Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.04.1998, Az.: 13 W 29/98
Begrenzung zivilrechtlicher Abwehransprüche gegen verletzende Äußerungen innerhalb desselben Gerichtsverfahrens auf Fälle der Ehre und Persönlichkeit; Beziehung eines gerichtlichen Gebots zur Unterlassung bestimmter Äußerungen auf einen der Rechtsverfolgung dienenden Prozessvortrag; Möglichkeit der Verlangung der Unterlassung eines der Rechtsverfolgung dienenden Prozessvortrages bei Feststellung der Unrichtigkeit der dem Vortrag zugrunde liegenden Behauptung durch ein anderes Gericht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 02.04.1998
- Aktenzeichen
- 13 W 29/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1998, 30501
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1998:0402.13W29.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 10.02.1998 - AZ: 3 T 1/98
Rechtsgrundlage
- § 823 BGB
Fundstellen
- NJW-RR 1999, 385-386 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 1999, 13-14
Verfahrensgegenstand
Festsetzung des Ordnungsmittels
Amtlicher Leitsatz
Ein der Rechtsverfolgung dienendes Prozeßvorbringen kann regelmäßig auch dann nicht verboten werden, wenn ein anderes Gericht die Unrichtigkeit der dem Vorbringen zugrunde liegenden Behauptung festgestellt hat.
Der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 2. April 1998
beschlossen:
Tenor:
Die weitere sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluß des Landgerichts Hannover vom 10. Februar 1998 (3 T 1/98) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Wert der Beschwerde: 2.000,00 DM
Gründe
Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
I.
Die weitere sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 793, 568 Abs. 2, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässig. Da das Landgericht den Beschluß des Amtsgerichts vom 8. Dezember 1997 geändert und den Ordnungsmittelantrag zurückgewiesen hat, liegt für die Beschwerdeführerin ein neuer selbständiger Beschwerdegrund vor (vgl. Zöller/Gummer, 20. Aufl., § 568, Rdn. 7; zur Zulässigkeit der weiteren Beschwerde im Ordnungsmittelverfahren: Senat, NJW 1990, 262; OLG Frankfurt, NJW 1996, 1219 m. Nachw.). Die sofortige Beschwerde ist auch rechtzeitig innerhalb der Zweiwochenfrist eingelegt.
II.
In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg. Der Senat hält die Ausführungen des Landgerichts für zutreffend. Von einer nochmaligen Darlegung der Rechtslage wird abgesehen. Ergänzend ist im Hinblick auf die Einwände der Beschwerdeführerin auszuführen:
1.
Die Begrenzung zivilrechtlicher Abwehransprüche gegen verletzende Äußerungen innerhalb eines Gerichtsverfahrens ist nicht auf die Fälle einer Verletzung der Ehre oder des Persönlichkeitsrechts beschränkt; sie greift ebenso ein, wenn durch den Prozeßvortrag - wie im vorliegenden Fall - das wirtschaftliche Ansehen eines Beteiligten beeinträchtigt wird.
2.
Die Beschwerdeführerin verkennt den rechtlichen Zusammenhang, wenn sie einwendet, die vom Landgericht angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greife nicht ein, weil der Schuldner die beanstandete Äußerung nicht im "Ausgangsverfahren" sondern schon zu einem früheren Zeitpunkt getan habe. Jedem gerichtlichen Gebot, bestimmte Äußerungen zu unterlassen, ist die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Beschränkung immanent, daß sich das Gebot nicht auf einen der Rechtsverfolgung dienenden Prozeßvortrag bezieht (vgl. Seite 3 des angefochtenen Beschlusses mit Nachw.). Daher sind von dem Unterlassungsgebot des Urteils des Amtsgerichts Hannover vom 13. August 1996 Äußerungen zur Rechtswahrung innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nicht erfaßt und können ein Ordnungsmittel nicht rechtfertigen.
3.
Soweit die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Entscheidung BGH LM § 823 (Ah) Nr. 46 ausführt, das "Äußerungsprivileg" innerhalb gerichtlicher Verfahren gelte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht bei bewußt wahrheitswidrigen Behauptungen, trifft das nicht zu. Der Bundesgerichtshof hat diese Einschränkung lediglich in Erwägung gezogen; im Ergebnis hat er sie ausdrücklich offen gelassen (BGH a.a.O. Bl. 2 R, 3). Der Senat ist der Auffassung, daß die Unterlassung eines der Rechtsverfolgung dienenden Prozeßvortrags auch dann nicht verlangt werden kann, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein anderes Gericht die Unrichtigkeit der dem Vortrag zugrundeliegenden Behauptung festgestellt hat. Die Wahrheit des Vorbringens einer Partei muß in dem Verfahren geprüft werden, in dem es geltend gemacht worden ist (BGH, NJW 1986, 2502, 2503 [BGH 10.06.1986 - VI ZR 154/85]; NJW 1988, 1016 [BGH 13.10.1987 - VI ZR 83/87]). Da Behauptungen über Tatsachen, die die Partei selbst wahrgenommen hat, wenn sie unwahr sind, oft auch bewußt unwahr sind, hätte es eine Prozeßpartei andernfalls weitgehend in der Hand, den Prozeßvortrag durch ein Zweitgericht überprüfen zu lassen. Dies wäre mit den Erfordernissen eines sachgerechten Funktionierens der Rechtspflege nicht zu vereinbaren (vgl. Helle, GRUR 1982, 207, 218; BGH, NJW 1992, 1314, 1315) [BGH 17.12.1991 - VI ZR 169/91].
4.
Die Beschwerdeführerin meint schließlich zu Unrecht, daß es widersprüchlich sei, wenn unwahre Prozeßbehauptungen einerseits nicht mit dem Unterlassungsanspruch bekämpft werden könnten, andererseits aber eine Bestrafung wegen Prozeßbetrugs stets möglich sei. Gerade die Möglichkeit der Beteiligten, gegen bewußt unwahren Prozeßvortrag mit einer Strafanzeige oder (wenn auch beschränkt) mit Schadensersatzansprüchen vorzugehen, läßt es als sach- und interessengerecht erscheinen, daß die Parteien und betroffenen Dritten insoweit regelmäßig keine zivilrechtlichen Unterlassungsansprüche geltend machen können (vgl. BGH, LM § 1004 Nr. 58 Bl. 3; Helle, GRUR 1982, 207, 216).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Wert der Beschwerde: 2.000,00 DM