Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 24.09.1998, Az.: 2 U 25/98

Erweckung eines unzutreffenden Anscheins durch eine entsprechende Briefkopfgestaltung; Zweigstellenverbot auch innerhalb einer überörtlichen Sozietät als Auswirkung der gesetzlich geregelten anwaltlichen Residenzpflicht; Irreführungsverbot im Rahmen einer Briefbogengestaltung

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
24.09.1998
Aktenzeichen
2 U 25/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 18324
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1998:0924.2U25.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG ... - AZ: 9 O 310/97

Fundstellen

  • Anwaltsreport 1999, 7
  • MDR 1999, 573-574 (Volltext mit amtl. LS)
  • NWB 1999, 1980
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 63-64

Prozessführer

Rechtsanwaltskammer für den ...
vertreten durch ihren Präsidenten, ...

Prozessgegner

1. den Rechtsanwalt und Notar und ...

2. den Rechtsanwalt und Notar ... ebenda,

3. die Rechtsanwältin ... ebenda,

4. den Rechtsanwalt ...

5. die Rechtsanwältin ... ebenda,

In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ...
auf die mündliche Verhandlung
vom 10. September 1998
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu je 1/5 zu tragen.

  2. 2.

    Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf DM 20.000,00 festgesetzt, jedoch beträgt der Streitwert nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen in der mündlichen Verhandlung vom 10.09.1998 lediglich 16.000,00 DM.

Gründe

1

1.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 91 a Abs. 1 ZPO). Anhand dieses Maßstabes ist es angemessen, die Beklagten mit den Kosten zu belasten, da sie ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses in der Hauptsache voraussichtlich unterlegen gewesen wären. Im einzelnen:

2

Die klagende Rechtsanwaltskammer, deren Klagebefugnis für Fallgestaltungen der vorliegenden Art aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG folgt (BGH 02.04.1998 WM 1998, 1558 ff. [BVerfG 04.06.1998 - 1 BvR 2652/95] - Zweigstellenverbot -), hätte sich bei ihrem Unterlassungsbegehren mit Erfolg auf §§ 1, 3 UWG stützen können. Denn die Beklagten haben durch die angegriffene Briefkopfgestaltung unter gleichzeitigem Verstoß gegen §§ 27 f. BRAO den unzutreffenden Anschein erweckt, daß jedes Mitglied ihrer überörtlichen Sozietät zwei Kanzleien, nämlich sowohl in ... als auch in ... unterhält. Insoweit gilt seit langem, daß mit Rücksicht auf die in § 27 BRAO geregelte anwaltliche Residenzpflicht und das in § 28 BRAO enthaltene Zweigstellenverbot auch innerhalb einer überörtlichen Sozietät jeder der hierin tätigen Anwälte nur eine einzige Kanzlei am Ort seiner Zulassung einrichten und betreiben darf und gegen die genannten Bestimmungen verstößt, wenn er den Kanzleisitz getrennt residierender Sozietätsmitglieder dazu nutzt, an diesem Ort eine zweite Kanzlei für sich einzurichten und sie i.S. eine Quasi-Niederlassung zu einem tatsächlichen zweiten Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit zu machen. Damit einhergeht das Verbot, bei Bestehen einer überörtlichen Sozietät den Anschein zu erwecken, daß die darin tätigen Rechtsanwälte jeweils zwei Kanzleien unterhalten, während in Wirklichkeit jedes Sozietätsmitglied seine Kanzlei nur an einem der in Frage kommenden Orte betreibt (BGH 18.09.1989 BGHZ 108, 290, 294 [BGH 18.09.1989 - AnwZ B 30/89]; vgl. ferner BGH 02.04.1998 WM 1998, 1558, 1559 f. [BVerfG 04.06.1998 - 1 BvR 2652/95] - Zweigstellenverbot -).

3

Hieraus ist mit Recht gefolgert worden, daß eine überörtliche Rechtsanwaltssozietät nicht vortäuschen dürfe, alle oder einzelne Sozii seien an allen Kanzleisitzen tätig und erreichbar, und daß zu diesem Zweck aus der Namensspalte im Briefbogen unmißverständlich deutlich werden müsse, welcher Anwalt wo jeweils seine Kanzlei hat (Prütting, JZ 1989, 705, 711; Brandner, GRUR 1991, 243, 244 [BGH 27.09.1990 - 2 U 87/90]; Bornkamm, WRP 1993, 643, 649). Dementsprechend ist die Briefbogengestaltung einer überörtlichen Sozietät als irreführend zu werten, wenn sie den unzutreffenden Eindruck erweckt, daß bestimmte Mitglieder der Sozietät auch am Kanzleisitz eines an einem anderen Ort tätigen Sozius residieren, ganz abgesehen davon, daß eine solche Gestaltung auch nicht dem aus §§ 27 f. BRAO folgenden Gebot genügt, die Kanzleiorte der jeweiligen Sozietätsmitglieder einer überörtlichen Kanzlei auf dem Briefbogen eindeutig hervorzuheben, um den Eindruck zu vermeiden, einzelne Anwälte einer Sozietät unterhielten - wenn auch in unzulässiger Weise - mehrere Kanzleien. Die Briefbogengestaltung wird also den Anforderungen der §§ 27 f. BRAO und des Irrefühungsverbots nach § 3 UWG nur dann gerecht, wenn sich hieraus unübersehbar und deutlich ergibt, wer der Sozietät angehört und wo, d.h. an welchen verschiedenen Orten, die jeweiligen Sozietätsmitglieder ihren Sitz haben (BGH 23.09.1992 BGHZ 119, 225, 236 ff. [BGH 23.09.1992 - I ZR 150/90] - Überörtliche Anwaltssozietät -).

