl. 7 VA) auch erhalten.

Vor Erlass eines Bußgeldbescheides hat das Gesundheitsamt die Betroffene mit Schreiben vom 23.06.2022 angehört. Hierauf teilte diese dem Gesundheitsamt schriftlich mit, am 05.07.2022 ein positives Corona-Schnelltestergebnis gehabt zu haben. Ein PCR-Test am 05.07.2022 lieferte jedoch ein negatives Testergebnis. Weitere Unterlagen reichte die Betroffene bis zum 09.08.2022 nicht beim Gesundheitsamt ein.

Im Bußgeldbescheid vom 09.08.2022 hat sich das Gesundheitsamt hinsichtlich der Bemessung der Höhe der Geldbuße auf die eigenen internen am 25.07.2022 verschriftlichen Bemessungsgrundsätze (Bl. 12 ff. GA) gestützt.

III.

Die Betroffene hat sich zur Sache eingelassen und den geschilderten Sachverhalt selbst eingeräumt. Insbesondere hat sie im Verhandlungstermin auf Nachfragen auch klargestellt, dass bei ihr - entgegen der vorherigen Einlassung aus dem Schriftsatz ihres Verteidigers vom 12.01.2023 - am 05.07.2022 bzw. in den nachfolgenden Tagen kein PCR-Test positiv verlief und es vielmehr zu einem negativen PCR-Testergebnis kam. Gerichtliche Zweifel an der Richtigkeit ihrer Einlassung bestehen mangels entgegenstehender Anhaltspunkte nicht.

Jedoch ist die Betroffene der Ansicht, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht des § 20a IfSG a.F. verfassungswidrig sei, da eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 spätestens nach den im November 2022 vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen wirkungslos sei, sowohl im Hinblick auf einen Infektionsschutz im Allgemeinen als auch im Hinblick auf eine Transmissionsunterbindung im Besonderen. Bereits am 07.07.2022 habe festgestanden, dass ein durch die Impfung vormals erhoffter Fremdschutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 nicht mehr bestehe.

1.

a.)

§ 73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG in den vom 12.12.2021 bis 31.12.2022 geltenden Fassungen (im Weiteren: § 73 IfSG a.F.) i.V.m. § 20a Abs. 5 S. 1 IfSG a.F. sind im Jahre 2023 weiterhin anwendbar. Gem. § 4 Abs. 4 S. 1 OWiG ist - in Ausnahme vom Grundsatz des § 4 Abs. 3 OWiG - ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Ausnahmen hiervon müssen wiederum ausdrücklich durch ein Gesetz bestimmt sein, § 4 Abs. 4 S. 2 OWiG. Ein solches Zeitgesetz liegt dann vor, wenn es entweder den Zeitpunkt seines Außerkrafttretens (von Anfang an oder später) ausdrücklich nach dem Kalender oder nach einem bestimmten zukünftigen Ereignis festlegt, oder aber dann, wenn der Gesetzgeber die gewollte zeitliche Befristung zum Ausdruck bringt, indem er ein Gesetz seinem Inhalt nach erkennbar nur vorübergehend für sich ändernde wirtschaftliche oder sonstige zeitbedingte Verhältnisse erlässt (BeckOK OWiG/Valerius, 36. Ed. 1.10.2022, OWiG § 4 Rn. 33 m.w.N.). Auch bei § 73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG a.F. i.V.m. § 20a Abs. 5 S. 1 IfSG a.F. handelt es sich aufgrund ihrer ausdrücklichen Befristung bis zum 31.12.2022, s. Art. 2 i.V.m. Art. 23 Abs. 4 Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, um Zeitgesetze. Eine Ausnahme, durch die die Nachwirkung dieser Zeitgesetze beschränkt oder abbedungen wird, ist nicht normiert.

b.)

Die Bestimmung des § 20a IfSG a.F. ist entgegen der Ansicht der Betroffenen und der Verteidigung auch nicht verfassungswidrig geworden.

Das Bundesverfassungsgericht (Im Weiteren: BVerfG) hat mit Beschluss vom 27.04.2022 die Verfassungsmäßigkeit des § 20a IfSG a.F. insoweit festgestellt, als diese Norm weder gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG noch gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verstoße. Im Übrigen seien auch die Bußgeldtatbestände in § 73 Abs. 1a Nr. 7e-7h IfSG a.F. im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden (BVerfG Beschluss vom 27.4.2022 - 1 BvR 2649/21, NJW 2022, 1999, 1999 ff.). Hierbei hat das BVerfG für die einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht die zum Zeitpunkt der Verabschiedung dieses Gesetzes Anfang Dezember 2021 verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Beurteilung von dessen Verfassungsmäßigkeit als maßgeblich betrachtet. Das BVerfG hat im Beschluss vom 27.4.2022 ausgeführt:

