Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.02.1961, Az.: P OVG 9/60
Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit einer Personalratswahl; Vorliegen einer sittenwidrigen Wahlbeeinflussung; Anfechtbarkeit einer Wahl
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 03.02.1961
- Aktenzeichen
- P OVG 9/60
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1961, 10759
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1961:0203.P.OVG9.60.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Schleswig - 09.11.1960 - AZ: PVK 8/60
- nachfolgend
- BVerwG - 08.12.1961 - AZ: BVerwG VII P 5.61
Rechtsgrundlagen
- § 21 BPersVG
- § 22 BPersVG
Verfahrensgegenstand
Feststellung einer Wahlbehinderung oder -beeinflussung
In dem Rechtsstreit
hat das Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein - Fachsenat für Personalvertretungssachen -
in seiner Sitzung vom 3. Februar 1961 in ...
an der teilgenommen haben:
Senatspräsident Dr. Engelhard als Vorsitzender,
... als ehrenamtliche Beisitzer,
nach mündlicher Verhandlung
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts in Schleswig - Fachkammer für Personalvertretungssachen - vom 9. November 1960 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Bezirkspersonalrat (Bund) bei der ... wurde in der Zeit vom 7. bis 9. März 1960 neu gewählt. Es fand Gruppenwahl statt. Für die zu wählenden Vertreter der Beamtengruppe wurden 3 Wahlvorschläge, eingereicht mit den Kennworten: .... Der Antragsteller, der im Zeitpunkt der Einreichung der Wahlvorschläge bei dem Beteiligten zu 1) - ..., Bezirksverband ... e.V. - gewerkschaftlich organisiert war, wurde auf der Vorschlagsliste mit dem Kennwort "Beamte", an deren Einreichung er maßgeblich beteiligt war, in den Bezirkspersonalrat gewählt. Mit Schreiben seines Vorsitzenden vom 16. März 1960 teilte der ... Bezirksverband ... e.V. dem Antragsteller mit, daß der geschäftsführende Vorstand ihn durch Beschluß vom 9. März 1960 mit sofortiger Wirkung aus dem ... und aus dem Bezirksverband ausgeschlossen habe. Der Ausschluß wurde u.a. wie folgt begründet:
"Unser Bezirksverband hatte durch seinen Hauptvorstand am 4. Juli 1959 u.a. beschlossen, für die Wahl des Bezirkspersonalrates 1960 einen Wahlvorschlag nach näherer Weisung des Hauptvorstandes durch seinen 1. Vorsitzenden als wahlberechtigten Bediensteten i.S. des Personalvertretungsgesetzes einzubringen. Dieser Beschluß ist durch die Beratung und Beschlußfassung in der Sitzung vom 14. November 1959 bestätigt worden.
Sie haben entgegen diesem Beschluß, der Ihnen bekannt war, sich für einen konkurrierenden Wahlvorschlag zur Verfügung gestellt. Nach Ihren eigenen Äußerungen waren Sie Urheber dieses Wahlvorschlages.
Sie haben dadurch einen satzungsgemäß gefaßten Beschluß nicht beachtet und vorsätzlich gegen Ihre Mitgliedspflichten verstoßen (§ 4 Ziff. 4 Buchst. a) 2. Halbsatz der Satzung des Bez.-Verbandes).
Ihr Verhalten wiegt umso schwerer, als Sie in dem in Betracht kommenden Zeitraum 1. Vorsitzender des Ortsverbandes ... und als solcher Mitglied des Hauptvorstandes gewesen sind."
Mit am 18. Mai 1960 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 17. Mai 1960 hat der Antragsteller den Rechtsweg beschritten und vorgetragen, sein Ausschluß aus dem ... und dem Bezirksverband ... sei rechtswidrig und unwirksam und stelle darüber hinaus eine sittenwidrige Wahlbeeinflussung im Sinne von § 21 BPersVG dar, zumal der erste Vorsitzende des Bezirksverbandes bereits auf einer Ortsversammlung in ... am 4. Dezember 1959 damit gedroht habe, daß jedes Bundesmitglied, das sich auf einer anderen Liste als der des Bundes der ... als Wahlbewerber aufstellen lasse, aus dem Bund ausgeschlossen werde.
Er hat beantragt,
festzustellen, daß die Androhung des Ausschlusses und der Ausschluß selbst durch den Beteiligten zu 1) eine Wahlbehinderung oder Wahlbeeinflussung im Sinne des § 21 BPersVG ist.