4

Der bis vor kurzem von den Beklagten verwendete Briefkopf hat dem nicht genügen können, weil darin keiner der Sozietätsmitglieder einem der beiden Kanzleisitze mit der erforderlichen Bestimmtheit und Eindeutigkeit zugeordnet worden ist. Daran ändert nichts, daß bei den einzelnen Sozietätsmitgliedern die jeweiligen Zulassungen genannt worden sind. Denn die Benennung der Zulassung läßt insbesondere wegen der Möglichkeit einer Zweigstellenerrichtung nach § 28 BRAO nicht mit der notwendigen Klarheit darauf schließen, daß der Rechtsanwalt seine Kanzlei nur am Ort seiner Zulassung unterhält (BayEGH 12.05.1992 BRAK-Mitt. 1992, 224). Das gilt vorliegend um so mehr, als unter der Kopfleiste mit dem Namen der Sozietätsmitglieder beide Kanzleianschriften gleichberechtigt angegeben waren, ohne daß sich jedenfalls in sonstiger Weise die Zuordnung dieser Anschriften zu dem einen oder dem anderen Sozius aufgedrängt hätte. Für einen nicht nur unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise hat die gewählte Briefkopfgestaltung deshalb allenfalls den Eindruck erweckt, daß einzelne Sozietätsmitglieder angesichts ihrer jeweiligen Zulassung vielleicht bestimmte räumliche Tätigkeitsschwerpunkte haben, daß sie im übrigen aber ihre Kanzleien sowohl in ... als auch in ... unterhalten.

5

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die beanstandete Briefbogengestaltung, die nicht nur § 3 UWG verletzt hat, sondern wegen des darin liegenden Verstoßes gegen §§ 27 f. BRAO zugleich wettbewerbswidrig i.S.v. § 1 UWG war, geeignet gewesen, den Wettbewerb auf dem einschlägigen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Denn in den Angaben auf den Briefbögen einer Anwaltskanzlei liegt eine bedeutsame Werbemaßnahme des Rechtsanwalts. Gerade auch durch diese Werbemaßnahme, nämlich durch die in ihrem früheren Briefbogen anklingende Aussage, jeder der beteiligten Sozii unterhalte an beiden Kanzleiorten eine Kanzlei, haben sich die Beklagten einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Rechtsanwälten verschafft, die sich bei Befolgung der §§ 27 f. BRAO in der Ankündigung ihrer ständigen Erreichbarkeit auf eine einzige Kanzlei beschränkt haben (BGH 02.04.1998 WM 1998, 1558, 1560 [BVerfG 04.06.1998 - 1 BvR 2652/95] - Zweigstellenverbot -). Im übrigen haftet gerade einem Wettbewerbsverstoß der vorliegenden Art unübersehbar eine erhebliche Nachahmungsgefahr an, welche die Wesentlichkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung zusätzlich unterstreicht (vgl. OLG Celle 13.09.1995 NJW 1996, 855, 856 [OLG Celle 13.09.1995 - 13 U 150/95]; OLG Dresden 20.01.1995 WRP 1995, 328, 330; ferner auch BGH - Zweigstellenverbot -, a.a.O.).

6

Auf den von den Beklagten zuletzt noch erhobenen Einwand, die anwaltliche Berufsordnung einschließlich der dort in § 10 Abs. 3 getroffenen Regelungen zur Briefbogengestaltung stehe bislang nicht wirksam in Kraft, kommt es bei der vorstehend dargestellten Sachlage nicht an. Die insoweit zu stellenden Anforderungen lassen sich vielmehr unmittelbar aus §§ 27 f. BRAO ableiten, ohne daß es hierzu eines Rückgriffs auf § 10 Abs. 3 der Berufsordnung, die im übrigen dieselbe Aussage trifft, bedarf.

7

2.

Das Interesse der Klägerin an der begehrten Unterlassung erscheint dem Senat mit insgesamt DM 20.000,00 hinreichend bewertet, so daß der Streitwert dahingehend unter gleichzeitiger Abänderung der erstinstanzlichen Bemessung festzusetzen war. Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung bemißt sich der Streitwert nach den bis dahin angefallenen Kosten (vgl. Schneider/Herget Streitwert-Kommentar 11. Aufl. Rn 1501; Senatsbeschluß vom 08.11.1993 - 2 W 145/93).

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf DM 20.000,00 festgesetzt, jedoch beträgt der Streitwert nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen in der mündlichen Verhandlung vom 10.09.1998 lediglich 16.000,00 DM.