"Liegen der gesetzlichen Regelung prognostische Entscheidungen zugrunde, kann die Eignung nicht nach der tatsächlichen späteren Entwicklung, sondern lediglich danach beurteilt werden, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet, ob seine Prognose also sachgerecht und vertretbar war. Erweist sich eine Prognose nachträglich als unrichtig, stellt dies jedenfalls die ursprüngliche Eignung des Gesetzes nicht infrage. Die Eignung setzt also nicht voraus, dass es zweifelsfreie empirische Nachweise der Wirkung oder Wirksamkeit der Maßnahmen gibt (vgl. BVerfGE 156, 63 (140) = NJOZ 2021, 1391 Rn. 264). Allerdings kann eine zunächst verfassungskonforme Regelung später mit Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr tragen (BVerfG NJW 2022, 139 [BVerfG 01.12.2020 - 2 BvR 916/11] Rn. 186 mwN)."

Und weiter:

"Zwar ist die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung zunächst nur aus einer ex-ante-Perspektive im Hinblick auf die verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten zu beurteilen (vgl. BVerfG NJW 2022, 167 Rn. 193 - Bundesnotbremse II). Gleichwohl kann eine zunächst verfassungskonforme Regelung später mit Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr tragen (vgl. BVerfG NJW 2022, 139 Rn. 186 mwN), weil sie durch nachträgliche Erkenntnisse oder Entwicklungen erschüttert werden (vgl. auch BVerfGE 68, 287 (309) = NZA 1985, 326 [BVerfG 28.11.1984 - 1 BvR 1157/82]). Besteht dagegen eine Situation der Ungewissheit fort, weil es insbesondere auch der Wissenschaft nicht gelingt, die Erkenntnislage zu verbessern, wirkt sich dies nicht ohne Weiteres auf die verfassungsrechtliche Beurteilung des weiteren Vorgehens aus (vgl. BVerfG NJW 2022, 167 [BVerfG 19.11.2021 - 1 BvR 971/21] Rn. 177)."

Bei Zugrundelegung der vorgenannten Maßstäbe sind die bis zum Ablauf des 31.12.2022 geltenden Regelungen zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht auch bis zum Zeitpunkt ihres Außerkrattretens nicht nachträglich verfassungswidrig geworden. Dies gilt unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative auch angesichts der Tatsache, dass mit der seit der Entscheidung des BVerfG Ende April 2022 vergangenen Zeit die vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Erkenntnisse an Tragfähigkeit grundsätzlich hätten gewinnen müssen. Hier gilt bereits einschränkend, dass jedenfalls zum Teil weiterhin eine Situation der Ungewissheit fortbesteht, weil es der Wissenschaft noch nicht hinreichend gelungen ist, umfassende Erkenntnisse zu gewinnen (vgl. zur Zumutbarkeit von Gefahrabwehrmaßnahmen bei einem fortlaufendem (Infektions-)Geschehen BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 - 1 BvR 971/21, 1 BvR 1069/21, NJW 2022, 167 Rn. 176 ff.). Soweit Erkenntnisse bestehen, stützen diese nach wie vor die vom Bundesgesetzgeber mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht verfolgten Ziele des Schutzes der öffentlichen Gesundheit sowie insbesondere auch der angestrebten Transmissionsunterbindung zu Gunsten vulnerabler Gruppen (s. BTDrucks 20/188, S. 4, 30).

Auch zum Ablauf des Jahres 2022 war durch Impfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 voraussichtlich noch eine Wirksamkeit im Hinblick auf die forcierte Transmissionsunterbindung gegeben. Dies steht aufgrund der für das Gericht überzeugenden Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts (im Weiteren: RKI) als nationaler Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen, § 4 Abs. 1 S. 1 IfSG, denen im Infektionsschutz entscheidendes Gewicht zukommt (siehe BeckOK InfSchR/Winkelmüller, 15. Ed. 10.1.2023, IfSG § 4 Rn. 3 mwN zur Rspr.), fest.

Zur Wirksamkeit über die Transmission unter Omikron lässt das RKI bis heute verlautbaren, dass es bisher keine ausreichenden Daten gebe und diese bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein scheine, wobei das Ausmaß der Reduktion nicht vollständig geklärt sei. Haushaltsstudien aus Norwegen und Dänemark zeigten, dass eine Impfung auch unter vorherrschender Zirkulation der Omikron-Variante die Übertragbarkeit um ca. 6-21% nach Grundimmunisierung und nach Auffrischimpfung um weitere 5-20% reduziere. Datiert sind diese Einschätzungen auf den 13.10.2022, wobei sie mit Angabe "Stand: 15.12.2022" weiterhin als aktuell präsentiert werden (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Wirksamkeit.html, abgerufen am 13.01.2023).