Der Beteiligte zu 1) hat um
Zurückweisung des Antrages
gebeten und ausgeführt:
Soweit sich der Antragsteller gegen seinen Ausschluß aus dem Bund ... wende, handele es sich nicht um eine personalvertretungsrechtliche Streitigkeit, sondern um eine vereinsrechtliche Angelegenheit, für die der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben sei. Auch sei er - der Beteiligte zu 1) - für die beantragte Feststellung nicht passiv legitimiert und dürfe daher überhaupt nicht als Beteiligter in das Beschlußverfahren einbezogen werden. Endlich fehle es dem Antragsteller an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, weil ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 21 Abs. V BPersVG in erster Linie im Wahlanfechtungsverfahren geltend zu machen sei.
Eine Wahlanfechtung sei jedoch nicht erfolgt.
Die übrigen Beteiligten haben Keine Anträge gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat durch den am 9. November 1960 verkündeten Beschluß den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, daß ob für die vom Antragsteller begehrte verwaltungsgerichtliche Feststellung an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Eine Wahlanfechtung sei nicht erfolgt. Die vom Antragsteller von dem Gericht erbetene Entscheidung könne mithin keine Rechtswirkung mehr ausüben.
Gegen diesen dem Antragsteller am 7. Dezember 1960 zugestellten Beschluß hat dessen Prozeßbevollmächtigter am 15. Dezember 1960 Beschwerde eingelegt. Er bekämpft den angefochtenen Beschluß in erster Linie mit Rechtsausführungen und weist insbesondere darauf hin, daß er niemals die Absicht gehabt habe, die Wahl durch Anfechtung unwirksam zu machen. Mit dem von ihm begehrten Richterspruch erstrebe er vielmehr eine Präventivwirkung für alle künftigen Wahlen. Er beantragt,
ihm eingeflochten Begriffs des Verwaltungsgerichts mitzufahren das auf [XXXXX].
Der Beteiligte zu 1) beantragt:
Zurückweisung der Beschwerde.
Er hält den angefochtenen Beschluß für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Die Beteiligten wurden angehört.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Feststellungen und Schlußfolgerungen des angefochtenen Beschlusses sind zutreffend.
1.
Mit Recht hat das Erstgericht den Bund ..., Bezirksverband ... e.V., als Beteiligten in das Verfahren einbezogen. Wer im Beschlußverfahren nach § 76 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 83 ArbGG "beteiligt" ist, richtet sich nach der materiellen Rechtslage. Beteiligt und damit anhörungsberechtigt ist, wem durch ausdrückliche Vorschrift ein Antragsrecht eingeräumt ist oder wer aus sachlichen Gründen an der Entscheidung interessiert ist und damit ein rechtlich beachtliches Interesse an ihr hat (BVerwG, Beschl. v. 10.10.1957 - II CO 1.57 - BVerwGE 5 , 263 = ZBR 1958, S. 24 = DÖV 1958, S. 267 = NJW 1958, S. 475; vgl. hierzu auch Dersch-Volkmar, Anm. 2 zu § 81 und Anm. 2 zu § 83 ArbGG; Dietz, Anm. 38 zu § 76 BPersVG). Da der Antragsteller gegen den ..., Bezirksverband ... den Vorwurf der Wahlbehinderung bzw. der sittenwidrigen Wahlbeeinflussung erhoben hat, besitzt dieser aus konkretem Anlaß ein rechtlich beachtliches Interesse an der in diesem Verfahren ergehenden Entscheidung.
2.