Überhaupt hat das RKI sowohl in seinem Monitoring vom 07.07.2022 als auch im Monitoring vom 03.11.2022 die generelle Eignung der COVID-19-Impfung zum Infektionsschutz weiterhin bestätigt und lediglich hinsichtlich der Impfeffektivität darauf hingewiesen, dass die derzeit verfügbaren Impfstoffe mehrere Monate nach der Impfung eine asymptomatische Infektion oder milde Verlaufsform nur noch in geringem Maße verhindern könnten (Monitoring des COVID-19-Impfgeschehens in Deutschland: Monatsbericht vom 07.07.2022, S. 10 sowie Monitoring des COVID19-Impfgeschehens in Deutschland: Monatsbericht vom 03.11.2022, S. 11; ebenso auch Monitoring des COVID-19-Impfgeschehens in Deutschland: Monatsbericht vom 05.01.2023, S. 9; jeweils veröffentlicht und abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Monatsbericht-Impfung.html, abgerufen am 13.01.2023). In denselben Berichten wird für Personal in medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen, insbesondere solchen mit direktem Patienten- bzw. Bewohnerkontakt, eine berufs-/arbeitsplatzbezogene Indikationsimpfempfehlung in Form einer Grundimmunisierung und 1. Auffrischimpfung sowie 2. Auffrischimpfung sogar weiterhin ausdrücklich empfohlen. Die abweichende Darstellung der Verteidigung, die ebenfalls die RKI-Monatsberichte vom 07.07.2022 und 03.11.2022 als Quellen benennt, ist unzutreffend.

IV.

Danach war die Betroffene gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG a.F. i.V.m. §§ 20a Abs. 1, 2, 5 S. 1; 22a Abs. 1, 2 IfSG a.F.; § 4 Abs. 4 OWiG zu verurteilen.

1.

Die Betroffene musste als zahnmedizinische Fachangestellte in einer Zahnarztpraxis (vgl. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 h) IfSG a.F.), in der sie bereits vor dem 15.03.2022 arbeitete, gem. § 20a Abs. 5 S. 1 IfSG a.F. dem Gesundheitsamt auf dessen Aufforderung einen Nachweis i.S.d. § 20a Abs. 2 S. 1 IfSG a.F. erbringen. In den vom 19.03.2022 bis 16.09.2022 sowie vom 17.09.2022 bis 31.12.2022 geltenden Fassungen des IfSG war dieser Nachweis folgendermaßen definiert: ein Impfnachweis gem. § 22a Abs. 1 IfSG a.F., ein Genesenennachweis nach § 22a Abs. 2 IfSG a-F., ein ärztliches Zeugnis darüber, sich im dritten Schwangerschaftsdrittel zu befinden, oder ein ärztliches Zeugnis mit nachprüfbarer Diagnose, dass aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden könne. Trotz Aufforderung legte die Betroffene bis zum Ablauf der gesetzten Fristen beim Gesundheitsamt keinen dieser Nachweise vor.

2.

Im Fall der Betroffenen ist ein Tätigsein i.S.d. § 20a Abs. 1 IfSG a.F. auch nicht aufgrund einer teleologischen Reduktion des Begriffs "Tätigwerdens" ausgeschlossen. Wer in klarer räumlicher Abgrenzung zu den in der Einrichtung bzw. dem Unternehmen behandelten, untergebrachten oder gepflegten Personen dort tätig wird, unterfällt nicht dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nach einer Nachweispflicht (BeckOK InfSchR/Aligbe, 15. Ed. 10.1.2023, IfSG § 20a Rn. 68). Vorliegend jedoch ist die Tätigkeit der Betroffenen mit regelmäßigem direktem Kontakt mit Behandelten verbunden.

3.

Das EU-Genesenenzertifikat der Betroffenen hätte nach der Aufforderung des Gesundheitsamtes vom 24.05.2022 nicht mehr den angeforderten Nachweis zu erbringen vermocht.

Zwar wies das aufgrund eines positiven PCR-Tests vom 24.01.2022 ausgestellte EU-Genesenenzertifikat der Betroffenen eine Gültigkeit vom 21.02.2022 bis 23.07.2022 auf; der Bundesgesetzgeber hat sich im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative jedoch in § 22a Abs. 2 Nr. 2 IfSG a.F. dafür entschieden, eine Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion nicht länger als 90 Tage genügen zu lassen.

Hieran war der Gesetzgeber auch nicht durch höherrangiges Recht gehindert. Die Bundesrepublik Deutschland kann selbst bestimmen, nach welchen Voraussetzungen sie Personen als geimpft, genesen oder getestet einstuft. Sie ist hinsichtlich des Inhalts der Voraussetzungen nicht unionsrechtlich gebunden. Die bindenden Verordnungen zum EU-COVID-Zertifikat enthalten keine Vorgaben an die Mitgliedstaaten, die zur Erfüllung von Impf- bzw. Genesenennachweis eingehalten werden müssen. Im 13. Erwägungsgrund der VO (EU) Nr. 953/21 wird die national-staatliche Zuständigkeit betont. Die Bundesrepublik ist auch nicht verpflichtet, Personen, die bspw. nach französischem Recht in Frankreich als genesen gelten, in Deutschland als genesen anzuerkennen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den gem. Art. 288 UAbs. 5 AEUV unverbindlichen Empfehlungen (EU) 2022/107 der EU v. 22. 1. 2022, in welcher in Nr. 12 der Empfehlung die EU in Ausübung ihrer koordinierenden Zuständigkeit gem. Art. 168 Abs. 6 AEUV den Mitgliedstaaten Vorschläge für die Anerkennung von Impf-, Genesenen- und Testnachweisen unterbreitet (Kießling/Gallon, 3. Aufl. 2022, IfSG § 22a Rn. 22 f.; vgl. auch BeckOK InfSchR/Aligbe, 15. Ed. 10.1.2023, IfSG § 22a Rn. 106 f.).

Infolgedessen lag bereits nach Ablauf des 24.04.2022 kein gütiger Genesenennachweis der Betroffenen i.S.d. § 22a Abs. 2 Nr. 2 IfSG a.F. vor. Selbst bei Vorlage ihres EU-Genesenenzertifikats nach Aufforderung vom 24.05.2022 wäre die Betroffene mithin ihrer Nachweispflicht nicht nachgekommen.

4.

In Anbetracht der im Jahr 2022 bestehenden Möglichkeiten, bisher nicht durchgeführte Schutzimpfungen nachzuholen, waren die vom Gesundheitsamt des Landkreises Ammerland gesetzten Fristen von 14 Tagen für eine Erstimpfung und 28 weiteren Tagen nach dieser für eine Zweitimpfung auch nicht unangemessen (s. Kießling/Amhaouach/Kießling, 3. Aufl. 2022, IfSG § 20a Rn. 76).

5.

Die Betroffene hat die Ordnungswidrigkeit auch vorsätzlich verwirklicht, denn sie hat wissentlich und willentlich keinen der eingeforderten Nachweise getätigt und insbesondere auch nach dem negativen PCR-Test vom 05.07.2022 keine weiteren Bemühungen unternommen, ihrer Nachweispflicht gerecht zu werden.

V.

Die angewendete Bußgeldvorschrift sieht gem. § 73 Abs. 2 IfSG a.F. eine Geldbuße von bis zu 2.500,00 € vor.

Zugunsten der Betroffenen wurde berücksichtigt, dass sie den Verstoß gegen die Nachweispflicht weder in einer leitenden Position noch in einer Position mit Personalverantwortung begangen hat, sodass sie hierbei keine zusätzlich bestehende besondere Vorbildfunktion missachtete. Außerdem erfolgte der Verstoß sogar lediglich im Rahmen einer Halbtagsstelle, was ihn insoweit weniger schwerwiegend erscheinen lässt, als hiermit auch eine geringere Zeitspanne als bei einer Vollzeitstelle verbunden war, in der Behandelte potenziell einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen wären. Schließlich wies die Betroffene bis zum 24.04.2022 einen Genesenenstatus auf und hätte praxisintern bis zum 24.05.2022 (vgl. § 20a Abs. 4 S. 1 IfSG a.F.) Zeit gehabt, einen neuen Nachweis zu erbringen. Mithin fällt ihr Verstoß auch in dieser Hinsicht weniger stark ins Gewicht als Verstöße anderer Betroffener, die ab dem 15.03.2022 zu gar keiner Zeit über einen gültigen Nachweis verfügten.

Zulasten der Betroffenen hat das Gericht gleichwohl berücksichtigt, dass ihr Verstoß nicht lediglich fahrlässig, sondern vorsätzlich erfolgte.

Vor diesem Hintergrund erschien unter Berücksichtigung der Zumessungskriterien nach § 17 Abs. 3 OWiG, insbesondere ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse in Form eines geringen Nettomonatseinkommen, eine Geldbuße in Höhe von 250,00 € für tat- und schuldangemessen.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 465 Abs. 1 StPO.