Das Verwaltungsgericht hat auch die Zulässigkeit des Antrages mit Recht verneint, obwohl die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach § 76 Abs. 1 lit. b BPersVG an sich gegeben ist. Der Antragsteller begehrt die Feststellung, daß die Androhung seines Ausschlusses und der Ausschluß selbst durch den Beteiligten zu 1 eine Wahlbehinderung oder -beeinflussung im Sinne des § 21 Abs. 1 BPersVG ist. Diese Formulierung des Antrages läßt eindeutig erkennen, daß der Antragsteller den vermeintlichen Verstoß des Beteiligten zu 1 gegen die Vorschrift des § 21 Abs. 1 BPersVG nur in Verbindung mit der in der Zeit vom 7. bis 9. März 1960 durchgeführten Wahl des Bezirkspersonalrates (Bund) der ... erstrebt. Er erblickt in dem beanstandeten Verhalten des Beteiligten zu 1 eine Wahlbehinderung oder eine sittenwidrige Wahlbeeinflussung. Der regelmäßige Weg, derartige schwere Verstöße gegen die zum Schutz der Wahl erlassene Vorschrift des § 21 Abs. 1 BPersVG geltend zu machen, ist der der Wahlanfechtung nach §BPersVG. Hierauf weisen insbesondere Grabendorff-Windscheid, 2. Aufl., Anm. 10 b zu § 21 BPersVG zutreffend hin. Ein außerhalb der Wahlanfechtung liegendes Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers an der begehrten Feststellung ist nicht gegeben. Es haben hier die gleichen Grundsätze zu gelten, die das BVerwG in seinem Beschl. v. 23.10.1959 - VII P 14.58 - (BVerwGE 9 , 249 = AP Nr. 3 zu § 10 PersVG) für das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Feststellung der in einem Wahlverfahren streitig gewordenen Wählbarkeit entwickelt hat. Der Antragsteller hat selbst vorgetragen, daß er niemals die Absicht gehabt habe, die Wahl zum Bezirkspersonalrat anzufechten. Hierzu wäre er als einzelner Bediensteter nach § 22 BPersVG auch gar nicht legitimiert, ganz abgesehen davon, daß die 14-tägige Anfechtungsfrist verstrichen ist.
Er kann auch nicht damit gehört werden, daß es ihm darauf ankomme, "eine Präventivwirkung des von ihm begehrten Richterspruchs für alle künftigen Wahlen" zu erzielen. Eine in diesem Sinne ergehende Entscheidung würde für künftige Wahlen keiner verbindlichen materiellen Rechtskraftwirkung fähig sein (BVerwG aaO). Sollten sich daher die vom Antragsteller gerügten Verstöße bei einer künftigen Wahl wiederholen, bliebe auch dann nur der in § 22 BPersVG vorgesehene Weg der Wahlanfechtung. Es ist aber nicht Aufgabe des Gerichts, Vorgänge zu klären, die keinerlei Nachwirkungen mehr haben, bei denen die Entscheidung des Gerichts mithin keine Rechtswirkungen mehr auslösen könnte (so zutreffend Bayer. VGH, Beschl. v. 22.8.1958, ZBR 1959 S. 133; ihm folgend OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16.10.1959 - 5 A 1/59 - ZBR 1960 S. 302 = Personalvertretung 1960 S. 60 = RiA 1960 S. 108). Endlich geht auch der Hinweis des Antragstellers auf die Rechtsprechung des BVerwG fehl, wonach das Rechtsschutzbedürfnis an der Klärung einer Rechtsfrage nicht verneint werden könne, solange die Möglichkeit des wiederholten Auftretens dieser Streitfrage besteht. Die in den hierfür maßgeblichen Entscheidungen vom 20. Juni 1958 (BVerwGE 7, 140), vom 1. August 1958 (BVerwGE 7, 140) vom 1. August 1958 (ZBR 1458 S.354 Personalvertretung 1959 S.114 AP Nr. 11 zu § 31 PersVG) und vom 20. 03. 1959 (AP Nr. 1 zu § 27 PersVG) entwickelten Grundsätze stellen vielmehr darauf ab, daß erst im Laufe des Beschlußverfahrens das ursprünglich vorhanden gewesene Rechtsschutzinteresse nachträglich in Wegfall kommen kann. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Für das Begehren des Antragstellers fehlt vielmehr von vornherein das erforderliche Rechtsschutzinteresse, da beriecht in Zeit von Anprüfung der Verwaltungsfristen infolge Ablaufs der Wahlanfechtungsfrist des § 22 BPersVG dieser Weg für die Geltendmachung der vom Antragsteller gerügten Verstöße versperrt war.
Das Verwaltungsgericht hat daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des beschließenden Senats und auch mit der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers mit Recht verneint. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
3.
Für eine Kostenentscheidung ist, wie der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits wiederholt entschieden hat, im Beschlußverfahren kein Raum.
4.
Gründe, im vorliegenden Fall wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht zuzulassen (§ 76 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 91 Abs. 3 ArbGG), liegen nicht vor.